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Umgehung der Buchpreisbindung durch "Förderprogramm"

LG Hamburg, Urteil vom 08.06.2011, Az. 315 O 182/11

Die im gesamten Bundesgebiet geltende Buchpreisbindung (§§ 1 ff Buchpreisbindungsgesetz) kann nicht durch die Gewährung von sogenannten „Fördermitteln“ umgegangen werden, entschied das LG Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 08.06.2011, Az. 315 O 182/11).

Gegenstand und Ablauf des Verfahrens
In der Sache ging es um eine Buchhandlung, die u. a. wissenschaftliche Bücher über das Internet vertrieb (Online-Versandbuchhandlung). Um den Verkauf von wissenschaftlichen Fachbüchern aller Art anzutreiben, startete die Buchhandlung ein Förderungsprogramm. Hierzu kontaktierte sie einige Unternehmen der freien Wirtschaft und bat um Beiträge für einen von ihr als Fördertopf bezeichneten Bestand an Geldmitteln.

Im Gegenzug für die Einzahlung von Geldern wurden die Unternehmen auf der Internetseite des Buchhandels als Partner ausgewiesen. Die Gelder aus dem Fördertopf wurden verwendet, um Kunden der Online-Versandbuchhandlung einen Rabatt von 10 % auf wissenschaftliche Publikationen zu gewähren. Kunden, die sich für entsprechende Werke interessierten, bekamen in ihrem Kundenkonto zunächst den der Buchpreisbindung entsprechenden Ladenpreis angezeigt. Im Anschluss daran wurde auf das Förderprogramm hingewiesen, welches einen um 10 % verringerten Preis ermöglichte. Die Rechnung des Kunden wies das fördernde Unternehmen auf. Dieses habe, so der wesentliche Inhalt der Rechnung, den Buchkauf durch seinen Beitrag in den Fördertopf subventioniert.

Hiergegen wendete sich die Antragstellerin, die von einigen Verlagen mit der Überwachung der Preisbindung nach dem Buchpreisbindungsgesetz (BuchPrG) betraut wurde. Vor Gericht wurde von der Online-Versandbuchhandlung als Antragsgegnerin die Unterlassung des Vertriebs von Büchern unterhalb des gesetzlich festgeschriebenen Ladenpreises verlangt. Hierbei wurde sich in einem Eilverfahren auf § 9 Abs. 3 BuchPrG i. V. m. § 12 Abs. 2 UWG als Anspruchsgrundlage geschützt.

Aus den Urteilsgründen des LG
Die mit dem Fall befasste Wettbewerbskammer des LG Hamburg gab dem Antrag in vollem Umfang statt. Das von der Antragsgegnerin entwickelte „Fördermodell“ verstoße gegen das Wettbewerbsrecht, da hierdurch ein Erwerb der Bücher unterhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Preises erfolgte. Das LG legte dem Fall im Rahmen seiner Entscheidung eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung zugrunde. Es wurde deshalb vorrangig auf den ökonomischen bzw. betriebswirtschaftlichen Wert der jeweils ausgetauschten Positionen bzw. Leistungen abgestellt. Aus diesem Ansatz heraus ergibt sich, so das LG, dass die Antragsgegnerin nicht den vollen Buchpreis erhält, da die von ihr ausgewiesenen Partnerunternehmen nicht ausschließlich der Förderung wegen in den Topf einzahlten.

Den Unternehmen ginge es vielmehr darum, ihre eigene Präsenz durch die Ausweisung als Partnerunternehmen zu erhöhen. Diese Leistung stand im Austausch zu der Einzahlung in den Geldtopf. Sie war folglich bewusstseinsdominant und Zweckauslöser der getätigten Zahlung. Nach Ansicht des LG entfällt somit zumindest ein Teil der 10 prozentigen Förderungssumme nicht auf das jeweils verkaufte Buch, sondern auf die Ausweisung auf der Homepage des Versandhandels. Im Ergebnis liege damit ein Verkauf unter dem vollen Ladenpreis vor, weswegen dem Antrag auf Unterlassung der Geschäftspraktik stattzugeben sei.

Bewertung und Praxishinweis
Das Urteil des LG Hamburg zeigt erneut, dass die Gerichte eine Umgehung der Buchpreisbindung nicht hinnehmen. Auch besonders innovative und ausgeklügelte Modelle wie das vorliegende werden unter die geltenden Vorschriften subsumiert und damit eingestellt. Dem Teil des Buch- und Verlagsgewerbes, der sich gegen die Buchpreisbindung stellt, bleibt damit wohl nichts anderes übrig als auf eine Änderung der einschlägigen Gesetzeslage zu hoffen. Durch Geschäftsmodelle ist die Buchpreisbindung nämlich nicht zu umgehen.

LG Hamburg, Urteil vom 08.06.2011, Az. 315 O 182/11

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