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Unclean Hands im Wettbewerbsrecht – Bedeutung und Praxisfälle

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Begriff „Unclean Hands“ stammt aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis. Übersetzt bedeutet er „unsaubere Händen“. Gemeint ist damit, dass jemand, der sich selbst rechtswidrig oder unlauter verhält, nicht auf die Hilfe der Gerichte zählen darf, wenn er gegen andere vorgeht. Kurz gesagt: Wer mit „schmutzigen Händen“ auftritt, soll keine Vorteile aus dem Rechtssystem ziehen.

In den USA und in Großbritannien ist die „Unclean Hands“-Doktrin fest im Recht verankert. In Deutschland gibt es sie in dieser Form nicht. Dennoch sind vergleichbare Gedanken auch im deutschen Wettbewerbsrecht anzutreffen. Hier geschieht das aber nicht durch eine eigene Rechtsfigur, sondern über bereits bestehende Vorschriften:

 

Die entscheidende Frage lautet: Welche Bedeutung hat der Gedanke der „Unclean Hands“ im deutschen Wettbewerbsrecht – und wie können Unternehmen ihn praktisch nutzen?

Herkunft und Grundgedanke der „Unclean Hands“-Doktrin

In den USA entwickelte sich die „Unclean-Hands“-Doktrin aus dem Equity-Recht, also dem Billigkeitsrecht der Chancery Courts. Dort galt seit jeher der Satz: „He who comes into equity must come with clean hands.“ Wer sich selbst unredlich verhält, darf die Gerichte nicht in Anspruch nehmen, um seine Interessen durchzusetzen.

Dieses Prinzip ist stark moralisch geprägt: Es soll verhindern, dass Gerichte zu Werkzeugen für Personen werden, die sich selbst nicht an Recht und Anstand halten.

Im deutschen Recht fehlt eine vergleichbare Generalklausel. Stattdessen gibt es spezifische gesetzliche Mechanismen, die ähnliche Ergebnisse erzielen können:

  • § 8c UWG (Rechtsmissbrauch): Eine Abmahnung oder Klage ist unzulässig, wenn sie überwiegend sachfremden Zielen dient – etwa der Gebührenerzielung, der Schädigung eines Konkurrenten oder dem systematischen Aufbau von Vertragsstrafen.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben): Ein Anspruch kann ausgeschlossen sein, wenn er in besonders krassem Widerspruch zum Verhalten des Anspruchstellers steht (unzulässige Rechtsausübung).

Anwendung im deutschen Wettbewerbsrecht

Kein Automatismus

Anders als im anglo-amerikanischen Recht bedeutet ein Eigenverstoß in Deutschland nicht automatisch, dass der Anspruchsteller seine Ansprüche verliert. Der Unterlassungsanspruch nach dem UWG dient nicht nur dem Schutz des Mitbewerbers, sondern auch dem Schutz der Verbraucher und des fairen Wettbewerbs (Objektivschutz). Selbst wenn der Kläger ebenfalls unlauter handelt, bleibt sein Anspruch deshalb in der Regel bestehen.

Wann Eigenverstöße relevant werden

Eigenverstöße des Abmahnenden können aber Indizien für Missbrauch sein. Gerichte prüfen dann genauer, ob hinter der Abmahnung tatsächlich der Lauterkeitsgedanke steht oder ob es dem Abmahner überwiegend um andere Ziele geht – etwa Gebühren oder die Schwächung des Konkurrenten aus sachfremden Erwägungen.

Auch in Verbindung mit § 242 BGB können Eigenverstöße eine Rolle spielen, wenn der Abmahner sich in einen offensichtlichen Widerspruch begibt. Das ist allerdings selten und setzt ein besonders krasses, widersprüchliches Verhalten voraus.

Prüfungslogik der Gerichte

Die Gerichte gehen regelmäßig in drei Schritten vor:

  1. Liegt ein Wettbewerbsverstoß des Gegners vor?
  2. Wird der Anspruch missbräuchlich verfolgt? (§ 8c UWG – Indizienprüfung, Gesamtwürdigung)
  3. Liegt ein Ausnahmefall nach § 242 BGB vor? (eklatanter Widerspruch, unzulässige Rechtsausübung)

Erst in diesen Stufen können Eigenverstöße des Abmahnenden Bedeutung erlangen.

Praxisbeispiele aus dem Wettbewerbsrecht

1. Abmahnung wegen fehlender Pflichtangaben im Online-Shop

Ein Händler mahnt seinen Konkurrenten ab, weil dieser keine Grundpreise angibt. Stellt sich heraus, dass der Abmahner auf seiner eigenen Website denselben Verstoß begeht, reicht das für sich genommen nicht aus, um die Abmahnung unwirksam zu machen. Erst wenn weitere Umstände hinzukommen – etwa massenhafte Abmahnungen, ein erkennbares Gebühreninteresse oder sonstige sachfremde Erwägungen – kann der Gegner die Abmahnung mit Verweis auf § 8c UWG erfolgreich abwehren.

