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Verbot von Cannabis-Laienwerbung im Netz

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Einleitung: Gesundheit digital – aber bitte rechtssicher

Mit dem Boom digitaler Gesundheitsdienstleistungen sind auch Geschäftsmodelle entstanden, die Patienten über Plattformen an Ärztinnen und Ärzte vermitteln – häufig bequem per Online-Terminbuchung oder sogar digitaler Fernbehandlung. Besonders im Bereich der Behandlung mit medizinischem Cannabis ist der Bedarf groß, und einige Anbieter nutzen diese Dynamik für gewinnorientierte Dienstleistungen.

Doch wie weit darf ein solches Portal gehen? Welche rechtlichen Grenzen gelten für Werbung, Vermittlung und Vergütung – insbesondere bei verschreibungspflichtigen Arzneimitteln wie medizinischem Cannabis?

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in seinem Urteil vom 6. März 2025 (Az. 6 U 74/24) eine Entscheidung getroffen, die genau diese Fragen behandelt – mit Konsequenzen für zahlreiche Anbieter im Bereich digitaler Gesundheitsleistungen.

Sachverhalt: Die Plattform, das Geschäftsmodell – und der Streit

Die Beklagte ist Betreiberin eines Internet-Vermittlungsportals, über das sich interessierte Personen zu einer Behandlung mit medizinischem Cannabis anmelden können. Das Portal vermittelt Patienten an kooperierende Ärztinnen und Ärzte, mit denen über die Plattform direkt Behandlungstermine vereinbart werden können – teils vor Ort, teils per Video.

Die Werbung des Portals zielte u. a. auf eine niederschwellige, „unkomplizierte“ und digitale Behandlungsmöglichkeit ab – verbunden mit Aussagen wie:

„Ärztliches Erstgespräch vor Ort oder digital.“

Vergütungsmodell und Kritikpunkt

Das Geschäftsmodell der Beklagten sah vor, dass die behandelnden Ärzte dem Portal eine Vergütung zahlen – konkret einen prozentualen Anteil ihres ärztlichen Honorars pro Patient, dessen Vermittlung über die Plattform zustande kam.

Diese Praxis kritisierte der Kläger – ein Wettbewerbsverband – in mehreren Punkten:

  • Die Werbung sei unzulässige Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 10 HWG).
  • Die Formulierung zur digitalen Erstbehandlung verstoße gegen das Verbot der Werbung für unzulässige Fernbehandlung (§ 9 HWG).
  • Die Vermittlung gegen eine Umsatzbeteiligung stelle eine verbotene Zuweisung gegen Entgelt dar (§ 31 MBO-Ä).

Das Landgericht Frankfurt gab dem Kläger teilweise recht und untersagte u. a. bestimmte Werbeaussagen und Vertragsgestaltungen mit Ärzten. Gegen dieses Urteil legten beide Seiten Berufung ein.

Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Ein mehrdimensionales Verbot

Das OLG Frankfurt am Main bestätigte in weiten Teilen die Entscheidung des Landgerichts, konkretisierte sie jedoch in wesentlichen Punkten und untersagte dem Portalbetreiber die Ausgestaltung seines Geschäftsmodells in mehreren Bereichen.

Im Mittelpunkt der Entscheidung stehen drei zentrale Komplexe:

1. Verstoß gegen das Laienwerbeverbot (§ 10 HWG)

Kernaussage des Gerichts

„Die Werbung der Beklagten stellt eine unzulässige produktbezogene Öffentlichkeitswerbung für ein verschreibungspflichtiges Arzneimittel dar.“

Das Heilmittelwerbegesetz (HWG) verbietet jede Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel (§ 10 Abs. 1 HWG). Dies gilt nicht nur für konkrete Produktnamen, sondern auch für allgemeine Maßnahmen, die den Absatz oder die Verschreibung solcher Arzneimittel fördern.

Warum lag ein Verstoß vor?

Das OLG stellte klar: Auch wenn die Plattform selbst kein medizinisches Cannabis verkauft oder verschreibt, ist jede werbliche Einflussnahme auf die Verschreibungsentscheidung problematisch. Entscheidend ist der Zweck der Werbung – nicht der Produktvertrieb im engeren Sinne.

Die streitgegenständliche Werbung zielte darauf ab, potenzielle Patienten zu einer Kontaktaufnahme und damit zur Behandlung zu bewegen – mit dem klar erkennbaren Ziel, die Verordnung von Cannabis zu fördern. Auch wenn das Portal behauptete, lediglich eine neutrale Informationsplattform zu sein, sah das Gericht dies anders:

  • Es handele sich nicht um sachliche Information, sondern um eine auf Nachfrageförderung ausgerichtete Werbemaßnahme.
  • Das Portal verknüpfte medizinische Inhalte mit dem Angebot einer Behandlungsmöglichkeit, was den Charakter einer therapeutischen Empfehlung habe.

Keine Ausnahme durch EU-Recht

Besonders deutlich wurde das OLG in Bezug auf die unionsrechtliche Grundlage:
Gemäß der EU-Richtlinie 2001/83/EG ist die Öffentlichkeitswerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel grundsätzlich verboten – diese Richtlinie ist verbindlich umzusetzen. Das deutsche Laienwerbeverbot erfüllt diese Vorgabe, sodass die Plattform keinen Spielraum hatte, sich auf angebliche Informationsfreiheit zu berufen.

