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Verkauf von Fake-Bewertungen ist unlauterer Wettbewerb

| Rechtsanwalt Frank Weiß

In einer digitalen Welt, in der Sterne und Rezensionen darüber entscheiden, ob ein Hotel ausgebucht ist oder ein Produkt zum Ladenhüter wird, haben Fake-Bewertungen Hochkonjunktur. Nicht selten stammen diese Bewertungen weder von echten Kunden noch beruhen sie auf eigenen Erfahrungen – sie sind gekauft.

Eine Agentur, die solche gefälschten Bewertungen verkauft hatte, wurde nun gerichtlich gestoppt: Das Landgericht München I (Urteil vom 24.07.2023, Az. 37 O 11887/21) entschied klar – der Verkauf von Fake-Bewertungen ist ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht. Was zunächst wie eine reine Plattformmanipulation klingt, wurde hier erstmals in dieser Deutlichkeit als unlautere geschäftliche Handlung rechtlich eingeordnet – mit weitreichenden Folgen.

Sachverhalt: HolidayCheck gegen Anbieter von Fake-Bewertungen

Klägerin des Verfahrens war die HolidayCheck AG, Betreiberin eines der größten deutschsprachigen Reisebewertungsportale. Nutzer können dort Hotels, Ferienanlagen und Reiseleistungen bewerten und ihre Erfahrungen mit anderen Reisenden teilen.

Die Beklagte: eine Agentur, die gezielt und gegen Entgelt positive Bewertungen über Hotels veröffentlichte, ohne dass die Verfasser jemals in den beworbenen Unterkünften waren. Ziel war die Verbesserung des Rufs bestimmter Hotels – ein fragwürdiges Geschäftsmodell, das die Glaubwürdigkeit der gesamten Bewertungsplattform untergrub.

HolidayCheck sah sich durch dieses Verhalten nicht nur in ihrer Funktion als neutrale Plattform bedroht, sondern erkannte auch einen klaren Wettbewerbsverstoß. Die Agentur wurde verklagt – und das mit Erfolg.

Kern des Urteils: Wettbewerbsverhältnis – auch ohne gleichartige Produkte

Zentrale Voraussetzung für die Anwendung des UWG ist das Vorliegen eines konkreten Wettbewerbsverhältnisses zwischen den Parteien. Dieses lag nach Ansicht des LG München I vor – obwohl HolidayCheck keine Fake-Bewertungen verkauft und auch keine Dienstleistungen in Konkurrenz zur Agentur anbietet.

Das Gericht weitete den Begriff des Wettbewerbsverhältnisses aus:

„Ein Wettbewerbsverhältnis besteht auch dann, wenn eine geschäftliche Handlung einer Partei zur Förderung des eigenen Absatzes oder des Absatzes eines Dritten führt und dabei gleichzeitig den Wettbewerb eines anderen beeinträchtigt.“

Die Agentur verschaffte sich durch den Verkauf von gefälschten Bewertungen einen wirtschaftlichen Vorteil und beeinträchtigte gleichzeitig das Angebot und die Glaubwürdigkeit von HolidayCheck. Diese „wechselwirkende Beeinflussung“ reicht laut Gericht aus, um ein Wettbewerbsverhältnis zu begründen.

Irreführung nach § 5 UWG: Täuschung durch nicht authentische Bewertungen

Ein zentraler Vorwurf: Die Agentur täuschte die Plattformnutzer – und zwar systematisch.

Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 UWG handelt unlauter, wer über wesentliche Merkmale von Waren oder Dienstleistungen täuscht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Verbraucher durch falsche Bewertungen über die Qualität, Beliebtheit oder Kundenzufriedenheit irregeführt werden.

