Urheberrechtlicher Schutz von Datenbanken

In der heutigen Informationsgesellschaft sind Daten ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. Sie werden gesammelt, analysiert, verarbeitet – und vor allem gespeichert. Datenbanken sind das Rückgrat moderner Informationssysteme: Ob Onlineshops, Preisvergleichsportale, Wetterdienste, medizinische Archive oder juristische Fachportale – überall finden sich strukturierte Sammlungen von Daten, auf die Nutzer sekundenschnell zugreifen können.
Doch mit dem wirtschaftlichen Wert von Daten wächst auch der Bedarf an rechtlichem Schutz. Denn wer viel Zeit, Geld und Know-how in die Erstellung einer Datenbank investiert, will nicht, dass Dritte diese einfach kopieren oder auswerten – sei es durch sogenanntes „Scraping“, durch Kopien ganzer Einträge oder durch die Verwendung einzelner Datensätze ohne Zustimmung.
Hier kommt das Urheberrecht ins Spiel – aber nicht nur. Denn der Gesetzgeber schützt Datenbanken unter bestimmten Voraussetzungen auch durch ein eigenes Leistungsschutzrecht. Doch wann genau greift der Schutz? Welche Datenbanken sind geschützt – und welche nicht? Und was dürfen Nutzer überhaupt noch verwenden?
Diese Fragen sind nicht nur für Großunternehmen mit millionenschweren Datenbeständen relevant, sondern auch für kleine Websitebetreiber, Entwickler und Agenturen, die regelmäßig mit strukturierten Daten arbeiten.
Der folgende Beitrag beleuchtet ausführlich, wann und wie Datenbanken rechtlich geschützt sind – und was Ersteller wie Nutzer dabei beachten müssen.
Was ist eine Datenbank? – Rechtlicher und technischer Überblick
Urheberrechtlicher Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz
Abgrenzung: Wann ist keine Schutzfähigkeit gegeben?
Rechte des Datenbankherstellers
Rechte und Pflichten der Nutzer
Abgrenzung zu anderen Schutzrechten
Fazit: Der Schutz von Datenbanken ist komplex – aber notwendig
FAQ: Häufige Fragen zum Datenbankrecht
Was ist eine Datenbank? – Rechtlicher und technischer Überblick
Definition nach § 4 Abs. 2 UrhG
Juristisch gesehen ist nicht jede bloße Sammlung von Daten automatisch eine „Datenbank“. Das Urheberrechtsgesetz (UrhG) stellt in § 4 Abs. 2 klar:
Datenbankwerke im Sinne dieses Gesetzes sind Sammlungen von Werken, Daten oder anderen unabhängigen Elementen, die systematisch oder methodisch angeordnet und einzeln mit Hilfe elektronischer Mittel oder auf andere Weise zugänglich sind, sofern die Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung ist.
Konkret heißt das: Eine Datenbank muss eine bestimmte Struktur aufweisen und die darin enthaltenen Daten müssen so organisiert sein, dass gezielter Zugriff möglich ist. Außerdem muss ein gewisses Maß an Kreativität oder Individualität bei der Auswahl oder Anordnung der Inhalte vorliegen, damit der urheberrechtliche Schutz als Datenbankwerk greift.
Datenbank, Datensammlung oder Datenbestand? – Die Unterschiede
Die Begriffe „Datenbank“, „Datensammlung“ und „Datenbestand“ werden im Alltag oft synonym verwendet – rechtlich betrachtet bestehen jedoch klare Unterschiede:
- Datenbank (im rechtlichen Sinne): Eine strukturierte Sammlung, die systematisch oder methodisch aufgebaut ist und einen funktionalen Zugriff erlaubt (z. B. über Suchfunktionen oder Filter).
- Datensammlung: Ein allgemeiner Begriff für beliebige Zusammenstellungen von Daten – ohne zwingende Struktur oder technischen Aufbau. Nicht jede Datensammlung ist also automatisch eine „Datenbank“ im Sinne des UrhG.
- Datenbestand: Bezeichnet die Gesamtheit der gespeicherten Daten, oft in eher technischer Hinsicht – z. B. die Rohdaten auf einem Server oder in einer Tabelle.
