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Unternehmen haftet für irreführende Preisangaben auf Google-Shopping

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Einleitung: Preisfalle im digitalen Schaufenster?

Ein Blick, ein Klick – und schon scheint das Schnäppchen zum Greifen nah: Wer auf Google-Shopping unterwegs ist, trifft auf vermeintlich attraktive Angebote und Preisknaller. Doch was passiert, wenn der angezeigte Preis gar nicht real ist? Wer haftet, wenn Kunden mit falschen Erwartungen auf ein Produkt klicken? Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 25.11.2024 (Az.: I-4 U 87/24) sorgt nun für klare Verhältnisse. Die Richter entschieden: Unternehmen haften für irreführende Preisangaben – auch dann, wenn der Fehler (möglicherweise) bei Google liegt.

Der Sachverhalt: 398 Euro für eine Uhr, die es nicht mehr gibt

Im Mittelpunkt des Verfahrens stand die Bewerbung einer Herrenarmbanduhr durch ein Onlinehandelsunternehmen auf der Plattform Google-Shopping. Die Anzeige war mit einem Preis von 398,00 Euro versehen. Der entscheidende Punkt: Das beworbene Produkt war zu diesem Preis nie tatsächlich verfügbar. Nachweislich war die Uhr bereits seit längerer Zeit nicht mehr lieferbar, trotzdem wurde sie weiterhin prominent in der Trefferliste bei Google-Shopping angezeigt.

Der Ursprung dieser falschen Preisangabe konnte im Verfahren nicht zweifelsfrei geklärt werden. Es bestand zumindest die Möglichkeit, dass der Fehler durch Google selbst verursacht wurde – etwa durch eine technische Störung oder fehlerhafte Übernahme von Produktdaten. Die Beklagte machte geltend, dass sie selbst den fehlerhaften Preis nicht aktiv verbreitet habe und keine Kenntnis davon gehabt habe, dass dieses Produkt überhaupt noch beworben wurde. Google habe eigenständig auf Basis älterer oder fehlerhafter Daten die Anzeige generiert.

Die rechtliche Einordnung der Wettbewerbszentrale: Irreführung der Verbraucher

Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sah hierin eine klare Irreführung im Sinne des § 5 UWG. Verbraucherinnen und Verbraucher würden durch die Anzeige dazu verleitet, auf ein Produktangebot zu reagieren, das tatsächlich gar nicht existiert. Dies sei nicht nur ärgerlich, sondern ein unlauterer Wettbewerbsvorteil, der andere Marktteilnehmer benachteiligt. Der vermeintlich günstige Preis ziehe Klicks und Kaufinteresse auf sich, ohne dass das Produkt tatsächlich erhältlich ist.

Der Hinweisbeschluss des OLG Hamm: Verantwortung trotz Google-Fehler

Das Oberlandesgericht Hamm stützte im Rahmen eines Hinweisbeschlusses die Argumentation der Wettbewerbszentrale und machte unmissverständlich klar: Die Beklagte haftet für die falsche Preisangabe.

Der entscheidende juristische Hebel war dabei § 8 Abs. 2 UWG. Diese Norm regelt die Haftung für sogenannte Beauftragte. Das Gericht ordnete Google im konkreten Fall als Beauftragten des Unternehmens ein. Somit war der fehlerhafte Preis dem Unternehmen zuzurechnen, selbst wenn Google den Fehler verschuldet haben sollte. Es komme nicht darauf an, wer den Preis konkret eingestellt habe, sondern wer sich die Verbreitung der Werbung zurechnen lassen muss.

Das Gericht stellte fest:

"Ausgehend hiervon ist Google im vorliegenden Fall als Beauftragter der Beklagten tätig geworden. Unstreitig besteht zwischen der Beklagten und Google ein Vertrag, aufgrund dessen sich Google dazu verpflichtet hat, die von der Beklagten im Internet angebotenen Produkte im Rahmen und nach den Konditionen seines sog. Adwords-Programms zu bewerben."

Damit handele Google nicht autonom, sondern innerhalb eines vertraglich vereinbarten Rahmens, im Interesse und zum Vorteil der Beklagten.

Verantwortung für Datenfeeds und Cache-Lösung

Besonders deutlich war das OLG Hamm in Bezug auf die Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten der Beklagten. Sie habe sehr wohl die Möglichkeit gehabt, auf die Datenanzeige Einfluss zu nehmen. Google-Shopping basiert auf sog. Produktdatenfeeds, die durch die Unternehmen selbst bereitgestellt werden. Die Beklagte habe es versäumt, diesen Feed zu bereinigen oder anzupassen, obwohl sie dazu ohne großen Aufwand in der Lage gewesen wäre.

