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Testimonialwerbung für „Diaetoxil“ mit Promi untersagt – Mittelbare Störerhaftung bejaht

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die Werbung mit prominenten Gesichtern kann extrem wirksam sein – aber auch gefährlich, wenn sie ohne Erlaubnis erfolgt. Das hat das Landgericht Köln mit seinem Urteil zur Testimonialwerbung für das Diätprodukt „Diaetoxil“ deutlich gemacht (Urteil vom 11. Oktober 2023 – Az. 28 O 145/23). Im Mittelpunkt stand die unerlaubte Nutzung des Namens, Bildes und angeblicher Aussagen eines bekannten Comedians und Fernsehmoderators in Online-Werbung.

Das Gericht verurteilte die Anbieterin der Diätpille, die rechtsverletzenden Werbebeiträge zu unterlassen, obwohl diese nicht von ihr selbst, sondern durch Dritte auf Facebook verbreitet worden waren. Die Beklagte hafte dennoch – als mittelbare Störerin.

Sachverhalt: Werbung ohne Einwilligung – über Dritte auf Facebook

Über mehrere Facebook-Accounts wurden regelmäßig Werbeposts verbreitet, in denen Name, Bild und erfundene Zitate des Klägers in großformatiger Aufmachung verwendet wurden. Die Beiträge vermittelten den Eindruck, der Prominente befürworte oder empfehle die Diätpille „Diaetoxil“.

Ein Klick auf die Beiträge führte die Nutzer zu Websites, die das Produkt bewarben – inklusive der Möglichkeit, die Pille über die Domain „diaetoxil.de“ zu bestellen. Für den Kläger war klar: Diese Aussagen hatte er nie getroffen – noch hatte er einer solchen Werbung zugestimmt.

Die Reaktion des Klägers: Abmahnung – ohne Wirkung

Der Prominente reagierte prompt und ließ der Anbieterin der Pille zwei konkrete Abmahnungen zukommen, mit der Aufforderung, die Werbung zu unterlassen. Er wies jeweils konkret auf die rechtsverletzenden Beiträge und deren Verlinkung hin.

Die Reaktion der Beklagten? Sie bestritt jede Verantwortung – man habe die Beiträge weder in Auftrag gegeben noch veröffentlicht. Eine Unterlassungserklärung verweigerte sie.

Doch damit war die Sache nicht vom Tisch: Im Januar 2023 wurde der Kläger erneut auf einen aktuellen Beitrag aufmerksam gemacht – wieder dieselbe Masche, wieder Werbung mit seinem Bild und Namen. Der nächste Schritt war die Klage.

Die Entscheidung des LG Köln: Mittelbare Störerhaftung bejaht

Das Landgericht Köln gab dem Kläger Recht und stellte fest, dass ihm ein Unterlassungsanspruch aus

Die Verwendung von Falschzitaten und Bildern des Klägers sei eine klare Persönlichkeitsrechtsverletzung – und rechtswidrig.

Der Schlüssel: Die Haftung als mittelbare Störerin

Obwohl die Beklagte die Werbung nicht selbst geschaltet hatte, sah das Gericht sie als mittelbare Störerin in der Verantwortung.

Als mittelbarer Störer haftet, wer willentlich und adäquat kausal zur Rechtsverletzung beiträgt – z.B. durch die Ausnutzung einer Handlung Dritter und das Unterlassen möglicher Schutzmaßnahmen, obwohl man dazu in der Lage gewesen wäre.

Die Beklagte hatte, so das Gericht, spätestens mit den Abmahnungen Kenntnis von der rechtsverletzenden Werbung. Trotzdem ließ sie sie bestehen. Die Links führten weiterhin zu ihrer offiziellen Website. Ein klarer wirtschaftlicher Vorteil – also keine bloße Duldung, sondern aktive Mitnutzung.

Verletzung von Prüfungspflichten – Maßstab der Rechtsprechung

Die Richter stellten klar: Die Störerhaftung setzt voraus, dass der in Anspruch Genommene zumutbare Prüfungspflichten verletzt hat.

