Unternehmer müssen Urheberrechtslage selbst klären
Wenn Unternehmerinnen und Unternehmer fremde Inhalte wie Fotos oder Designs verwenden wollen, müssen sie selbst sicherstellen, dass keine Rechte Dritter verletzt werden. Wer hier leichtfertig handelt und sich auf Dienstleister verlässt, riskiert nicht nur eine Abmahnung, sondern auch den Verlust erheblicher Investitionen.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 6. Juni 2023 (Az. 4 W 13/23) diese Grundregel bestätigt und entschieden:
Ein Unternehmer kann einen Vertrag nicht rückabwickeln, nur weil er sich im Nachhinein über die urheberrechtliche Zulässigkeit seines Projekts geirrt hat – und weil ihn der beauftragte Dienstleister angeblich nicht gewarnt hat.
Der zugrunde liegende Fall zeigt anschaulich, worauf es in der Praxis ankommt – und warum Unternehmer rechtliche Risiken nicht einfach auf ihre Auftragnehmer abwälzen dürfen.
Der Sachverhalt: Von der Geschäftsidee zur juristischen Bauchlandung
Die Beschwerdeführerin war ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte und plante den Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit als Unternehmerin. Ihre Idee: Der Vertrieb von großen Kissenbezügen mit lebensgroßen Motiven der international gefeierten Boyband BTS, deren Mitglieder von den Kunden über Pappaufsteller gestülpt werden sollten – ein Produkt also, das besonders Fans ansprechen sollte.
Zur Umsetzung dieses Konzepts beauftragte sie ein auf Textildruck spezialisiertes Unternehmen, das die Kissenbezüge im industriellen Maßstab produzieren sollte. Das Auftragsvolumen betrug knapp 20.000 Euro. Die Kissenbezüge sollten mit Bildmaterial der südkoreanischen Boyband BTS bedruckt werden – hochauflösende Bilder, die die Unternehmerin offenbar aus dem Internet heruntergeladen hatte.
Bereits über 11.000 Euro zahlte sie an das Druckunternehmen. Doch bevor der Druck begann, wies das Unternehmen darauf hin, dass sie die Rechte an den Motiven besitzen müsse – oder zumindest sicherstellen müsse, dass keine Urheberrechte verletzt würden.
Daraufhin kündigte die Unternehmerin den Vertrag – und forderte die Rückzahlung ihrer geleisteten Anzahlung. Gleichzeitig erklärte sie die Anfechtung des Vertrags wegen arglistiger Täuschung: Das Druckunternehmen habe sie nicht auf die urheberrechtlichen Risiken hingewiesen.
Sie beantragte Prozesskostenhilfe für eine Klage auf Rückzahlung der Anzahlung. Das Landgericht Limburg wies den Antrag zurück – woraufhin sie in die Beschwerde zum OLG Frankfurt ging.
Die Argumentation der Unternehmerin: Täuschung durch Unterlassen?
Die Unternehmerin berief sich im Wesentlichen auf zwei Argumente:
- Täuschung durch Unterlassen: Die Druckerei habe sie nicht über die rechtliche Problematik aufgeklärt. Sie sei davon ausgegangen, dass die Nutzung der Bilder unproblematisch sei – und sei über diese Fehlvorstellung im Unklaren gelassen worden.
- Fehlende urheberrechtliche Absicherung: Die Warnung des Dienstleisters sei zu spät gekommen. Hätte dieser sie rechtzeitig informiert, hätte sie den Auftrag nicht erteilt.
Daher – so ihr Standpunkt – sei der Vertrag wegen Täuschung anfechtbar (§ 123 BGB). Jedenfalls aber habe sie aus wichtigem Grund gekündigt und könne die geleistete Anzahlung zurückverlangen.
Die Entscheidung des OLG Frankfurt: Eigenverantwortung geht vor
Das Oberlandesgericht Frankfurt wies die Argumentation der Unternehmerin im Ergebnis zurück – und stellte klar:
Wer als Unternehmer am Markt auftritt, muss sich selbst um die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen kümmern.
Kein Wissensgefälle zwischen den Parteien
Das OLG stellte zunächst darauf ab, dass zwischen den Parteien kein relevantes Wissensgefälle bestanden habe. Die Unternehmerin sei nicht etwa Verbraucher, sondern gewerblich tätig gewesen.
