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Tatsachenbehauptung - Alles was Sie wissen müssen

| Rechtsanwalt Frank Weiß

„Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“ – Ein Satz, der in juristischen Auseinandersetzungen über Äußerungen häufig fällt. Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn ob eine Äußerung erlaubt ist oder nicht, hängt ganz entscheidend davon ab, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil handelt. Diese Unterscheidung ist im Äußerungsrecht von zentraler Bedeutung – für Journalisten, Arbeitgeber, Bewertungsplattformen, Influencer, Blogger, aber auch für Privatpersonen.

Warum ist die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil so wichtig?

Rechtlich macht es einen gewaltigen Unterschied, ob jemand sagt:

„Der Arzt hat bei mir eine Fehldiagnose gestellt.“
oder:
„Ich finde, der Arzt ist inkompetent.“

Die erste Aussage enthält einen überprüfbaren Vorgang und ist damit eine Tatsachenbehauptung – sie kann wahr oder falsch sein. Die zweite Aussage ist ein Werturteil – eine persönliche Meinung, die nicht überprüfbar ist und in der Regel unter den Schutz der Meinungsfreiheit fällt.

Diese Unterscheidung ist juristisch deshalb so bedeutsam, weil:

  • Wahre Tatsachenbehauptungen in der Regel zulässig sind.
  • Unwahre Tatsachenbehauptungen rechtswidrig sein können (z. B. üble Nachrede, Verleumdung).
  • Werturteile grundsätzlich durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sind – selbst wenn sie scharf oder überspitzt formuliert sind.

Wo spielt das eine Rolle?

Das Thema begegnet uns heute überall im Alltag, insbesondere durch die digitale Kommunikation:

  • Presse & Rundfunk: Wie weit darf kritische Berichterstattung gehen?
  • Bewertungsportale: Was darf ein Nutzer über ein Unternehmen, einen Arzt oder Arbeitgeber schreiben?
  • Soziale Netzwerke: Was ist noch Meinung – und was ist bereits eine rufschädigende Behauptung?
  • Arbeitsrecht: Darf ein Arbeitnehmer im Kündigungsschutzprozess über den Chef Aussagen treffen?
  • Persönlichkeitsrecht: Wie schützt man sich gegen falsche oder ehrenrührige Aussagen?

Gerade in Zeiten von Google-Bewertungen, Shitstorms und Fake News ist es wichtiger denn je, Äußerungen rechtlich richtig einzuordnen. Denn falsche Behauptungen können nicht nur dem Ruf schaden – sie können juristische Konsequenzen nach sich ziehen: von einer Abmahnung bis hin zu strafrechtlichen Ermittlungen.

Ziel dieses Beitrags

Dieser Beitrag soll Ihnen auf verständliche Weise erklären:

  • Was genau ist eine Tatsachenbehauptung?
  • Worin liegt der Unterschied zu einem Werturteil?
  • Was sind die rechtlichen Konsequenzen?
  • Welche Rolle spielt die Rechtsprechung?
  • Wie können Sie sich im Ernstfall schützen oder wehren?

Dabei orientieren wir uns an konkreten Gerichtsentscheidungen, Fallbeispielen und geben Praxistipps, wie Sie rechtssicher kommunizieren – sei es auf Ihrer Webseite, in der Kundenkommunikation oder in sozialen Netzwerken.

 

Übersicht:

Was ist eine Tatsachenbehauptung?
Abgrenzung: Tatsachenbehauptung vs. Werturteil
Bedeutung im Äußerungsrecht
Wann ist eine Tatsachenbehauptung unzulässig?
Beispiele aus der Rechtsprechung
Bedeutung im Internetzeitalter
Rechtliche Konsequenzen unzulässiger Tatsachenbehauptungen
Wie geht man gegen eine unzulässige Tatsachenbehauptung vor?
Fazit & Praxistipps
FAQ: Häufige Fragen zu Tatsachenbehauptungen

 

Was ist eine Tatsachenbehauptung?

Die zentrale juristische Definition der Tatsachenbehauptung wirkt auf den ersten Blick einfach: Es handelt sich um eine Aussage über einen Vorgang oder Zustand der Vergangenheit oder Gegenwart, der dem Beweis zugänglich ist. Doch in der Praxis ist die Abgrenzung nicht immer so klar, wie sie scheint. Gerade im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit, Persönlichkeitsrecht und Reputationsschutz kommt es auf eine präzise juristische Einordnung an. Dieser Abschnitt soll umfassend erklären, was unter einer Tatsachenbehauptung zu verstehen ist, wie sie sich von Meinungsäußerungen unterscheidet und warum diese Unterscheidung so entscheidend ist.

Definition und Abgrenzung

Eine Tatsachenbehauptung liegt immer dann vor, wenn eine Aussage einen konkreten Sachverhalt beschreibt, der in der Vergangenheit oder Gegenwart stattgefunden hat oder stattfindet und der objektiv überprüfbar ist. Es geht also um einen äußeren Geschehensablauf, der mit Mitteln wie Zeugen, Urkunden, Gutachten oder sonstigen Beweismitteln verifiziert oder falsifiziert werden kann.

Ein klassisches Beispiel ist die Aussage:

„Herr X war gestern nicht in der Kanzlei.“

Diese Aussage lässt sich durch Zeugenaussagen oder Zeiterfassungsdaten überprüfen. Sie bezieht sich auf ein vergangenes Ereignis und ist entweder wahr oder unwahr – sie stellt damit eine Tatsachenbehauptung dar.

Im Gegensatz dazu ist eine Meinungsäußerung (auch als Werturteil bezeichnet) dadurch gekennzeichnet, dass sie auf persönlicher Einschätzung, Überzeugung oder subjektiver Bewertung beruht. Sie ist nicht objektiv überprüfbar und kann daher weder als „wahr“ noch als „unwahr“ eingestuft werden. Die Aussage:

„Herr X ist ein unzuverlässiger Mensch“

ist ein typisches Werturteil. Die Aussage lässt sich nicht mit objektiven Kriterien beweisen oder widerlegen, weil sie auf einer subjektiven Einschätzung basiert – etwa auf Verhalten, das der Sprecher negativ interpretiert.

Juristische Definition laut Bundesverfassungsgericht und Bundesgerichtshof

Die maßgeblichen Gerichte haben in ständiger Rechtsprechung präzisiert, wie Tatsachenbehauptungen rechtlich zu verstehen sind:

  • Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in einer grundlegenden Entscheidung ausgeführt, dass Tatsachenbehauptungen „Aussagen über Vorgänge oder Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart sind, die dem Beweis zugänglich sind“ (BVerfG, Beschl. v. 13.04.1994 – 1 BvR 23/94).
  • Der Bundesgerichtshof (BGH) stellt zusätzlich klar, dass bei der Einordnung maßgeblich ist, „ob die Aussage durch die objektive Bezugnahme auf nachprüfbare Vorgänge geprägt ist“.

Dabei ist nicht der Wortlaut der Aussage entscheidend, sondern ihr Aussagegehalt in der konkreten Situation. Das bedeutet: Selbst wenn eine Aussage formal als Meinung formuliert wird, kann sie im Ergebnis eine Tatsachenbehauptung darstellen, wenn sie sich inhaltlich auf überprüfbare Sachverhalte bezieht.