Die rechtliche Relevanz dieser Unterscheidung zeigt sich etwa dann, wenn jemand behauptet, seine Daten seien geschützt. Denn nur eine echte Datenbank im Sinne des Gesetzes kann urheberrechtlichen oder leistungsschutzrechtlichen Schutz genießen. Ein bloßer Datenbestand (z. B. eine ungeordnete Excel-Tabelle mit Temperaturwerten) reicht dafür nicht aus.
Beispiele für typische Datenbanken
Um das besser greifbar zu machen, hier einige Beispiele aus der Praxis:
- Produktdatenbanken: Etwa bei Onlineshops oder Preisvergleichsportalen – enthalten strukturierte Angaben zu Artikeln, Preisen, Kategorien und Herstellern.
- Immobilienportale: Sammeln Informationen zu tausenden Objekten mit Lage, Größe, Preis, Ausstattung usw., die systematisch durchsuchbar sind.
- Online-Lexika & Enzyklopädien: Wie Wikipedia oder juristische Fachportale, in denen Inhalte nach Stichworten oder Themen geordnet abrufbar sind.
- Wetterdatenbanken: Etwa mit historischen Wetterdaten oder Prognosen, sortiert nach Ort, Datum oder Zeitintervall.
All diese Datenbanken können unter bestimmten Voraussetzungen rechtlich geschützt sein – entweder durch das Urheberrecht als Datenbankwerk oder durch ein spezielles Leistungsschutzrecht (§§ 87a ff. UrhG). Wann welcher Schutz greift, wird im nächsten Abschnitt genauer erklärt.
Urheberrechtlicher Schutz nach dem Urheberrechtsgesetz
Datenbanken sind nicht gleich Datenbanken – jedenfalls nicht aus rechtlicher Sicht. Das Urheberrechtsgesetz unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Schutzmechanismen:
- dem Schutz als Datenbankwerk (§ 4 Abs. 2 UrhG)
- dem Schutz als einfache Datenbank (§§ 87a ff. UrhG), also dem sogenannten sui-generis-Recht
Beide Schutzarten haben unterschiedliche Voraussetzungen und Zielrichtungen. Im Folgenden schauen wir uns beide Varianten im Detail an.
1. Schutz als Datenbankwerk (§ 4 Abs. 2 UrhG)
Der urheberrechtliche Schutz als „Datenbankwerk“ greift dann, wenn die Datenbank eine persönlich geistige Schöpfung darstellt. Entscheidend ist hierbei nicht der Inhalt der Datenbank, sondern die individuelle Auswahl oder Anordnung der darin enthaltenen Daten.
Voraussetzungen im Überblick:
- Die Datenbank muss systematisch oder methodisch aufgebaut sein.
- Sie muss eine gewisse Gestaltungshöhe erreichen.
- Erforderlich ist eine kreative Leistung bei der Auswahl oder Strukturierung der Daten.
Reine Fleißarbeit – also das bloße Sammeln oder Auflisten von Daten – genügt nicht.
Wann liegt eine „persönlich geistige Schöpfung“ vor?
Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Datenbankersteller subjektive Entscheidungen trifft, die nicht rein technisch oder sachlich vorgegeben sind. Beispielsweise:
- Welche Informationen werden aufgenommen?
- In welcher Reihenfolge oder unter welchen Kategorien erfolgt die Darstellung?
- Gibt es eine besondere Systematik oder Gliederung?
Je mehr individuelle Gestaltungsentscheidungen erkennbar sind, desto eher liegt ein schutzfähiges Werk vor.
Beispiel: Wikipedia vs. Adressverzeichnis
- Wikipedia: Die Auswahl der Artikel, ihre Gliederung nach Themen, die interne Verlinkung und redaktionelle Bearbeitung weisen Merkmale einer persönlich geistigen Schöpfung auf. Hier ist also ein urheberrechtlicher Schutz als Datenbankwerk möglich.
- Einfaches Adressverzeichnis: Eine alphabetisch sortierte Liste von Telefonnummern und Namen (wie im klassischen Telefonbuch) genügt in der Regel nicht den Anforderungen an eine individuelle Schöpfung – hier fehlt das kreative Element.
