Verstoß gegen strafbewehrte Unterlassungserklärung: Vertragsstrafe?

Stellen Sie sich vor, ein Unternehmen verpflichtet sich vertraglich, künftig bestimmte wettbewerbswidrige Handlungen zu unterlassen – ein Versprechen, das nicht nur Vertrauen schaffen, sondern auch im Falle eines Verstoßes mit erheblichen finanziellen Sanktionen abgesichert werden soll. Doch was passiert, wenn dieses Versprechen gebrochen wird? Die Realität zeigt, dass hinter einer scheinbar klaren Unterlassungserklärung ein hochkomplexes rechtliches Geflecht steckt. Von der präzisen Formulierung und dem Zustandekommen des Unterlassungsvertrags über die detaillierte Auslegung des verbotenen Verhaltens bis hin zur Frage, ob der Schuldner – oder auch seine Erfüllungsgehilfen – tatsächlich schuldhaft gehandelt haben, stellt sich eine Vielzahl an Herausforderungen.
Gerade im wettbewerbsrechtlichen Kontext muss der Schutz des Gläubigers gegen unlautere Geschäftspraktiken in Einklang gebracht werden mit dem berechtigten Interesse des Schuldners, nicht übermäßig bestraft zu werden. Gleichzeitig wird deutlich, dass jede Zuwiderhandlung – ob aktiv begangen oder unterlassen (z. B. bei der Beseitigung bestehender Störungszustände) – weitreichende Folgen nach sich ziehen kann. Höchstrichterliche Entscheidungen, wie etwa die des BGH und verschiedener Oberlandesgerichte, zeigen, dass hier nicht nur der klare Wortlaut zählt, sondern auch der tatsächliche Wille der Vertragsparteien und der zugrunde liegende wirtschaftliche Kontext.
Bestehen eines Unterlassungsvertrags
Auslegung des Verbotsinhalts
Schuldner/Erfüllungsgehilfen
Zuwiderhandlung gegen Unterlassungsverpflichtung
Verschulden
Höhe der Vertragsstrafe
Verjährung
Rechtsmissbrauch
Gerichtliche Zuständigkeit
Bestehen eines Unterlassungsvertrags
Die strafbewehrte Unterlassungserklärung bildet das zentrale Element eines Unterlassungsvertrags. Hierbei verpflichtet sich ein Unternehmer gegenüber einem Dritten, ein bestimmtes Verhalten künftig zu unterlassen, und erklärt sich bereit, für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung eine vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe zu zahlen. Der Unterlassungsvertrag kommt jedoch erst dann zur Anwendung, wenn alle Voraussetzungen des Vertragsabschlusses erfüllt sind.
1. Zustandekommen des Vertrags
Die Basis eines Unterlassungsvertrags bildet die Abgabe einer klar formulierten Unterlassungserklärung. In der Regel fordert der Gläubiger – meist im Rahmen einer Abmahnung – die Abgabe einer bestimmten Erklärung, die als Angebot im Sinne des § 145 BGB zu verstehen ist. Erfüllt der Schuldner diese Forderung, gilt dies als Annahme des Angebots, wodurch ein wirksamer Vertrag zustande kommt. Weicht der Schuldner von der geforderten Formulierung ab, liegt eine Ablehnung vor, verbunden mit einem neuen Angebot gemäß § 150 Abs. 2 BGB.
Die Rechtsprechung untermauert diesen Vorgang:
Vertragsstrafen setzen voraus, dass ein wirksamer Unterlassungsvertrag zustande gekommen ist. Dafür gelten die allgemeinen Regeln des Vertragsrechts einschließlich des Rechts der allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 77/12 – Vertragsstrafenklausel).
2. Bedeutung der Unterlassungserklärung
Die Unterlassungserklärung ist mehr als nur eine formale Erklärung – sie stellt das verbindliche Versprechen dar, ein bestimmtes Verhalten künftig zu unterlassen. Nur bei schuldhafter Zuwiderhandlung, d.h. wenn der Schuldner vorsätzlich oder fahrlässig gegen dieses Versprechen verstößt, greift die Vertragsstrafe als vertragliche Sanktion. Wird der Vertrag jedoch nicht wirksam geschlossen, so kann der Gläubiger keine Vertragsstrafe geltend machen.
Hierzu verweisen mehrere Urteile:
Wenn aufgrund der Unterlassungserklärung ein Unterlassungsvertrag geschlossen wurde, kann der Gläubiger der Unterlassungserklärung vom Schuldner für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung die Vertragsstrafe fordern. Solange kein Unterlassungsvertrag geschlossen wurde, fällt die Vertragsstrafe nicht an (vgl. BGH, GRUR 2006, 878 Rn. 14 f.; GRUR 2017, 823 Rn. 12; GRUR 2010, 355 Rn. 17.
3. Vertragsstrafe als Sanktion
Die vertraglich vereinbarte Vertragsstrafe dient als abschreckende und sanktionierende Maßnahme. Sie wird fällig, wenn der Schuldner gegen seine vertragliche Verpflichtung verstößt – gleich ob vorsätzlich oder fahrlässig. Dies bedeutet, dass der Schuldner nicht nur in der Pflicht steht, sein Verhalten zu ändern, sondern auch damit rechnen muss, dass jeder Zuwiderhandlungsfall unmittelbare finanzielle Konsequenzen nach sich zieht.
Ein aktuelles Urteil des OLG Düsseldorf vom 23.11.2023 (2 U 99/22) bekräftigt:
Die Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe setzt den Abschluss eines entsprechenden Vertrages voraus, für dessen Zustandekommen die allgemeinen Vorschriften über Vertragsschlüsse gelten.
4. Besonderheiten bei Vertretung und Schwebezeit
Ein weiterer Aspekt, der bei der Prüfung des Bestehens eines Unterlassungsvertrags zu berücksichtigen ist, betrifft die Situation, in der die Unterlassungserklärung von einem Vertreter abgegeben wird. Wird diese Erklärung von einem vollmachtlosen Vertreter abgegeben und später durch den Vertretenen genehmigt, so ist entscheidend, ab welchem Zeitpunkt die vertraglichen Konsequenzen greifen.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 17.11.2014 (I ZR 97/13, Tz. 22) klargestellt, dass:
Die Genehmigung wirkt gemäß § 184 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts zurück, soweit nichts anderes bestimmt ist. Die Rückwirkung der Genehmigung führt jedoch nicht dazu, dass der andere Teil während der Schwebezeit aus dem Vertretergeschäft verpflichtet wird.
Das bedeutet:
- Während der sogenannten Schwebezeit – also dem Zeitraum zwischen Abgabe der Unterlassungserklärung durch den Vertreter und deren Genehmigung – entstehen keine unmittelbaren Rechtsfolgen, die zu einer Vertragsstrafe führen.
- Erst nach der Genehmigung kann eine schuldhafte Zuwiderhandlung des Schuldners sanktioniert werden.
Diese Regelung verhindert, dass der Schuldner bereits für Handlungen haftbar gemacht wird, die in einer unsicheren Vertretungssituation erfolgt sind.
5. Zusammenfassende Darstellung
- Vertragliches Angebot und Annahme: Der Gläubiger macht dem Schuldner ein Angebot zur Abgabe einer bestimmten Unterlassungserklärung. Gibt der Schuldner dieses Angebot annehmend ab, kommt ein Unterlassungsvertrag zustande.
- Bedingung für Vertragsstrafe: Die Vertragsstrafe als Sanktion greift ausschließlich, wenn ein wirksamer Unterlassungsvertrag besteht. Ohne diesen Vertrag entfällt auch die vertragliche Strafe.
- Vertretungsrechtliche Besonderheiten: Bei der Abgabe durch einen Vertreter und der anschließenden Genehmigung durch den Vertretenen ist der Zeitpunkt der Vertragswirksamkeit entscheidend. Zuwiderhandlungen während der Schwebezeit werden nicht mit einer Vertragsstrafe belegt.
- Rechtsprechung als Leitlinie: Urteile wie die des BGH vom 13.11.2013, OLG Düsseldorf vom 23.11.2023 und BGH vom 17.11.2014 liefern prägnante Leitlinien für die praktische Anwendung und Durchsetzung von Unterlassungsverträgen.
Die Rechtsprechung hebt also klar hervor, dass die Wirksamkeit einer strafbewehrten Unterlassungserklärung – und damit das Bestehen eines Unterlassungsvertrags – nur dann gegeben ist, wenn alle vertraglichen Voraussetzungen ordnungsgemäß erfüllt sind. Nur in diesem Fall wird der Schuldner bei einer schuldhaften Zuwiderhandlung zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Strafe herangezogen. Diese detaillierte Betrachtung zeigt, wie eng die vertragliche Bindung mit den damit verbundenen Sanktionen verknüpft ist und unterstreicht die Bedeutung der exakten Formulierung und rechtlichen Prüfung im Rahmen solcher Vereinbarungen.
Auslegung des Verbotsinhalts
1. Grundsätze der Vertragsauslegung bei Unterlassungsverträgen
1.1 Vertragsauslegung als solche – und nicht Titelauslegung
Die Auslegung strafbewehrter Unterlassungserklärungen erfolgt nach den allgemeinen Grundsätzen der Vertragsauslegung, die sich aus §§ 133, 157 BGB ergeben. Dabei ist der tatsächliche, übereinstimmende Wille der Parteien maßgeblich. Der BGH stellte in seinem Urteil vom 25. Januar 2001 (I ZR 323/98, Tz. 16 – Trainingsvertrag) klar:
Bei der Auslegung des Vertragsstrafeversprechens in einem Unterlassungsvertrag kann, sofern nichts anderes vereinbart wurde, nicht auf die Grundsätze zurückgegriffen werden, die für die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO maßgeblich sind.
Dies verdeutlicht, dass eine unterlassungsvertragliche Regelung – im Gegensatz zu einem vollstreckbaren gerichtlichen Titel – primär privatrechtlichen Charakter besitzt. Eine nachträgliche Inhaltszumessung, die über den von den Parteien vereinbarten Wortlaut hinausgeht, wäre mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit und dem Schutz des individuellen Willens (Art. 2 GG) unvereinbar.
Auch das OLG Düsseldorf bekräftigte in seinem Urteil vom 22. August 2019 (I-2 U 38/18), dass der Rückgriff auf die bei der gerichtlichen Vollstreckung üblichen Ordnungsmittelprinzipien nicht automatisch auf Unterlassungsverträge übertragbar ist. Ebenfalls stützt sich die Rechtsprechung auf die Unterscheidung zwischen privatrechtlicher Vertragsregelung und öffentlich-rechtlichen Ordnungsmitteln (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 29. August 2019, I-2 U 44/18, Tz. 59).