Beispiel:

„Meiner Meinung nach hat der Arzt keine Ahnung von seinem Fach.“

Obwohl diese Aussage mit „Meiner Meinung nach“ beginnt, enthält sie einen konkreten Vorwurf, der sich auf überprüfbare Tatsachen stützt – etwa falsche Diagnosen oder Fehlbehandlungen. Die Formulierung als „Meinung“ schützt daher nicht automatisch vor juristischen Konsequenzen. Entscheidend ist, ob der Äußerung ein tatsächlicher Aussagekern zugrunde liegt.

Die Beweisbarkeit als Abgrenzungskriterium

Zentral für die Einordnung als Tatsachenbehauptung ist der Gesichtspunkt der Beweisbarkeit. Kann der Wahrheitsgehalt der Aussage durch objektive Mittel geklärt werden, liegt eine Tatsachenbehauptung vor. Ist dies nicht möglich, handelt es sich um ein Werturteil.

Diese Prüfung orientiert sich nicht nur an den Möglichkeiten der Beweisführung im Einzelfall, sondern an der abstrakten Beweisfähigkeit. Das bedeutet: Auch wenn es in einem konkreten Prozess schwer ist, den Beweis zu erbringen, kann es sich dennoch um eine Tatsachenbehauptung handeln, wenn der Vorgang grundsätzlich beweisbar wäre.

Beispiel:

„Frau Y hat in ihrer Bachelorarbeit plagiiert.“

Diese Aussage bezieht sich auf einen konkreten Sachverhalt aus der Vergangenheit und ist in der Regel überprüfbar – etwa durch eine Softwareanalyse oder den Vergleich mit anderen Quellen. Es handelt sich also eindeutig um eine Tatsachenbehauptung.

Mischformen: Wenn Meinung und Tatsache sich vermengen

Viele Äußerungen lassen sich nicht eindeutig einer der beiden Kategorien zuordnen. In der Praxis sprechen Gerichte daher oft von Mischäußerungen, bei denen sowohl Elemente der Tatsachenbehauptung als auch der Meinungsäußerung enthalten sind.

Die Bewertung richtet sich dann nach dem überwiegenden Charakter der Äußerung:

  • Steht ein konkreter, überprüfbarer Sachverhalt im Vordergrund, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung.
  • Überwiegt die persönliche Bewertung oder Einschätzung, wird die Äußerung als Meinungsäußerung qualifiziert.

Ein Beispiel für eine Mischform wäre die Aussage:

„Ich halte es für unzumutbar, dass Herr Z seine Mitarbeiter regelmäßig anschreit.“

Hier wird ein subjektives Werturteil („unzumutbar“) mit einer konkreten Behauptung („regelmäßiges Anschreien“) kombiniert. Die letztgenannte Komponente ist einer Überprüfung zugänglich – etwa durch Zeugenaussagen – und damit eine Tatsachenbehauptung.

Die Rechtsprechung fordert in solchen Fällen eine Gesamtbetrachtung. Maßgeblich ist, wie die Äußerung von einem unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsleser oder -hörer verstanden wird. Die Interpretation erfolgt also im konkreten sprachlichen, sachlichen und situativen Zusammenhang.

Merksätze und juristische Faustregeln

Für die Einordnung von Äußerungen in der Praxis haben sich einige juristische Leitlinien bewährt:

1. Beweiszugänglichkeit ist entscheidend.
Lässt sich der Wahrheitsgehalt einer Aussage objektiv klären, handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung – unabhängig von der Absicht des Äußernden.

2. Der Inhalt zählt, nicht die Verpackung.
Formulierungen wie „meines Erachtens“, „ich finde“, „angeblich“ oder „soll“ können zwar subjektive Elemente enthalten, schließen aber eine Tatsachenbehauptung nicht aus, wenn die Aussage inhaltlich auf konkrete überprüfbare Umstände abzielt.

3. Maßgeblich ist das Verständnis eines objektiven Dritten.
Die Gerichte prüfen, wie ein durchschnittlicher Rezipient die Aussage versteht – nicht, wie der Sprecher sie gemeint hat.

4. Die Meinungsfreiheit schützt nicht jede Äußerung.
Unwahre Tatsachenbehauptungen sind nicht vom Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG umfasst. Für sie kann man haftbar gemacht werden – zivilrechtlich und unter Umständen auch strafrechtlich.

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Abgrenzung: Tatsachenbehauptung vs. Werturteil

Die rechtliche Einordnung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Werturteil ist entscheidend, wenn es um die Frage geht, ob eine Aussage zulässig ist – insbesondere im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG). Während Meinungsäußerungen weitgehend geschützt sind, können unwahre Tatsachenbehauptungen rechtswidrig und sogar strafbar sein.

Was ist ein Werturteil?

Ein Werturteil ist eine subjektive Einschätzung, Bewertung oder Meinung, die nicht dem Beweis zugänglich ist. Es geht nicht um überprüfbare Fakten, sondern um eine persönliche Deutung, Haltung oder ein individuelles Empfinden.

Solche Aussagen beruhen auf Wertmaßstäben, die von Person zu Person unterschiedlich ausfallen können. Ob jemand etwas „gut“, „schlecht“, „unangemessen“ oder „fragwürdig“ findet, lässt sich nicht objektiv widerlegen – selbst wenn andere Menschen die Einschätzung nicht teilen.

Beispiele für Werturteile:

  • „Ich finde den Kundenservice unhöflich und inkompetent.“
  • „Meiner Meinung nach ist das Unternehmen unseriös.“
  • „Der Film war eine Zumutung.“

All diese Äußerungen beschreiben kein objektiv überprüfbares Geschehen, sondern spiegeln persönliche Bewertungen wider.

Die Abgrenzung: Tatsachenbehauptung oder Werturteil?

Die Grenze zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist nicht immer eindeutig. Viele Äußerungen enthalten sowohl Elemente der Bewertung als auch konkrete Tatsachen – sogenannte Mischäußerungen. Die Gerichte müssen dann entscheiden, was im Vordergrund steht: die faktische Behauptung oder die persönliche Bewertung.

Zentrale Unterscheidungskriterien sind:

  • Beweisbarkeit: Kann die Aussage mit objektiven Mitteln als „wahr“ oder „unwahr“ belegt werden?
  • Inhaltlicher Aussagekern: Steht ein überprüfbarer Sachverhalt im Mittelpunkt oder überwiegt die subjektive Deutung?
  • Sprachliche Form: Wird eine Tatsache behauptet oder lediglich eine Meinung ausgedrückt?
  • Gesamtkontext: Wie wird die Aussage von einem verständigen Durchschnittsleser oder -hörer verstanden?

Dabei gilt: Auch eine subjektiv eingefärbte Aussage kann eine Tatsachenbehauptung sein, wenn sie einen konkreten Vorwurf enthält, der objektiv überprüft werden kann.

Mischformen: Die typische Grauzone

Gerade im Bereich der Kommunikation – sei es im Journalismus, auf Bewertungsportalen oder in sozialen Netzwerken – treten häufig sogenannte Mischäußerungen auf: Aussagen, in denen sich faktische Behauptungen und Bewertungen vermengen.

