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Verbandsklagebefugnis im Presserecht

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.05.2014, Az.: 2-03 O 500/13
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Wird der Ruf eines Verbandsmitglieds geschädigt, ist der Verband nicht befugt, zu klagen. Dem Verband steht nur dann ein Klagerecht zu, wenn er selbst von der Rufschädigung betroffen ist.

Der Branchenverband kann bei Rufschädigung eines Verbandsmitglieds nicht klagen. Die Klagebefugnis des Verbandes setzt die eigene unmittelbare Betroffenheit durch die Äußerung voraus. Diese muss zur Rufschädigung oder Funktionsbeeinträchtigung des Verbandes führen.

Der Branchenverband von Wassersystemspendern (Kläger) verklagt die öffentlich-rechtliche Landesrundfunkanstalt des Landes Hessen (Beklagte). In der Klage fordert der Kläger, dass die Beklagte Äußerung in einem angekündigten Fernsehprogramm unterlassen soll.

Vor der Sendung des „hr-fernsehens“ veröffentlichte die Beklagte einen Artikel mit der Überschrift „Kostenlos, aber gefährlich verkeimt“. Sie behauptete, dass in zehn von 12 untersuchten Proben die Keimzahlen des Wassers aus Spendern unzulässig hoch seien. Und berichtete von einer „Gesundheitsgefährdung bei Wasserspendern“. Hersteller, Händler und Verbandsname des Klägers erwähnt der Artikel nicht.

Der Kläger mahnte die Beklagte ab, die den Artikel daraufhin teilweise änderte. Per einstweiligem Rechtsschutz untersagte das Gericht der Beklagten, Folgendes zu behaupten:

„kostenlos, aber gefährlich verkeimt
und/oder
Alles Wissen deckt Gesundheitsgefahren bei Wasserspendern auf
und/oder
In zehn der zwölf Proben wurde die gesetzlich zulässige Höchstmenge an Keimen zum Teil deutlich überschritten - bis hin zum 40-fachen der erlaubten Kontamination“.

Der Kläger beantragt vor Gericht, die strittigen Äußerungen dauerhaft zu verbieten, da sie falsch seien. Die Wasserspenderhersteller müssen sich an die Trinkwasserverordnung halten. Die Richtwerte der Mineralwasserverordnung sind hingegen nicht bindend, waren aber Grundlage für die zweifelhaften Äußerungen. Der Kläger moniert weiter die Probennahme und bezeichnet sie als nicht repräsentativ. Die Klagebefugnis ergebe sich aus der Satzung des Verbandes. Diese ermächtigt den Kläger zu rechtlichen Schritten gegen unwahre Äußerungen.

Die Beklagte spricht dem Kläger das Recht ab, auf Unterlassung zu klagen, da er nicht unmittelbar betroffen sei. Der Artikel richte sich allgemein kritisch gegen Warengruppen, Dienstleistungen und Branchen, nicht speziell gegen den Kläger. Die Beklagte bezeichnet das Begehren des Klägers als unbegründet, da er kein eigens rechtsschutzwürdiges Interesse habe. Es fehle weiter an der direkten Betroffenheit des Klägers. Der Artikel schädige den Verband nicht unmittelbar.

Das Landgericht folgt in seinem Urteil den Argumenten der Beklagten und weist die Klage als unbegründet ab. Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch nicht zu. Ebenso fehle es ihm für eine Klage an der individuellen und unmittelbaren Betroffenheit.

Das Gericht verweist in seiner Entscheidung auf die §§ 1004, 823 Abs. 1 BGB bzw. § 824 BGB. Der Begriff „Betroffenheit“ setzt voraus, dass die Äußerungen den Kläger im engen Verhältnis ansprechen, sich mit seinen gewerblichen Leistungen befassen.
Branchenverbände sind danach nur klagebefugt, wenn die Äußerungen ihren Ruf schädigen oder ihren Funktionsbereich beeinträchtigen. Das ist hier nicht der Fall.

Gleichwohl erkennt das Gericht, dass es möglich sei, die Kritik über Wasserspender mit dem Verband in Verbindung zu bringen. Das Gegenargument lautet: Ein unbefangener Leser ist in der Lage zu differenzieren.

Weiter argumentiert das Gericht: Auch wenn der Verband im Auftrag der Mitglieder für jeden Einzelnen auf Unterlassung klagen würde, fehlt dem Verband die Legitimation. Denn keines der Verbandsmitglieder wurde im Beitrag direkt angesprochen. Zwar kann eine individuelle Betroffenheit gegeben sein, wenn namentlich das Erzeugnis benannt oder das Produkt unmissverständlich auf ein bestimmtes Unternehmen verweist. Im vorliegenden Fall benennt der Artikel die Anbieter von Wasserspenden nicht. Eine individuelle Betroffenheit durch den Artikel ist damit ausgeschlossen, so das Gericht.

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 08.05.2014, Az.: 2-03 O 500/13

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