Unternehmen haftet für Kundenbewertungen

Einleitung: Bewertungen als Marketinginstrument und rechtliches Risiko
Online-Kundenbewertungen sind ein zweischneidiges Schwert. Einerseits bieten sie Unternehmen die Möglichkeit, durch authentisches Kundenfeedback Vertrauen bei potenziellen Käufern aufzubauen. Andererseits können sie auch rechtliche Fallstricke bergen – insbesondere, wenn sie gegen das Wettbewerbsrecht verstoßen. Das Landgericht (LG) Bochum hat mit Urteil vom 21.11.2024 (Az.: I-14 O 65/24) eine eindeutige Entscheidung getroffen: Unternehmen haften auch für unzulässige Werbeaussagen in Kundenbewertungen, wenn sie sich diese durch ihre Präsentation auf der eigenen Website zu eigen machen.
1. Sachverhalt und Hintergrund der Entscheidung
Im Zentrum der Entscheidung steht ein Fall aus dem Bereich des Lebensmittelmarketings. Die beklagte Rösterei hatte in der Vergangenheit ihre Kaffeeprodukte mit gesundheitsbezogenen Begriffen wie "magenschonend" und "bekömmlich" beworben. Solche Aussagen sind im Lebensmittelbereich nur eingeschränkt zulässig. Gemäß der Health-Claims-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1924/2006) dürfen gesundheitsbezogene Angaben nur dann verwendet werden, wenn sie explizit von der Europäischen Kommission zugelassen und in der Gemeinschaftsliste aufgeführt sind. Begriffe wie "magenschonend" oder "bekömmlich" gehören nicht zu den zugelassenen Angaben.
Ein Mitbewerber der Rösterei mahnte die Werbeaussagen daher außergerichtlich ab. In Reaktion darauf gab die Rösterei eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, in der sie sich verpflichtete, die betreffenden Begriffe zukünftig nicht mehr in ihrer Werbung zu verwenden. Dies ist ein übliches Vorgehen im Wettbewerbsrecht, um gerichtliche Verfahren zu vermeiden und rechtssicher Klarheit zu schaffen.
Trotz dieser Erklärung fanden sich die Begriffe "magenschonend" und "bekömmlich" weiterhin auf der Website der Rösterei. Allerdings nicht mehr in den Produkttexten oder Werbeanzeigen – sondern in den Kundenbewertungen, die auf der Produktdetailseite eingebunden waren. Diese Bewertungen wurden über ein externes Tool auf der Website angezeigt. Die Rösterei argumentierte, dass sie auf den Inhalt dieser Bewertungen keinen Einfluss habe und deshalb auch nicht für etwaige Verstöße gegen die Unterlassungserklärung verantwortlich sei.
Der klagende Mitbewerber war anderer Auffassung und forderte die Zahlung der in der Unterlassungserklärung vereinbarten Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 Euro.
2. Die Entscheidung des LG Bochum im Detail
Das LG Bochum gab dem klagenden Mitbewerber Recht und bejahte einen Verstoß gegen die abgegebene Unterlassungserklärung. Die Rösterei wurde zur Zahlung der Vertragsstrafe in Höhe von 5.000 Euro verurteilt. Die Entscheidung fußt auf mehreren zentralen Erwägungen.
2.1. Kundenbewertungen als werbliche Aussagen
Das Gericht stellte klar, dass Kundenbewertungen auf der Website des Unternehmens nicht isoliert zu betrachten seien. Vielmehr komme ihnen eine klare werbliche Funktion zu, insbesondere wenn sie gezielt hervorgehoben werden. Im vorliegenden Fall wurde hervorgehoben, ob die bewertende Person ein "verifizierter Käufer" war. Dadurch wird aus Sicht des LG Bochum dem Leser suggeriert, dass die geäußerte Meinung besonders vertrauenswürdig ist.
Zitat aus der Entscheidung:
"Denn sie benutzt die Bewertungen werbend für ihre Produkte. Sie stellt sicher, dass der lesende Kunde erfährt, ob eine Bewertung von einem kaufenden Kunden stammt (verifizierter Kunde), sodass damit dessen Bewertung eine besondere Bedeutung gewinnt."
Diese Aufwertung der Kundenmeinungen durch technische Mittel (Kennzeichnung als verifiziert, visuelle Hervorhebung) sei ein Indiz dafür, dass sich das Unternehmen die Aussagen zu eigen mache.
2.2. Präsentation auf der Produkt- und Shopseite
Ein weiterer entscheidender Punkt war die konkrete Darstellung der Bewertungen auf der Website. Diese wurden am Ende jeder Produktinformationsseite sowie jeder Übersichtsseite eingeblendet. Dadurch seien sie aus Sicht der Kammer nicht bloßer Hintergrund oder optionaler Zusatz, sondern Teil des strukturellen Aufbaus der Verkaufspräsentation – also Teil der kommerziellen Kommunikation.
Zitat:
"Das bedeutet, dass Kunden, die sich für eins der gelisteten Produkte interessieren und/oder ein Produkt direkt aufrufen, die Bewertung anderer Kunden direkt lesen können. Das ist Werbung."