Beispiel 1:
„Die Behandlung bei Dr. X war eine Katastrophe – ich musste danach zu einem anderen Arzt, weil die Diagnose falsch war.“

Diese Aussage kombiniert:

  • ein Werturteil („eine Katastrophe“) und
  • eine Tatsachenbehauptung („die Diagnose war falsch“).

Die erste Aussage ist eine geschützte Meinungsäußerung. Die zweite ist ein überprüfbarer Vorwurf, der unter Umständen unzulässig sein kann – insbesondere dann, wenn er unwahr ist und den Ruf des Arztes beschädigt.

Beispiel 2:
„Der Arbeitgeber nutzt seine Azubis systematisch aus.“

Auch diese Aussage enthält eine klare Wertung („ausnutzen“) und gleichzeitig den Vorwurf eines strukturellen Fehlverhaltens, der durch Zeugenaussagen, Verträge oder andere Nachweise überprüfbar sein kann – also eine Tatsachenbehauptung darstellt.

In der Rechtsprechung wird in solchen Fällen häufig darauf abgestellt, welches Element überwiegt: Ist die Aussage im Wesentlichen eine persönliche Einschätzung oder handelt es sich um die Mitteilung eines konkreten, überprüfbaren Sachverhalts?

Praxisbeispiele zur Verdeutlichung

Aussage

Einordnung

Begründung

„Herr X ist ein Lügner.“

Tatsachenbehauptung

Der Begriff „Lügner“ unterstellt ein konkretes Fehlverhalten – nämlich das vorsätzliche Verbreiten von Unwahrheiten. Diese Annahme ist objektiv überprüfbar.

„Das Restaurant ist völlig überbewertet.“

Meinungsäußerung

Diese Aussage spiegelt eine persönliche Einschätzung wider. Sie lässt sich nicht objektiv belegen oder widerlegen.

„Die Mitarbeiterin hat am 3. April 2023 Bargeld aus der Kasse genommen.“

Tatsachenbehauptung

Der Vorwurf eines konkreten Diebstahls ist ein überprüfbarer Vorgang und kann daher eine (strafrechtlich relevante) Tatsachenbehauptung sein.

„Ich finde, dieser Lehrer ist pädagogisch völlig ungeeignet.“

Mischform (überwiegend Werturteil)

Die Aussage ist wertend, könnte aber auf konkreten Vorfällen basieren. Entscheidend wäre der Zusammenhang.

„Die Firma betrügt ihre Kunden systematisch.“

Tatsachenbehauptung

Der Vorwurf des Betrugs ist ein strafbares Verhalten und objektiv überprüfbar. Liegt keine Beweisgrundlage vor, kann die Aussage rechtswidrig sein.

Fazit zur Abgrenzung

Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil ist kein bloßes akademisches Problem, sondern von zentraler Bedeutung in der anwaltlichen Praxis. Sie entscheidet darüber, ob eine Äußerung zulässig ist oder unterbunden werden kann – ob sie durch die Meinungsfreiheit geschützt oder durch das Persönlichkeitsrecht beschränkt wird.

Für Mandanten ist wichtig zu wissen: Nicht alles, was als Meinung daherkommt, ist auch rechtlich gesehen eine Meinung. Und nicht jede harsche Kritik ist automatisch verboten. Die genaue Einordnung hängt stets vom Einzelfall, dem Kontext und dem Aussagegehalt ab – und verlangt juristische Sorgfalt.

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Bedeutung im Äußerungsrecht

Die Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ist nicht nur von dogmatischer Relevanz – sie ist der Schlüssel zur verfassungsrechtlichen Bewertung einer Äußerung. Denn nicht jede Aussage genießt denselben Schutz. Die Grundrechte, insbesondere die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) auf der einen und das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG) auf der anderen Seite, stehen in einem Spannungsverhältnis, das regelmäßig durch eine sorgfältige Abwägung aufgelöst werden muss.

Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit)

Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG schützt:

„Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten.“

Die Meinungsfreiheit ist ein zentraler Pfeiler der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Sie gewährleistet nicht nur die freie individuelle Meinungsbildung, sondern auch die pluralistische Auseinandersetzung in einer offenen Gesellschaft. Das Bundesverfassungsgericht betont immer wieder, dass die Meinungsfreiheit eine „konstitutive Bedeutung für die Demokratie“ habe.

Doch nicht jede Äußerung fällt in den Schutzbereich dieses Grundrechts. Zu unterscheiden ist:

  • Meinungsäußerungen sind vollumfänglich geschützt, solange sie nicht in unzulässiger Weise in andere Rechte eingreifen (z. B. bei Schmähkritik, Beleidigung, Volksverhetzung).
  • Wahre Tatsachenbehauptungen sind ebenfalls durch Art. 5 GG geschützt, insbesondere im Bereich der öffentlichen Meinungsbildung.
  • Unwahre Tatsachenbehauptungen genießen keinen Grundrechtsschutz. Sie sind von vornherein aus dem Schutzbereich des Art. 5 GG ausgeschlossen.

Diese differenzierende Betrachtung ist der Grund, warum Gerichte bei strittigen Äußerungen zuerst die Einordnung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung vornehmen müssen. Nur dann lässt sich die Frage beantworten, ob Art. 5 GG überhaupt eingreift – und wenn ja, wie weit.

Unterschiede im Schutzumfang

Wahre Tatsachenbehauptungen und Meinungen stehen im Grundsatz unter dem Schutz des Art. 5 GG – sie dürfen in einer offenen Gesellschaft geäußert und verbreitet werden, auch wenn sie kritisch, unangenehm oder verletzend wirken. Der Staat darf diesen Schutz nicht ohne weiteres einschränken.

Demgegenüber ist der Schutz von unwahren Tatsachenbehauptungen rechtlich von vornherein ausgeschlossen. Denn Lügen und Falschbehauptungen beeinträchtigen die Meinungsbildung, täuschen die Öffentlichkeit und können das Ansehen und die Rechte Dritter erheblich schädigen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu mehrfach klargestellt:

„Unwahre Tatsachenbehauptungen genießen nicht den Schutz der Meinungsfreiheit.“
– BVerfG, Beschluss vom 13.04.1994 – 1 BvR 23/94

Eine unrichtige Behauptung über einen Menschen – etwa, er habe eine Straftat begangen – kann tief in dessen persönliche Integrität, Ehre und sozialen Geltungsanspruch eingreifen. Deshalb wird solchen Äußerungen kein verfassungsrechtlicher Schutz zugebilligt, selbst wenn sie im Gewand der Meinung vorgetragen werden.

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG)

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt den Einzelnen in seinem sozialen Geltungsanspruch, seiner Ehre, seiner Selbstbestimmung und der Integrität seiner Person. Es ist ein unselbstständiges Grundrecht, das sich aus der Kombination von Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG) und dem allgemeinen Freiheitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) ergibt.

Eingriffe in dieses Recht können durch Äußerungen erfolgen, die:

  • unwahr sind und einen ehrverletzenden Inhalt haben,
  • die Intimsphäre betreffen (z. B. Gesundheitszustand, sexuelle Orientierung),
  • die Sozialsphäre betreffen (z. B. Beruf, soziales Ansehen),
  • die Privatsphäre verletzen (z. B. durch Veröffentlichung persönlicher Daten oder Fotos).