2. Schutz als einfache Datenbank (§§ 87a ff. UrhG) – das Leistungsschutzrecht
Auch wenn eine Datenbank nicht die Schwelle zur persönlichen geistigen Schöpfung überschreitet, kann sie dennoch geschützt sein – durch das sogenannte sui-generis-Recht des Datenbankherstellers. Dieses ist in §§ 87a bis 87e UrhG geregelt und wurde durch eine EU-Richtlinie eingeführt.
Wann greift das „sui-generis“-Recht?
- Die Datenbank muss eine wesentliche Investition in Zeit, Geld oder Arbeitskraft erfordert haben.
- Die Investition muss in die Beschaffung, Überprüfung oder Darstellung der Daten geflossen sein.
- Eine individuelle schöpferische Leistung ist nicht erforderlich.
Das bedeutet: Auch rein technisch oder systematisch aufgebaute Datenbanken, die „nur“ durch viel Aufwand entstanden sind, können geschützt sein – unabhängig von einer kreativen Gestaltung.
Worin unterscheidet sich dieser Schutz vom Urheberrecht?
Merkmal |
Datenbankwerk (§ 4 UrhG) |
Sui-generis-Recht (§§ 87a ff. UrhG) |
Schutzvoraussetzung |
Persönlich geistige Schöpfung |
Wesentliche Investition |
Schutzgegenstand |
Auswahl oder Anordnung der Daten |
Inhalt der Datenbank |
Schutzdauer |
70 Jahre nach Tod des Urhebers |
15 Jahre ab Veröffentlichung |
Schöpfer/Schutzberechtigter |
Urheber (natürliche Person) |
Hersteller (auch juristische Personen) |
Abgrenzung: Wann ist keine Schutzfähigkeit gegeben?
Nicht jede Datensammlung genießt automatisch rechtlichen Schutz. Sowohl das Urheberrecht (§ 4 UrhG) als auch das Leistungsschutzrecht (§§ 87a ff. UrhG) stellen konkrete Anforderungen an eine Datenbank. Werden diese Anforderungen nicht erfüllt, besteht kein Schutz – weder als Werk noch als Leistung.
Im Folgenden wird aufgezeigt, wann eine Datenbank gerade nicht schutzfähig ist – und warum.
1. Keine persönliche geistige Schöpfung
Ein Datenbankwerk im Sinne von § 4 Abs. 2 UrhG liegt nur dann vor, wenn die Auswahl oder Anordnung der Inhalte eine persönliche geistige Leistung erkennen lässt. Fehlt dieses kreative Element, ist kein urheberrechtlicher Schutz als Werk möglich.
Typische Fälle, in denen es an der nötigen Schöpfungshöhe fehlt:
- Die Inhalte werden rein alphabetisch, chronologisch oder nach rein technischen Kriterien sortiert.
- Es gibt keine originelle Auswahl – z. B. bei der vollständigen Auflistung aller deutschen Postleitzahlen.
- Die Strukturierung folgt rein sachlogischen, nicht aber individuellen Entscheidungen.
Fazit: Ohne eine erkennbare individuelle Gestaltung handelt es sich nur um eine nüchterne Datensammlung – kein Werk, kein Urheberrechtsschutz.
2. Reine Zusammenstellung einfacher Fakten
Auch eine Datenbank, die ausschließlich aus alltäglichen oder banalen Daten besteht, erfüllt regelmäßig nicht die Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk. Das Urheberrecht schützt nicht die Information an sich, sondern nur deren Gestaltung.
Beispiele:
- Tabellen mit Börsenkursen
- Listen mit Temperaturen oder Niederschlagsmengen
- Aufzählungen aller deutschen Feiertage nach Bundesland
Diese Inhalte sind zwar unter Umständen mühsam zusammengetragen worden, enthalten aber keine individuelle Prägung – und sind deshalb nicht schutzfähig als Datenbankwerk.
3. Keine erhebliche Investition beim sui-generis-Schutz
Auch das Datenbank-Leistungsschutzrecht (§§ 87a ff. UrhG) schützt nicht jede Datensammlung, sondern setzt eine wesentliche Investition voraus – entweder in Form von Geld, Zeit oder technischer Infrastruktur.
Fehlt eine solche Investition, greift auch dieses Schutzrecht nicht. Entscheidend ist, ob bei der Erstellung ein erheblicher organisatorischer, technischer oder finanzieller Aufwand entstanden ist. Eine rein zufällige oder automatisierte Sammlung genügt nicht.