1.2 Ermittlung des wirklichen Parteiwillens
Maßgeblich für die Auslegung eines Unterlassungsvertrages ist nicht allein der objektive Wortlaut, sondern vor allem der wirkliche Wille der Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses. Hierbei sind neben dem Erklärungswortlaut sämtliche begleitende Umstände – etwa die Art und Weise des Zustandekommens, der wirtschaftliche Kontext, die Wettbewerbsbeziehung und die vorangegangene Korrespondenz – einzubeziehen. Der BGH betonte in seinem Urteil vom 25. Januar 2001 (I ZR 323/98, Tz. 15 – Trainingsvertrag):
Ist der Wortlaut unklar, ist der tatsächliche Wille der Parteien anhand der beiderseits bekannten Umstände zu ermitteln.
Auch in späteren Entscheidungen, beispielsweise in BGH, Urt. v. 18. Mai 2006 (I ZR 32/03, Tz. 18 ff – Vertragsstrafevereinbarung), wurde hervorgehoben, dass der objektive Erklärungsinhalt sowie sämtliche vorvertraglichen Umstände – etwa Vorverhandlungen und die Interessenlage der Parteien – in den Auslegungsprozess einfließen müssen.
2. Ermittlung von Sinn und Zweck der Unterlassungsverpflichtung
2.1 Der Wortlaut als erster Anhaltspunkt
Der primäre Anhaltspunkt bei der Auslegung ist der Wortlaut der abgegebenen Unterlassungserklärung. So stellte der BGH in seinem Urteil vom 13. Februar 2003 (I ZR 281/01, Tz. 22 ff – Hotelfotos) fest:
Maßgeblich ist der gewählte Wortlaut, da er den objektiven Parteiwillen widerspiegelt.
Ist der verwendete Sprachgebrauch eindeutig und entspricht er dem üblichen Sprachverständnis, so kommt dieser zum Tragen, ohne dass dem Erklärungswortlaut ein willkürlich erweiterter Interpretationsspielraum eingeräumt werden darf. Entscheidungen des OLG Stuttgart (z. B. OLG Stuttgart, Urt. v. 8. Oktober 2015, 2 U 40/15, Tz. 60) verdeutlichen, dass der klare, sachgerechte Wortlaut nicht zugunsten einer ex post veränderten Interessenabwägung abgeändert werden darf.
2.2 Objektiv erkennbarer Erklärungsinhalt und ergänzende Umstände
Wenn der Wortlaut allein nicht ausreicht, muss der objektiv erkennbar gewordene Erklärungsinhalt herangezogen werden. Hierbei ist insbesondere zu prüfen, welche Inhalte den Parteien bekannt waren und welche Umstände den Vertragsabschluss prägten. Der BGH hat in seinem Urteil vom 25. Januar 2001 (I ZR 323/98, Tz. 15) klargestellt:
Der objektiv erkennbar gewordene Inhalt der Erklärung ist zu berücksichtigen, wenn der Wortlaut auslegungsschwach ist.“
Auch das OLG Stuttgart (Urteil vom 8. Oktober 2015, 2 U 40/15, Tz. 61) und das OLG Nürnberg (Hinweisbeschluss vom 16. Juni 2021, 3 U 458/21, Tz. 13) führten aus, dass neben dem reinen Wortlaut auch alle beiderseits bekannten Umstände – beispielsweise die Abmahnungsschreiben, Vorverhandlungen und der wirtschaftliche Kontext – in die Interpretation einfließen müssen.
2.3 Ergänzend: Welche Sachverhalte wollten die Parteien erfassen?
Ein weiterer zentraler Punkt ist, welche konkreten und auch zukünftigen Sachverhalte die Parteien mit der Unterlassungsverpflichtung erfassen wollten. Aus der Sicht des Schuldners dient die Unterlassungsverpflichtung in erster Linie dazu, eine Wiederholungsgefahr zu vermeiden, während der Gläubiger den Schutz seines Einzelinteresses sichern will. Der BGH erläuterte in seinem Trainingsvertragsurteil (25. Januar 2001, I ZR 323/98, Tz. 15 – Trainingsvertrag), dass das Vertragsstrafeversprechen nicht nur als eine Sanktion für bereits begangene Verstöße dient, sondern auch der Prävention zukünftiger Verstöße dient. Die Literatur, etwa Regenfus (GRUR 2022, 1489), unterstreicht, dass die Parteien häufig beabsichtigen, neben dem konkret benannten Verhalten auch im Kern gleichartige Verletzungen zu erfassen – sofern dies dem beabsichtigten Zweck entspricht. Entsprechend kann sich aus dem Gesamtzusammenhang ergeben, dass nicht nur das konkret genannte Verhalten, sondern auch vergleichbare (kerngleiche) Verstöße unter die Unterlassungsverpflichtung fallen sollen.
3. Erfassung von kerngleichen Verstößen
3.1 Grundsatz der Erweiterung des Verbotsbereichs
Der Zweck einer strafbewehrten Unterlassungserklärung besteht in der Regel darin, die Wiederholungsgefahr auszuschließen. Dies schließt nicht nur den exakten, sondern auch vergleichbar gelagerte (kerngleiche) Verstöße ein. Das OLG Hamm bekräftigte in seinem Urteil vom 1. Juni 2023 (4 U 225/22, Tz. 92): Die Unterlassungsverpflichtung erfasst auch alle Handlungen, die im Kern gleichartig sind, sofern dies dem vereinbarten Schutzzweck entspricht. Auch das OLG Köln (Urteil vom 24. Mai 2017, 6 U 161/16, Tz. 56) und die Urteile des OLG Düsseldorf (z. B. vom 22. August 2019 und 29. August 2019, Tz. 59) bestätigen, dass die vertragliche Verpflichtung so ausgelegt werden muss, dass sie nicht nur die exakt benannte Verletzungshandlung, sondern auch in ihrem Kern gleichartige Verletzungshandlungen umfasst. Gleichwohl kann die Auslegung auch zu dem Ergebnis führen, dass der Geltungsbereich bewusst eng gefasst ist, wenn die Parteien dies ausdrücklich vereinbart haben – etwa durch eine besonders hohe vertragliche Sanktion, die den Handlungsspielraum des Schuldners einschränkt.
Das OLG Hamm (Urteil vom 16. Dezember 2010, 4 U 118/10) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine engere Auslegung gerechtfertigt sein kann, wenn der Gläubiger bewusst auf eine Beschränkung der Unterlassungsverpflichtung hinwirkt.
4. Unterlassung und Beseitigung – Handlungspflichten des Schuldners
4.1 Neben der reinen Unterlassung auch Pflicht zur Beseitigung
Obwohl in der Unterlassungserklärung primär das Versprechen enthalten ist, zukünftig ein bestimmtes Verhalten zu unterlassen, ergeben sich häufig ergänzende Handlungspflichten.
Der BGH hat in seinem Urteil vom 18. September 2014 (I ZR 76/13, Tz. 63 – CT-Paradies) ausgeführt: Die Verpflichtung zur Unterlassung umfasst – sofern ein andauernder Störungszustand vorliegt – auch die Pflicht zur Beseitigung, soweit dies erforderlich und zumutbar ist. Diese Auffassung stützt sich auf das Ziel, den fortdauernden Schaden nachhaltig zu beheben, so dass der Gläubiger nicht zusätzlich auf gerichtliche Maßnahmen angewiesen ist.In Fällen, in denen ein fortdauernder rechtswidriger Zustand festgestellt wird, hat der Schuldner neben der Unterlassung auch aktiv zu werden, um diesen Zustand zu beseitigen. Entscheidungen wie BGH, Urt. v. 13. November 2013 (I ZR 77/12, Tz. 26 – Vertragsstrafenklausel) und weitere Urteile des OLG Düsseldorf (z. B. vom 3. September 2015, I-15 U 119/14, Tz. 82) verdeutlichen, dass der Schuldner über den reinen Unterlassungsanspruch hinaus verpflichtet ist, alle zumutbaren Maßnahmen zur Beseitigung des Störungszustands zu ergreifen. Auch OLG Stuttgart (Urteil vom 14. Dezember 2017, 2 U 58/17, II.B.1) hebt hervor, dass die Pflicht zur Beseitigung nicht ausdrücklicher Vertragsteil sein muss, sondern sich aus dem Gesamtzweck des Unterlassungsvertrages ergibt.
4.2 Einwirkung auf Dritte und organisatorische Maßnahmen
Besonders im Internetbereich, aber auch im stationären Handel, kann es vorkommen, dass Dritte in den Verantwortungsbereich des Schuldners fallen. Der Schuldner hat – soweit er rechtlich und tatsächlich Einfluss nehmen kann – auch auf Dritte einzuwirken, um eine fortdauernde oder zukünftige Verletzung zu verhindern. So entschied das OLG Stuttgart in seinem Urteil vom 8. Oktober 2015 (2 U 40/15, Tz. 75, 77), dass der Schuldner nicht nur zur Unterlassung verpflichtet ist, sondern auch organisatorische Maßnahmen ergreifen muss, um künftige Verstöße zu vermeiden. Dies kann beispielsweise Maßnahmen wie den Rückruf von Waren oder die Überarbeitung von Werbematerialien umfassen, um zu gewährleisten, dass der fortbestehende Störungszustand unterbunden wird.
5. Zeitliche Dimension der Unterlassungsverpflichtung
5.1 Ab wann ist das Verhalten verboten (oder geboten)?
Grundsätzlich beginnt die Wirksamkeit der Unterlassungsverpflichtung mit dem Zustandekommen des Unterlassungsverpflichtungsvertrages. Das ist in der Regel a) entweder der Moment, in dem eine der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung unterzeichnet und an den Abmahner zurückgeschickt wird, oder b) der Moment, in dem der Abmahner eine eigene/modifizierte Unterlassungserklärung des Abgemahnten annimmt.
Ab diesem Zeitpunkt des wirksamen Zustandekommens des Unterlassungsverpflichtungsvertrages schuldet der Schuldner, sämtliche Handlungen zu unterlassen, die den vertraglich vereinbarten Verbotsinhalt verletzen. Dabei ist es unerheblich, ob der Schuldner zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage war, alle konkreten Umsetzungsmaßnahmen (beispielsweise die Umgestaltung eines Online-Shops) zu realisieren. Entscheidend ist, dass der Gläubiger ab Zugang der Erklärung bereits das Vertrauen darauf haben darf, dass der Schuldner alle erforderlichen Maßnahmen – auch organisatorischer Natur – ergreift.
Im Zusammenhang mit der Prüfung des Verschuldens spielt zudem die Frage, ob der Schuldner alles Zumutbare veranlasst hat, eine Rolle – was erst im Einzelfall abzuklären ist.