Vor allem im Internetzeitalter, in dem falsche Behauptungen binnen Sekunden eine weite Verbreitung finden können, ist der Schutz des Persönlichkeitsrechts besonders bedeutsam. Einzelpersonen, Unternehmen und Institutionen haben daher ein berechtigtes Interesse, sich gegen falsche und rufschädigende Aussagen zu wehren.

Die verfassungsrechtliche Abwägung: Meinungsfreiheit vs. Persönlichkeitsrecht

Kommt es zu einem Konflikt zwischen der Meinungsfreiheit des Äußernden und dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen, ist eine verfassungsrechtliche Güterabwägung erforderlich. Die Gerichte wägen dabei im Einzelfall ab, welches Grundrecht im konkreten Zusammenhang das höhere Gewicht hat.

Die maßgeblichen Kriterien in dieser Abwägung sind unter anderem:

  • der Wahrheitsgehalt der Aussage,
  • der Kontext, in dem sie erfolgt ist (z. B. sachliche Kritik vs. persönliche Herabwürdigung),
  • die Schwere des Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht,
  • das öffentliche Informationsinteresse (z. B. bei Berichterstattung über Politiker, Unternehmen oder gesellschaftlich relevante Themen),
  • die Intention des Äußernden (z. B. sachliche Aufklärung vs. bloße Diffamierung),
  • die Verbreitungsweise (z. B. einmalige Bemerkung unter vier Augen vs. dauerhafte Veröffentlichung im Internet).

Die Rechtsprechung unterscheidet außerdem zwischen verschiedenen Sphären des Persönlichkeitsrechts (Intimsphäre, Privatsphäre, Sozialsphäre). Je sensibler der betroffene Bereich, desto stärker wiegt der Schutz des Persönlichkeitsrechts – und desto höher sind die Anforderungen an eine zulässige Einschränkung durch Art. 5 GG.

Ein Sonderfall ist die sogenannte Schmähkritik. Sie liegt vor, wenn nicht die Auseinandersetzung mit der Sache im Vordergrund steht, sondern allein die Diffamierung einer Person. Schmähkritik ist nicht vom Schutz der Meinungsfreiheit erfasst.

Fallbeispiel zur Abwägung

Ein Beispiel aus der Praxis:
Ein Nutzer schreibt auf einer öffentlichen Plattform über einen Zahnarzt:

„Dr. M. ist ein Pfuscher, der meine Zähne ruiniert hat.“

Hier handelt es sich nicht um eine rein subjektive Einschätzung. Die Aussage enthält den konkreten Vorwurf einer Fehlbehandlung – ein überprüfbarer Sachverhalt. Ist die Behauptung wahr, ist sie grundsätzlich zulässig, auch wenn sie den Arzt in der Öffentlichkeit negativ dastehen lässt. Ist die Aussage hingegen unwahr, kann sie sowohl zivilrechtlich (z. B. Unterlassung, Schadensersatz) als auch strafrechtlich (z. B. üble Nachrede, Verleumdung) relevant sein.

Das Gericht muss im Streitfall prüfen:

  • Liegt eine Meinungsäußerung oder eine Tatsachenbehauptung vor?
  • Ist die Aussage wahr oder unwahr?
  • Liegt ein öffentliches Interesse an der Äußerung vor?
  • Wurde die Grenze zur Schmähkritik überschritten?

Fazit zur Bedeutung im Äußerungsrecht

Die Einordnung von Aussagen als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung ist nicht nur eine juristische Stilfrage, sondern hat elementare verfassungsrechtliche Konsequenzen. Die Reichweite des Grundrechtsschutzes hängt unmittelbar davon ab.

Die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut – aber sie endet dort, wo das Persönlichkeitsrecht anderer in unzulässiger Weise verletzt wird. Die Gerichte stehen dabei in jedem Einzelfall vor der Aufgabe, zwischen der Freiheit des Wortes und dem Schutz der Würde abzuwägen. Diese Balance ist der Kern des Äußerungsrechts in einer freiheitlichen Demokratie.

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Wann ist eine Tatsachenbehauptung unzulässig?

Nicht jede Tatsachenbehauptung ist automatisch erlaubt – selbst dann nicht, wenn sie in den Schutzbereich des Art. 5 GG fällt. Entscheidend ist stets, ob eine Tatsachenbehauptung wahr, sachlich und gerechtfertigt ist – oder ob sie rechtswidrig in die Rechte anderer eingreift.

Besonders problematisch sind Äußerungen, die den Ruf eines Menschen beeinträchtigen, etwa durch falsche Vorwürfe oder ehrenrührige Aussagen. Hier kollidieren Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht direkt – und es kommt darauf an, Grenzen zu ziehen.

Im Folgenden werden die rechtlichen Maßstäbe aufgezeigt, wann eine Tatsachenbehauptung unzulässig ist und welche Konsequenzen drohen können.

Die unwahre Tatsachenbehauptung – stets unzulässig

Die wohl eindeutigste Konstellation ist die der nachweislich unwahren Tatsachenbehauptung. Solche Aussagen genießen keinen Schutz durch die Meinungsfreiheit, wie das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung betont:

„Die Verbreitung unwahrer Tatsachen fällt nicht in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 GG.“
– BVerfG, Beschl. v. 13.04.1994 – 1 BvR 23/94

Ob eine Tatsachenbehauptung wahr oder unwahr ist, entscheidet sich nicht danach, ob sie subjektiv für wahr gehalten wird, sondern allein anhand objektiver Kriterien.

Beispiele für unzulässige, unwahre Tatsachenbehauptungen:

  • „Der Unternehmer hat Insolvenzverschleppung begangen“, obwohl es dafür keinerlei Belege gibt.
  • „Die Lehrerin wurde wegen Kindesmissbrauchs angezeigt“, obwohl dies nicht der Wahrheit entspricht.
  • „Das Restaurant verwendet abgelaufene Zutaten“, ohne dass ein Nachweis vorliegt.

Solche Aussagen sind rechtswidrig und können zivilrechtliche (Unterlassung, Widerruf, Schadensersatz) und strafrechtliche Folgen haben.

Wer trägt die Beweislast?

Die Frage nach der Beweislast ist im Äußerungsrecht zentral – sie entscheidet häufig darüber, ob eine Äußerung als zulässig gilt oder nicht.

Grundsatz:
Wer eine ehrverletzende Tatsachenbehauptung aufstellt, muss im Streitfall beweisen können, dass diese auch zutrifft.

Dieser Maßstab wurde in ständiger Rechtsprechung bestätigt:

„Die Darlegungs- und Beweislast für die Wahrheit einer ehrverletzenden Tatsachenbehauptung trägt grundsätzlich derjenige, der sie aufgestellt hat.“
– BGH, Urt. v. 22.09.2009 – VI ZR 19/08

Kann der Äußernde den Wahrheitsgehalt nicht beweisen, ist die Aussage unzulässig – selbst dann, wenn er sie subjektiv für richtig hält. Es kommt nicht auf die Überzeugung, sondern auf die objektive Nachprüfbarkeit an.

