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Unlauterkeit einer Nachahmung bei Wohnmöbel

OLG Köln, 6 U 4/14
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht Köln hat am 18.07.2014 in einem wettbewerbsrechtlichen Berufungsverfahren zum Aktenzeichen 6 U 4/14 ein Urteil verkündet. In ihrer Urteilsbegründung haben die Richter sich zu den Voraussetzungen geäußert, die zur Annahme einer unlauteren Nachahmung eines Produktes führen können.
Die Parteien des Rechtsstreits, der dem Oberlandesgericht Köln als Berufungsgericht vorgelegt wurde, sind beide auf dem Gebiet der Möbelherstellung tätig. Sie sind innerhalb des gleichen Ortes ansässig und führten nicht zum ersten Mal ein wettbewerbsrechtliches Klageverfahren gegeneinander.

Zur Kollektion beider Parteien gehörten Freischwinger-Stühle, deren Rückenlehnen mit netzartigem Gewebe bespannt sind, so dass optisch ein dunkler Rahmen eine lichtdurchlässige Mittelpartie umgibt. Die Klägerin hat unter der Bezeichnung „Joy“ mehrere Modellvarianten eines solchen Stuhls vertrieben, während der Beklagte seinem entsprechenden Einzelmodell die Bezeichnung „Nina“ gab.
Die Klägerin bemängelte die Ähnlichkeit des Freischwinger-Stuhl-Modells „Nina“ mit einem Freischwinger-Stuhl aus ihrer Produktserie „Joy“ und erteilte dem Beklagten eine Abmahnung mit dem Ziel, ihn daran zu hindern, seinen Freischwinger-Stuhl „Nina“ weiterhin in den Verkehr zu bringen, anzubieten und für den Kauf zu werben. Die Klägerin berief sich dabei darauf, dass das Verhalten des Beklagten wettbewerbswidrig nach den Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sei. Die Voraussetzungen des § 4, Ziffer 9 UWG wären dadurch erfüllt worden, dass der Beklagte seinen Stuhl „Nina“ in unlauterer Weise als Nachahmung der von der Klägerin angebotenen Stuhlserie „Joy“ auf den Markt gebracht hätte.

Die Beklagte setzte sich gegen die Abmahnung und den gegen sie erhobenen Vorwurf mit dem Argument zur Wehr, dass sie keine Nachahmung geplant habe, als sie den Stuhl „Nina“ in der zweiten Hälfte des Jahres 2012 entwickelt habe. Zu diesem Zeitpunkt sei der von der Klägerin verglichene Stuhl aus der „Joy“-Kollektion noch gar nicht auf dem Markt gewesen. Darüber hinaus gäbe es verschiedene andere Stuhlmodelle anderer Hersteller, die aufgrund ihrer Gestaltung als Freischwinger mit Rückenlehnen aus lichtdurchlässigem Flechtmaterial den streitgegenständlichen Stühlen ähneln würden. Es handele sich bei der Rückenlehnengestaltung deshalb nicht um eine wettbewerblich relevante Eigenart, sondern um ein marktbekanntes Designelement.

Das Landgericht Köln hatte der Klage in erster Instanz stattgegeben. Gegen das Urteil legte die Beklagte Berufung bei dem Oberlandesgericht Köln ein. Die Richter des 6. Senats am Oberlandesgericht Köln gaben der Berufung statt und verfügten unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Abweisung der Klage.

Der 6. Senat des Oberlandesgerichts Köln weist in seiner Urteilsbegründung darauf hin, dass die Klägerin die Beweislast dafür trägt, dass eine Nachahmung vorliegt. Der Beklagte müsste demgegenüber beweisen, dass die Gestaltung des von ihm auf den Markt gebrachten Stuhles den marktüblichen Gestaltungsformen entspricht, ohne konkret die Gestaltung eines bestimmten Modells nachzuahmen. Aufgrund der Tatsache, dass sich mehrere Stühle im Freischwinger-Stil auf dem Markt der Wohnmöbel finden lassen, deren Rückenlehnen jeweils mit leichtem Flechtmaterial bespannt sind, um einen „Passepartout-Effekt“ zu erzielen, wurde die wettbewerbliche Eigenheit des von der Klägerin angebotenen Freischwinger-Modells nur als schwach eingeschätzt. Dabei stellten die Richter darauf ab, wie bestimmte optische Merkmale im Verkehr bewertet werden. Merkmale, die bei einem neutralen Betrachter die Erwartung auslösen, dass ein Produkt einem bestimmten Herkunftsbetrieb zugeordnet werden kann, sind als starke Eigenheiten zu bewerten. Ihre Nachahmung legt den Verdacht der Unlauterkeit nahe. Bei Übereinstimmungen, die von der Verkehrsanschauung kaum wahrgenommen werden können, kann der Schutz von Eigenheit nicht im selben Umfang gewährt werden. Im vorliegenden Fall war es sogar so, dass aufgrund unterschiedlicher Verbindungsformen zwischen Rahmen und Rückenlehnen ein deutlicher Unterschied zwischen den Stühlen wahrgenommen werden konnte. Weil der Gesamteindruck ausschlaggebend ist und im Bereich von Stühlen die Auswahl der verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten durch die Funktion begrenzt wird, müssen die Voraussetzungen für die Feststellung, wann eine Nachahmung, die wettbewerbsrechtliche Sanktionen zur Folge hat, vorliegt, hohen Anforderungen genügen.
Im vorliegenden Fall reichte der diesbezügliche Vortrag der Klägerin dem Oberlandesgericht nicht aus.

OlG Köln, Urteil vom 18.07.2014, Aktenzeichen 6 U 4/14

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