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Veröffentlichung von Luftbildaufnahmen von Feriendomizilen Prominenter

| Rechtsanwalt Frank Weiß

I. Der Fall: Worum ging es konkret?

Im Zentrum des Verfahrens stand ein prominenter ehemaliger Formel-1-Rennfahrer, dessen Ehefrau sowie deren Familie. Die Kläger lebten teilweise auf einem großzügigen Anwesen auf Mallorca.

Dieses Anwesen war in einem Artikel der Zeitschrift "FREIZEIT SPASS" Gegenstand der Berichterstattung. Unter der Überschrift, die auf einen Urlaub der Familie Bezug nahm, wurde ein Luftbild des Anwesens veröffentlicht.

 

Das Luftbild:

 

  • Zeigte mehrere Gebäude mit Gartenanlage
  • Stammte aus einem Immobilien-Exposé, da die Immobilie zu einem Zeitpunkt öffentlich zum Verkauf stand
  • Zeigte keine Personen, keine privaten Gegenstände wie Spielgeräte, Möbel, Wäsche oder ähnliches
  • Zeigte auch nicht den im Text erwähnten Pool
  • Machte die konkrete Lage des Grundstücks nicht exakt erkennbar

Die Kläger sahen sich in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, konkret im Schutz ihrer Privatsphäre, verletzt. Ihre Argumente:

  • Das Bild zeige ihr privates Zuhause und offenbare Details ihres Rückzugsorts
  • Die Veröffentlichung sei nicht notwendig zur Meinungsbildung
  • Es handele sich um eine kommerzielle Unterhaltungsgeschichte, nicht um Berichterstattung von öffentlichem Interesse

Sie beantragten daher:

  • Unterlassung der weiteren Bildveröffentlichung
  • Erstattung der Abmahnkosten

II. Die Vorinstanzen: Teilerfolg für die Kläger

Das Landgericht gab der Klage zunächst statt.

Das Berufungsgericht wiederum (OLG) wog ab und kam zu dem Schluss, dass kein schwerwiegender Eingriff vorliege. Es wies die Klage ab mit der Begründung:

  • Die Privatsphäre der Kläger sei nur am Rande betroffen
  • Es fehle an einem tiefgreifenden Einblick in das private Leben
  • Das Anwesen sei nicht konkret identifizierbar
  • Die Kläger müssten eine gewisse Berichterstattung hinnehmen, da sie Personen des öffentlichen Lebens seien

Dagegen legten die Kläger Revision beim Bundesgerichtshof (BGH) ein.

III. Die Entscheidung des BGH – Urteil vom 05.11.2024 (VI ZR 110/23)

Der BGH bestätigte das Urteil des OLG – die Klage wurde endgültig abgewiesen.

Die Kernaussage:

Die Veröffentlichung des Luftbilds verletzte nicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger.

1. Maßstab: Die bekannte Abwägung

Der BGH wendet die klassische Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Kläger (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und der Pressefreiheit der Beklagten (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) an.

Diese Abwägung folgt gefestigten Kriterien der BGH- und BVerfG-Rechtsprechung.

2. Das Persönlichkeitsrecht der Kläger – und seine Reichweite

Der Schutz der Privatsphäre ist in mehreren Zonen gestaffelt:

Schutzbereich

Beschreibung

Bedeutung

Intimsphäre

Innerster Kern, z. B. medizinische Daten, Sexualleben

absolut geschützt

Privatsphäre

Persönlicher Rückzugsraum (Wohnung, Haus, Garten)

relativ geschützt

Sozialsphäre

Verhalten in der Öffentlichkeit

am wenigsten geschützt

Der BGH erkennt an:

„Mit der Veröffentlichung des Luftbildes wurde in die Privatsphäre der Kläger eingegriffen.“

ABER:

Der Eingriff ist nicht intensiv, da das Bild keine tieferen Einblicke in das Leben gewährt.

Kriterien, die zur Bewertung herangezogen wurden:

  • Keine Personen sichtbar
  • Keine privaten Gegenstände erkennbar
  • Kein „intimer“ Lebensbereich betroffen
  • Bild aus öffentlicher Quelle (Verkaufsexposé)

3. Pressefreiheit – Schutz für Informationsinteresse

Die Pressefreiheit umfasst auch das Recht, über Privates zu berichten, wenn ein berechtigtes Informationsinteresse besteht.

Warum bestand hier ein solches Interesse?

  • Die Kläger gehören zur Gruppe der „Personen des öffentlichen Lebens“
  • Auch nach dem Karriereende bleibt das öffentliche Interesse an ihrer Person bestehen (→ Leitbildfunktion)
  • Der Artikel betraf ein Thema, das sich an breite Leserschichten richtet: das Leben prominenter Menschen, ihre Urlaubsorte und Wohnsitze
  • Die Darstellung des Hauses erfolgte nicht voyeuristisch, sondern neutral

„Die Beschreibung der Lebensgewohnheiten und Wohnverhältnisse bedient ein berechtigtes öffentliches Informationsinteresse.“ (BGH)

4. Ergebnis der Abwägung

Der BGH betont, dass die Privatsphäre der Kläger nur am Rand betroffen ist, während die Pressefreiheit hier überwiegt.

Ausschlaggebend waren:

  • Die Herkunft des Bildes (legal, aus Prospekt)
  • Der Inhalt (keine Personen, keine erkennbaren Privatsphäreeinblicke)
  • Die Funktion der Kläger als öffentliche Personen
  • Das allgemeine Interesse an der Lebensführung prominenter Persönlichkeiten

Fazit: Die Veröffentlichung des Luftbildes war zulässig.

IV. Bedeutung für die Praxis

Diese Entscheidung stärkt die Pressefreiheit – unter Beachtung klarer Grenzen:

Zulässig, wenn:

  • keine Personen / private Gegenstände sichtbar sind
  • das Grundstück nicht eindeutig lokalisiert werden kann
  • keine intimen Details betroffen sind
  • das Bild aus einer öffentlichen Quelle stammt

Unzulässig, wenn:

  • Menschen erkennbar abgebildet sind
  • private Lebensbereiche konkret dargestellt werden
  • das Bild „ausspähend“ oder heimlich erstellt wurde
  • die Veröffentlichung auf Bloßstellung abzielt

V. Fazit – Ein Kompass für Medien und Prominente

Das Urteil des BGH ist ein weiterer Mosaikstein im komplexen Verhältnis zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit.

  • Medien gewinnen Handlungssicherheit: Nicht jede Darstellung eines Promi-Grundstücks ist ein Eingriff
  • Prominente wissen nun: Der reine Anblick eines Hauses kann durchaus berichtenswert sein – aber es gibt Grenzen

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