Ein Sonderfall ergibt sich bei Äußerungen über sogenannte absolute Personen der Zeitgeschichte, etwa prominente Politiker oder Künstler. Hier gesteht die Rechtsprechung ein erhöhtes öffentliches Informationsinteresse zu – jedoch nicht bei unwahren Behauptungen. Auch in solchen Fällen gilt: Die Wahrheit ist die Grenze.

Schmähkritik – die entgrenzte Form der Diffamierung

Ein Sonderfall, in dem selbst Meinungsäußerungen unzulässig sein können, ist die Schmähkritik.

Der Begriff beschreibt eine herabsetzende, verletzende oder diffamierende Aussage, bei der nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache im Vordergrund steht, sondern die bloße Verächtlichmachung der betroffenen Person.

Beispiel:

  • „Der Richter ist ein widerlicher Drecksack, der ins Gefängnis gehört.“

Hier wird keine sachliche Kritik geübt, sondern lediglich der Betroffene in herabwürdigender Weise attackiert. Solche Äußerungen sind nicht von Art. 5 GG gedeckt, da sie die persönliche Ehre verletzen, ohne dass ein legitimes Informationsinteresse besteht.

Die Schwelle zur Schmähkritik ist jedoch hoch. Nicht jede polemische oder überzogene Kritik erfüllt diese Voraussetzungen. Die Rechtsprechung ist hier zurückhaltend, um die Meinungsfreiheit nicht unverhältnismäßig einzuschränken.

Prüfkriterien für Schmähkritik:

  • Steht die Diffamierung im Vordergrund?
  • Wird die Auseinandersetzung mit der Sache vollständig zurückgedrängt?
  • Fehlt jeder sachliche Bezug?

Wenn diese Fragen bejaht werden müssen, liegt Schmähkritik vor – und die Äußerung ist rechtswidrig.

Konkrete strafrechtlich relevante Fälle

Neben der zivilrechtlichen Unzulässigkeit können bestimmte unwahre oder ehrenrührige Tatsachenbehauptungen auch den Tatbestand strafbarer Ehrverletzungsdelikte erfüllen. Das Strafgesetzbuch (StGB) kennt hier mehrere einschlägige Normen:

Verleumdung (§ 187 StGB)

„Wer wider besseres Wissen in Beziehung auf einen anderen eine unwahre Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Voraussetzungen:

  • Bewusste Unwahrheit („wider besseres Wissen“)
  • Eignung zur Rufschädigung
  • Strafantrag erforderlich

Beispiel:
Jemand behauptet, ein Konkurrent habe Bestechungsgelder angenommen – wissentlich ohne jede Grundlage.

Üble Nachrede (§ 186 StGB)

„Wer in Beziehung auf einen anderen eine Tatsache behauptet oder verbreitet, welche denselben verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen geeignet ist, […] sofern nicht diese Tatsache erweislich wahr ist.“

Unterschied zur Verleumdung:
Hier reicht bereits fahrlässige oder unwahre Behauptung, ohne dass der Täter die Unwahrheit kennt. Entscheidend ist, dass die Tatsache nicht bewiesen werden kann.

Beispiel:
„Ich habe gehört, die Lehrerin soll ein Verhältnis mit einem Schüler haben.“ – Ohne Beleg oder Hinweis auf die Wahrheit.

Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB)

„Wer einen anderen bei einer Behörde oder zur öffentlichen Kenntnis wegen einer rechtswidrigen Tat oder einer Ordnungswidrigkeit wider besseres Wissen verdächtigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Diese Vorschrift schützt vor der rechtswidrigen Belastung durch den Vorwurf einer Straftat oder OWi. Besonders relevant im Zusammenhang mit Anzeigen oder öffentlicher „Anprangerung“.

Fazit: Wann ist eine Tatsachenbehauptung unzulässig?

Tatsachenbehauptungen sind immer dann unzulässig, wenn sie:

  • nachweislich unwahr sind,
  • ehrenrührig oder rufschädigend sind und nicht belegt werden können,
  • gezielt zur Diffamierung oder Herabwürdigung einer Person dienen (Schmähkritik),
  • strafrechtlich relevante Inhalte enthalten (z. B. Verleumdung, üble Nachrede, falsche Verdächtigung).

Im Streitfall gilt: Wer behauptet, muss beweisen. Wer das nicht kann, riskiert nicht nur Abmahnungen und Unterlassungsklagen, sondern unter Umständen auch eine strafrechtliche Verfolgung.

Für Äußernde gilt daher: Sorgfalt vor Schnelligkeit. Und für Betroffene: Frühzeitig dokumentieren, prüfen – und juristische Hilfe in Anspruch nehmen.

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Beispiele aus der Rechtsprechung

Die Abgrenzung von Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung ist in der juristischen Praxis keineswegs bloße Theorie – sie ist Gegenstand zahlreicher Verfahren vor Amtsgerichten, Landgerichten, Oberlandesgerichten, dem Bundesgerichtshof (BGH) und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dabei zeigen sich immer wieder bestimmte wiederkehrende Konstellationen, in denen die Gerichte Maßstäbe gesetzt haben, die bis heute Gültigkeit haben.

Im Folgenden werden klassische Fallgruppen vorgestellt – mit kurzen Fallbeschreibungen und rechtlicher Einordnung.

Medienbericht: Verbreitung unwahrer Vorwürfe

Fall:
Ein Journalist berichtet in einer überregionalen Zeitung, ein bekannter Politiker habe in seiner früheren Funktion bei einer Firma in ein Korruptionssystem verwickelt sein sollen. Der Artikel beruft sich dabei auf „gut informierte Kreise“, nennt aber keine konkreten Beweise.

Gericht: BGH, Urteil vom 16.11.2004 – VI ZR 298/03
Entscheidung: Der BGH entschied, dass der Vorwurf korrupten Verhaltens eine ehrenrührige Tatsachenbehauptung darstellt, für die der Verlag die Beweislast trägt. Da kein Beleg erbracht wurde, war die Äußerung rechtswidrig.

Bewertung:
Auch in der Presseberichterstattung gilt: Wenn eine Tatsachenbehauptung rufschädigend ist, muss sie nachprüfbar belegt werden. Andernfalls ist sie unzulässig – selbst wenn sie in ein als Meinung getarntes Umfeld eingebettet ist.

Arbeitgeberbewertung: Kununu & Co.

Fall:
Ein ehemaliger Mitarbeiter bewertet seinen früheren Arbeitgeber auf einer Online-Plattform mit dem Satz:

„Die Geschäftsleitung manipuliert systematisch Umsatzzahlen, um Investoren zu täuschen.“

Gericht: OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 13.11.2018 – 16 W 54/18
Entscheidung: Die Aussage wurde als konkreter Vorwurf strafbaren Verhaltens (Kapitalanlagebetrug) gewertet – also als Tatsachenbehauptung. Da der Bewerter keinen Beweis erbringen konnte, war die Äußerung zu löschen.

Bewertung:
Bewertungen, die konkrete Vorwürfe enthalten, müssen belegt werden können. Eine bloße Formulierung als Meinung („ich denke...“) schützt nicht vor rechtlicher Bewertung als Tatsachenbehauptung.