2. Verstoß gegen das Fernbehandlungs-Werbeverbot (§ 9 HWG)

Die Beklagte warb auf ihrer Website mit dem Hinweis:

„Ärztliches Erstgespräch vor Ort oder digital“

Problem: Fehlleitende Werbung

Das OLG stellte fest, dass ein erheblicher Teil der angesprochenen Zielgruppe diese Aussage so verstehen müsse, dass die Erstbehandlung mit medizinischem Cannabis auch vollständig digital erfolgen könne – ohne persönlichen Arztkontakt.

Ein solcher Eindruck sei irreführend und rechtlich unzulässig, da zum Zeitpunkt der Werbung die digitale Erstverordnung von Cannabis aus medizinischer und rechtlicher Sicht nicht dem Standard entsprach – insbesondere im Hinblick auf die damals geltenden Vorschriften des BtMG und ärztlicher Berufsordnungen.

Keine Ausnahme gerechtfertigt

Die Beklagte konnte auch nicht belegen, dass ein persönlicher Erstkontakt medizinisch nicht mehr erforderlich sei, wie es § 9 Satz 2 HWG als Ausnahme voraussetzt. Diese Darlegungs- und Beweislast trägt der Werbende – und konnte sie in diesem Fall nicht erfüllen.

Fazit des Gerichts:

Eine Werbung, die eine gleichwertige digitale Cannabis-Erstbehandlung suggeriert, verstößt gegen § 9 HWG und ist daher unzulässig.

3. Verstoß gegen das ärztliche Berufsrecht: Verdeckte Provisionszahlung

Ein besonders brisanter Punkt betraf die finanzielle Verflechtung zwischen Portal und Ärzten:
Die Beklagte erhielt einen prozentualen Anteil am ärztlichen Honorar für jeden vermittelten Patienten.

Das OLG bestätigte die Bewertung des Landgerichts, dass diese Vertragsgestaltung eine verdeckte Vermittlungsprovision darstellt – eine Praxis, die mit § 31 der Musterberufsordnung für Ärzte nicht vereinbar ist.

Warum ist das unzulässig?

§ 31 MBO-Ä untersagt es Ärzten, für die Zuweisung von Patienten eine Vergütung zu zahlen oder zu erhalten. Die Beklagte unterstützte mit ihrer Plattform dieses Verbot aktiv, indem sie durch ihre Vertragskonstruktion die Zuweisung mit einem wirtschaftlichen Vorteil verknüpfte.

Das OLG betonte:

  • Auch wenn die Beklagte keine medizinische Leistung selbst erbringt, liegt ein Verstoß vor, wenn sie durch ihre Struktur und vertraglichen Regelungen gegen das Berufsrecht der Kooperationsärzte wirkt.
  • Die Beklagte verschafft sich durch ihre Position eine mittelbare Kontrolle über patientenbezogene ärztliche Entscheidungen – und das in Verbindung mit wirtschaftlicher Einflussnahme.

Rechtsfolgen: Unterlassung, aber noch keine Rechtskraft

Das OLG hat die Beklagte zur Unterlassung folgender Verhaltensweisen verurteilt:

  • Verbreitung unzulässiger Werbeaussagen zur Cannabisbehandlung,
  • Abschluss von Raumnutzungs- oder Serviceverträgen mit ärztlicher Honorarbeteiligung,
  • Bewerbung digitaler Erstbehandlungen ohne Rechtsgrundlage.

Rechtsmittelstatus

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Revision wurde teilweise zugelassen – insbesondere im Hinblick auf das Laienwerbeverbot (§ 10 HWG). In den übrigen Punkten kann ggf. eine Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH erhoben werden.

Fazit: Klarer Warnschuss für digitale Gesundheitsanbieter

Die Entscheidung des OLG Frankfurt setzt klare Maßstäbe für rechtlich zulässige Geschäftsmodelle im Bereich digitaler Gesundheitsvermittlung:

Laienwerbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel ist strikt verboten – auch ohne Produktnennung.
Werbung für Fernbehandlungen muss sich an den engen Ausnahmetatbeständen des HWG orientieren.
Provisionen für Patientenvermittlung sind mit dem ärztlichen Berufsrecht unvereinbar und auch Plattformbetreiber haften mit.

Das Urteil ist ein Weckruf für die Branche: Wer Plattformen betreibt, die mit medizinischen Leistungen verbunden sind, muss werberechtliche, berufsrechtliche und wettbewerbsrechtliche Normen sorgfältig beachten – sonst drohen gerichtliche Verbote, Unterlassungsansprüche und Abmahnungen.

Handlungsempfehlung für Anbieter:

Wenn Sie im digitalen Gesundheitswesen tätig sind oder entsprechende Plattformen betreiben, sollten Sie:

  • Ihre Werbeaussagen rechtlich prüfen – insbesondere bei verschreibungspflichtigen Medikamenten.
  • Kooperationsverträge mit Ärzten sorgfältig gestalten – keine Beteiligung am Honorar!
  • Fernbehandlungen transparent und gesetzeskonform kommunizieren – insbesondere bei sensiblen Indikationen wie Cannabis.

Ihr Ansprechpartner für Werbung im Gesundheitswesen

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