4. Beispiel aus der Praxis: Excel-Tabelle mit Wetterdaten
Stellen wir uns vor, jemand erstellt eine einfache Excel-Tabelle, in der er täglich Temperaturdaten aus verschiedenen Städten einträgt – etwa zur eigenen Dokumentation oder aus persönlichem Interesse.
- Kein Datenbankwerk: Die Tabelle enthält keine individuelle Auswahl oder originelle Strukturierung. Die Daten werden lediglich chronologisch gelistet – also rein sachlich.
- Kein sui-generis-Schutz: Die Erstellung erfordert keinen besonderen Aufwand, keine Softwareentwicklung, keine systematische Aufbereitung oder Kontrolle. Es liegt keine wesentliche Investition vor.
Ergebnis: Diese Tabelle ist urheberrechtlich nicht geschützt – weder als Werk noch durch das Leistungsschutzrecht. Dritte dürften die Tabelle daher grundsätzlich kopieren, verwenden oder veröffentlichen – vorbehaltlich anderer Schranken oder Schutzmechanismen (z. B. AGB, Geheimhaltung, Wettbewerbsrecht).
Rechte des Datenbankherstellers
Wenn eine Datenbank die Voraussetzungen des sui-generis-Schutzes nach §§ 87a ff. UrhG erfüllt, hat der Hersteller konkrete Verwertungsrechte. Diese Rechte schützen nicht die kreative Gestaltung, sondern die Investition, die in die Erstellung, Pflege oder Strukturierung der Datenbank geflossen ist.
Dabei ist der Begriff des „Herstellers“ weit zu fassen: Es kann sich sowohl um eine natürliche Person als auch um ein Unternehmen handeln – entscheidend ist, wer die wirtschaftliche Verantwortung für die Erstellung trägt.
1. Exklusive Verwertungsrechte (§ 87b UrhG)
Das zentrale Schutzinstrument des Datenbankherstellers ist § 87b UrhG. Danach hat der Hersteller das ausschließliche Recht:
- wesentliche Teile der Datenbank zu vervielfältigen, zu verbreiten oder öffentlich wiederzugeben,
- wiederholt oder systematisch kleinere Teile zu entnehmen, wenn dies einer Verwertung „wesentlicher Teile“ gleichkommt.
Was genau eine „wesentliche“ Teilentnahme ist, hängt vom Einzelfall ab. Dabei kommt es sowohl auf den quantitativen Umfang als auch auf die wirtschaftliche Bedeutung der Daten an. Auch das sogenannte „Screen Scraping“ kann rechtswidrig sein, wenn durch viele kleine Abfragen schrittweise der gesamte Datenbestand ausgelesen wird.
Beispiel: Wer automatisiert Preise von einer Preisvergleichsseite kopiert, um ein eigenes Portal zu befüllen, greift in das Schutzrecht des Datenbankherstellers ein – auch wenn nie die komplette Datenbank auf einmal übernommen wird.
2. Schutzdauer: 15 Jahre (§ 87d UrhG)
Der Schutz des Datenbankherstellers gilt nicht unbegrenzt, sondern ist zeitlich begrenzt. Nach § 87d UrhG endet der Schutz 15 Jahre nach dem ersten Erscheinen oder der Fertigstellung der Datenbank.
Diese Frist ist deutlich kürzer als beim Urheberrecht (dort: 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers), orientiert sich aber an der wirtschaftlichen Lebensdauer typischer Datenbanken – etwa bei Börsendaten, Produktkatalogen oder Preisvergleichen.
3. Schutz erneuert sich bei wesentlichen Änderungen oder Aktualisierungen
Ein besonderer Vorteil des sui-generis-Schutzes: Wird eine Datenbank wesentlich überarbeitet, aktualisiert oder erweitert, beginnt die 15-jährige Schutzfrist neu zu laufen – allerdings nur für die geänderte oder erweiterte Version.
Eine bloße Ergänzung um einzelne neue Daten genügt nicht. Es muss sich um eine Investition handeln, die vergleichbar mit der ursprünglichen Erstellung ist – also zum Beispiel:
- eine komplette Neustrukturierung der Datenbank,
- die Integration neuer Datenkategorien oder Filterfunktionen,
- die vollständige Aktualisierung veralteter Inhalte.