Zudem sei sie ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte – eine Qualifikation, die ein gewisses Grundverständnis für rechtliche Zusammenhänge voraussetze. Das Gericht wörtlich:
„Die Antragstellerin hat jedenfalls ein gewisses Grundverständnis für die Rechtsordnung.“
Es gehöre darüber hinaus zum Allgemeinwissen, dass Bilder einer weltweit bekannten Musikgruppe wie BTS nicht einfach aus dem Internet kopiert und kommerziell verwendet werden dürfen. Die Band verfüge über eine extrem hohe Bekanntheit, habe weltweit über 41 Millionen Fans und sei intensiv kommerziell verwertet.
Vor diesem Hintergrund sei es offensichtlich, dass es sich bei den Bildern um urheberrechtlich geschütztes Material handelt, das nicht ohne Lizenz verwendet werden darf.
Keine Täuschung durch den Dienstleister
Aus dieser rechtlichen Bewertung zog das OLG den klaren Schluss:
Eine Täuschung durch Unterlassen liegt nicht vor.
Der Druckdienstleister war nicht verpflichtet, die Unternehmerin aktiv über urheberrechtliche Risiken zu belehren. Eine solche Aufklärungspflicht bestehe nur dann, wenn ein deutlicher Wissensvorsprung des einen Vertragspartners gegenüber dem anderen bestehe – oder besondere Umstände eine Vertrauensbeziehung begründen.
Beides lag hier nicht vor. Vielmehr sei die Auftraggeberin selbst verpflichtet gewesen, vor Erteilung des Auftrags sicherzustellen, dass sie über die notwendigen Bildrechte verfügte.
Prozesskostenhilfe nur teilweise – wegen unklarer Aufwandslage
Dennoch gewährte das OLG der Unternehmerin teilweise Prozesskostenhilfe – allerdings nicht wegen der behaupteten Täuschung, sondern wegen einer ungeklärten Frage zur Berechnung des Rückzahlungsanspruchs.
Denn die Kündigung des Vertrags war im Grundsatz zulässig. Fraglich blieb aber, in welchem Umfang der Dienstleister durch die Kündigung Aufwendungen ersparte – denn nur insoweit kann eine Rückzahlung verlangt werden.
Die Druckerei hatte jedoch nicht konkret dargelegt, welche Aufwendungen sie infolge der Kündigung tatsächlich erspart habe. Ihre pauschale Behauptung, es seien „keine“ Aufwendungen erspart worden, erschien dem Gericht nicht plausibel.
Wörtlich heißt es dazu:
„Die Beschwerdegegnerin erspart zumindest Konfektion und Druck.“
Für diese Frage, so das Gericht, bestehe ein gewisses Prozessrisiko – weshalb eine teilweise Prozesskostenhilfe zu gewähren sei.
An der Hauptsache änderte das jedoch nichts: Die Unternehmerin kann sich nicht auf eine Täuschung oder Aufklärungspflichtverletzung berufen.
Juristische Bewertung: Konsequente Anwendung unternehmerischer Eigenverantwortung
Die Entscheidung des OLG Frankfurt ist juristisch konsequent – und zugleich ein deutliches Signal an alle Unternehmer:
Sie sind selbst für die rechtliche Zulässigkeit ihrer Geschäftsmodelle verantwortlich.
Wer fremde Inhalte – etwa Prominentenfotos, Musik, Grafiken oder Texte – verwenden will, muss vorab prüfen, ob die Rechte zur Nutzung vorliegen.
Dabei genügt es nicht, sich auf Dienstleister zu verlassen oder davon auszugehen, dass diese einen schon rechtzeitig warnen werden.
Ein solches Vorgehen ist naiv und gefährlich – denn im Streitfall bleibt der Unternehmer auf seinem finanziellen Schaden sitzen.
Fazit: Unternehmer tragen die rechtliche Hauptverantwortung
Diese Entscheidung sollte allen Selbstständigen, Start-Ups, Shopbetreibern und Kreativen eine deutliche Mahnung sein. Wer fremde Inhalte gewerblich nutzen will, muss:
✅ Vorab die urheberrechtliche Lage klären,
✅ im Zweifel professionelle rechtliche Beratung einholen,
✅ nicht auf Warnungen des Dienstleisters hoffen,
✅ die Verantwortung nicht auf Dritte abwälzen,
✅ Verträge sorgfältig vorbereiten und dokumentieren.
Merksatz: „Unwissen schützt nicht vor Haftung – und erst recht nicht vor wirtschaftlichen Folgen.“
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