Arztbewertung: Diagnosen und Behandlungsmängel

Fall:
Ein Patient schreibt auf Jameda:

„Dr. H. hat bei mir eine Fehldiagnose gestellt und unnötig operiert.“

Gericht: LG Heidelberg, Urteil vom 18.03.2016 – 2 O 272/15
Entscheidung: Das Gericht stufte die Aussage als Tatsachenbehauptung ein. Die Patientin konnte jedoch nicht belegen, dass die Diagnose falsch war. Die Bewertung wurde als unzulässig eingestuft und musste entfernt werden.

Bewertung:
Vorwürfe medizinischer Fehlbehandlung gelten als besonders rufschädigend. Sie sind daher nur erlaubt, wenn beweisbare Anhaltspunkte vorliegen. Bewertungen ohne Tatsachengrundlage sind zu löschen.

Nachbarschaftsstreit: Öffentliche Behauptungen

Fall:
Ein Nachbar schreibt im Aushang des Wohnhauses:

„Herr X wirft regelmäßig Müll aus dem Fenster und gefährdet die Kinder im Hof.“

Gericht: AG München, Urteil vom 15.04.2015 – 171 C 10520/14
Entscheidung: Das Gericht bewertete die Aussage als ehrenrührige Tatsachenbehauptung. Da der Nachbar keinen Beweis vorlegen konnte, wurde er zur Unterlassung und Widerruf verurteilt.

Bewertung:
Auch im privaten Umfeld sind Tatsachenbehauptungen nicht schrankenlos zulässig – insbesondere dann nicht, wenn sie öffentlich verbreitet und ehrenrührig sind. Es gilt: Beweis oder Schweigen.

Meinungsäußerung in der politischen Debatte

Fall:
Ein Aktivist äußert im Rahmen einer Demonstration:

„Soldaten sind Mörder.“

Gericht: BVerfG, Beschluss vom 10.10.1995 – 1 BvR 147/91 („Soldaten-sind-Mörder“-Entscheidung)
Entscheidung: Das Bundesverfassungsgericht stufte die Aussage als Meinungsäußerung im Rahmen einer politischen Auseinandersetzung ein – sie sei nicht als Tatsachenbehauptung über konkrete Soldaten zu verstehen. Die Verurteilung wegen Beleidigung wurde aufgehoben.

Bewertung:
Meinungsäußerungen, auch in zugespitzter oder provozierender Form, sind von der Verfassung geschützt – solange sie nicht konkret auf eine Person zielen und keine Schmähkritik darstellen.

Fazit: Gerichtliche Bewertung im Einzelfall

Diese Fallbeispiele machen deutlich:
Die Beurteilung, ob eine Aussage rechtmäßig ist oder nicht, hängt stets vom konkreten Inhalt, dem Kontext der Äußerung, dem Verbreitungsweg und der Zielrichtung ab. Es ist Aufgabe der Gerichte, im jeweiligen Einzelfall zu prüfen:

  • Handelt es sich um eine Tatsachenbehauptung oder eine Meinungsäußerung?
  • Liegt eine rufschädigende Wirkung vor?
  • Ist die Aussage belegbar?
  • Wie schwer wiegt der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht?

Die Rechtsprechung folgt dabei etablierten Maßstäben, urteilt aber stets situationsbezogen. Für Unternehmen, Personen des öffentlichen Lebens und Privatpersonen gilt daher gleichermaßen: Wer sich gegen eine Äußerung wehren will oder selbst eine verbreiten möchte, sollte die rechtlichen Grenzen kennen – und im Zweifel juristische Beratung in Anspruch nehmen.

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Bedeutung im Internetzeitalter

Die rechtliche Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Meinungsäußerung hat im digitalen Zeitalter eine neue Dimension erhalten. Noch nie war es so einfach, eine Vielzahl von Menschen mit der eigenen Meinung oder Erfahrung zu erreichen – mitunter anonym, global und innerhalb von Sekunden. Doch mit dieser neuen Reichweite geht auch eine neue Verantwortung einher. Denn was früher eine private Meinungsäußerung im Freundeskreis war, ist heute oft eine öffentlich dokumentierte Aussage mit potenziell dauerhafter Wirkung – insbesondere, wenn es sich um tatsachenbezogene Inhalte handelt.

Online-Bewertungen: Google, Jameda, Kununu & Co.

In kaum einem Bereich wird das Spannungsverhältnis zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung so deutlich wie bei Online-Bewertungen. Plattformen wie Google, Jameda, Kununu, Trustpilot, ProvenExpert oder Yelp ermöglichen es Nutzern, Unternehmen, Ärzte oder Arbeitgeber zu bewerten – oft ohne Identitätsprüfung oder Nachweispflicht.

Solche Bewertungen sind juristisch hoch relevant, da sie meist öffentlich zugänglich, dauerhaft abrufbar und reputationswirksam sind. Enthalten sie Tatsachenbehauptungen, die unwahr oder nicht beweisbar sind, drohen ernsthafte rechtliche Konsequenzen.

Beispiele für zulässige Meinungsäußerungen:

  • „Ich war mit der Beratung unzufrieden.“
  • „Ich finde, das Arbeitsklima war schlecht.“

Beispiele für (potenziell unzulässige) Tatsachenbehauptungen:

  • „Der Arzt hat bei mir eine falsche Behandlung durchgeführt.“
  • „Der Arbeitgeber zahlt regelmäßig Löhne zu spät.“
  • „Die Firma verstößt gegen den Datenschutz.“

Diese Aussagen greifen in Rechte Dritter ein – und sind nur dann zulässig, wenn sie wahr und beweisbar sind. Plattformbetreiber wie Google oder Jameda sind verpflichtet, solche Inhalte zu prüfen, wenn sie gemeldet werden – ein Recht, das Betroffenen zur Verfügung steht.

Rechtsprechung:
Der BGH hat mehrfach klargestellt, dass Plattformen bei begründeten Beschwerden verpflichtet sind, den Rezensenten zur Stellungnahme aufzufordern und die Vorwürfe inhaltlich zu überprüfen (BGH, Urt. v. 01.03.2016 – VI ZR 34/15).

Social Media & Blogs: Wo endet Meinung, wo beginnt Tatsachenbehauptung?

Auch in sozialen Netzwerken wie Facebook, X (vormals Twitter), Instagram, TikTok, LinkedIn oder in privaten Blogs stoßen wir regelmäßig auf Aussagen, die juristisch als Tatsachenbehauptung zu werten sind – auch wenn sie im Gewand einer Meinung präsentiert werden.

Die Dynamik der sozialen Medien fördert dabei eine verkürzte, zugespitzte und oft unreflektierte Kommunikation. Das führt dazu, dass Nutzer Aussagen treffen, ohne sich der rechtlichen Tragweite bewusst zu sein.

Beispielhafte Aussage auf Facebook:

„Ich war heute bei der Bäckerei XY. Die verkaufen verschimmeltes Brot – eine absolute Frechheit!“

Hier liegt – trotz der emotionalen Formulierung – eine Tatsachenbehauptung vor: Der Verkauf verschimmelter Ware ist ein objektiv überprüfbarer Umstand. Kann dieser nicht belegt werden, ist die Äußerung rechtswidrig – mit möglichen zivil- und strafrechtlichen Folgen.