So bleibt eine wirtschaftlich bedeutsame Datenbank auch über Jahrzehnte hinweg schutzfähig – solange regelmäßig in ihre Aktualisierung investiert wird.
Rechte und Pflichten der Nutzer
Der Schutz von Datenbanken ist das eine – das andere ist die Frage, was Nutzer überhaupt dürfen. Denn nicht jede Nutzung stellt automatisch eine Urheberrechtsverletzung dar. Es kommt darauf an, ob eine gesetzlich erlaubte Nutzung vorliegt – oder ob durch das Verhalten in die Schutzrechte des Datenbankherstellers eingegriffen wird.
1. Was ist erlaubt?
a) Nutzung zu privaten Zwecken
Privatpersonen dürfen geschützte Datenbanken in der Regel für rein persönliche Zwecke nutzen – also etwa:
- zur eigenen Information,
- zur einmaligen Datenauswertung,
- zum gelegentlichen Kopieren kleiner Auszüge.
Diese Nutzung muss sich jedoch im Rahmen des sogenannten „freien Werknutzungsrechts“ bewegen. Sobald ein kommerzieller oder systematischer Zweck hinzutritt, endet die Zulässigkeit.
b) Zitate aus Datenbanken
Auch das Zitieren einzelner Datensätze – etwa zu wissenschaftlichen oder redaktionellen Zwecken – kann erlaubt sein, wenn die Zitatregelungen (§ 51 UrhG) eingehalten werden:
- Das Zitat muss einem belegenden Zweck dienen,
- es muss in einen eigenen Text eingebettet sein,
- und die Quelle muss angegeben werden.
Beispiel: Die Wiedergabe eines Datenbankeintrags in einem Fachartikel zur kritischen Analyse.
2. Was ist verboten?
a) Systematisches Auslesen („Scraping“)
Das automatisierte oder wiederholte Auslesen von Daten aus einer geschützten Datenbank – sogenanntes „Screen Scraping“ – ist rechtswidrig, wenn dadurch wesentliche Teile entnommen werden oder ein Umgehen der Schutzrechte vorliegt.
Beispiele für verbotene Handlungen:
- Das automatisierte Kopieren von Preislisten, Adressdaten oder Produktbeschreibungen,
- das regelmäßige Auslesen kleiner Datenmengen mit dem Ziel, nach und nach die ganze Datenbank zu erfassen,
- die Umgehung technischer Schutzmaßnahmen (z. B. Captchas oder API-Beschränkungen).
Solche Eingriffe können nicht nur urheber- und wettbewerbsrechtlich relevant sein, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen – etwa wegen Datenverarbeitung ohne Berechtigung (§ 303a StGB) oder Ausspähens von Daten (§ 202a StGB).
3. Recht auf Text- und Data-Mining (§ 44b UrhG) – neu seit 2021
Mit der Umsetzung der EU-Urheberrechtsrichtlinie wurde ein neues Recht eingeführt: das Recht auf Text- und Data-Mining (§ 44b UrhG).
Dieses erlaubt unter bestimmten Bedingungen das automatisierte Auslesen und Analysieren von Daten, z. B. zur:
- wissenschaftlichen Forschung,
- Entwicklung von KI-Systemen,
- Datenanalyse durch Bibliotheken und Hochschulen.
Wichtig: Dieses Nutzungsrecht gilt nur dann, wenn der Datenbankhersteller die Nutzung nicht ausdrücklich durch technische oder vertragliche Maßnahmen ausgeschlossen hat. In der Praxis können Anbieter diesen Ausschluss z. B. durch einen „robots.txt“-Eintrag oder entsprechende AGB umsetzen.
Im Ergebnis gilt: Nutzer sollten genau prüfen, ob und in welchem Umfang sie Datenbanken verwenden dürfen – insbesondere im geschäftlichen Kontext. Wer automatisiert Daten ausliest oder weiterverwendet, bewegt sich schnell im rechtlich riskanten Bereich.
Abgrenzung zu anderen Schutzrechten
Nicht jede Datenbank ist urheber- oder leistungsschutzrechtlich geschützt – und selbst wenn ein solcher Schutz greift, reicht er oft nicht aus, um alle rechtlichen Risiken abzudecken. Deshalb spielen ergänzende Schutzmechanismen eine wichtige Rolle. Gerade in der Praxis werden häufig andere Rechtsgebiete herangezogen, um den Zugriff auf Datenbanken zu regulieren oder Missbrauch zu verhindern.
