Urheberrecht beim Videospiel-Konzept: Wann sind Game-Ideen geschützt?

Die Gaming-Branche boomt. Entwickler investieren Millionen in neue Spielideen, Storylines, Mechaniken und Nutzererfahrungen. Umso wichtiger scheint der Schutz dieser Werke. Aber wie weit reicht dieser Schutz? Gilt er nur für Grafiken, Codezeilen und Musik – oder auch für Spielprinzipien, Mechaniken und Konzepte?
Diese Fragen stellte sich auch das Landgericht Köln im Januar 2024 (Urt. v. 11.01.2024 – Az. 14 O 441/23) in einem Fall, der exemplarisch zeigt: Nicht jede brillante Spielidee ist auch rechtlich ein schützenswertes Werk.
Das Grundprinzip des Urheberrechts: Idee vs. Ausgestaltung
Im Urheberrecht gilt ein zentrales Prinzip:
Ideen sind frei. Nur die konkrete Ausgestaltung ist geschützt.
Das bedeutet: Wenn du die Idee hast, ein Spiel zu entwickeln, in dem Pinguine auf Jet-Skis gegeneinander antreten, ist das kreativ – aber nicht automatisch urheberrechtlich geschützt. Erst wenn du Grafiken, Musik, Code oder Storylines dazu entwickelst, kann ein Schutz greifen.
Diese Trennung zwischen Idee und Ausgestaltung ist kein deutsches Spezialrecht, sondern Kernbestandteil des Urheberrechts weltweit. Auch im Urteil des LG Köln war dies der zentrale Knackpunkt.
Was war passiert? Der Fall „X(...)“ vor dem LG Köln
Die Klägerin hatte ein sehr erfolgreiches Mobile Game namens „X(…)“ entwickelt. Es wurde millionenfach heruntergeladen, war „Spiel des Tages“ im AppStore, in den Bestenlisten beider Plattformen gelistet und brachte über 27,5 Millionen US-Dollar an Marketingaufwand mit sich.
Das Spiel gehörte zum Genre der „Idle Games“ bzw. „Incremental Games“ – Spiele, in denen der Spieler nicht direkt aktiv eingreift, sondern vorbereitende Maßnahmen trifft (Training, Ausrüstung), bevor der Spielverlauf automatisch abläuft.
Ein Konkurrenzprodukt namens „F. V.“ wies sehr ähnliche Spielmechaniken auf. Die Klägerin wollte deshalb gerichtlich durchsetzen, dass dieses Spiel nicht mehr veröffentlicht wird – mit der Begründung, das Spielkonzept von X(…) sei urheberrechtlich geschützt.
Worum ging es im Kern?
Die Klägerin machte nicht geltend, dass ihr Quellcode, ihre Musik, Grafiken oder andere konkrete Inhalte kopiert wurden.
Stattdessen wollte sie das Konzept des Spiels schützen lassen, das sich wie folgt zusammenfassen lässt:
- Der Spieler bereitet vor jedem Rennen seine Figur vor
- Training und Ausrüstung entscheiden über den Erfolg
- Die Rennen laufen autonom ab
- Neue Ausrüstung wird durch Siege oder Shopkäufe freigeschaltet
Sie beantragte ein gerichtliches Verbot für das Konkurrenzspiel „F. V.“, soweit es dieses Spielprinzip verwendet.
Was hat das Gericht entschieden?
Das Landgericht Köln wies die Klage ab. Begründung:
„Die bloße Idee eines Videospiels kann nicht urheberrechtlich geschützt, sondern stets nur die konkrete Ausgestaltung.“
Im Klartext: Die Klägerin wollte nicht die tatsächlichen Inhalte, sondern das System, den „Bauplan“ des Spiels schützen lassen. Und genau das lehnt das Urheberrecht ab.
Warum das Spielkonzept nicht geschützt ist
Das Gericht argumentierte ausführlich, warum es keinen Schutz für das reine Konzept gibt:
- Die Zusammenstellung aus Spielregeln, Mechaniken und Fortschrittssystem stellt kein Werk im Sinne des Urheberrechts dar.
- Es gibt keine komplexe Geschichte, keine originelle Fabel – also nichts, was im Sinne der „kleinen Münze“ des Urheberrechts schutzfähig wäre.
- Die Spielmechanik ist in weiten Teilen logisch vorgegeben – etwa, dass Training die Leistung verbessert, oder bessere Ausrüstung den Erfolg erhöht.
- Der Versuch, dieses Konzept unter Schutz zu stellen, würde zu einer unzulässigen Monopolisierung eines ganzen Spielgenres führen.
Zitat aus dem Urteil:
„Damit würde aber ein dem Urheberrecht fremder Ideenschutz bewirkt.“
Die entscheidende Rolle der „Schöpfungshöhe“
Ein Werk muss eine gewisse Schöpfungshöhe haben, um urheberrechtlich geschützt zu sein. Diese liegt nicht vor, wenn die Gestaltung:
- durch Regeln der Logik oder Technik determiniert ist
- nicht individuell genug ist
- genretypisch ist
Bei „X(…)“ sah das Gericht keine schöpferische Eigenart in der Zusammenstellung der Spielregeln. Auch die Kombination verschiedener Renn-Disziplinen und Progressionssysteme sei zu generisch, um Schutz zu begründen.
Was genau ist durch das Urheberrecht bei Games geschützt?
Tatsächlich kann ein Videospiel urheberrechtlich in mehreren Bereichen geschützt sein:
Bereich |
Schutzfähig? |
Beispiel |
Quellcode |
✅ |
JavaScript-/Unity-Code |
Grafiken |
✅ |
Spielfiguren, Menüs |
Musik |
✅ |
Soundtrack, Effekte |
Texte |
✅ |
Dialoge, Tutorials |
Story / Fabel |
✅ (wenn komplex genug) |
epische Handlung, Weltentwurf |
Spielkonzept / Mechanik |
❌ |
z.B. „Idle Game mit Autolauf-Funktion“ |
Wann könnte ein Spielkonzept dennoch Schutz genießen?
In Ausnahmefällen kann ein Spielkonzept geschützt sein – aber nur, wenn es über das Übliche weit hinausgeht:
- Wenn das Konzept eine komplexe Geschichte oder Welt erschafft, vergleichbar mit „The Witcher“ oder „Final Fantasy“
- Wenn es eine besonders originelle Kombination von Mechaniken und Story-Elementen darstellt, etwa bei Spielen wie „Portal“ oder „Papers, Please“
- Wenn es sich um eine besondere Dramaturgie oder „Fabel“ handelt, die über bloße Spielregeln hinausgeht
Doch bei „funktional bestimmten“ Spielmechaniken – etwa: „Ausrüsten, Trainieren, Rennen starten“ – bleibt kein Raum für individuelle Schöpfung.
Fazit: Gute Ideen sind nicht automatisch urheberrechtlich geschützt
Das Urteil des LG Köln macht deutlich: Nicht jede innovative Spielidee ist ein urheberrechtlich geschütztes Werk.
Nur konkret umgesetzte, originelle Ausdrucksformen sind schutzfähig.
Für Entwickler bedeutet das:
- Schützt eure Assets (Code, Grafiken, Musik) aktiv – denn die sind rechtlich relevant
- Spielideen können nur über Markenrecht oder Wettbewerbsrecht geschützt werden, nicht über Urheberrecht
- Wer ein ganzes Genre für sich beanspruchen will, wird regelmäßig scheitern
Ansprechpartner
Frank Weiß
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