Die Maßstäbe sind in der Rechtsprechung zu Userbewertungen und Host-Providern entwickelt worden:

  • Eine proaktive Kontrolle aller Inhalte ist nicht zumutbar.
  • Wer aber konkrete Hinweise auf Rechtsverletzungen erhält, muss reagieren.

Die Beklagte habe genau das unterlassen. Statt tätig zu werden, habe sie die rechtswidrigen Postings „geschehen lassen“ – obwohl ihr klar war, dass Facebook solche Inhalte nach Hinweis löschen und sogar filterbasierte Vorsorgemaßnahmen hätte ergreifen können.

Die wirtschaftliche Verbindung: Werbung mit Verlinkung zur Verkaufsseite

Die Beklagte profitierte eindeutig von den Posts: Die Links führten zur Bestellseite für „Diaetoxil“.
Das Argument, es habe ja vielleicht keine konkreten Bestellungen gegeben, ließ das Gericht nicht gelten:

Bereits die Generierung von Website-Traffic und Sichtbarkeit stellt einen wirtschaftlichen Vorteil dar.

Damit war auch die Kausalität im Sinne der mittelbaren Störerhaftung gegeben.

Handlungsalternativen bestanden – und wurden ignoriert

Das Gericht setzte sich auch mit dem Argument auseinander, man habe keinen Einfluss auf Facebook. Doch das überzeugte nicht:

  • Nach Hinweis auf rechtswidrige Inhalte hätte die Beklagte von Facebook deren Löschung verlangen können.
  • Wenn Facebook nicht reagiert hätte, hätte die Beklagte den Rechtsweg beschreiten können – etwa wegen Markenrechtsverletzung, auf die sie sich selbst berief.

Fazit des Gerichts: Es war technisch und rechtlich zumutbar, gegen die rechtswidrigen Inhalte vorzugehen. Die Beklagte habe schlicht nicht gehandelt.

Bedeutung der Entscheidung für Unternehmen und Online-Marketing

Das Urteil hat über den Einzelfall hinaus Signalwirkung für Unternehmen, die Affiliate- oder Empfehlungsmarketing nutzen – insbesondere über Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok.

Unternehmen sollten sich bewusst sein:

  • Sie können auch für Handlungen Dritter rechtlich in Anspruch genommen werden,
  • wenn sie profitieren und
  • nicht gegen Rechtsverletzungen vorgehen, obwohl sie dazu in der Lage wären.

Werbeanzeigen mit Prominenten sind rechtlich nur zulässig, wenn eine ausdrückliche Zustimmung (Einwilligung nach § 22 KUG) vorliegt. Fehlt diese, ist die Werbung regelmäßig rechtswidrig – auch ohne böse Absicht.

Fazit: Wer profitiert, muss auch handeln

Das Landgericht Köln hat die Anforderungen an eine mittelbare Störerhaftung konsequent und gut nachvollziehbar angewendet. Wer im digitalen Raum mit Persönlichkeitsrechten Dritter konfrontiert wird, kann sich nicht einfach hinter fehlender Urheberschaft verstecken.

Die Botschaft ist klar:
Wer von rechtswidriger Werbung profitiert und Hinweise auf konkrete Verstöße ignoriert, haftet.

Handlungsempfehlung für Unternehmen

  • Prüfen Sie sämtliche Werbung Dritter, die auf Ihre Produkte verweist – insbesondere, wenn sie über soziale Medien erfolgt.
  • Reagieren Sie unverzüglich auf Hinweise zu möglichen Persönlichkeits- oder Markenrechtsverletzungen.
  • Dokumentieren Sie Ihre Maßnahmen gegenüber Plattformen wie Meta (Facebook/Instagram).
  • Holen Sie sich im Zweifel anwaltliche Unterstützung, bevor Sie in rechtlich sensibles Marketing einsteigen.

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