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Unzulässige Werbung mit der Bezeichnung "Bambus"

LG Ulm, Urteil vom 22.08.2016, Az. 11 O 9/16
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige Zivilkammer des Landgerichts Ulm hat entschieden, dass Socken nicht mit der Bezeichnung Bambus beworben werden dürfen, wenn die Socken tatsächlich aus Viskose bestehen (LG Ulm, Urteil vom 22.08.2016, Az. 11 O 9/16).
 
1. Kurzzusammenfassung
Es ist mit dem geltenden Wettbewerbsrecht nicht vereinbar, Socken, die aus dem künstlichen Material Viskose bestehen, mit der Bezeichnung „Bambus“, das als Naturprodukt besondere Erwartungen beim Verbraucher hervorruft, zu bewerben. Dass Bambus einen Ausgangsstoff bei der Herstellung von Viskose darstellt ist nach Ansicht des Gerichts unschädlich, da das Endprodukt künstlich hergestellt wird und damit andere Erwartungen weckt als das Naturprodukt Bambus.
Damit gilt: Produkte, die aus chemischen Prozessen hergestellt werden, dürfen nicht mit den natürlichen Stoffen beworben werden, die am Beginn des chemischen Herstellungsprozesses stehen, da das Ausgangsprodukt über Eigenschaften verfügt, die nicht mit denen des Endproduktes übereinstimmen.
 
2. Sachverhalt und Hergang des Verfahrens
Dem Urteil des LG Ulm lag der folgende Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein, der sich der Wahrung gewerblicher und wettbewerbsrechtlicher Interessen verschrieben hat. Dem Verein steht ein Verbandsklagerecht zu. Zu den Mitgliedern zählen u. a. Unternehmen der Bekleidungs- und Drogeriebranche, die u. a. auch Socken verkaufen.
Die Beklagte bewarb in ihrem März-Prospekt 2016 einige Socken mit der Angabe „Bambussocken“. Es wurden Herren- und Damensocken angeboten. Das Etikett der Socken war im Prospekt nicht ersichtlich. Nur auf diesem befand sich der Hinweis, dass die Ware tatsächlich aus Viskose besteht.
Mit ihrer Klage an das Landgericht wollte die Klägerin erreichen, dass die Beklagte die Werbung mit ihrem Katalog vom März des Jahres 2016 unterlässt. Sie hatte zuvor erfolglos versucht, die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung zu bewegen, da sie in der Werbung einen Verstoß gegen §§ 3 und 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) erblickte.
 
3. Chemisches Endprodukt darf nicht mit natürlichem Ausgangsprodukt beworben werden – Auszug aus den Gründen des Landgerichts
Das Landgericht schloss sich der Klägerin vollumfänglich an. Es sah die gestellten Anträge, die auf Unterlassung sowie Erstattung der Abmahnungskosten gerichtet waren, als begründet an. Die Beklagte wurde zur Tragung der Verfahrenskosten verurteilt.

Die Richterinnen und Richter der zuständigen Zivilkammer äußerten sich zunächst zum Produktionsprozess von Viskose. Hierbei wird Bambus, der einen wichtigen Ausgangsstoff darstellt, zerkleinert. Im Anschluss daran wird er ausgekocht, um Fremdstoffe und Harze zu entfernen. Die durch diesen Prozess entstandene Zellulose wird gepresst und in einer Tinktur verflüssigt. Es kommt zu chemischen Umwandlungsprozessen, an deren Ende die Viskosefaser steht.

In der Entscheidung heißt es weiter, die Beklagte verwende den Begriff Bambus nicht, was unter Umständen zulässig gewesen wäre, als Hinweis auf eine Marke, sondern als unzulässige Beschaffenheitsangabe. Dies ergebe sich durch die Aufmachung des Prospektes. Dieser spreche lediglich von „Bambussocken“. Diese Wortwahl sei von einem verständigen Verbraucher lediglich dahingehend zu interpretieren, dass die Socken zumindest in wesentlichen Teilen aus der natürlichen Textilfaser Bambus bestehen.

Hierin liegt, so das Gericht, eine irreführende Werbeaussage, weil die Socken tatsächlich aus Viskose bestehen. Zwar sei Bambus unstreitig ein Ausgangsprodukt der Viskoseherstellung. Allerdings führe der oben dargelegte chemische Bearbeitungsprozess zu tiefgreifenden Veränderungen. Am Ende der Produktion stehe nicht mehr ein natürlicher Rohstoff, sondern ein eigenes Chemieprodukt, das sich in seinen Eigenschaften bedeutend vom Ausgangsprodukt unterscheide.
 
4. Kommentar
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass ein durchschnittlicher Verbraucher nicht über hinreichende Kenntnisse des Viskoseproduktionsprozesses verfügt, um die Aufmachung der Socken als Hinweis auf den Ausgangsstoff zu verstehen. Schließlich überzeugt auch der Einwand des Gerichts, dass am Ende des Herstellungsprozesses von Viskose ein mit dem Ausgangsstoff nicht mehr vergleichbares Produkt steht, das eigene Eigenschaften aufweist.

LG Ulm, Urteil vom 22.08.2016, Az. 11 O 9/16

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