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Werbung für vegane „Eierlikör-Alternative“ wettbewerbswidrig

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Vegan, innovativ – und trotzdem verboten? Mit seinem Urteil vom 23. April 2024 hat das Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 23.04.2024 – Az. 406 HKO 76/23) für Aufsehen gesorgt. Es untersagte einem Hersteller die Bewerbung eines veganen Likörs mit den Begriffen „Eierlikör-Alternative“ und „vegane Alternative zu Eierlikör“. Begründung: Diese Werbeaussagen verletzen den europäischen Bezeichnungsschutz für Eierlikör – und führen Verbraucher in die Irre.

1. Der rechtliche Rahmen: Bezeichnungsschutz in der EU-Spirituosenverordnung

Die Verordnung (EU) 2019/787 regelt die Definition, Kennzeichnung und Bewerbung von Spirituosen europaweit. In Anhang I sind dabei spezifische Anforderungen für verschiedene Produktkategorien – etwa Whisky, Rum oder Eierlikör – festgelegt.

Für „Eierlikör“ gilt nach Anhang I Nr. 39:

  • Mindestalkoholgehalt: 14 % Vol.
  • Verwendung von Alkohol, Eigelb und Zucker/Sirup in bestimmten Mengen
  • Kein Ersatz der Eierbestandteile durch Alternativen

Artikel 10 Abs. 7 der Verordnung enthält einen sogenannten absoluten Bezeichnungsschutz: Geschützte Begriffe dürfen nur verwendet werden, wenn das Produkt die dafür vorgesehenen Anforderungen erfüllt. Verboten ist auch jede indirekte Anspielung, die beim Verbraucher eine gedankliche Verbindung zu einer geschützten Spirituosen-Kategorie weckt – auch dann, wenn der Produktname selbst den geschützten Begriff nicht enthält.

2. Der Sachverhalt: Veganer „Likör“ mit problematischer Werbung

Die Beklagte – ein Hersteller veganer alkoholischer Getränke – vertreibt unter der Marke „VEGGLY“ ein Produkt, das ausdrücklich ohne Eier hergestellt wird. Es enthält pflanzliche Zutaten, Alkohol und Zucker – jedoch keinerlei tierische Bestandteile. Beworben wurde das Produkt mit Formulierungen wie:

  • „Eierlikör-Alternative“
  • „vegane Alternative zu Eierlikör“
  • „veganer Likör ohne Eier“
  • „kein Eierlikör“

Der Schutzverband der Spirituosen-Industrie e.V. klagte auf Unterlassung dieser Werbeaussagen. Er argumentierte, dass solche Angaben eine unzulässige Bezugnahme auf die geschützte Kategorie „Eierlikör“ darstellen und gegen Art. 10 Abs. 7 der Verordnung verstoßen. Die Angaben seien wettbewerbswidrig, weil sie eine Irreführung der Verbraucher begünstigten und gesetzliche Kennzeichnungsregeln verletzten.

3. Argumentation der Beklagten: Abgrenzung statt Irreführung

Die Beklagte verteidigte sich damit, dass die Begriffe nicht zur Irreführung, sondern zur Klarstellung verwendet worden seien. Das Produkt heiße „VEGGLY“ – eine eigenständige Bezeichnung –, die streitigen Begriffe dienten nur der Abgrenzung zu klassischem Eierlikör. Der Begriff „Eierlikör“ werde nicht als Produktname verwendet. Zudem sei es aus marketingstrategischer Sicht sinnvoll, dem Verbraucher zu verdeutlichen, dass es sich um eine pflanzliche Alternative handele – auch im Hinblick auf steigende Nachfrage veganer Produkte.

4. Die Entscheidung des LG Hamburg im Detail

Das Landgericht Hamburg folgte dieser Argumentation nicht. Es stellte vielmehr eine Verletzung des absoluten Bezeichnungsschutzes nach Art. 10 Abs. 7 VO (EU) 2019/787 fest und verurteilte die Beklagte zur Unterlassung der streitgegenständlichen Werbeaussagen.

Zentrale Entscheidungsgründe:

  • Die streitigen Aussagen stellten eine gedankliche Verbindung zur Spirituosengattung „Eierlikör“ her – selbst wenn klar sei, dass das Produkt kein Eierlikör im engeren Sinn sei.
  • Entscheidend sei nicht die Intention des Herstellers, sondern die Wirkung beim Verbraucher: Die Begriffe „Eierlikör-Alternative“ oder „vegane Alternative zu Eierlikör“ suggerieren ein Ersatzprodukt, das sich geschmacklich oder funktional am Original orientiert.
  • Der Begriff „Alternative“ beinhalte eine vergleichende Bezugnahme, die gerade nicht neutral, sondern absatzfördernd sei – und daher im Kontext der EU-Verordnung unzulässig.
  • Die Verwendung solcher Begriffe sei nicht erforderlich, um Missverständnisse zu vermeiden – schließlich wäre auch ein rein beschreibender Begriff wie „veganer Likör“ ausreichend.
  • Das Gericht lehnte eine allgemeine abstrakte Unterlassungsklage ab (wegen Unbestimmtheit nach §253 Abs.2 ZPO), gab der Klage aber in Bezug auf die konkreten Werbeformen statt.

5. Konsequenzen für Hersteller: Was ist noch erlaubt?

Das Urteil zeigt eindrücklich: Hersteller müssen bei der Bewerbung veganer Spirituosen äußerst vorsichtig sein. Auch gut gemeinte Begriffe wie „Alternative“ oder „ähnlich wie…“ können gegen EU-Recht verstoßen, wenn sie geschützte Kategorien referenzieren.

Zulässig könnten hingegen Formulierungen wie sein:

  • „veganer Likör auf Pflanzenbasis“
  • „pflanzlicher Genuss mit Alkohol“
  • „cremiger veganer Drink“

Entscheidend ist, keine Begriffe wie „Eierlikör“, „Rum“, „Whisky“ etc. direkt oder indirekt zu verwenden, wenn die Voraussetzungen der EU-Verordnung nicht erfüllt sind.

6. Fazit: Klartext statt „Eierlikör-Alternative“

Das Urteil des LG Hamburg ist ein wichtiges Signal an die Branche: Wer ein Produkt bewirbt, das in eine geschützte Kategorie hineinwirkt, muss sich genau an den wortlautgetreuen Anforderungen der EU-Verordnung orientieren. Schon der Eindruck einer Bezugnahme kann ausreichen, um eine Wettbewerbsverletzung anzunehmen.

Gerade vor dem Hintergrund wachsender Innovationsfreude im veganen Bereich ist das Urteil auch eine Mahnung an kreative Marketingabteilungen: Klarheit und Rechtskonformität müssen Hand in Hand gehen.

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