5.2 Bis wann gilt die Unterlassungsverpflichtung?
Unterlassungsverträge sind Dauerschuldverhältnisse. Solange keine wirksame Kündigung erfolgt, bleibt die Verpflichtung des Schuldners dauerhaft bestehen. Eine Kündigung des Unterlassungsvertrages ist nur dann möglich, wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Rahmenbedingungen wesentlich ändern und das Verhalten, das zur Abgabe der Unterlassungserklärung geführt hat, nicht mehr verboten ist. Bis zu einer solchen Kündigung ist der Schuldner an die vertraglich vereinbarte Unterlassung (und gegebenenfalls Beseitigung) gebunden. Der BGH stellte in seinem Urteil vom 13. November 2013 (I ZR 77/12, Tz. 26 – Vertragsstrafenklausel) heraus, dass die fortlaufende Geltung des Unterlassungsvertrages ein zentrales Element zur Abschreckung künftiger Verstöße darstellt. Solange also der Vertrag nicht aufgehoben oder gekündigt wird, besteht die Unterlassungsverpflichtung in vollem Umfang.
6. Zusammenfassende Betrachtung und praktische Implikationen
Die Auslegung des Verbotsinhalts strafbewehrter Unterlassungsverträge erfordert eine umfassende und vielschichtige Betrachtung:
- Vertragsauslegung als solche:
Die Interpretation stützt sich auf die allgemeinen Vorschriften der Vertragsauslegung, wobei der wirkliche Wille der Parteien – ermittelt durch den Wortlaut, den objektiv erkennbaren Erklärungsinhalt sowie die begleitenden Umstände – im Mittelpunkt steht. (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 15 ff;) - Keine Titelauslegung:
Es darf nicht ohne Weiteres auf die für gerichtliche Vollstreckung üblichen Ordnungsmittelsätze zurückgegriffen werden. (vgl. BGH, Urt. v. 25.1.2001, Tz. 16; OLG Düsseldorf, Urteile vom 22.8.2019 und 29.8.2019) - Ermittlung des Sinns und Zwecks:
Neben dem Wortlaut sind alle Umstände – insbesondere der Entstehungshintergrund und die wirtschaftlichen Interessen der Parteien – maßgeblich. (vgl. BGH, Urt. v. 18.05.2006, I ZR 32/03, Tz. 18; OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss v. 16.6.2021) - Erfassung kerngleicher Verstöße:
Der vertragliche Schutz soll nicht nur die exakte, sondern auch vergleichbare, im Kern gleichartige Verletzungen umfassen, sofern dies dem Schutzzweck dient. (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 92; OLG Köln, Urteile vom 24.5.2017) - Handlungspflichten über das Unterlassen hinaus:
Die Unterlassungsverpflichtung schließt häufig auch die Pflicht zur aktiven Beseitigung eines bereits bestehenden Störungszustandes ein – insbesondere dann, wenn der fortdauernde Zustand eine Wiederholungsgefahr nahelegt. (vgl. BGH, Urt. v. 18.09.2014, I ZR 76/13, Tz. 63;; OLG Stuttgart, Urteile vom 14.12.2017, 2 U 58/17) - Zeitliche Wirksamkeit:
Die Unterlassungsverpflichtung beginnt in der Regel mit dem wirksamen Zustandekommen des Unterlassungsverpflichtungsvertrages und besteht als Dauerschuldverhältnis zeitlich unbefristet ("lebenslänglich") fort, bis sie durch Kündigung oder Aufhebung beendet wird. (vgl. BGH, Urt. v. 13.11.2013, I ZR 77/12)
Schuldner/Erfüllungsgehilfen
1. Schuldner einer Unterlassungserklärung
1.1 Persönliche Haftung des Schuldners
Der Schuldner einer Unterlassungserklärung ist die Person, die sich persönlich zur Unterlassung eines bestimmten Verhaltens verpflichtet hat. Das heißt, allein aufgrund seiner abgegebenen Erklärung haftet er im Falle eines Verstoßes – gleichgültig, ob dieser vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde. Diese persönliche Verpflichtung ist der Ausgangspunkt für alle weiteren Haftungsüberlegungen.
1.2 Haftung für Erfüllungsgehilfen
Der Schuldner haftet grundsätzlich auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen. Dies folgt aus § 278 BGB, wonach der Schuldner für das Verschulden von Personen, die in seinem Auftrag tätig werden, in gleichem Umfang haftet wie für eigenes Verschulden. Der BGH hat in seinem Urteil vom 4. Mai 2017 (I ZR 208/15, Tz. 20 – „Luftentfeuchter“) klargestellt:
Der Schuldner einer vertraglichen Unterlassungsverpflichtung haftet zunächst für eigenes Verschulden. Außerdem haftet er nach § 278 BGB für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen.
Erfüllungsgehilfen im Detail
Ob jemand als Erfüllungsgehilfe anzusehen ist, bemisst sich an den tatsächlichen Gegebenheiten. Entscheidend ist, ob die betreffende Person mit dem Willen des Schuldners und zur Erfüllung seiner Verpflichtung als Hilfsperson tätig wird. Dabei steht die unternehmerische Selbständigkeit der Hilfsperson nicht dem Status als Erfüllungsgehilfe entgegen. So hatte der BGH bereits in den GRUR-Urteilen (vgl. BGH, GRUR 1985, Rn. 1065 ff.; BGH, GRUR 1988, Rn. 561 ff.) ausgeführt, dass auch externe Dienstleister wie Werbeagenturen oder Verlagsunternehmen – die der Schuldner für seine Werbung beauftragt – als Erfüllungsgehilfen in Betracht kommen, sofern sie bei der Erfüllung der unterlassungsbezogenen Verpflichtung als Hilfsperson tätig werden. Diese Auffassung wurde weiter bestätigt, etwa durch das OLG Frankfurt (Urteil vom 23. November 2017, 6 U 197/16, II.1.c.cc), das festhielt, dass grundsätzlich jeder, der nach den tatsächlichen Gegebenheiten mit dem Willen des Schuldners bei der Vertragserfüllung als Hilfsperson tätig wird, als Erfüllungsgehilfe zu qualifizieren ist.
Zugleich stellte der BGH im Urteil vom 4. Mai 2017 (I ZR 208/15, Tz. 22) klar, dass Händler auf nachgelagerten Vertriebsstufen – selbst wenn sie unter verlängertem Eigentumsvorbehalt agieren – nicht als Erfüllungsgehilfen des ursprünglichen Lieferanten anzusehen sind, da der Eigentumsvorbehalt primär der Sicherung von Lieferantenkrediten dient.
2. Mehrere Schuldner einer Unterlassungserklärung
Wenn mehrere Personen eine Unterlassungserklärung abgeben – beispielsweise wenn sowohl eine Gesellschaft als auch deren Geschäftsführer als Schuldner auftreten – muss zunächst geklärt werden, in welchem Verhältnis diese Verpflichteten zueinander stehen.
2.1 Grundsatz
Grundsätzlich haften mehrere Schuldner bei einer gemeinsamen Unterlassungserklärung nebeneinander. Das bedeutet, dass grundsätzlich jeder Schuldner für seinen eigenen Anteil und im Rahmen einer Gesamtschuld für den gemeinschaftlichen Verstoß verantwortlich gemacht werden kann. Der BGH hat in seinem Urteil vom 8. Mai 2014 (I ZR 210/12, Tz. 55 ff – „fishtailparka“) sowie im Urteil vom 17. Juli 2008 (I ZR 168/05, Tz. 42 – „Kinderwärmekissen“) festgestellt, dass mehrere Schuldner in der Regel gesamtschuldnerisch haften. Dies bedeutet, dass der Gläubiger grundsätzlich nicht von jedem Schuldner einzeln die volle Vertragsstrafe fordern kann, sondern nur den Gesamtschuldnerstatus in Anspruch nehmen kann. Wird allerdings ein Verstoß von einzelnen Schuldnern separat begangen, so haftet in diesem Fall nur derjenige oder die Gruppe von Schuldnern, die tatsächlich den jeweiligen Verstoß zu verantworten haben.
2.2 Gesellschaft und Organ (Vorstand/Geschäftsführer)
Im Falle einer juristischen Person, wie etwa einer GmbH oder AG, wird der Schuldner häufig als die Gesellschaft selbst angesehen. Die Haftung für Handlungen der Organe (Geschäftsführer oder Vorstand) wird dabei grundsätzlich der Gesellschaft zugerechnet, sofern deren Handeln als ihr Verschulden im Sinne von § 31 BGB zu qualifizieren ist. So hat der BGH in seinem Beschluss vom 12. Januar 2012 (I ZB 43/11, Tz. 7 ff.) dargelegt:
Das schuldhafte Handeln des Organs, das der juristischen Person gemäß § 31 BGB zuzurechnen ist, begründet deren Verstoß, ohne dass zusätzlich Ordnungsmittel gegen das Organ festzusetzen wären. Damit wird verhindert, dass ein und derselbe Verstoß doppelt sanktioniert wird – einmal gegen die Gesellschaft und einmal gegen das verantwortliche Organ. Weiterhin betont die Rechtsprechung, dass der Sinn strafbewehrter Unterlassungserklärungen darin besteht, einen gerichtlichen Unterlassungstitel zu ersetzen. Daher darf es nicht dazu führen, dass der zur Gesellschaft gehörende Geschäftsführer im Wege des Schuldbeitritts schlechter gestellt wird als bei einem gerichtlichen Urteil. In der Praxis wird daher häufig davon ausgegangen, dass bei einem der Gesellschaft zurechenbaren Verstoß des Organs nur eine einzige Vertragsstrafe anfällt. Das OLG Köln (vgl. Urteil vom 21. September 2012, 6 U 106/12, Tz. 11 f., bereitgestellt vom Justizportal Nordrhein-Westfalen) unterstreicht diese Auffassung. Ebenfalls zitiert werden hierzu auch die Urteile des BGH (vgl. Urt. v. 25.1.2001, I ZR 323/98 – Trainingsvertrag; Urt. v. 18.5.2006, I ZR 32/03, Tz. 21 – Vertragsstrafevereinbarung).
2.3 Gesellschaft und Gesellschafter
Hingegen haftet ein Gesellschafter einer juristischen Person grundsätzlich nicht für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft, da er nur ein wirtschaftliches Interesse an der Gesellschaft hat und nicht als Schuldner der juristischen Person in Erscheinung tritt. Bei Personengesellschaften (wie der OHG oder GbR) haftet der Gesellschafter allerdings persönlich und unbeschränkt, sofern er als solcher gilt. Der BGH stellte im Urteil vom 20. Juni 2013 (I ZR 201/11, Tz. 11 ff – „Markenheftchen II“) klar, dass die persönliche Haftung der Gesellschafter auf den Bestand der Gesellschaftsschuld bezogen ist. Dies bedeutet, dass eine mit der Gesellschaft deckungsgleiche Verpflichtung der Gesellschafter nicht automatisch besteht. Der Gläubiger kann also in der Regel nur die von der Gesellschaft geschuldete Leistung einfordern, während ein Gesellschafter für sich allein nicht unmittelbar für die strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung haftbar gemacht werden kann, sofern er nicht zusätzlich als Vertragspartner auftritt.