2. Irreführende Werbung

Ein Unternehmen beanstandet eine Werbeaussage als irreführend, obwohl es selbst ähnlich wirbt. Auch hier gilt: Der bloße „Spiegelverstoß“ entkräftet den Anspruch nicht. Aber er kann als Indiz dienen, dass der Kläger die Gerichte nicht in erster Linie zum Schutz des Wettbewerbs, sondern als strategisches Mittel gegen Konkurrenten einsetzt. In aller Regel werden aber weitere Indizien hinzutreten müssen, um eine missbräuchliche Anspruchsverfolgung annehmen zu können

3. Markenrechtliche Streitigkeiten

Auch im Markenrecht zeigt sich die Problematik. Wenn ein Unternehmen fremde Marken unzulässig nutzt und zugleich gegen einen Mitbewerber wegen Markenverletzung vorgeht, schwächt das seine Glaubwürdigkeit erheblich. Hier kann sich der Gedanke der „Unclean Hands“ über § 242 BGB auswirken, wenn ein besonders krasses Missverhältnis zwischen eigenem Verhalten und Anspruchsverfolgung besteht.

Abgrenzung: „Unclean Hands“ und § 8c UWG

Die Begriffe werden oft gleichgesetzt, tatsächlich bestehen aber Unterschiede:

  • § 8c UWG (Rechtsmissbrauch):
    Es geht um die Ziele der Anspruchsverfolgung. Wird der Anspruch überwiegend aus sachfremden Motiven geltend gemacht, ist er unzulässig. Beispiele: Gebührenmaximierung, massenhafte Abmahnungen, systematische Vertragsstrafenmaximierung. Der Katalog des § 8c Abs. 2 UWG ist nicht abschließend – entscheidend ist die Gesamtwürdigung.
  • „Unclean Hands“ (anglo-amerikanisch):
    Dort bedeutet der Einwand, dass schon der Eigenverstoß die Anspruchsberechtigung zerstört.
  • § 242 BGB (Treu und Glauben):
    Kommt im deutschen Recht am nächsten an die „Unclean Hands“-Idee heran, greift aber nur in extremen Ausnahmefällen bei krass widersprüchlichem Verhalten.

Die Konsequenz: Der bloße Hinweis „Du auch!“ reicht in Deutschland nicht. Es müssen weitere Umstände hinzutreten, die den Missbrauch belegen.

Auswirkungen für Unternehmen

Chancen

Für abgemahnte Unternehmen eröffnet der Gedanke eine wichtige Verteidigungsmöglichkeit. Eigenverstöße des Gegners können Indizien für Rechtsmissbrauch liefern. Auch wenn die Fälle eher selten sind: Wer sich klug verteidigt, kann so eine Abmahnung oder Klage abwehren.

Risiken

Umgekehrt müssen Unternehmen, die selbst abmahnen, sicherstellen, dass sie mit sauberen Händen auftreten. Eigene Verstöße schwächen nicht nur die Glaubwürdigkeit, sondern können bei Hinzutreten weiterer Umstände zur Unzulässigkeit nach § 8c UWG führen. Zudem gilt: Eine rechtsmissbräuchliche Abmahnung begründet keinen Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten. Im Gegenteil: die Kosten des Gegners zur Abwehr der Abmahnung müssen erstattet werden. Das kann erhebliche finanzielle Nachteile verursachen.

Praktischer Tipp

Unternehmen sollten regelmäßig prüfen, ob ihre Websites, Werbung und Vertragsunterlagen vollständig rechtssicher sind. Nur so können sie Wettbewerbsverstöße konsequent verfolgen, ohne selbst in den Verdacht des Missbrauchs zu geraten.

Fazit

Der „Unclean-Hands“-Einwand ist im deutschen Recht keine eigenständige Verteidigung. Seine Grundidee findet sich aber in zwei Mechanismen wieder:

  • im Rechtsmissbrauch nach § 8c UWG,
  • und in seltenen Fällen in der unzulässigen Rechtsausübung (Treuwidrigkeit/Verstoß gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB).

Das bedeutet:

  • Abmahner sollten rechtlich sauber handeln, um Missbrauchsverdacht zu vermeiden.
  • Abgemahnte können prüfen, ob sich eine Verteidigung mit § 8c UWG oder § 242 BGB begründen lässt.

Gerade weil die Abgrenzung juristisch anspruchsvoll ist, empfiehlt sich frühzeitig anwaltliche Unterstützung. Ein erfahrener Wettbewerbsrechtler kann nicht nur prüfen, ob eine Abmahnung rechtsmissbräuchlich ist, sondern auch eine Verteidigungsstrategie entwickeln, die die Chancen erheblich verbessert.

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