Hier ein Überblick über die wichtigsten ergänzenden Schutzinstrumente:
1. Schutz durch das Geschäftsgeheimnisrecht
Wenn eine Datenbank vertrauliche Informationen enthält – etwa interne Kundendaten, Rezepturen, Kalkulationen oder Forschungsergebnisse –, kann sie unter das Gesetz zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen (GeschGehG) fallen.
Voraussetzungen für den Schutz als Geschäftsgeheimnis (§ 2 Nr. 1 GeschGehG):
- Die Informationen sind nicht allgemein bekannt oder leicht zugänglich,
- sie haben einen wirtschaftlichen Wert, weil sie geheim sind,
- und es wurden angemessene Schutzmaßnahmen getroffen (z. B. Zugangsbeschränkungen, Passwörter, Verschlüsselung).
Ein Verstoß gegen diesen Schutz kann zivil- und strafrechtliche Folgen haben (§§ 4–6 GeschGehG). Die bloße Existenz einer Datenbank reicht jedoch nicht – der Dateninhalt muss tatsächlich geheim und aktiv gesichert sein.
2. Technischer Schutz: Zugriffsbeschränkungen & AGB-Klauseln
Auch technische oder vertragliche Schutzmaßnahmen spielen eine zentrale Rolle im Datenbankschutz:
- Technisch: Zugangssperren, Login-Systeme, IP-Sperren, Captchas, robots.txt-Dateien oder API-Limits verhindern oder erschweren unbefugten Zugriff.
- Vertraglich: In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) kann das Auslesen, Kopieren oder Weiterverwenden von Daten ausdrücklich verboten werden.
Besonders wichtig: Der EuGH hat in der Rechtssache „Ryanair vs. PR Aviation“ (C-30/14) entschieden, dass auch nicht urheberrechtlich geschützte Datenbanken durch AGB wirksam gegen Scraping abgesichert werden können – sofern der Nutzer den AGB tatsächlich zugestimmt hat.
Diese Form des „Vertragsschutzes“ wird in der Praxis immer wichtiger, da sie auch dort greift, wo das Urheberrecht nicht schützt.
3. Marken- und wettbewerbsrechtlicher Schutz
Datenbanken können auch indirekt durch andere Rechtsgebiete geschützt sein – insbesondere durch das:
a) Markenrecht
Wenn bestimmte Gestaltungselemente (z. B. Logo, Name, Benutzeroberfläche) mit einer Marke identisch oder verwechslungsfähig sind, kann die unbefugte Nachahmung markenrechtliche Ansprüche auslösen (§ 14 MarkenG).
b) Wettbewerbsrecht
Nach § 4 Nr. 3 UWG ist die unlautere Nachahmung eines fremden Produkts wettbewerbswidrig, wenn:
- eine Leistungsschutzwürdigkeit besteht (z. B. bei erheblichem Aufwand oder Marktrelevanz),
- das Produkt nachgeahmt wird, und
- eine unlautere Handlung vorliegt – z. B. Täuschung über die Herkunft oder Ausnutzung fremder Leistungen.
Beispiel: Wer eine kommerzielle Datenbank nahezu identisch kopiert und unter eigenem Namen vertreibt, kann sich schnell einem Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch ausgesetzt sehen – selbst wenn die Datenbank urheberrechtlich nicht geschützt ist.
Fazit: Der rechtliche Schutz von Datenbanken endet nicht beim Urheberrecht. In vielen Fällen greifen ergänzend oder ersatzweise andere Schutzrechte, die Datenbankbetreibern zusätzliche rechtliche Möglichkeiten bieten – vorausgesetzt, die Voraussetzungen dieser Schutzrechte sind erfüllt und werden aktiv genutzt.
Fazit: Der Schutz von Datenbanken ist komplex – aber notwendig
Wichtige Erkenntnisse im Überblick
Datenbanken sind aus der digitalen Welt nicht mehr wegzudenken – sie strukturieren, verknüpfen und speichern Informationen in nahezu allen Lebensbereichen. Doch rechtlich gesehen ist ihr Schutz alles andere als selbstverständlich. Der Gesetzgeber differenziert genau:
- Nur solche Datenbanken, die eine individuelle Gestaltung oder erhebliche Investitionen aufweisen, sind schutzfähig.
