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Verdachtskündigungsmöglich trotz dem Betriebsrat nicht mitgeteilter Gründe

Bundesarbeitsgericht, U. v. 20.6.2013, Az.: 2 AZR 546/12
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Kläger wendet sich gegen eine außerordentliche hilfsweise ordentliche Kündigung seiner Arbeitgeberin. Diese Beklagte betreibt u. a. Großhandelsmärkte. Seit 1994 war der Kläger in einem dieser Märkte als Mitarbeiter der Getränkeabteilung beschäftigt. 

Der Spind des Beklagten wurde am 04.03.2011 in der Spätschicht (15:00 Uhr bis 22:00 Uhr) vom Geschäftsleiter in Anwesenheit eines Betriebsrates geöffnet. Die Beklagte behauptet, dass dabei Damenunterwäsche entdeckt wurde, die der Kläger entwendet habe. Der Geschäftsleiter kündigte darauf hin eine Taschenkontrolle an. 

Der Kläger verließ eigenmächtig das Gelände. Nach Stellung von Strafanzeige bei der Polizei wegen Entwendung von vier Wäscheteilen wurde die Wohnung des Klägers sofort durchsucht, mit dessen Einverständnis und ohne Ergebnis. Gegen 22:30 Uhr an diesem Abend wurde der Spind des Klägers in Anwesenheit zweier Betriebsratsmitglieder durchsucht. 

Die Beklagte behauptet, dass keine Wäsche mehr vorgefunden wurde. Es seien auch abgeschnittene Eitiketten von Wäschestücken im Müll gefunden worden.

Am 07.04.2011 wurden dem Kläger schriftlich die durch die Klägerin erhobenen Vorwürfe mitgeteilt und die Möglichkeit eingeräumt, in einem Gespräch oder durch schriftliche Stellungnahme sich binnen einer Woche sich dazu zu äußern. 

Nach Anhörung des Betriebsrates und mit dessen Zustimmung kündigte die Beklagte am 17.03.2011 schriftlich das Arbeitsverhältnis fristlos. Mit weiterem Schreiben vom Tag wurde hilfsweise die ordentliche Kündigung zum 31.10.2011 ausgesprochen.

Der Kläger erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage. Dieser wurde in erster und zweiter Instanz stattgegeben. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Abweisung weiter.

Das BAG hob die Entscheidung der Vorinstanz auf und verwies zurück. 

Die Durchsuchung sei ein unverhältnismäßiger und damit rechtswidriger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. 

Die Kontrolle des dem Kläger zur Verfügung gestellten Spindes sei eine Gewinnung und Verwertung von Daten einer natürlichen Person im Sinne von § 32 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), die keine automatisierte Datenverarbeitung voraussetze. 

In jedem Fall sei die Untersuchung ein nicht verhältnismäßiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Klägers. Die vorzunehmende Abwägung ergäben keine überwiegend schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers. 

Die Beklagte durfte grundsätzlich den von ihr zur Verfügung gestellten Spind auf ordnungsgemäße Benutzung kontrollieren. Der Kläger dürfe aber darauf vertrauen, dass eine solche Überprüfung nur mit seinem Einverständnis erfolge. Nur zwingende Gründe könnten dafür sprechen, sich darüber hinwegzusetzen. 

Objektiv bestand ein Verdacht auf einen Diebstahl. Der Kläger hätte aber zu der Durchsuchung hinzugezogen werden müssen. Ihm sei die Gelegenheit zu geben, auf die Untersuchung Einfluss zu nehmen. Dem Kläger sei auch das Nachsuchen um Rechtsschutz dadurch übermäßig erschwert worden. Durch die aufgefundenen Etiketten sei die Durchsuchung im Beisein des Klägers auch effektiv. Er könne so nicht behaupten, die Ware noch bezahlen zu wollen.

Das mildere Mittel sei vorliegend die sowieso geplante Taschenkontrolle gewesen.

Auch die Anwesenheit mehrerer Personen spräche hier für die Rechtswidrigkeit und damit die Unverwertbarkeit.

Die Beklagte könne aber als Kündigungsgrund den Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung anführen. Entscheiden sei, dass der Kläger in der erstinstanzlichen Klagerwiderung auf die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Unterrichtung des Betriebsrates verzichtet habe. Nach dem Vortrag der Beklagten war der Betriebsrat zudem über die Absicht, wegen des Verdachtes eines Diebstahls zu kündigen, unterrichtet. 

Das Berufungsgericht dürfe bei der erneuten Entscheidung von einem Verzicht des Klägers auf seine Anhörung ausgehen.

Bundesarbeitsgericht, U. v. 20.6.2013, Az.: 2 AZR 546/12

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