Zudem führte der Geschäftsführer der Beklagten in der mündlichen Verhandlung selbst aus, dass Kunden eine solche Bewertungsfunktion heute erwarten würden und man diese deshalb implementiert habe. Für das Gericht war dies ein klares Eingeständnis der werblichen Funktion.
2.3. Keine Entlastung durch Drittanbieter-Tool
Besonders praxisrelevant ist die Bewertung des Gerichts in Bezug auf die Einbindung eines externen Tools. Die Beklagte hatte argumentiert, dass sie lediglich ein Plug-in eines Drittanbieters verwende und auf die Inhalte keinen Einfluss habe. Das LG Bochum folgte dieser Argumentation nicht. Wer Inhalte Dritter auf seiner Website sichtbar macht und diese im Rahmen eines eigenen Bewertungssystems einbindet, muss die rechtlichen Konsequenzen tragen.
Zitat:
"Entgegen ihrer Auffassung muss sich die Beklagte diese Kundenrezensionen zurechnen lassen."
Das Gericht betonte, dass das Unternehmen entweder den Drittanbieter zur Entfernung problematischer Inhalte hätte auffordern oder eine Filtermöglichkeit schaffen müssen. Dass dies unterlassen wurde, ließ die Unterlassungserklärung als verletzt erscheinen.
3. Rechtliche Bewertung: Warum Unternehmen haften
3.1. Zurechnung fremder Inhalte im Wettbewerbsrecht
Im Wettbewerbsrecht gilt der Grundsatz, dass sich ein Unternehmen fremde Aussagen zurechnen lassen muss, wenn es sie sich inhaltlich und optisch zu eigen macht. Das umfasst insbesondere:
- optische Hervorhebung (z. B. „verifizierter Käufer“),
- Einbindung in das redaktionelle oder werbliche Umfeld,
- bewusste Auswahl oder Präsentation auf der eigenen Plattform.
Diese Kriterien waren im vorliegenden Fall allesamt erfüllt.
3.2. Wirkung der Unterlassungserklärung
Wer eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgibt, verpflichtet sich nicht nur zur Unterlassung eigener Aussagen, sondern auch zur Verhinderung von Wiederholungen durch Dritte, soweit dies zumutbar ist. Es besteht eine umfassende Pflicht zur Kontrolle und gegebenenfalls zur technischen oder organisatorischen Sperrung entsprechender Inhalte.
3.3. Kundenbewertungen als Teil der Werbung
Die Werbung ist nicht auf klassische Anzeigen beschränkt. Jede öffentliche Aussage, die zur Förderung des Absatzes geeignet ist, fällt unter den Begriff der Werbung. Das gilt auch für Kundenbewertungen, wenn sie auf der Website eines Unternehmens eingebunden sind und deren Verkaufsfunktion unterstützen.
4. Praktische Auswirkungen für Unternehmen
4.1. Monitoring und Moderation von Bewertungen
Unternehmen sollten nicht nur eigene Inhalte, sondern auch von Kunden verfasste Inhalte überwachen, wenn diese auf ihrer Plattform eingebunden sind. Nach Abgabe einer Unterlassungserklärung gilt das umso mehr. Es empfiehlt sich die Einrichtung eines Keyword-Alarms oder ein regelmäßiges manuelles Screening der Inhalte.
4.2. Technische Lösungen
Viele moderne Bewertungstools erlauben die automatische Moderation durch Filter (z. B. für gesundheitsbezogene Begriffe). Diese sollten genutzt werden, um Verstöße zu verhindern.
4.3. Bewertung vor Freischaltung prüfen
Einige Tools bieten die Möglichkeit, eingehende Bewertungen vor der Veröffentlichung zu prüfen. In rechtlich sensiblen Branchen wie Gesundheit, Nahrungsergänzung oder Heilmitteln ist das empfehlenswert.
5. Fazit: Bewertungen sind keine rechtliche Grauzone
Das Urteil des LG Bochum ist ein eindeutiges Beispiel in der Diskussion um die Haftung für nutzergenerierte Inhalte. Es macht deutlich: Wer Kundenbewertungen prominent einbindet und technisch aufwertet, macht sie sich rechtlich zu eigen. Das gilt insbesondere dann, wenn zuvor eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde.
Unternehmen sind daher gut beraten, Bewertungsinhalte genauso sorgfältig zu überwachen wie klassische Werbetexte. Die Delegation an Drittanbieter entbindet nicht von der Verantwortung. Vielmehr besteht eine Pflicht zur aktiven Kontrolle und gegebenenfalls Entfernung von rechtswidrigen Inhalten.
Tipp der Kanzlei:
Wir unterstützen Unternehmen bei der rechtssicheren Gestaltung von Kundenbewertungen und bei der Überprüfung bestehender Bewertungssysteme. Bei bereits abgegebenen Unterlassungserklärungen ist eine konsequente Umsetzung essenziell, um Vertragsstrafen zu vermeiden. Gerne prüfen wir Ihr Bewertungsmanagement auf rechtliche Risiken und helfen bei der Entwicklung rechtssicherer Prozesse. Sprechen Sie uns an!
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