- Der rechtliche Schutz erfolgt entweder als urheberrechtliches Werk (§ 4 UrhG) oder als Leistungsschutzrecht (§§ 87a ff. UrhG) – im Idealfall sogar beides gleichzeitig.
- Nicht jede Datensammlung fällt unter diesen Schutz – reine Fakten, triviale Strukturen oder ohne Aufwand erstellte Inhalte bleiben oft schutzlos.
Datenbankrecht als Zusammenspiel verschiedener Rechtsinstrumente
Das Datenbankrecht ist ein vielschichtiges System, das sich aus mehreren Rechtsquellen zusammensetzt:
- Dem klassischen Urheberrecht, wenn es um kreative Leistungen bei Struktur und Auswahl geht,
- dem sui-generis-Recht zum Schutz wirtschaftlicher Investitionen in Inhalte,
- und ergänzend durch Geschäftsgeheimnisrecht, Vertragsrecht, Marken- oder Wettbewerbsrecht.
Wer Datenbanken erstellt oder nutzt, sollte dieses Zusammenspiel genau verstehen – denn je nach Fallkonstellation kann sich der rechtliche Rahmen erheblich unterscheiden.
Handlungsempfehlungen für Ersteller und Nutzer
Für Datenbank-Ersteller:
- Prüfen Sie frühzeitig, ob Ihre Datenbank die Voraussetzungen für urheberrechtlichen oder leistungsschutzrechtlichen Schutz erfüllt.
- Dokumentieren Sie die Investitionen (Zeit, Geld, Aufwand) in die Erstellung und Pflege.
- Ergänzen Sie technische Schutzmaßnahmen (z. B. Zugangsbeschränkungen) durch klare AGB mit Nutzungsbedingungen.
- Ziehen Sie ergänzende Schutzrechte (z. B. Geschäftsgeheimnisse oder Markenschutz) in Betracht.
- Aktualisieren Sie Ihre Datenbank regelmäßig – dadurch kann sich der Schutzzeitraum neu beginnen.
Für Nutzer von Datenbanken:
- Prüfen Sie, ob die Datenbank geschützt ist – entweder urheberrechtlich, durch Leistungsschutz oder vertraglich.
- Vermeiden Sie systematisches Auslesen oder Kopieren – insbesondere bei kommerzieller Nutzung.
- Informieren Sie sich über gesetzliche Schranken, wie z. B. das Text- und Data-Mining (§ 44b UrhG).
- Achten Sie auf die AGB und Nutzungsbedingungen – deren Missachtung kann auch ohne Urheberrechtsverletzung zu rechtlichen Konsequenzen führen.
Kurzum: Wer Datenbanken erstellt, verwaltet oder nutzt, bewegt sich in einem rechtlich anspruchsvollen Umfeld. Doch mit dem nötigen Wissen, rechtlicher Sorgfalt und einer klugen Strategie lässt sich nicht nur das Risiko minimieren – sondern auch der Wert von Daten rechtssicher schützen und nutzen.
FAQ: Häufige Fragen zum Datenbankrecht
Ist jede Datenbank automatisch geschützt?
Nein. Eine Datensammlung ist nicht automatisch urheberrechtlich oder leistungsschutzrechtlich geschützt. Ein Schutz als Datenbankwerk greift nur, wenn eine individuelle Auswahl oder Anordnung der Daten vorliegt (§ 4 Abs. 2 UrhG). Alternativ kann die Datenbank als sogenannte einfache Datenbank durch das sui-generis-Recht geschützt sein (§§ 87a ff. UrhG) – aber auch dafür ist eine wesentliche Investition notwendig.
Was darf ich als Nutzer kopieren oder weiterverwenden?
Erlaubt ist grundsätzlich die private, gelegentliche Nutzung kleinerer Teile einer Datenbank. Auch das Zitieren einzelner Inhalte zu wissenschaftlichen oder redaktionellen Zwecken kann zulässig sein – wenn die Quelle korrekt angegeben wird. Nicht erlaubt ist jedoch das systematische Auslesen, Vervielfältigen oder Weiterverbreiten wesentlicher Teile, insbesondere bei gewerblicher Nutzung.
