Verbot von Vorher-Nachher-Bildern - Auch bei minimalinvasiven Eingriffen

Am 27. Oktober 2023 hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln ein Urteil gefällt, das weitreichende Auswirkungen auf die Werbung für ästhetische Behandlungen hat (Az. 6 U 77/23). Konkret geht es um das gesetzliche Verbot der Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Heilmittelwerbegesetzes (HWG). Das OLG Köln bestätigte, dass dieses Verbot auch für minimalinvasive Eingriffe wie Hyaluronsäure-Unterspritzungen gilt. Die Entscheidung macht deutlich, dass nicht die Behandlung selbst, sondern die Darstellung der Ergebnisse durch Vorher-Nachher-Bilder im Fokus der Regulierung steht.
Sachverhalt: Warum wurde geklagt?
Die Beklagten betreiben eine ärztliche Gemeinschaftspraxis unter der Bezeichnung "N. Privatpraxis" und boten auf ihrer Website minimalinvasive kosmetische Behandlungen an, darunter Kinn- und Nasenkorrekturen mittels Hyaluronsäure-Injektionen. Um potenzielle Patienten von der Wirksamkeit der Behandlungen zu überzeugen, nutzten sie auf ihrer Webseite Vorher-Nachher-Bilder.
Ein Wettbewerbsverband sah hierin einen klaren Verstoß gegen § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG und forderte die Praxis zur Unterlassung auf. Da die Beklagten der Forderung nicht nachkamen, wurde die Angelegenheit gerichtlich geklärt. In erster Instanz gab das Landgericht Köln der Klage statt. Die Beklagten legten daraufhin Berufung beim OLG Köln ein.
Die rechtliche Grundlage: Warum sind Vorher-Nachher-Bilder verboten?
Laut § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 HWG ist es untersagt, außerhalb der Fachkreise für operative plastisch-chirurgische Eingriffe mit vergleichenden Darstellungen des Körperzustands oder des Aussehens vor und nach dem Eingriff zu werben.
Das Hauptziel dieser Vorschrift ist der Verbraucherschutz. Vorher-Nachher-Bilder können irreführend wirken und unrealistische Erwartungen an kosmetische Behandlungen wecken. Sie sollen verhindern, dass Patienten allein auf Basis solcher Bilder eine medizinische Entscheidung treffen, ohne sich über Risiken und Alternativen bewusst zu sein.
Entscheidungsgründe des OLG Köln
1. Auch minimalinvasive Eingriffe fallen unter das Verbot
Die Beklagten argumentierten, dass das Werbeverbot nur für operative plastisch-chirurgische Eingriffe gelten solle und minimalinvasive Verfahren wie Hyaluronsäure-Injektionen nicht darunterfallen. Das OLG Köln widersprach dieser Argumentation.
Es stellte klar, dass auch minimalinvasive Behandlungen wie Unterspritzungen instrumentelle Eingriffe darstellen, da sie mit Hilfsmitteln (z. B. Spritzen, Nadeln) in den Körper eingreifen und das äußere Erscheinungsbild verändern. Daher fallen sie unter die Definition eines plastisch-chirurgischen Eingriffs im Sinne des HWG.
2. Kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsfreiheit
Die Beklagten beriefen sich auf ihre Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG und argumentierten, dass das Werbeverbot unverhältnismäßig sei. Das OLG Köln sah dies jedoch anders.
Das Verbot diene dem legitimen Ziel des Verbraucherschutzes und sei ein angemessenes Mittel, um Fehlanreize für nicht medizinisch notwendige Eingriffe zu vermeiden. Der Gesetzgeber habe bewusst entschieden, die Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern einzuschränken, um einer potenziellen gesundheitlichen Gefährdung durch übertriebene Erwartungen entgegenzuwirken.
3. Schutzzweck des HWG: Manipulative Werbung verhindern
Das OLG Köln betonte in seiner Urteilsbegründung erneut den besonderen Schutzzweck des HWG. Die Vorschrift solle verhindern, dass Patienten durch rein optische Vergleiche in ihrer Entscheidung beeinflusst werden, ohne sich über Risiken, Nebenwirkungen oder alternative Behandlungen aufklären zu lassen.
Es sei nicht entscheidend, ob eine Behandlung invasiv oder minimalinvasiv sei. Vielmehr sei maßgeblich, dass Vorher-Nachher-Bilder eine besonders einseitige Werbewirkung hätten, die Patienten beeinflussen könne.
Fazit: Was bedeutet das Urteil für die Praxis?
Mit der Entscheidung des OLG Köln wird klargestellt, dass das Verbot der Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern auch für minimalinvasive kosmetische Behandlungen gilt. Damit müssen Anbieter solcher Eingriffe ihre Werbemaßnahmen anpassen, um rechtliche Konsequenzen zu vermeiden.
Konkret bedeutet das:
- Keine Werbung mit Vorher-Nachher-Bildern: Unabhängig von der Art des Eingriffs ist es untersagt, mit solchen Bildern außerhalb von Fachkreisen zu werben.
- Keine Umgehung durch indirekte Darstellungen: Auch künstlerische Darstellungen oder Patientenberichte mit Bildern könnten als unzulässig eingestuft werden.
- Risiko von Abmahnungen und Bußgeldern: Wer sich nicht an die Regelung hält, riskiert Unterlassungsklagen, hohe Geldstrafen oder berufsrechtliche Konsequenzen.
Handlungsempfehlung: Was sollten betroffene Praxen tun?
- Werbematerialien prüfen: Ärztliche Praxen sollten ihre Websites, Social-Media-Profile und sonstige Werbemittel daraufhin überprüfen, ob sie gegen das Werbeverbot verstoßen.
- Alternative Werbestrategien entwickeln: Informative Blogbeiträge, neutrale Patientenberichte oder Aufklärungsvideos können als Alternativen zur Bildwerbung dienen.
- Rechtliche Beratung einholen: Um Abmahnungen und Sanktionen zu vermeiden, empfiehlt sich eine rechtliche Beratung. Unsere Kanzlei unterstützt Sie gerne bei der rechtskonformen Gestaltung Ihrer Werbung.
Haben Sie Fragen? Kontaktieren Sie uns!
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