Zitat:

"Damit steht fest, dass die Beklagte durch die Veränderung des Datenbestandes, den sie Google zur Verfügung stellt, unmittelbar beeinflussen kann, ob und ggf. zu welchen Konditionen die von ihr angebotenen Waren – eine vertragsgemäße Umsetzung durch Google vorausgesetzt – auf den Shoppingseiten von Google erscheinen."

Das Unternehmen hatte im Verlauf des Verfahrens selbst eingeräumt, dass es möglich war, „durch einen einfachen Klick auf der eigenen Plattform“ und das Leeren des Caches das falsch beworbene Produkt kurzfristig aus der Google-Anzeige zu entfernen. Diese Möglichkeit hätte man früher nutzen müssen.

Haftung auch ohne Verschulden: Unterlassungsanspruch besteht

Ein weiterer zentraler Punkt der Entscheidung ist, dass der Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 UWG keiner Verschuldensprüfung bedarf. Es kommt also nicht darauf an, ob das Unternehmen absichtlich, fahrlässig oder in Unkenntnis gehandelt hat. Die bloße objektive Verletzungshandlung – hier: die Irreführung der Verbraucher – reicht aus, um den Unterlassungsanspruch zu begründen.

Das Gericht stellt hierzu klar:

"Nach alledem ist es für die Begründetheit des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs aus § 8 Abs. 1 UWG unerheblich, dass die unzutreffende Werbeanzeige nach dem Sachvortrag der Beklagten auf einen von Google zu vertretenden Fehler zurückzuführen sein soll."

Die rechtliche Folge: Die Beklagte muss es unterlassen, zukünftig derartige irreführende Preisangaben zu verbreiten – unabhängig davon, wer im technischen Detail dafür verantwortlich ist.

Folgen für Unternehmen: Proaktive Kontrolle ist Pflicht

Die Entscheidung ist ein Weckruf für Onlinehändler. Wer automatisierte Plattformen wie Google-Shopping nutzt, muss die Kontrolle über seine Daten behalten und dafür sorgen, dass keine falschen Informationen in den Verkehr gebracht werden. Die Verantwortung endet nicht bei der Datenübergabe an Dritte. Sie erstreckt sich auch auf deren technische Umsetzung, wenn diese im Rahmen vertraglicher Abreden erfolgt.

Unternehmen sollten daher:

  • den eigenen Produktdatenfeed regelmäßig auf Richtigkeit prüfen,
  • Monitoringsysteme für Preisabweichungen etablieren,
  • technische Prozesse dokumentieren und
  • konkrete Zuständigkeiten im Unternehmen für die Schnittstellenpflege festlegen.

Regress gegen Google? Ohne Einfluss auf die Haftung

Ob die Beklagte im Innenverhältnis zu Google Schadensersatzansprüche oder Regress geltend machen kann, war nicht Gegenstand des Verfahrens. Das OLG betonte, dass dies für die Entscheidung keine Rolle spiele. Im Außenverhältnis zum Verbraucher oder zur Wettbewerbszentrale trage allein das Unternehmen die Verantwortung für die angezeigten Inhalte.

Fazit: Sorgfalt bei Preisangaben ist unerlässlich

Die Entscheidung des OLG Hamm bringt es auf den Punkt: Unternehmen, die Google-Shopping oder ähnliche Dienste nutzen, können sich nicht hinter technischen Fehlern oder Dienstleistern verstecken. Wer sich der Hilfe Dritter bedient, muss für deren Handlungen einstehen – jedenfalls dann, wenn sie in einem vertraglichen Rahmen und im Auftrag des Unternehmens agieren. Der Verbraucherschutz genießt Vorrang, und das Risiko für Fehlanzeigen trägt derjenige, der die Werbung veranlasst.

Unsere Empfehlung als Kanzlei:

Prüfen Sie regelmäßig Ihre Online-Inhalte, insbesondere Preisangaben. Achten Sie auf die Qualität und Aktualität Ihrer Datenfeeds. Nutzen Sie automatisierte Monitoring-Tools und definieren Sie klare interne Verantwortlichkeiten. Bei Unsicherheiten oder bereits laufenden wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen beraten wir Sie gerne umfassend und rechtssicher.

Ansprechpartner

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