3. Beauftragtenhaftung
Die Beauftragtenhaftung gemäß § 8 Abs. 2 UWG bezieht sich grundsätzlich auf die Haftung im gesetzlichen Unterlassungsanspruch. Für vertragliche Ansprüche, insbesondere im Rahmen strafbewehrter Unterlassungsverträge, ist hingegen § 278 BGB maßgeblich.
Das OLG Frankfurt (Urteil vom 23. November 2017, 6 U 197/16, II.1.c.cc) hat dargelegt, dass ein Verstoß gegen eine Unterlassungserklärung nicht über die Beauftragtenhaftung dem Schuldner zugerechnet werden kann, da diese Regelung ausschließlich den gesetzlichen Unterlassungsanspruch betrifft. Teplitzky und Schaub (31. Auflage, 20. Kapitel, Rn. 15) bestätigen, dass für vertragliche Ansprüche immer die Haftung nach § 278 BGB maßgeblich ist. Das bedeutet, dass der Schuldner für das Verschulden seiner Beauftragten – im Sinne von Erfüllungsgehilfen – gesamtschuldnerisch haftet, nicht aber über eine zusätzliche Beauftragtenhaftung im Sinne des UWG.
Zusammenfassung
- Persönliche Haftung:
Der Schuldner haftet als jenige Person, die sich persönlich zur Unterlassung verpflichtet hat. Verstöße gegen die Unterlassungserklärung ziehen bei eigenem Verschulden die vertraglich vereinbarte Sanktion nach sich. - Erfüllungsgehilfen:
Der Schuldner haftet gemäß § 278 BGB auch für das Verschulden seiner Hilfspersonen. Dabei ist entscheidend, ob diese mit dem Willen des Schuldners zur Vertragserfüllung tätig werden – was selbst bei unternehmerisch unabhängigen Dienstleistern wie Werbeagenturen oder Verlagsunternehmen der Fall sein kann (vgl. BGH, GRUR 1985/1988). Händler im nachgelagerten Vertrieb gelten hingegen nicht als Erfüllungsgehilfen. - Mehrere Schuldner:
Bei gemeinschaftlich abgegebenen Unterlassungserklärungen haften die Beteiligten grundsätzlich gesamtschuldnerisch, wobei für den Fall eines Verstoßes die Haftung unter Berücksichtigung des Gesamtschuldnerprinzips zu beurteilen ist (vgl. BGH, Urt. v. 8.5.2014; v. 17.7.2008). - Gesellschaft und Organ:
Handelt es sich um eine juristische Person, wird das Verhalten ihrer Organe der Gesellschaft zugerechnet, sodass im Falle eines durch das Organ begangenen Verstoßes nur eine Vertragsstrafe erhoben wird – eine doppelte Sanktionierung des Geschäftsführers ist unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 12.1.2012; OLG Köln, vgl. Urteil vom 21.9.2012). - Gesellschaft und Gesellschafter:
Gesellschafter haften grundsätzlich nicht persönlich für die Verbindlichkeiten der juristischen Person, es sei denn, sie haften als natürliche Personen bei Personengesellschaften. Eine mit der Gesellschaft deckungsgleiche Verpflichtung der Gesellschafter ist bei Unterlassungspflichten in der Regel nicht gegeben (vgl. BGH, Urt. v. 20.6.2013). - Beauftragtenhaftung:
Für vertragliche Ansprüche im Zusammenhang mit Unterlassungserklärungen ist die Haftung des Schuldners für seine Hilfspersonen über § 278 BGB zu beurteilen. Die Beauftragtenhaftung im Sinne des UWG findet hier keine Anwendung (vgl. OLG Frankfurt, Urteile; Teplitzky/Schaub).
Zuwiderhandlung gegen Unterlassungsverpflichtung
1. Jede Zuwiderhandlung verpflichtet zur Zahlung einer Vertragsstrafe
Grundsätzlich verpflichtet jede schuldhafte Zuwiderhandlung gegen die abgegebene Unterlassungserklärung den Schuldner zur Zahlung der vereinbarten Vertragsstrafe. Dies folgt aus dem vertraglich vereinbarten Strafbewehrungsversprechen, das – wie ausdrücklich formuliert – für „jeden Fall der Zuwiderhandlung“ gilt. Dabei ist jedoch immer zu beachten, dass die konkrete Ausgestaltung der Vertragsstrafe, insbesondere deren Höhe und kumulative Wirkung, im Lichte des Sinns und Zwecks der Parteien auszulegen ist. So hat der BGH im Trainingsvertragsurteil (25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 20 ff) klargestellt, dass grundsätzlich jede Zuwiderhandlung grundsätzlich zur Vertragsstrafe führt, wobei die genaue Anzahl der als eigenständige Verstöße zu wertenden Handlungen einer Einzelfallprüfung unterliegt.
2. Anzahl der Verstöße – Kriterien der Auslegung
Die Frage, ob ein Verstoß als einzelne Zuwiderhandlung oder als Teil einer natürlichen Handlungseinheit zu werten ist, bestimmt maßgeblich, wie oft die Vertragsstrafe – im Falle mehrerer Verstöße – zu zahlen ist. Dabei sind folgende Aspekte zu berücksichtigen:
2.a. Frage der Vertragsauslegung
i. Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung
Nach dem Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung ist der Wortlaut des Vertrags zwar maßgeblich, er darf aber nicht starr isoliert betrachtet werden. Vielmehr ist zu berücksichtigen, welchen Zweck die Parteien mit dem Unterlassungsvertrag verfolgten.
Der BGH (25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 20 ff – Trainingsvertrag) hat hierzu ausgeführt, dass es nicht dem gemeinsamen Interesse beider Vertragsparteien entspricht, eine starr kumulative Sanktionierung vorzusehen, wenn einzelne Vergehen in engem Zusammenhang stehen. Ebenso betont der BGH in seinen GRUR-Urteilen (vgl. BGH GRUR 2015, 1021 Rn. 29 – Kopfhörer-Kennzeichnung), dass der Sinn des Vertragsstrafeversprechens unter Umständen eine Zusammenfassung mehrerer gleichartiger Verstöße nahelegt.
ii. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung
Wird ausdrücklich vereinbart, dass „für jeden Fall der Zuwiderhandlung“ eine Vertragsstrafe zu zahlen ist, so besteht grundsätzlich die Verpflichtung, im Falle eines jeden eigenständigen Verstoßes die Strafe zu entrichten. Allerdings bedeutet dies nicht, dass jede kleinste, isolierte Tat unabhängig von ihrem Kontext sanktioniert werden muss. Vielmehr wird die Frage, ob einzelne Vergehen als separate Zuwiderhandlungen zu behandeln sind, anhand des Gesamtzusammenhangs der Handlungen zu beurteilen sein.
2.b. Natürliche Handlungseinheit
Der Begriff der „natürlichen Handlungseinheit“ dient dazu, mehrere Einzelakte, die in ihrem räumlich-zeitlichen Zusammenhang so eng miteinander verbunden sind, als einen einheitlichen Zuwiderhandlungsfall zu werten. So hat der BGH in seinem Beschluss vom 17.12.2020 (I ZB 99/19, Tz. 21) ausgeführt, dass wenn die Einzelakte – sei es aufgrund ihrer äußeren Erscheinung oder des zugrunde liegenden Willensentschlusses – als ein zusammenhängender Verstoß erkennbar sind, nur eine Vertragsstrafe auszusprechen ist. Auch das OLG Hamm (Urteile vom 24.11.2022, 4 U 170/21, Tz. 99 sowie vom 1.6.2023, 4 U 225/22, Tz. 111) und das Urteil „Kinderwärmekissen“ des BGH (17.7.2008, I ZR 168/05, Tz. 38) bestätigen, dass eine Zusammenfassung zu einer natürlichen Handlungseinheit dem Gerechtigkeitsgedanken entspricht, sofern keine neuen, separaten Handlungsentschlüsse vorliegen.
2.c. Keine natürliche Handlungseinheit
Liegt jedoch zwischen den einzelnen Handlungen ein neuer, eigenständiger Entschluss des Schuldners vor – etwa durch sprachlich geringfügige, aber inhaltlich wesentliche Änderungen –, so werden diese Verstöße nicht als eine natürliche Einheit zusammengefasst.
Der BGH hat in seinem Beschluss vom 17.12.2020 (I ZB 99/19, Tz. 24–25) betont, dass bereits geringfügige Veränderungen, die einen neuen Handlungsentschluss erkennen lassen, zu einer separaten Zuwiderhandlung führen.
2.d. Zuwiderhandlung in verschiedenen Medien / auf mehreren Websites
Verstöße, die auf unterschiedlichen Plattformen oder Websites erfolgen, sind dann in der Regel als eigenständige Zuwiderhandlungen zu qualifizieren, wenn für Dritte nicht erkennbar ist, dass die einzelnen Veröffentlichungen als eine zusammenhängende Handlung zu werten sind.
Das OLG München (Urteil vom 23.10.2014, 29 U 2626/14, II.2.c) hat hierzu ausgeführt, dass gleichzeitige Verstöße auf verschiedenen Websites, z. B. im eigenen Onlineshop und auf eBay, als separate Zuwiderhandlungen zu behandeln sind, sofern die Veröffentlichungen nicht in einem natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden können.
2.e. Zeitlich versetzte Verstöße
Mehrere Verstöße, die zeitlich versetzt erfolgen, können ebenfalls jeweils als separate Zuwiderhandlungen gewertet werden, sofern zwischen den einzelnen Taten ein neuer, eigenständiger Entschluss vorliegt. Das OLG Hamm (Urteil vom 18.09.2012, I‑4 U 105/12, Tz. 75) stellte fest, dass zeitlich auseinanderliegende Verstöße in der Regel nicht zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden können, wenn der Schuldner in den intervenierenden Zeiträumen die Möglichkeit hatte, sein Verhalten zu ändern.
2.f. Fortsetzungszusammenhang
Der Begriff des Fortsetzungszusammenhangs ist im Rahmen von Unterlassungsverträgen umstritten, da ein bürgerlich-rechtlicher Rechtsbegriff der „Fortsetzungstat“ nicht pauschal angewendet werden kann. Der BGH hat in seinem Trainingsvertragsurteil (25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 17) sowie in weiteren Entscheidungen (vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2012, I ZR 169/10, Tz. 32 – Einwilligung in Werbeanrufe II) betont, dass die Frage, ob mehrere Verstöße zu einer rechtlichen Einheit zusammenzufassen sind, immer eine Einzelfallprüfung unter Berücksichtigung des konkreten Vertragsinhalts erfordert.
