Textpassagen als Verdachtsberichterstattung

Mit Urteil vom Januar 2011 hat das Amtsgericht Hamburg entschieden, dass ein Plagiatsvorwurf im Ergebnis auch eine Persönlichkeitsverletzung darstellen kann, aus der der Betroffene Schadensersatzansprüche gegen den Urheber dieser Aussage ableiten kann. Wenn einem Autor im Detail vorgeworfen wird, dass er wesentliche Gedankengänge oder Textpassagen dritter Personen ohne die entsprechende Zitierweise übernommen hat, lässt sich daraus ein Plagiatsvorwurf ableiten. Der Vorwerfende kann sich nur dann für eine derartige Behauptung auf die Wissenschaftsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit berufen, wenn er Anknüpfungspunkte vorlegen kann, die seine Aussage bestätigen. Denn für den Plagiatsvorwurf ist nicht der Autor beweispflichtig, sondern der Behauptende.
In dem Rechtsstreit hatte der Kläger von dem Beklagten aufgrund einer Persönlichkeitsrechtsverletzung eine Auskunft verlangt. Er ist Lehrstuhlinhaber an einer deutschen Universität. In dieser Funktion hat er zahlreiche rechtswissenschaftliche Texte, darunter auch einige Kommentierungen, veröffentlicht. Bei der Beklagten handelte es sich demgegenüber um einen Verleger. In dieser Funktion hatte die Beklagte auch ein Buch eines anderen Professors verlegt. Auf dem Cover sowie auf Seite 19 des Buches befanden sich die in dem Rechtsstreit streitgegenständlich gewordenen Textpassagen:
"...Während andere Autoren dieses "Vordenken" in ihren Zitaten aufdecken…fehlt bei L... jeder Rückblick…Daraus kann man auf zielgerichteten Ideenklau schließen - oder dem Autor zugutehalten, er sei einfach so auf dieselbe Idee ein zweites Mal verfallen oder habe diese unbewußt entlehnt und mithin nur "ein bisschen unsorgfältig" recherchiert. Originalität ist mit Fritz Rittner doch nur mangelnde Belesenheit. Nachweisbar ist der vorsätzliche Ideenklau nicht - wohl aber das unzureichende Recherche- und Zitierverhalten.“
Nachdem die Abmahnung des Klägers ohne Erfolg geblieben ist, wurde vom Landgericht Hamburg am 1. Juni 2010 eine einstweilige Verfügung erlassen. Inhalt dieser Verfügung war das Verbot der Beklagten, das Buch weiterhin mit den streitgegenständlichen Passagen zu vermarkten. Von der Verfügung wurden jedoch diejenigen Exemplare ausgenommen, die bereits bei Zustellung aufgefunden gewesen sind.
Dagegen vertrat der Kläger die Ansicht, dass durch die Aussagen sein Persönlichkeitsrecht verletzt wurde. Seiner Auffassung nach handelte es sich schlichtweg um unwahre Behauptungen. Er leitete seinen Auskunftsanspruch aus den §§ 241 Abs. 2, 242, 259, 260 BGB in Verbindung mit der vorliegenden Persönlichkeitsrechtsverletzung ab. Er benötigte die Auskunft, damit er das Unterlassungsverbot in Zukunft kontrollieren könne. Dagegen wandte die Beklagte ein, dass der Kläger keineswegs in seinem Persönlichkeitsrecht eingeschränkt werde. Insofern habe der Verfasser des Buches keine unwahren Tatsachen über den Kläger behauptet. Vielmehr handle es sich in dem konkreten Fall um eine kritische Äußerungen, die allerdings gemäß Artikel 5 Abs. 1 Satz 1 GG zulässig sei.
Das Amtsgericht Hamburg sah die zulässige Klage auch als begründet an. Das Gericht leitete den Auskunftsanspruch im Hinblick auf die Höhe der produzierten Auflage sowie die Anzahl der bereits verkauften Exemplare aus den §§ 823 Abs. 1,823 Abs. 2, 1004 Abs. 1,242 BGB i. V. m. Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG ab. Durch die Veröffentlichung des Buches durch die Beklagte wird der Kläger tatsächlich in dem Persönlichkeitsrecht verletzt. Zwar erkennt das Gericht gleichermaßen an, dass das Werk durchaus unter die Meinungsfreiheit als auch unter die Wissenschaftsfreiheit fällt. Da somit zwei Grundrechte gegenüber stehen, ist nach den allgemeinen Regeln eine Abwägung vorzunehmen. Das Amtsgericht Hamburg hat sodann beschlossen, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers nach Artt. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG überwiegt. Durch die Veröffentlichung des Buches wird dem Kläger unterstellt, dass er seine Gedankengänge nicht richtig zitiert hat. Für eine derartige Berichterstattung fehlt es in dem konkreten Fall jedoch an hinreichenden Anknüpfungspunkten, die den Verdacht auch tatsächlich bestätigen können. Insofern keine Anknüpfungspunkte von Seiten der Beklagten vorgetragen wurden, müssen die Rechte der Meinungsfreiheit sowie der Wissenschaftsfreiheit hinter dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klägers zurückstehen.
AG Hamburg, Urteil vom 26.01.2011, Az. 36 A C 243/10
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