Wettbewerbsverstoß: Unzulässige Bewertungslöschung durch Online-Agentur

Im Zeitalter digitaler Bewertungen auf Plattformen wie Google, Jameda, Kununu oder Trustpilot ist der gute Ruf eines Unternehmens oder Freiberuflers angreifbarer denn je. Negative Bewertungen haben unmittelbaren Einfluss auf das Konsumverhalten und die Auftragslage. Aus dieser Situation heraus hat sich ein Markt entwickelt: Anbieter versprechen, negative Bewertungen schnell, unkompliziert und mit hoher Erfolgsquote löschen zu lassen. Dabei geraten manche Angebote in Konflikt mit geltendem Recht.
So auch im Fall, über den das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zu entscheiden hatte. Eine Online-Agentur hatte im großen Stil mit der Löschung negativer Bewertungen geworben, ohne jedoch über eine Zulassung zur Rechtsdienstleistung zu verfügen. Die Folge: Das OLG (6 U 90/24) sah darin eine unerlaubte Rechtsdienstleistung und damit einen Wettbewerbsverstoß.
Der Sachverhalt im Detail
Die Werbung der Agentur
Das klagende Unternehmen betreibt eine Online-Agentur, die sich auf das Management und die Entfernung von Online-Bewertungen spezialisiert hat. Auf ihrer Website bewarb die Agentur ihr Angebot u.a. mit folgenden Aussagen:
- „Negative Bewertungen auf Google & Co. löschen lassen war noch nie so einfach.“
- „Hohe Löschungsquote von 85–90 %“
- „Über 100.000 Bewertungen gelöscht“
Unter diesen Werbeaussagen war ein rot umrahmter Infokasten eingeblendet, in dem es hieß:
„[Name der Agentur] prüft nicht den Inhalt einer Bewertung und bietet keine Rechtsdienstleistung/Rechtsberatung an. Das Bewertungsportal wird darum gebeten, die Echtheit der Bewertung/en zu überprüfen.“
Die rechtliche Auseinandersetzung
Ein Rechtsanwalt sah in diesem Angebot eine unerlaubte Rechtsdienstleistung nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) und mahnte das Unternehmen ab. Die Online-Agentur reagierte mit einer negativen Feststellungsklage und wollte gerichtlich feststellen lassen, dass keine unzulässige Rechtsberatung vorliege.
Die Agentur argumentierte, sie verwende lediglich standardisierte Textbausteine, die keine individuelle rechtliche Bewertung beinhalteten. Es erfolge keine Prüfung des Bewertungsinhalts, sondern lediglich die Weiterleitung der Behauptung, es habe keinen Kundenkontakt gegeben.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Wettbewerbsverstoß liegt vor
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Klage der Agentur vollumfänglich ab und stellte fest:
Die Online-Agentur erbringt eine unerlaubte Rechtsdienstleistung.
Beurteilung durch das Gericht
Das OLG stellte klar, dass das Angebot der Agentur den Eindruck erweckt, eine rechtliche Einzelfallprüfung vorzunehmen. Die Kombination aus Werbeslogans, Erfolgsgarantie und Vergütungsmodell (Zahlung nur im Erfolgsfall) suggeriere aus Sicht eines durchschnittlich informierten Verbrauchers, dass individuell geprüft wird, ob eine Bewertung rechtswidrig ist.
Wörtlich heißt es im Urteil:
„Diese Voraussetzung ist bei Würdigung des streitgegenständlichen Dienstleistungsangebots der Klägerin (...) aus objektiver Sicht des angesprochenen Adressatenkreises, nämlich von negativ Bewerteten, jedenfalls in Bezug auf die Handlungen des Werbens mit und Anbietens von Rechtsdienstleistungen erfüllt.“
Die Werbung als Auslöser der rechtlichen Einordnung
Die Werbung sei darauf ausgelegt, einen rechtlich informierten und erfolgsorientierten Eindruck zu erzeugen. Dies wird insbesondere durch folgende Faktoren unterstrichen:
- Der Slogan "Bewertungen löschen lassen war noch nie so einfach"
- Die genannte Erfolgsquote von 85–90 %
- Die Anzahl der angeblich erfolgreich gelöschten Bewertungen (100.000)
- Die Tatsache, dass Kosten nur im Erfolgsfall entstehen
Diese Umstände legitimieren beim angesprochenen Publikum die Annahme, dass eine fundierte rechtliche Einschätzung erfolgt, bevor die Agentur aktiv wird. Genau das aber ist eine Rechtsdienstleistung im Sinne von § 2 RDG.
Der Infokasten ändert daran nichts
Zwar befand sich auf der Webseite der Agentur ein rot umrandeter Hinweis, dass keine inhaltliche Prüfung der Bewertung erfolgt und keine Rechtsberatung stattfinde. Doch das OLG stellt hierzu fest:
„Dieser Hinweis (wohl in kleinerer Schrift) ist aber nicht geeignet, der Annahme einer Werbung mit einer unerlaubten Rechtsdienstleistung entgegenzuwirken.“
Die Hinweise seien weder optisch prägnant genug noch inhaltlich ausreichend konkret, um die irreführende Wirkung der Gesamtwerbung aufzufangen.
Keine Relevanz der internen Abläufe
Ob die Agentur in der Praxis tatsächlich keine rechtliche Prüfung durchführt, sei unerheblich. Entscheidend sei nicht die interne Arbeitsweise, sondern der objektive Eindruck, den das Angebot bei den angesprochenen Personen erweckt:
„Entscheidend ist der objektive Eindruck beim Kunden und nicht nur die tatsächliche Tätigkeit.“
Juristische Einordnung
Unerlaubte Rechtsdienstleistung gemäß § 3 RDG
Die Löschung von Bewertungen setzt in der Regel die Prüfung voraus, ob diese überhaupt rechtlich angreifbar sind. Dies erfordert:
- Eine juristische Bewertung, ob z.B. eine Schmähkritik, eine Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung vorliegt
- Eine Abwägung mit der Meinungsfreiheit gem. Art. 5 GG
Diese Prüfung dürfen nur zugelassene Rechtsdienstleister vornehmen. Eine Agentur ohne Zulassung begeht mit einem solchen Angebot einen Verstoß gegen § 3 RDG.
Wettbewerbsverstoß gemäß § 3a UWG
Da § 3 RDG eine Marktverhaltensregel im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellt, liegt gleichzeitig ein Wettbewerbsverstoß nach § 3a UWG vor.
Ein Mitbewerber (wie z.B. ein Rechtsanwalt) kann daher gegen die Agentur abmahnen oder auf Unterlassung und Schadenersatz klagen.
Fazit: Klare Grenze zwischen Dienstleistung und Rechtsberatung
Dieses Urteil schafft Klarheit: Wer mit der Löschung negativer Online-Bewertungen wirbt und dabei den Anschein einer rechtlichen Einzelfallprüfung erweckt, muss als Rechtsdienstleister zugelassen sein. Andernfalls liegt ein Rechtsverstoß vor.
Unternehmen sollten vorsichtig sein, auf welche Dienstleister sie sich verlassen. Gerade bei geschäftsschädigenden Bewertungen ist eine qualifizierte anwaltliche Prüfung unabdingbar.
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