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Verbrauchsgüterkauf: Reichweite der Beweislastumkehrregelung

BGH, Urteil vom 12.10.2016, Az. VIII ZR 103/15
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Mit Urteil vom 12. Oktober 2016 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass bei einem Verbrauchsgüterkauf im Falle einer Mangelhaftigkeit der Kaufsachen innerhalb der ersten 6 Monate im Wege der Beweislastumkehr lediglich ein Nachweis bezüglich der Nichteinhaltung des standardgemäß zu erwartenden Qualität der Ware seitens des Käufers zu erwarten ist. Hierbei wurde sich mit der Trageweite des § 476 BGB befasst.
 
Dem Gericht lag dabei folgender Sachverhalt zu Beurteilung vor:
Der Kläger erwarb als Verbraucher bei einer Händlerin, der Beklagten, ein gebrauchtes Auto zu einem Preis von 16.200 Euro. Nach der Übergabe zeigten sich nach 5 Monaten und etwa 13.000 Kilometern Fahrt Mängel bei der eingebauten Automatikschaltung, die in der Einstellung "D" nicht mehr automatisch in den Leerlauf schaltete. Stattdessen ging der Motor aus. Dem Käufer war es in Folge dessen unmöglich, an Steigungen an- oder rückzufahren. Der Kläger setzte zunächst eine erfolglose Frist zu Mangelbeseitigung und trat anschließend vom Kaufvertrag zurück. Er verlangt Kaufpreisrückzahlung und Schadensersatz.
 
Der Prozess stellte sich folgendermaßen dar:
In allen vorhergehenden Instanzen wurde die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass der Kläger hätte beweisen müssen, dass das Auto schon bei der Übergabe an ihn einen Sachmangel aufgewiesen hätte. Es sei zwar auch nach den erfolgten Gutachten nachweisbar, dass die aufgetretenen Probleme in der Einstellung "D" auf Grund eines inzwischen eingetretenen Schadens an dem Freilauf des hydrodynamischen Drehmomentwandlers erfolgten. Jedoch können nicht nachvollzogen werden, wann diese Schädigung eintrat, obwohl sie auch bereits bei der Übergabe vorhanden gewesen sein könnte. In Betracht komme alternativ vielmehr auch ein Verschulden des Klägers durch falsche Inbetriebnahme. Eine Berufung auf § 476 BGB sei in solchen unklaren Fällen nicht möglich. Die Beweislastumkehr des § 476 BGB betreffe nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH nur eine zeitliche Vermutung innerhalb von 6 Monaten nach Übergabe mit der Annahme, dass der Sachmangel bereits zum Zeitpunkt der Übergabe vorlag. Sie betreffe gerade nicht Fälle, wie hier, in denen das Vorliegen eines Sachmangels an sich unsicher sei, da der vorliegende Schaden nur möglichweise auf das Vorliegen einer mangelhaften Beschaffenheit zurückzuführen sei.
Die Klage hatte vor dem BGH Erfolg.
 
Der BGH passte die Reichweite des § 476 BGB in zweifacher Hinsicht zur Verbesserung der Verbraucherrechte sowie zur Umsetzung der Bestimmungen des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 4. Juni 2015 an.
 
Zunächst einmal, muss der Käufer nunmehr nicht mehr beweisen, dass der Sachmangel auf ein Verschulden des Verkäufers zurückzuführen ist. Vielmehr hat der Käufer nur noch zu belegen, dass die Sache nicht den allgemeinen Qualitätsanforderungen entspricht, die er nach den Bestimmungen des Kaufvertrages von der Sache erwarten konnte. Der Käufer muss nun weder nachweisen, wie der Sachmangel zustande kam, noch dass er in den Verantwortungsbereich des Verkäufers fällt.
Weiterhin wird die Beweislastumkehr des § 476 BGB dahingegen erweitert, dass der Käufer sich auch dann hierauf berufen kann, wenn sich der mangelhafte Zustand innerhalb der ersten 6 Monate nach Gefahrübergang zeigt, ohne dass nachgewiesen werden muss, dass bereits bei Gefahrübergang ein schon zumindest im Ansatz vorhandener Mangel vorlag.
Insgesamt haben diese neuen Auslegungsregelungen zur Folge, dass bei einem Verbrauchsgüterkauf die Beweislast fast ausschließlich auf den Verkäufer fällt. Der Verkäufer muss nun belegen, dass ein Mangel, welcher sich in den ersten 6 Monaten nach Übergabe zeigt, nicht auf bereits vorhandenen Mangel bei Übergabe zurückzuführen ist, sondern allein in den Verantwortungsbereich des Käufers fällt. Die Beweislastumkehr zu Gunsten des Käufers greift also auch in solchen Fällen, in denen letztendlich ungeklärt bleibt, ob der Sachmangel vom Verkäufer zu verantworten ist. Das Berufungsurteil wurde mithin aufgehoben und zur erneuten Verhandlung unter den Maßstäben der EU-Richtlinie an das Oberlandesgericht zurückgewiesen.
 
BGH, Urteil vom 12.10.2016, Az. VIII ZR 103/15

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