Das Gericht betont:

„Verbraucher gehen bei Online-Bewertungen regelmäßig davon aus, dass diese auf eigenen Erfahrungen realer Personen basieren.“

Wenn jedoch eine Bewertung lediglich geschrieben wird, um gegen Bezahlung ein Produkt oder eine Dienstleistung aufzuwerten – ohne echte Kundenerfahrung – wird ein falscher Eindruck erweckt. Das Gericht klassifizierte diese Form der Bewertung eindeutig als irreführend im Sinne des § 5 UWG.

Verstoß gegen das Schleichwerbungsverbot nach § 5a Abs. 4 UWG

Ein zweiter rechtlicher Anknüpfungspunkt ist das Verbot der Schleichwerbung. Dieses greift immer dann, wenn kommerzielle Absichten verschleiert werden – genau das ist bei bezahlten Bewertungen ohne Kennzeichnung der Fall.

Nach § 5a Abs. 4 UWG ist es irreführend, wenn der kommerzielle Zweck einer geschäftlichen Handlung nicht kenntlich gemacht wird. Dies trifft hier in vollem Umfang zu:

  • Die Bewertungen suggerierten Echtheit, basierten aber nicht auf realen Erfahrungen.
  • Der kommerzielle Zweck – bezahlte Aufwertung des Images – wurde nicht offengelegt.
  • Die Bewertungen dienten ausschließlich der Imagepflege und täuschten damit gezielt den durchschnittlichen Verbraucher.

Folge: Auch dieser Verstoß wurde vom LG München I klar als unlautere geschäftliche Handlung gewertet.

Rechtsfolgen: Unterlassung, Auskunft, Löschung, Schadensersatz

Die rechtlichen Konsequenzen für die Agentur sind weitreichend:

  1. Unterlassungsanspruch:
    Die Beklagte darf es künftig nicht mehr zulassen, dass Fake-Bewertungen – die nicht auf eigenen Erfahrungen beruhen – auf dem Portal veröffentlicht werden.
  2. Auskunftsanspruch:
    HolidayCheck erhält Auskunft über die Identität der Bewertungsurheber, um weitere rechtliche Schritte gegen die Ersteller oder deren Auftraggeber prüfen zu können.
  3. Löschungspflicht:
    Die Fake-Bewertungen sind zu löschen. Dies betrifft auch bereits veröffentlichte Bewertungen – nicht nur zukünftige.
  4. Schadensersatz:
    Die Beklagte wurde verurteilt, HolidayCheck Schadensersatz zu zahlen. Die Höhe wurde im Urteil nicht beziffert und kann im Anschlussverfahren (Stufenklage) konkretisiert werden.
  5. Kostentragung:
    Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Praxishinweis: Warum das Urteil so wichtig ist

Das Urteil des LG München I ist ein deutliches Signal gegen den florierenden Markt der Bewertungsmanipulation. Es zeigt:

  • Fake-Bewertungen sind kein Kavaliersdelikt, sondern ein klarer Wettbewerbsverstoß.
  • Auch Plattformbetreiber sind schützenswert, wenn ihr Geschäftsmodell auf Authentizität beruht.
  • Wettbewerbsverhältnisse bestehen auch bei indirekter Konkurrenz, wenn ein Unternehmen durch das Verhalten eines Dritten wirtschaftlich beeinträchtigt wird.
  • Verstöße gegen das UWG können mehrstufige Ansprüche auslösen: von Unterlassung über Auskunft bis hin zu Schadensersatz.

Für Agenturen, Unternehmen und auch Kunden ist damit klar: Manipulation durch bezahlte Bewertungen ist rechtlich riskant und ethisch fragwürdig.

Fazit: Authentizität ist das Kapital der digitalen Wirtschaft

Das Urteil des LG München I stellt klar: Wer Fake-Bewertungen verkauft, handelt nicht nur unseriös – sondern rechtswidrig. In Zeiten, in denen Vertrauen zur digitalen Währung geworden ist, ist dieser Richterspruch von besonderer Relevanz. Er stärkt die Integrität digitaler Märkte und schützt nicht nur Verbraucher, sondern auch Anbieter, die sich ehrliches Feedback erarbeiten.

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