Wichtig: Auch vermeintlich harmlose Formulierungen wie „Ich habe gehört, dass…“, „Angeblich…“ oder „Es wird gemunkelt…“ schützen nicht vor einer rechtlichen Bewertung als Tatsachenbehauptung, wenn der Aussagekern auf einen konkreten, überprüfbaren Sachverhalt abzielt.

Darüber hinaus gilt: Auch geteilte Inhalte können haftungsrechtlich relevant sein, wenn sich der Teilende mit dem Inhalt identifiziert oder ihn durch seine Verbreitung zu eigen macht (Stichwort: „Gefällt mir“-Urteil des LG Frankfurt a. M. vom 09.10.2015 – 2-03 O 452/14).

Virale Effekte und Reputationsschäden

Eine der größten Gefahren im digitalen Raum ist die unkontrollierte Verbreitung von Äußerungen mit potenziell rufschädigendem Inhalt. Was heute gepostet oder kommentiert wird, kann sich innerhalb von Stunden viral verbreiten, vielfach geteilt, gespeichert und zitiert werden – und ist damit kaum noch vollständig rückholbar.

Besonders gefährlich sind:

  • Falsche Tatsachenbehauptungen, die von Dritten weiterverbreitet werden
  • Videos oder Screenshots, die aus dem Kontext gerissen werden
  • Anonyme Anschuldigungen, die über Foren, Kommentarbereiche oder Messaging-Dienste gestreut werden

Reputationsschäden können dabei erheblich sein – für Einzelpersonen, Freiberufler, Unternehmen oder öffentliche Einrichtungen. Negative Bewertungen und kritische Posts schlagen sich in Suchmaschinenrankings nieder, wirken sich auf Kundenentscheidungen aus und können sogar existenzbedrohend werden.

Typische Auswirkungen in der Praxis:

  • Umsatzrückgang durch negative Google-Bewertungen
  • Vertrauensverlust bei Geschäftspartnern
  • Rechtfertigungsdruck gegenüber Kunden oder Mandanten
  • Imageverlust bei Bewerbern (z. B. bei schlechten Kununu-Bewertungen)

Juristisch besonders relevant ist dabei: Wer eine unwahre Tatsachenbehauptung verbreitet oder weiterverbreitet, haftet auch dann, wenn er sie nicht selbst erfunden hat. Das betrifft auch Influencer, Blogger und Betreiber von Kommentarbereichen, die Inhalte ungeprüft weiterreichen.

Fazit: Die Verantwortung der Wortwahl im Netz

Im Internetzeitalter sind Tatsachenbehauptungen besonders wirkungsmächtig – nicht nur wegen ihrer Reichweite, sondern wegen ihrer dauerhaften Auffindbarkeit. Der rechtliche Maßstab unterscheidet nicht zwischen digital und analog: Auch in sozialen Medien gilt das Äußerungsrecht mit all seinen Schutzmechanismen – und seinen Grenzen.

Wer sich öffentlich äußert, sollte deshalb genau prüfen:

  • Ist meine Aussage eine überprüfbare Tatsachenbehauptung oder eine bloße Meinung?
  • Kann ich die Richtigkeit meiner Behauptung belegen?
  • Könnte die Aussage jemandem erheblichen Schaden zufügen?
  • Wird die Äußerung von anderen weiterverbreitet?

Gerade Unternehmen, Ärzt:innen, Freiberufler oder andere von öffentlicher Wahrnehmung abhängige Berufsgruppen sollten auf eine strategische Überwachung von Online-Bewertungen setzen – und im Fall von unwahren Tatsachenbehauptungen frühzeitig juristisch handeln, bevor sich der Schaden multipliziert.

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Rechtliche Konsequenzen unzulässiger Tatsachenbehauptungen

Wer eine unwahre oder ehrenrührige Tatsachenbehauptung über eine andere Person oder ein Unternehmen verbreitet, handelt nicht nur unzulässig, sondern kann sich auch haftbar oder sogar strafbar machen. Die rechtlichen Folgen betreffen sowohl das Zivilrecht als auch das Strafrecht – und können finanziell, reputativ und persönlich gravierend sein.

Zudem ist das Vorgehen gegen solche Äußerungen juristisch anspruchsvoll: Es verlangt eine klare Beweislage, strategisches Vorgehen und eine Abwägung zwischen öffentlichkeitswirksamem Widerspruch und dem Schutz der Privatsphäre.

Zivilrechtliche Ansprüche

Wer durch eine unwahre Tatsachenbehauptung in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt wird, hat eine Reihe von zivilrechtlichen Ansprüchen. Diese richten sich in erster Linie auf die Beseitigung der Beeinträchtigung und auf einen künftigen Schutz vor weiteren Angriffen.

Unterlassung (§§ 1004, 823 BGB analog)

Der wichtigste zivilrechtliche Anspruch ist der auf Unterlassung. Dieser dient dazu, künftige Wiederholungen der rechtswidrigen Behauptung zu verhindern.

  • Voraussetzung: Eine rechtswidrige und schuldhafte Persönlichkeitsrechtsverletzung.
  • Für die Wiederholungsgefahr genügt bereits eine einmalige Äußerung.
  • In dringenden Fällen kann der Anspruch per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden.

Beispiel:
Ein Arzt geht gegen eine unwahre Bewertung auf Jameda vor, in der behauptet wird, er habe eine falsche Medikation verschrieben. Das Gericht untersagt dem Rezensenten, diese Behauptung weiter zu verbreiten.

Gegendarstellung

Bei Medienveröffentlichungen (insbesondere in der Presse) besteht zudem ein Anspruch auf Gegendarstellung – das heißt, die betroffene Person kann verlangen, dass ihre Sichtweise im selben Medium mitgeteilt wird.

  • Voraussetzung: Tatsachenbehauptung, nicht bloß Meinungsäußerung.
  • Es kommt nicht auf die Wahrheit der ursprünglichen Behauptung an – entscheidend ist, dass sie verbreitet wurde.

Beispiel:
Ein Zeitungsartikel unterstellt einem Unternehmer Steuerhinterziehung. Dieser fordert, dass die Zeitung eine von ihm verfasste Gegendarstellung abdruckt.

Widerruf

Ein Widerruf ist die aktive Zurücknahme der unwahren Behauptung – also die richtigstellende Klarstellung, dass die Aussage nicht zutrifft.

  • Wird vor allem bei ehrenrührigen Aussagen verlangt.
  • Nur zulässig, wenn die Äußerung objektiv falsch ist.
  • Hat oft erhebliche Bedeutung für die Reputation, z. B. im Internet.

Schadensersatz (§ 823 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 1, 2 GG)

Liegt durch die unwahre Äußerung ein konkreter finanzieller Schaden vor (z. B. Umsatzverlust, Kundenrückgang), kann dieser ersetzt verlangt werden.

  • Der Schaden muss nachweisbar sein.
  • Oft problematisch ist der Kausalitätsnachweis zwischen Äußerung und Schaden.

Beispiel:
Ein Unternehmen verliert einen Großauftrag, nachdem eine unwahre Behauptung über angebliche Sicherheitsmängel im Netz kursierte.

Schmerzensgeld (§ 253 BGB)

Bei besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzungen – etwa bei ehrverletzenden oder diffamierenden Aussagen – kann ein Anspruch auf immateriellen Schadenersatz bestehen.