Was ist beim Scraping erlaubt?
Das sogenannte Screen Scraping – also das automatisierte Auslesen von Daten – ist nur dann erlaubt, wenn:
- die Datenbank nicht geschützt ist, und
- die AGB oder technischen Schutzmaßnahmen ein solches Verhalten nicht ausschließen.
Bei geschützten Datenbanken oder bei AGB-Verboten ist Scraping unzulässig und kann zu Abmahnungen, Unterlassungsansprüchen oder Schadensersatzforderungen führen.
Wie lange gilt der Schutz einer Datenbank?
- Beim urheberrechtlichen Datenbankwerk: 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers.
- Beim sui-generis-Schutz: 15 Jahre ab Veröffentlichung oder Fertigstellung der Datenbank.
Wichtig: Wird die Datenbank wesentlich überarbeitet oder aktualisiert, beginnt die Schutzfrist für die neuen Teile neu zu laufen.
Wie kann ich meine Datenbank absichern?
- Achten Sie auf eine strukturierte und systematische Gestaltung, ggf. mit kreativer Auswahl.
- Dokumentieren Sie den Investitionsaufwand (Zeit, Geld, Personal).
- Verwenden Sie technische Schutzmaßnahmen: Passwörter, Zugriffskontrollen, robots.txt, API-Limits.
- Ergänzen Sie diese durch klare AGB, die Scraping und Weiterverwendung untersagen.
- Ziehen Sie ergänzend Geschäftsgeheimnis- oder wettbewerbsrechtlichen Schutz in Betracht.
Ist ein einfacher Datenbestand wie eine Excel-Tabelle geschützt?
Nur in Ausnahmefällen. Eine bloße Liste – etwa eine einfache Excel-Tabelle mit Messwerten – ist in der Regel nicht schutzfähig, da weder eine kreative Leistung noch eine erhebliche Investition vorliegt. Für einen Schutz ist mehr erforderlich als nur das bloße Zusammenstellen von Fakten.
Darf ich aus einer fremden Datenbank einzelne Datensätze übernehmen?
Das hängt vom Umfang und Zweck ab. Einzelne, nicht wesentliche Teile dürfen unter Umständen übernommen werden, etwa im Rahmen des Zitatsrechts oder bei privater Nutzung. Werden aber systematisch Daten entnommen, selbst in kleinen Mengen, kann das unzulässig sein – insbesondere, wenn ein wirtschaftlicher Zweck dahintersteht.
Darf ich eine öffentliche Datenbank (z. B. Wikipedia) verwenden?
Ja, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Wikipedia steht unter einer freien Lizenz (CC BY-SA), was eine Nutzung erlaubt – aber nur bei korrekter Namensnennung, Lizenzweitergabe und Verlinkung. Andere öffentliche Datenbanken können eigene Lizenzmodelle oder Nutzungsbedingungen haben, die beachtet werden müssen.
Was passiert, wenn ich gegen das Datenbankrecht verstoße?
Ein Verstoß kann verschiedene Folgen haben:
- Abmahnungen mit Unterlassungs- und Kostenerstattungsansprüchen,
- Schadensersatzforderungen,
- bei vorsätzlichem Verhalten ggf. sogar strafrechtliche Konsequenzen,
- Ausschluss von der weiteren Nutzung durch technische Sperren oder Vertragskündigungen.
Daher sollte jede Datenbanknutzung im Zweifel rechtlich geprüft werden.
Kann ich meine Datenbank auch als Geschäftsgeheimnis schützen?
Ja – wenn die Daten nicht allgemein bekannt sind, einen wirtschaftlichen Wert haben und Sie wirksame Schutzmaßnahmen einsetzen (z. B. Passwörter, Zugriffsmanagement, Verschlüsselung). In diesem Fall greift das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) zusätzlich zum Datenbankrecht.
Gibt es Ausnahmen für Forschung und KI?
Ja. Seit 2021 erlaubt § 44b UrhG unter bestimmten Voraussetzungen Text- und Data-Mining – also das automatisierte Auslesen von Inhalten – etwa für Forschung und KI-Entwicklung. Voraussetzung: Der Rechteinhaber darf dieses Recht nicht aktiv ausgeschlossen haben (z. B. durch robots.txt oder AGB).
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