3. Verstöße durch unterlassenes Handeln (Folgenbeseitigung)
Wer sich zur Unterlassung verpflichtet hat, muss nicht nur künftig das beanstandete Verhalten unterlassen, sondern im Fall eines bereits eingetretenen Störungszustandes auch aktiv werden, um dessen Folgen zu beseitigen. Dies bedeutet, dass nicht nur die Wiederholung der unzulässigen Handlung unterbleiben muss, sondern auch bestehende, rechtsverletzende Inhalte (z. B. Broschüren, Plakate oder Onlineinhalte) zu entfernen sind. Der Umfang der Beseitigungspflicht richtet sich nach der konkreten Vereinbarung zwischen den Parteien. So stellte das OLG Frankfurt (Urteil vom 23.11.2017, 6 U 197/16, II.1.b) fest, dass die Unterlassungsverpflichtung bei Dauerhandlungen – bei denen ein fortdauernder Störungszustand vorliegt – in der Regel auch die Pflicht umfasst, alle zumutbaren Maßnahmen zur Beseitigung des Störungszustandes zu ergreifen.
Entsprechend muss der Schuldner auch auf Dritte einwirken, deren Handeln er nicht direkt steuern kann, um zu verhindern, dass die unzulässigen Inhalte fortbestehen oder wiederholt werden.
4. Einzelfälle – Besonderheiten im Internet
Im Internet ergeben sich besondere Herausforderungen bei der Auslegung von Zuwiderhandlungen gegen Unterlassungsverpflichtungen. Beispielsweise muss ein Schuldner, der sich zur Unterlassung bestimmter Werbeaussagen verpflichtet hat, nicht nur bei seinem Vertragspartner (z. B. booking.com) aktiv werden, sondern auch eigenständig in gängigen Suchmaschinen (z. B. Google) recherchieren, ob unzulässige Inhalte – etwa die Verwendung einer 4‑Sterne-Kennzeichnung – erscheinen. Das OLG Dresden (Urteil vom 24.04.2018, 14 U 50/18, II.1.a) hat festgestellt, dass der Schuldner im Internet auch bei Suchmaschinen und anderen relevanten Plattformen aktiv auf die Löschung einschlägiger Einträge hinwirken muss.
Hierbei sind insbesondere die komplexen Strukturen des Internets sowie das Vorliegen von Inhalten auf verschiedenen Websites und in unterschiedlichen Medien zu berücksichtigen, sodass eine differenzierte Einzelfallprüfung erforderlich ist, um festzustellen, ob und in welchem Umfang einzelne Verstöße vorliegen.
Zusammenfassende Darstellung
- Grundsatz der Vertragsstrafe:
Jede schuldhafte Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung führt grundsätzlich zur Zahlung der vertraglich vereinbarten Vertragsstrafe.
(vgl. BGH, 25.1.2001, I ZR 323/98, Tz. 20 ff) - Auslegung der Mehrfachverstöße:
- Interessengerechte Auslegung: Die Vertragsparteien haben im Sinne einer beiderseits interessengerechten Auslegung nicht starr jede einzelne Tat sanktionieren wollen (vgl. BGH, 25.1.2001, I ZR 323/98; BGH, 9.7.2015, I ZR 224/13)
- Natürliche Handlungseinheit: Liegen eng zusammenhängende Verstöße vor, können diese als eine Einheit gewertet werden, sodass nur eine Vertragsstrafe fällig wird (vgl. BGH, Beschl. 17.12.2020, I ZB 99/19; OLG Hamm, Urteile vom 24.11.2022 und 1.6.2023).
- Keine natürliche Einheit: Neue, eigenständige Handlungsentschlüsse oder Verstöße auf verschiedenen Plattformen (z. B. verschiedene Websites) werden als separate Zuwiderhandlungen betrachtet (vgl. BGH, Beschl. 17.12.2020, I ZB 99/19; OLG München, 23.10.2014, 29 U 2626/14).
- Zeitlich versetzte Verstöße und Fortsetzungszusammenhang: Hier ist eine Einzelfallprüfung erforderlich – je weiter die Verstöße zeitlich auseinanderliegen, desto eher sind sie als einzelne Taten zu werten (vgl. OLG Hamm, 18.09.2012, I‑4 U 105/12; BGH, 25.10.2012, I ZR 169/10).
- Verstöße durch unterlassenes Handeln (Folgenbeseitigung):
Neben aktiven Handlungen kann der Schuldner auch für das Unterlassen der Beseitigung eines fortdauernden Störungszustandes zur Zahlung der Vertragsstrafe herangezogen werden. Er muss – soweit zumutbar – alle rechtswidrigen Inhalte beseitigen und auch auf Dritte einwirken, um weitere Verstöße zu verhindern (vgl. OLG Frankfurt, 23.11.2017, 6 U 197/16). - Besonderheiten im Internet:
Aufgrund der dezentralen und mehrschichtigen Struktur des Internets ist der Schuldner verpflichtet, nicht nur bei bekannten Vertragspartnern, sondern auch über Suchmaschinen und diverse Plattformen eigenständig zu prüfen, ob unzulässige Inhalte veröffentlicht werden (vgl. OLG Dresden, 24.04.2018, 14 U 50/18).
Verschulden
1. Verschulden als Voraussetzung der Vertragsstrafeverwirkung
Eine zentrale Voraussetzung für die Verwirkung der vertraglich vereinbarten Strafzahlung ist das Verschulden des Schuldners. Das bedeutet:
- Nur schuldhafte Zuwiderhandlungen führen zur Vertragsstrafe.
- Ist der Schuldner nicht schuldhaft, etwa weil er alle ihm Zumutbaren getan hat, um einen Verstoß zu vermeiden, so entfällt grundsätzlich die Haftung.
So lautet die grundlegende Formulierung:
„Eine Vertragsstrafe muss nur zahlen, wer schuldhaft gegen eine Unterlassungserklärung verstößt.“
Diese Grundsätze finden ihre Bestätigung in mehreren höchstrichterlichen Entscheidungen, wie etwa im Urteil des OLG Celle vom 29.1.2015 (13 U 58/14, Tz. 18).
Zudem wird in der Literatur (z. B. Brüning in Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig UWG, § 12 Rn. 224 sowie Bornkamm in Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.152) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verwirkung der Vertragsstrafe grundsätzlich das Vorliegen von Verschulden voraussetzt.
2. Verschuldensbezug und Vermutung
2.1 Vermutung des Verschuldens bei Zuwiderhandlungen
Ist eine Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungserklärung festzustellen, so wird das Verschulden des Schuldners im Rahmen des Vertragsstrafeversprechens – insbesondere bei fahrlässigen Verstößen – in der Regel vermutet. Dies entspricht auch den allgemeinen Vorschriften, etwa nach § 339 Satz 1 und § 286 Abs. 4 BGB. So heißt es beispielsweise im Urteil des BGH vom 4.5.2017 (I ZR 208/15, Tz. 33 – „Luftentfeuchter“), dass für die Verwirkung der Vertragsstrafe das Verschulden vorausgesetzt sein muss. Ebenso finden sich in den Entscheidungen des KG (Beschluss vom 21.6.2021, 5 U 3/20, Tz. 22) sowie des OLG Düsseldorf (Urt. v. 17.3.2016, 15 U 64/15, Tz. 16) entsprechende Ausführungen.
2.2 Darlegungs- und Beweislast
Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen von Verschulden liegt beim Schuldner. Das heißt, der Schuldner muss nachweisen, dass er alles Zumutbare getan hat, um den Zuwiderhandlungstatbestand zu vermeiden. Dies hat das Landgericht – wie auch der BGH in seinem Urteil vom 17.7.2008 (I ZR 168/05, Tz. 35 – „Kinderwärmekissen“) sowie im Urteil vom 10.6.2009 (I ZR 37/07, Tz. 26 mwN – „Unrichtige Aufsichtsbehörde“) – bestätigt. Auch das OLG Schleswig (Urt. v. 9.3.2022, 6 U 36/22, Tz. 30) betont, dass der Schuldner die Beweislast für mangelndes Verschulden trägt.
3. Strenger Sorgfaltsmaßstab und Organisationsverschulden
Im Rahmen der Bewertung des Verschuldens gelten sehr strenge Anforderungen.
- Strenger Sorgfaltsmaßstab:
Für das Verschulden gelten die gleichen Anforderungen wie im Kontext des § 890 ZPO. Dies bedeutet, dass der Schuldner alles Zumutbare unternehmen muss, um künftige Verstöße zu vermeiden – etwa durch wirksame organisatorische Vorkehrungen zur Kontrolle der Einhaltung der Unterlassungspflicht (vgl. Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig/Brüning, § 13a UWG Rn. 33). - Organisationsverschulden:
Geschieht es, dass der Schuldner nicht alle zumutbaren Maßnahmen ergreift – um beispielsweise sicherzustellen, dass wettbewerbswidrige Werbemittel vernichtet und verbotene Anzeigen nicht mehr erscheinen –, liegt ein Organisationsverschulden vor.
Das OLG Frankfurt (Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22) hat in diesem Zusammenhang betont, dass für die Verhängung eines Ordnungsmittels (und im übertragenen Sinn auch für die Vertragsstrafe) ein für einen schuldhaften Verstoß ausreichendes Organisationsverschulden vorliegen muss).
4. Haftung der Erfüllungsgehilfen im Zusammenhang mit dem Verschulden
Die Haftung des Schuldners erstreckt sich nach § 278 BGB auch auf das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen.
- Erfüllungsgehilfe:
Jeder, der nach den tatsächlichen Gegebenheiten als Hilfsperson bei der Erfüllung der unterlassungsbezogenen Verpflichtung tätig wird, gilt als Erfüllungsgehilfe. Dabei steht die unternehmerische Selbständigkeit dieser Person der Annahme, sie sei Erfüllungsgehilfe, nicht entgegen. Der BGH hat in seinen GRUR-Entscheidungen (vgl. z. B. BGH, GRUR 1985, 1065, 1066, juris Rn. 9; sowie GRUR 2017, 823 Rn. 20 – „Luftentfeuchter“) ausgeführt, dass auch externe Dienstleister, wie eine Werbeagentur, als Erfüllungsgehilfen anzusehen sind, wenn sie zur Erfüllung der Unterlassungspflicht herangezogen werden. Ob das Werbeunternehmen von der Unterlassungspflicht Kenntnis hat, ist dabei unerheblich (vgl. BGH, Urt. v. 9.11.2011, I ZR 204/10, Tz. 12 – Touristen-Information).
