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Telefonmarketing unter Geltung der DSGVO

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Telefonmarketing ist schnell, direkt und vermeintlich effizient. Viele Unternehmen glauben daher, sie dürften Unternehmensdaten aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Branchenverzeichnissen sammeln, um diese anschließend im Rahmen von Werbeanrufen zu nutzen. Oftmals wird zur Rechtfertigung auf das sogenannte „berechtigte Interesse“ aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verwiesen. Doch genau dieser Ansatz gerät zunehmend ins Wanken – insbesondere nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Saarlouis vom 20. April 2023, Az.: 2 A 111/22. Das Gericht hat klargestellt: Für die Zulässigkeit von Telefonwerbung kommt es in erster Linie auf § 7 UWG an. Die DSGVO tritt in diesem Bereich in den Hintergrund.

1. Die rechtliche Ausgangslage

Telefonmarketing bewegt sich im Schnittfeld zwischen Datenschutzrecht und Lauterkeitsrecht. Beide Rechtsbereiche verfolgen unterschiedliche Schutzgüter, greifen aber häufig ineinander.

Datenschutzrecht: Art. 6 Abs. 1 DSGVO

Nach der DSGVO ist jede Verarbeitung personenbezogener Daten grundsätzlich nur erlaubt, wenn eine Rechtsgrundlage besteht. Die häufigste Grundlage im werblichen Kontext ist das „berechtigte Interesse“ aus Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO. Dieses Interesse muss jedoch mit den Rechten und Freiheiten der betroffenen Person abgewogen werden. Die Vorschrift ermöglicht also eine flexible Interessenabwägung, sofern die Verarbeitung nicht gegen andere Gesetze verstößt.

Wettbewerbsrecht: § 7 UWG

Unabhängig vom Datenschutzrecht gilt für Werbung – insbesondere per Telefon – § 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Danach ist Werbung per Telefon ohne vorherige Einwilligung gegenüber Verbrauchern unzulässig. Gegenüber Unternehmen ist sie nur erlaubt, wenn zumindest eine mutmaßliche Einwilligung vorliegt. Die Anforderungen hierfür sind streng: Es muss ein konkreter sachlicher Zusammenhang zwischen dem Produkt und dem Betrieb des kontaktierten Unternehmens bestehen, und eine grundsätzliche Erwartungshaltung gegenüber Werbeanrufen darf nicht fehlen.

2. Der Fall vor dem OVG Saarlouis

Ein Unternehmen hatte Datensätze von Zahnärzten aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen gesammelt, um diese später gezielt telefonisch zu Werbezwecken zu kontaktieren. Die zuständige Datenschutzbehörde hatte diese Praxis bereits vor Inkrafttreten der DSGVO untersagt. Nach der Einführung der DSGVO hoffte die Klägerin darauf, dass nun eine andere rechtliche Bewertung gelten müsse. Doch das Gericht machte ihr einen klaren Strich durch die Rechnung.

3. Die Kernaussagen des Gerichts

§ 7 UWG geht der DSGVO vor

Das OVG Saarlouis stellte unmissverständlich klar: Maßstab für die Zulässigkeit von Telefonmarketing ist § 7 UWG. Die Abwägung nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO spielt keine Rolle, wenn bereits gegen § 7 UWG verstoßen wird. Denn ein Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht kann kein berechtigtes Interesse im Sinne der DSGVO begründen.

Keine künstliche Trennung zwischen Datenverarbeitung und Werbeanruf

Das Gericht lehnte die Argumentation der Klägerin ab, dass zwischen der Datenerhebung und dem späteren Werbeanruf getrennt zu bewerten sei. Vielmehr sei beides als einheitlicher Vorgang zu betrachten. Wenn der Anruf unzulässig ist, dann ist bereits die Datenspeicherung rechtswidrig – denn sie dient einem verbotenen Zweck.

Auch bei Anwendung der DSGVO: kein berechtigtes Interesse

Selbst wenn man die DSGVO direkt anwenden würde, hätte das Unternehmen keinen Erfolg. Denn ein berechtigtes Interesse kann sich nicht auf eine Praxis stützen, die gegen § 7 UWG verstößt. Damit wäre die Interessenabwägung von vornherein zu Ungunsten des werbenden Unternehmens zu entscheiden.

Datenschutzbehörde darf einschreiten

Die Datenschutzbehörde durfte das Verhalten auch datenschutzrechtlich untersagen. Sie ahndet dabei keine Wettbewerbsverstöße, sondern bewertet die Frage, ob eine datenschutzrechtliche Grundlage für die Datenverarbeitung vorliegt. Wenn diese fehlt, darf sie einschreiten – selbst wenn der Verstoß primär auch gegen das Wettbewerbsrecht gerichtet ist.

4. Warum das Urteil so bedeutsam ist

Das Urteil schafft Klarheit für Unternehmen, die Telefonmarketing betreiben oder planen. Es zeigt deutlich, dass datenschutzrechtliche Argumentationen nicht isoliert betrachtet werden können, wenn der Zweck – also der Werbeanruf – bereits unzulässig ist. Damit entfällt für viele Marketingmaßnahmen die Möglichkeit, sich auf das „berechtigte Interesse“ zu stützen.

Auch das oft verbreitete Argument, man dürfe doch öffentliche Unternehmensdaten sammeln, weil sie frei zugänglich seien, greift zu kurz. Entscheidend ist nicht, woher die Daten stammen, sondern welchem Zweck die Verarbeitung dient. Und wenn dieser Zweck gegen § 7 UWG verstößt, ist bereits die Erhebung problematisch.

5. Welche Alternativen bleiben Ihnen?

Wenn Sie Telefonmarketing rechtssicher betreiben möchten, haben Sie grundsätzlich zwei Möglichkeiten:

  1. Einwilligungen einholen: Am sichersten ist es, vorher explizit die Zustimmung des Angerufenen einzuholen. Dies kann etwa bei bestehenden Geschäftsbeziehungen gelingen oder über Online-Formulare mit Opt-in-Funktion.
  2. Postwerbung statt Telefon: Für Werbung per Briefpost gelten weniger strenge Regeln. Hier kann – bei Beachtung datenschutzrechtlicher Anforderungen – durchaus ein berechtigtes Interesse gegeben sein. Wichtig ist aber, dass keine sensiblen Daten verarbeitet werden und ein Widerspruchsrecht klar kommuniziert wird.

6. Fazit: Nur sauber ist sicher

Das OVG Saarlouis hat einen klaren Maßstab gesetzt: Wer mit unzulässigen Werbemethoden plant, kann sich nicht auf datenschutzrechtliche Interessen stützen. Unternehmen sollten daher ihre Werbestrategien nicht allein auf das Datenschutzrecht aufbauen, sondern auch stets das Wettbewerbsrecht im Blick behalten. Nur wer beide Aspekte berücksichtigt, handelt wirklich rechtssicher.

Wenn Sie prüfen lassen möchten, ob Ihre geplanten Marketingmaßnahmen rechtskonform sind – oder wenn Sie bereits Ärger mit der Datenschutzaufsicht haben – unterstützen wir Sie gerne.

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