Zudem wird ausdrücklich betont, dass die Haftung für Erfüllungsgehilfen im Rahmen eines Unterlassungsvertrages – sofern nicht anders vereinbart – gilt.
5. Abgrenzung zu Ordnungsmittelverfahren
Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO und für die Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung unterscheiden sich in wesentlichen Punkten:
- Während ein Ordnungsgeld eine strafähnliche Sanktion darstellt, die eine persönliche Schuld voraussetzt, dient die Vertragsstrafe als schuldrechtlich vereinbarte Leistung zur Sicherung der Vertragserfüllung und pauschalierten Schadensersatzforderung (vgl. BGH, GRUR 1985, 1065, 1066, juris Rn. 12; Beschluss vom 3.4.2014, I ZB 3/12, Tz. 11).
- Ferner wird betont, dass im Rahmen eines Unterlassungsvertrags – der als Dauerschuldverhältnis angelegt ist – der Schuldner grundsätzlich für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart wurde
(vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22).
6. Erfüllungszeit und sofortige Leistung
Nach Abschluss eines Unterlassungsvertrags ist die Unterlassungspflicht vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen „sofort“ zu erfüllen.
- Sofortige Leistung:
Dies bedeutet, dass der Schuldner – objektiv betrachtet – unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen ergreifen muss, um die vertraglich geschuldete Unterlassung zu gewährleisten.
(vgl. OLG München, Urt. v. 17.6.2021, 29 U 22/200, Tz. 32) - Dabei wird zwischen der objektiven Auffassung von „sofort“ gemäß § 271 Abs. 1 BGB und subjektiven Verzögerungsgründen unterschieden. Der Schuldner kann sich nicht darauf berufen, dass eine angemessene Vorbereitungszeit erforderlich sei, sofern diese unter objektiven Maßstäben zügig zu erledigen ist.
Zusammenfassende Schlussfolgerung
- Verschulden als Grundlage:
Die Verwirkung einer Vertragsstrafe aus einer Unterlassungserklärung setzt zwingend das Verschulden des Schuldners voraus. Dies bedeutet, dass nur schuldhaftes Verhalten – sei es vorsätzlich oder fahrlässig – zur Sanktionierung führt (vgl. OLG Celle, Urt. v. 29.1.2015, 13 U 58/14, Tz. 18; BGH, Urt. v. 4.5.2017, I ZR 208/15, Tz. 33). - Beweislast:
Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Schuldner nicht schuldhaft gehandelt hat, liegt beim Schuldner (vgl. BGH, Urt. v. 17.7.2008, I ZR 168/05, Tz. 35; OLG Schleswig, Urt. v. 9.3.2022, 6 U 36/22, Tz. 30). - Strenger Sorgfaltsmaßstab:
Der Schuldner muss alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um zukünftige Verstöße zu verhindern. Wird dieser Sorgfaltsmaßstab nicht eingehalten, liegt ein Organisationsverschulden vor, das zu einer Haftung führt (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023, 6 U 88/22). - Haftung der Erfüllungsgehilfen:
Unabhängig von seiner eigenen Person haftet der Schuldner auch für das Verschulden seiner Erfüllungsgehilfen, wobei deren unternehmerische Selbständigkeit keine Hürde darstellt (vgl. BGH, GRUR 1985/1988; BGH, GRUR 2017, 823; OLG Frankfurt, Urt. v. 19.10.2023). - Abgrenzung zu Ordnungsmitteln:
Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Ordnungsgeldes nach § 890 ZPO unterscheiden sich grundlegend von denen für die Vertragsstrafe, da Letztere ausschließlich auf vertraglicher Schuld beruht (vgl. BGH, GRUR 1985; Beschluss v. 3.4.2014, I ZB 3/12). - Sofortige Erfüllung:
Nach Abschluss eines Unterlassungsvertrags ist der Schuldner verpflichtet, seine Unterlassungspflichten „sofort“ zu erfüllen, wobei objektive Maßstäbe anzuwenden sind.
(vgl. OLG München, Urt. v. 17.6.2021, 29 U 22/200, Tz. 32)
Höhe der Vertragsstrafe
1. Bestimmte Vertragsstrafe
Wurde im Unterlassungsvertrag eine konkrete, feste Höhe der Vertragsstrafe vereinbart, so ist diese grundsätzlich verbindlich und – im Falle eines Verstoßes – vom Schuldner zu zahlen.
Eine Ausnahme bei Unternehmern kann lediglich bestehen, wenn die Parteien ausdrücklich die Anwendung des § 348 HGB abbedungen haben. In diesem Fall eröffnet sich im Verstoßfall die Möglichkeit, dass die Vertragsstrafe nach § 343 HGB herabgesetzt wird. Wird diese Möglichkeit nicht vertraglich ausgeschlossen, kann in extremen Ausnahmefällen über § 242 BGB eine Reduzierung in Betracht kommen, sofern die Summe der verwirkten Vertragsstrafen in einem außerordentlichen Missverhältnis zur Verletzungshandlung steht. So hat der BGH im Urteil vom 17. Juli 2008 (I ZR 168/05, Tz. 41 – „Kinderwärmekissen“) festgestellt, dass eine unverhältnismäßige Strafhöhe einer Herabsetzung bedarf, wenn dies dem Gebot von Treu und Glauben widerspricht.
2. Unbestimmte Vertragsstrafe
Bei einer unbestimmten Vertragsstrafe – häufig als sog. Neuer Hamburger Brauch bezeichnet – überlässt der Vertrag dem Gläubiger nach einem Zuwiderhandlungstatbestand die Bestimmung der Strafhöhe. Hierbei gelten folgende rechtliche und tatsächliche Grundlagen:
2.a. Rechtliche Grundlage
Die Bestimmung der Höhe einer unbestimmten Vertragsstrafe erfolgt grundsätzlich nach § 315 BGB. Dabei ist anzunehmen, dass im Zweifel die Leistung nach billigem Ermessen zu bestimmen ist und derjenige, der die Bestimmung vornimmt, diese in einer Erklärung gegenüber dem anderen Teil mitteilt. Ist die nach billigem Ermessen vorgenommene Bestimmung nicht der Billigkeit entsprechend, so wird diese durch das Gericht ersetzt. Dies ist insbesondere relevant, wenn sich aus den Umständen zeigt, dass die vereinbarte Strafe ein pauschalierter Schadensersatz ist und gleichzeitig der Sanktionscharakter – nämlich die Abschreckung vor weiteren Verstößen – im Vordergrund steht.
2.b. Faktoren zur Bestimmung der Höhe
Für die Bestimmung der Höhe der Vertragsstrafe sind verschiedene Faktoren maßgeblich, die sich weitgehend mit denen bei der Bemessung von Ordnungsmitteln bei gerichtlichen Unterlassungstiteln decken:
- Art und Größe des Schuldners: Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Schuldners, beispielsweise seine Umsatz- und Gewinnsituation, ist zu berücksichtigen.
- Schwere und Ausmaß der Zuwiderhandlung: Je gravierender und umfangreicher die begangene Verletzung ist, desto höher ist grundsätzlich auch die zu erhebende Vertragsstrafe.
- Gefährlichkeit für den Gläubiger: Es muss berücksichtigt werden, wie groß das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers an der Einhaltung der Unterlassungspflicht ist.
- Verschulden des Verletzers: Das Maß des Verschuldens – insbesondere bei fahrlässigen oder vorsätzlichen Verstößen – spielt ebenfalls eine Rolle.
- Funktion als pauschalierter Schadensersatz: Die Vertragsstrafe soll den dem Gläubiger entstehenden Schaden pauschal abgelten, was bei der Festlegung zu berücksichtigen ist.
Dies entspricht etwa den Ausführungen in BGH GRUR 1994 (146, 147 f. – Vertragsstrafebemessung) und weiteren Entscheidungen, beispielsweise des OLG Düsseldorf (Urteil vom 24.09.2015, I‑2 U 3/15, Tz. 145) sowie des OLG München (Urteile vom 7.11.2013, 29 U 2019/13 und vom 22.11.2019, 6 U 1331/18, II.2.b).
2.c. Billigkeitskontrolle
Bei der gerichtlichen Überprüfung der Vertragsstrafenhöhe muss das Gericht prüfen, ob die Bestimmung im Rahmen des billigen Ermessens liegt. Der Schuldner kann sich gegen die Höhe der Vertragsstrafe wehren, wenn er glaubhaft macht, dass die festgesetzte Summe in einem unangemessenen Verhältnis zur begangenen Zuwiderhandlung steht. Die Rechtsprechung – etwa der BGH im Urteil vom 30.09.1993 (I ZR 54/91 – Vertragsstrafebemessung) – und neuere Entscheidungen (vgl. OLG Karlsruhe, Urt. v. 18.12.2015, 4 U 191/14, II.4.a; KG, Beschluss v. 21.06.2021, 5 U 3/20, Tz. 31; OLG Brandenburg, Urt. v. 19.7.2022, 6 U 41/21, II.1.e) zeigen, dass die Vertragsstrafe nur soweit herabgesetzt werden darf, wie es das Ermessensprinzip von § 315 BGB in Verbindung mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zulässt. Der Bestimmungsberechtigte – in der Regel der Gläubiger – hat einen weiten Ermessensspielraum, der erst dann durch das Gericht eingegrenzt wird, wenn die festgesetzte Strafe den billigen Rahmen überschreitet.
2.d. Beweislast
Die Beweislast für die Unbilligkeit der Strafhöhe, sprich für das Vorliegen eines Umstandes, der eine Herabsetzung rechtfertigt, trifft grundsätzlich den Gläubiger. So hat das OLG München (Urteil vom 7.11.2013, 29 U 2019/13) entschieden, dass derjenige, der sich auf die Billigkeitskontrolle beruft, darlegen und beweisen muss, dass die vereinbarte Vertragsstrafe in einem unangemessenen Verhältnis zum Verstoß steht.
3. Zinsen auf die Vertragsstrafe
Die Verzinsung von Geldforderungen in zivilrechtlichen Geschäften unterliegt grundsätzlich den Regelungen des § 288 BGB.
- Normale Verzinsung:
Für Geldforderungen, an denen kein Verbraucher beteiligt ist, sieht § 288 Abs. 2 BGB einen Zinssatz von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz vor. - Vertragsstrafe:
Allerdings gilt diese Regelung nicht uneingeschränkt für Vertragsstrafeforderungen. Ansprüche aus einem Vertragsstrafeversprechen sind keine Entgeltforderungen im Sinne des § 288 Abs. 2 BGB. Vielmehr wird bei solchen Ansprüchen – gemäß § 288 Abs. 1 BGB – in der Regel ein Zinssatz von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz angewendet.
Der BGH hat im Urteil vom 17. November 2014 (I ZR 97/13, Tz. 22 – Zuwiderhandlung während Schwebezeit) festgestellt, dass diese Verzinsungsregelung grundsätzlich gilt.
Verjährung
1. Grundsätzliche Verjährungsregelungen
Ein Anspruch aus einer Unterlassungserklärung ist – als ausschließlich vertraglich begründeter Anspruch – nach den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsvorschriften (vgl. §§ 194 ff. BGB) zu behandeln.
- Regelmäßige Verjährungsfrist:
Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. - Beginn der Verjährungsfrist:
Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die Verjährungsfrist grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Dabei ist zu beachten, dass – wie der Bundesgerichtshof (BGH) in seinem Urteil vom 27.10.2022 (I ZR 141/21, Tz. 17, 20) ausgeführt hat – ein Anspruch erst dann als entstanden zu betrachten ist, wenn er erstmals geltend gemacht und im Wege der Klage durchgesetzt werden kann.
2. Fälligkeit und Verjährungsbeginn
Für die Verjährung eines vertraglichen Strafanspruchs ist nicht allein der Zeitpunkt maßgeblich, in dem die den Anspruch begründenden Tatbestandsmerkmale erfüllt sind.
- Fälligkeit als Voraussetzung:
Ein Anspruch wird erst dann verjährbar, wenn er fällig ist. Dies bedeutet, dass der Gläubiger in der Lage sein muss, seine Leistungsklage geltend zu machen. Im Falle der Unterlassungsverpflichtung – die in der Regel in einem Dauerschuldverhältnis begründet wird – tritt die Fälligkeit häufig mit der schuldhaften Zuwiderhandlung ein.
So stellt § 339 Satz 2 BGB klar:
Ist die Verpflichtung in einem Unterlassen begründet, so tritt die Vertragsstrafe mit der Zuwiderhandlung automatisch in Kraft. (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2022, I ZR 141/21, Tz. 27). - Unterschied zwischen fester und unbestimmter Vertragsstrafe:
Wird eine feste, bestimmte Vertragsstrafe vereinbart, so ist der Anspruch mit der Zuwiderhandlung sofort fällig. Anders verhält es sich bei einem Vertragsstrafeversprechen nach dem „Hamburger Brauch“, bei dem der Gläubiger erst durch Ausübung seines nach § 315 Abs. 1 und 2 BGB eingeräumten Bestimmungsrechts die konkrete Höhe festlegt – und damit auch die Fälligkeit des Anspruchs auslöst (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2022, I ZR 141/21, Tz. 32).
3. Hemmung und Beginn der Verjährung
- Hemmung der Verjährung:
Nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB kann die Verjährung durch Klageerhebung gehemmt werden, wenn der Anspruch fällig ist. Damit muss der Gläubiger – sobald er die Leistung einfordern kann – auch aktiv werden, um die Verjährung zu hemmen. Dies setzt voraus, dass der Anspruch fällig geworden ist, sodass der Gläubiger ab diesem Zeitpunkt die Möglichkeit hat, eine Leistungsklage zu erheben. - Ausübung des Leistungsbestimmungsrechts:
Bei einer unbestimmten Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch ist es unerlässlich, dass der Gläubiger sein Bestimmungsrecht innerhalb einer objektiv angemessenen Frist ausübt.
Erkennt der Schuldner nicht, ob und in welcher Höhe er eine Vertragsstrafe verwirkt hat, kann er – gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB – eine gerichtliche Klage zur Leistungsbestimmung erheben. Durch ein rechtskräftiges Gestaltungsurteil wird die Fälligkeit des Vertragsstrafeanspruchs herbeigeführt, wodurch auch der Verjährungsbeginn festgelegt wird
(vgl. BGH, Urt. v. 9.5.2012, XII ZR 79/10, sowie BGH NJW 1996, 1054 [juris Rn. 29 f.]) - Rechtssicherheit für den Schuldner:
Dem berechtigten Interesse des Schuldners, zeitnah Klarheit darüber zu erlangen, ob und in welcher Höhe er zur Zahlung der Vertragsstrafe verpflichtet wird, wird durch diese Regelung Rechnung getragen. Wird über einen längeren Zeitraum keine konkrete Vertragsstrafe festgesetzt, kann dies dazu führen, dass der Gläubiger seinen Anspruch gemäß § 242 BGB verwirkt, sofern der Schuldner darauf vertrauen durfte, dass keine Vertragsstrafe mehr geltend gemacht wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.1997, I ZR 71/95, GRUR 1998, 471 – Modenschau im Salvatorkeller).
4. Zusammenfassende Schlussfolgerungen zur Verjährung
- Verjährungsfrist:
Der Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe verjährt als vertraglicher Anspruch grundsätzlich nach drei Jahren gemäß § 195 BGB, beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch fällig wird und der Gläubiger Kenntnis von den Anspruchsbegründenden Umständen erlangt hat (vgl. § 199 Abs. 1 BGB). - Fälligkeit ist Voraussetzung:
Ein Anspruch entsteht erst mit der Fälligkeit, d. h. wenn der Gläubiger in der Lage ist, seine Leistungsklage zu erheben. Dies ist bei festen Vertragsstrafen in der Regel sofort mit der Zuwiderhandlung der Fall, während bei unbestimmten Vertragsstrafen das Bestimmungsrecht des Gläubigers maßgeblich ist (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2022, Tz. 27 ff) - Hemmung durch Klageerhebung:
Sobald der Anspruch fällig ist, kann der Gläubiger die Verjährung durch Erhebung einer Leistungsklage gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB hemmen, wodurch der Verjährungsbeginn festgelegt wird. - Unbestimmte Vertragsstrafe und Klage zur Leistungsbestimmung:
Wird die Vertragsstrafe nach Hamburger Brauch vereinbart, so wird der Anspruch erst mit der verbindlichen Bestimmung der Strafhöhe durch den Gläubiger fällig. Sollte der Gläubiger sein Bestimmungsrecht nicht innerhalb einer angemessenen Zeit ausüben, hat der Schuldner die Möglichkeit, eine gerichtliche Klage zur Leistungsbestimmung zu erheben – was ebenfalls den Verjährungsbeginn herbeiführt (vgl. BGH, Urt. v. 27.10.2022, Tz. 32) - Verwirkung bei verzögerter Geltendmachung:
Dem berechtigten Interesse des Schuldners, nicht übermäßig lange Unklarheit über seine Haftung zu erfahren, wird dadurch Rechnung getragen, dass eine verspätete Geltendmachung einer Vertragsstrafe unter Umständen zur Verwirkung des Anspruchs führen kann – insbesondere, wenn der Schuldner aufgrund des bisherigen Verhaltens des Gläubigers darauf vertrauen durfte, dass keine weitere Vertragsstrafe mehr verlangt wird (vgl. BGH, Urt. v. 18.9.1997, I ZR 71/95, GRUR 1998, 471)
Rechtsmissbrauch
1. Rechtsmissbrauch
Im Rahmen der Geltendmachung von Vertragsstrafen versuchen Abmahnende häufig mit sämtlichen Mitteln, die Zahlung der vereinbarten Strafsumme zu erzwingen – auch wenn der Abgemahnte sich gegebenenfalls auf den Rechtsmissbrauch berufen könnte. Dabei sind zwei grundsätzliche Konstellationen zu unterscheiden:
1.1 Rechtsmissbräuchliche Geltendmachung einer Vertragsstrafe
Hier wird der Einwand erhoben, dass die Vertragsstrafe in einem solchen Fall nicht im Einklang mit den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) steht. Der Abmahnende könnte beispielsweise ein Verhalten an den Tag legen, das vor, während und nach der Abmahnung in einer Weise erfolgt, die den Zweck der Vertragsstrafe – nämlich den Schutz des Gläubigers vor künftigen Wettbewerbsverstößen – untergräbt. So hat der BGH im Urteil vom 14. Februar 2019 (I ZR 6/17, Tz. 36 ff.) festgestellt, dass in einer Gesamtwürdigung zu prüfen ist, ob das Verhalten des Abmahnenden in einem solchen Umfang rechtsmissbräuchlich ist, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafe gegen Treu und Glauben verstößt. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Abmahnende durch sein Verhalten den Zweck des Unterlassungsvertrages – nämlich die präventive Verhinderung von Wettbewerbsverstößen – unterlaufen hat. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass auch der Umstand, dass ein objektiv eindeutiges rechtsmissbräuchliches Verhalten zunächst nicht erkennbar war, den Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht automatisch ausschließt. Entscheidend ist, dass das Verhalten des Abmahnenden in der Gesamtschau (vor, während und nach der Abmahnung) so zu bewerten ist, dass der Schuldner sich nicht in einer Situation wiederfindet, in der ihm ein Anspruch auf eine unangemessen hohe Vertragsstrafe auferlegt wird (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 45/11, Tz. 20 ff – Missbräuchliche Vertragsstrafe).
1.2 Rechtsmissbrauch in Verbindung mit missbräuchlicher Abmahnung
Ein weiterer Aspekt des Rechtsmissbrauchs besteht darin, dass die Unterlassungserklärung aufgrund einer missbräuchlichen Abmahnung abgegeben wurde. Ist die Abmahnung von vornherein missbräuchlich, weil beispielsweise unzulässige Abmahnkosten erhoben oder sachfremde Ziele verfolgt werden, kann der Einwand erhoben werden, dass die Unterlassungserklärung unter unzulässigen Bedingungen zustande gekommen sei. In einem solchen Fall wird häufig argumentiert, dass sich der Abgemahnte gemäß § 242 BGB so behandeln lassen muss, als sei die Unterlassungserklärung gar nicht abgegeben worden – insbesondere wenn die Abmahnung in einem aggressiven, marktbereinigenden oder ausschließlich einkommensorientierten Interesse des Abmahnenden erfolgt (vgl. BGH, GRUR 2012, 949, Tz. 22; BGH, GRUR 2013, 176, Tz. 17; OLG Hamm, Urteil vom 30.5.2023, 4 U 78/22, Tz. 65).
Die Frage, ob ein derart missbräuchliches Verhalten vorliegt, ist stets anhand der Gesamtumstände zu beurteilen. So können beispielsweise Umstände, die zur Abgabe der Unterlassungserklärung geführt haben, herangezogen werden, wenn ersichtlich wird, dass der Abmahnende vorwiegend sachfremde Ziele verfolgt hat (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 45/11, Tz. 29 – „Missbräuchliche Vertragsstrafe“).
2. Culpa in Contrahendo / Verschulden bei Vertragsschluss
Neben dem späteren Verhalten des Abmahnenden und dessen Rechtsmissbrauch kann auch schon bereits im Rahmen des Vertragsschlusses (culpa in contrahendo) ein Verschulden vorliegen, das die Geltendmachung der Vertragsstrafe beeinflusst.
2.1 Vorvertragliche Pflichten und Sorgfaltspflichten
Bereits im Vorfeld des Abschlusses einer Unterlassungserklärung besteht die Verpflichtung, mit der nötigen Sorgfalt und unter Beachtung vorvertraglicher Pflichten zu verhandeln. Es stellt sich die Frage, ob der Abmahnende seine Sorgfaltspflichten verletzt hat – etwa durch eine objektiv fehlerhafte Darstellung der Rechtslage in der Abmahnung. Grundsätzlich kann allein eine fehlerhafte Darstellung der Rechtslage in einer Abmahnung jedoch nicht automatisch den Vorwurf des culpa in contrahendo begründen, sofern dem Abmahnenden die Möglichkeit eingeräumt wurde, sich eigenständig über die Rechtslage zu informieren (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2012, 6 U 217/11, Tz. 31 f; OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, 4 U 107/12, Tz. 83, 85).
2.2 Grenzen des Einwandes
Die Frage, ob die (allein) objektiv fehlerhafte Darstellung der Rechtslage durch den Abmahnenden einen Verstoß gegen seine vorvertraglichen Sorgfaltspflichten begründet, wird auch dadurch relativiert, dass das wettbewerbsrechtliche Abmahngebot als Vorstufe zur gerichtlichen Geltendmachung von Abwehransprüchen konzipiert ist. Das bedeutet, dass eine objektiv unbegründete Abmahnung zwar unvorteilhaft sein kann, aber nicht zwangsläufig dazu führt, dass der Schuldner von der Geltendmachung der Vertragsstrafe freigestellt wird (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2012, 6 U 217/11, Tz. 31 f; OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, 4 U 107/12, Tz. 83 ff).
Die Gerichte haben wiederholt betont, dass der Abmahnende – auch wenn seine Rechtsauffassung objektiv fehlerhaft sein sollte – dennoch in das Risiko der Auseinandersetzung eintritt, wenn er sich dazu entscheidet, auf eine Unterlassungserklärung zu pochen (vgl. BGH, WRP 1965, 97 – Kaugummikugeln).
2.3 Vergleichscharakter und Vertragsanbahnung
Ferner wird darauf hingewiesen, dass die Unterlassungserklärung in der Regel den Vergleichscharakter hat, da beide Parteien damit das Risiko eines späteren Rechtsstreits minimieren wollen. Ein schuldhafter Verstoß gegen die Unterlassungspflicht führt dann in der Regel nicht zu einer völligen Auflösung der Abmahn- bzw. Unterlassungserklärung, sondern stellt vielmehr den vereinbarten Vergleich dar. Würde der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (etwa Rechtsmissbrauch) grundsätzlich schon durch eine fehlerhafte Rechtsauffassung des Abmahnenden zum Tragen kommen, so stünde dem ein erheblicher Rechtsunsicherheitsfaktor gegenüber, den die Parteien gerade durch den Abschluss des Unterlassungsvertrages auszuschließen beabsichtigen (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2012, 6 U 217/11, Tz. 31 f).
3. Zusammenfassende Schlussfolgerung
Die Geltendmachung von Vertragsstrafen aus einer Unterlassungserklärung kann dem Einwand des Rechtsmissbrauchs und der culpa in contrahendo unterworfen werden – jedoch nur unter sehr strengen Voraussetzungen:
- Rechtsmissbrauch:
Der Schuldner kann den Einwand des Rechtsmissbrauchs nur dann erfolgreich erheben, wenn das Verhalten des Abmahnenden in einem Gesamtzusammenhang so zu bewerten ist, dass die Geltendmachung der Vertragsstrafe den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) widerspricht. Dabei ist zu prüfen, ob der Abmahnende seine vertraglichen Befugnisse missbraucht hat, um beispielsweise übermäßig hohe Ansprüche zu erzielen oder sachfremde Ziele zu verfolgen (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.2019, I ZR 6/17, Tz. 36 ff; BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 45/11, Tz. 20 ff). - Culpa in contrahendo:
Ein vorvertragliches Verschulden des Abmahnenden – etwa in Form einer objektiv fehlerhaften Darstellung der Rechtslage – reicht allein in der Regel nicht aus, um den Einwand des Verschuldens bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) zu begründen. Vielmehr muss dargelegt werden, dass der Abmahnende seine vorvertraglichen Sorgfaltspflichten in einem derart gravierenden Maße verletzt hat, dass er für den späteren Vertragsstrafeanspruch nicht mehr einstehen sollte (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2012, 6 U 217/11, Tz. 31 f; OLG Hamm, Urt. v. 13.12.2012, 4 U 107/12, Tz. 83 ff).
Zudem ist zu beachten, dass durch den Abschluss der Unterlassungserklärung – die häufig gerade den Zweck hat, einen langwierigen Rechtsstreit zu vermeiden – bereits ein gewisser Vergleichscharakter in die Rechtsbeziehung eingeflossen ist. Dieser Vergleichscharakter soll dazu führen, dass der Schuldner nicht wegen einer in sich streitigen Rechtsauffassung (etwa wegen eines fehlerhaften Rechtsauskunftsverhaltens des Abmahnenden) von seinem Risiko völlig befreit wird.
Insgesamt ist der Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw. der culpa in contrahendo im Bereich der Vertragsstrafen stets anhand einer Gesamtwürdigung der Umstände zu prüfen. Es kommt darauf an, ob der Abmahnende in seinem Verhalten – vor, während und nach der Abmahnung – die Grenzen des billigen Ermessens überschritten hat und ob der Schuldner dadurch in unangemessener Weise belastet wird (vgl. BGH, Urt. v. 31.5.2012, I ZR 45/11, Tz. 29; BGH GRUR 2012, 949; OLG Hamm, Urt. v. 30.5.2023, 4 U 78/22, Tz. 65; OLG Frankfurt, Urt. v. 4.10.2012, 6 U 217/11, Tz. 31 f)
Gerichtliche Zuständigkeit
1. Sachliche Zuständigkeit
Die Frage, ob Ansprüche aus Unterlassungserklärungen im Sinne des UWG „auf Grund dieses Gesetzes“ geltend gemacht werden können, war über viele Jahre umstritten.
- Historische Diskussion:
Einerseits vertraten Entscheidungen wie des OLG Jena (Urt. v. 1.9.2010, 2 U 330/10, II.) oder des OLG Schleswig (Urt. v. 9.4.2015, 6 U 57/13) die Auffassung, dass in solchen Fällen das Landgericht als erste Instanz stets zuständig sei. Auch LG Frankfurt (Urt. v. 10.2.2016, 2/6 O 344/15) sowie Fachliteratur sprachen sich dafür aus. - BGH-Stellungnahme:
Mittlerweile hat sich die höchstrichterliche Auffassung konsolidiert. Der BGH stellte in seinem Hinweisbeschluss vom 19.10.2016 (I ZR 93/15, Tz. 18) klar, dass nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UWG die Landgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständig sind, in denen Ansprüche auf Grund des UWG geltend gemacht werden. Das bedeutet, dass auch vertragliche Unterlassungsverpflichtungen, die zur Sicherung eines wettbewerbsrechtlichen Anspruchs führen, unter die sachliche Zuständigkeit der Landgerichte fallen – da die Unterlassungsverpflichtung letztlich als abstraktes Schuldanerkenntnis den gesetzlichen Unterlassungsanspruch ersetzt. Diese einheitliche Auslegung entspricht zudem dem Gesetzeszweck der §§ 13 und 14 UWG, der auf eine streitwertunabhängige und sachbezogene Zuständigkeit der Landgerichte in Wettbewerbssachen abzielt. Insbesondere sollen auch Fälle mit geringem Streitwert – wie bei Abmahnkostenansprüchen unter 5.000 € – bei den Landgerichten verbleiben, da hier das erforderliche Fachwissen vorhanden ist.
2. Örtliche Zuständigkeit
2.1 Allgemeine Regelung
Bei Ansprüchen aus Unterlassungserklärungen gelten grundsätzlich die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften der §§ 12 ff. ZPO. Das bedeutet, dass der Wohnsitz (bei natürlichen Personen) oder der Sitz (bei juristischen Personen) des Schuldners ausschlaggebend ist.
- Häufige Praxis:
Nach dieser Auffassung wird die Klage an dem Gericht erhoben, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder Sitz hat. Diese Regelung entspricht dem Grundsatz, dass der Schuldner am Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts oder seiner Geschäftstätigkeit zur Rechenschaft gezogen wird.
2.2 Erweiterte Ansätze
Einige Gerichte – wie das LG Frankfurt (Urt. v. 10.2.2016, 2/6 O 344/15, A.I.1) – haben argumentiert, dass auch das Gericht am Ort der begangenen Handlung zuständig sein könnte.
- Argumentation:
Diese Auffassung stützt sich darauf, dass der Ort, an dem die wettbewerbswidrige Handlung begangen wird, ebenso in die Ermittlung der örtlichen Zuständigkeit einzubeziehen sei.
Allerdings ist die herrschende Meinung, dass bei vertraglichen Unterlassungsverpflichtungen die allgemeinen ZPO-Regeln zu beachten sind – also der Sitz des Schuldners (vgl. auch OLG Köln, Beschluss v. 5.6.2014, 8 AR 68/14, Tz. 5)
2.3 Ausländischer Unterlassungsschuldner
Wird der Unterlassungsschuldner im EU-Ausland angesiedelt, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach der Brüssel-I-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 44/2001).
- Grundregel:
Grundsätzlich ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Sitz des Schuldners liegt. - Erfüllungsort:
Eine Ausnahme besteht, wenn der Erfüllungsort nach Art. 5 Abs. 1 lit. a der Verordnung an einem anderen Ort liegt. - Historische Differenzierung:
Zudem muss zwischen der Rechtslage vor dem 16.12.2009 (nach § 28 EGBGB a.F.) und ab dem 17.12.2009 – unter Anwendung der ROM-I-Verordnung – unterschieden werden.
Ein Beispiel hierzu findet sich in einem Fall des KG Berlin (Urt. v. 25.4.2014, 5 U 113/11, Tz. 25 ff), in dem mangels einer ausdrücklichen Gerichtsstandsvereinbarung die Klage im Ausland erhoben werden musste.
Zudem gilt, dass der Ort der unerlaubten Handlung, selbst wenn er in Deutschland liegt, nicht automatisch die Zuständigkeit für vertragliche Ansprüche begründet – hier ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich, da die internationale Zuständigkeit für vertragliche bzw. wettbewerbsrechtliche Ansprüche getrennt von solchen aus unerlaubter Handlung zu betrachten ist.
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