  • Besonders relevant bei Rufschädigung, Prangerwirkung, sozialen Ausgrenzungen.
  • Höhe bemisst sich nach der Schwere der Verletzung, dem Bekanntheitsgrad des Betroffenen und der Verbreitung der Aussage.

Beispiel:
Eine Person wird öffentlich der Pädophilie bezichtigt – unbegründet. Die Persönlichkeitsrechtsverletzung ist so schwerwiegend, dass Schmerzensgeld zugesprochen wird.

Beweisschwierigkeiten und taktische Überlegungen

In der Praxis ist die Beweislage oft das größte Hindernis bei der Durchsetzung oder Abwehr von Ansprüchen. Gerade in Online-Kontexten stellen sich spezifische Probleme:

  • Viele Aussagen erfolgen anonym oder pseudonym.
  • Inhalte können rasch gelöscht werden – die Beweissicherung muss schnell erfolgen (Screenshots, archivierte Seiten, IP-Abfrage).
  • Plattformen sitzen im Ausland, was die Rechtsdurchsetzung erschwert.
  • Bei Bewertungen gibt es häufig keine direkten Beweismittel (z. B. Rechnungen, Verträge, Zeugen).

Deshalb ist es ratsam, frühzeitig rechtliche Beratung einzuholen und folgende taktische Fragen zu klären:

  • Lohnt sich ein gerichtliches Vorgehen – auch mit Blick auf Kosten, Öffentlichkeit, Reputationsrisiken?
  • Ist eine einstweilige Verfügung sinnvoll oder eine außergerichtliche Abmahnung?
  • Besteht Aussicht auf Gegendarstellung oder Widerruf durch den Äußernden?
  • Ist es sinnvoller, strategisch kommunikativ zu reagieren (z. B. durch transparente Richtigstellungen)?

Nicht zuletzt gilt: In bestimmten Fällen kann es klug sein, nicht zu reagieren, um keine zusätzliche Aufmerksamkeit auf die Äußerung zu lenken (Stichwort: „Streisand-Effekt“). In anderen Fällen – etwa bei gezielten Rufschädigungen – ist eine konsequente juristische Reaktion unumgänglich.

Fazit: Konsequenzen mit Reichweite

Unwahre Tatsachenbehauptungen sind keine Bagatelle – sie können für den Äußernden teuer und für den Betroffenen existenzbedrohend sein. Das Recht bietet umfassende Abwehr- und Sanktionsmöglichkeiten, doch der Schlüssel liegt in der Beweisführung und dem strategischen Vorgehen.

Wer betroffen ist, sollte frühzeitig dokumentieren, anwaltlich prüfen lassen und rechtlich handeln – wer selbst Aussagen verbreitet, sollte sich bewusst sein: Worte haben Folgen.

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Wie geht man gegen eine unzulässige Tatsachenbehauptung vor?

Wurde eine unwahre, rufschädigende Tatsachenbehauptung über Sie oder Ihr Unternehmen verbreitet, stellt sich oft die Frage: Was tun?
Nicht jede Äußerung muss man hinnehmen. Das Recht stellt Ihnen verschiedene zivilrechtliche und strafrechtliche Mittel zur Verfügung, um sich zu schützen – vorausgesetzt, Sie handeln überlegt, beweissichernd und zeitnah.

Im Folgenden erläutern wir die wichtigsten Schritte und geben eine praxisgerechte Orientierung, wann und wie Sie rechtlich vorgehen sollten.

Erste Schritte: Beweissicherung und Dokumentation

Noch bevor rechtliche Schritte eingeleitet werden, steht an erster Stelle: Sichern Sie Beweise. Denn ohne Nachweis der Äußerung lässt sich kaum ein Anspruch durchsetzen.

Was Sie konkret tun sollten:

  • Screenshots der Äußerung mit sichtbarem Datum, URL, Plattformnamen
  • Bei Online-Bewertungen: Profilseite, Gesamtübersicht und einzelne Bewertung dokumentieren
  • Im Idealfall: Webseiten archivieren (z. B. via web.archive.org oder Notarbeglaubigung)
  • Zeugen notieren, falls die Äußerung mündlich oder in einem geschlossenen Forum gefallen ist
  • Bei wiederholter Äußerung: Verlauf dokumentieren (z. B. durch E-Mail-Kommunikation, Chatverläufe)

Je besser die Dokumentation, desto klarer lässt sich eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts belegen – und desto stärker ist Ihre rechtliche Position.

Abmahnung und strafbewehrte Unterlassungserklärung

In den meisten Fällen empfiehlt sich zunächst eine außergerichtliche Abmahnung. Dabei wird der Äußernde (z. B. ein Rezensent, Blogger, Mitbewerber, Nachbar oder Ex-Mitarbeiter) zur sofortigen Unterlassung der Aussage aufgefordert.

Inhalt der Abmahnung:

  • Klare Benennung der beanstandeten Äußerung
  • Begründung, warum diese Äußerung unzulässig ist
  • Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung
  • Setzung einer angemessenen Frist
  • Hinweis auf gerichtliche Schritte bei Nichterfüllung

Warum eine strafbewehrte Unterlassungserklärung?

Eine bloße Bitte, die Äußerung zu löschen, genügt rechtlich nicht. Erst durch die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafeversprechen entfällt die sogenannte Wiederholungsgefahr – eine wichtige Voraussetzung für gerichtliche Ansprüche. Kommt der Gegner der Aufforderung nicht oder nur unvollständig nach, kann die Unterlassung gerichtlich durchgesetzt werden.

Einstweilige Verfügung oder Klage: Gerichtliche Durchsetzung

Wenn die Gegenseite die Unterlassungserklärung nicht abgibt, besteht die Möglichkeit, die Unterlassung gerichtlich durchzusetzen – entweder im Wege der einstweiligen Verfügung (Eilverfahren) oder einer Unterlassungsklage (Hauptsacheverfahren).

Einstweilige Verfügung (§§ 935 ff. ZPO):

  • Schnelles gerichtliches Eilverfahren
  • Voraussetzung: Eilbedürftigkeit (Dringlichkeit), d. h. Antrag muss meist innerhalb von 4 Wochen nach Kenntnis der Äußerung gestellt werden
  • Entscheidung oft ohne mündliche Verhandlung
  • Vollstreckbare Anordnung gegen den Äußernden

Beispiel:
Ein Zahnarzt erfährt am Wochenende von einer falschen Bewertung bei Google. Noch in derselben Woche beantragt er über seinen Anwalt eine einstweilige Verfügung – das Landgericht verbietet dem Rezensenten, die Aussage weiter zu verbreiten.

Klage im Hauptsacheverfahren:

  • In der Regel nach erfolgloser Abmahnung oder bei nicht dringlichen Fällen
  • Dient der dauerhaften gerichtlichen Klärung
  • Kann mit Ansprüchen auf Widerruf, Schadensersatz oder Schmerzensgeld kombiniert werden

Hinweis:
Wurde bereits eine einstweilige Verfügung erlassen, sollte ergänzend ein Hauptsacheverfahren eingeleitet werden, wenn der Gegner dem Beschluss widerspricht oder es um weitergehende Ansprüche geht.

Wann sollte ein Anwalt eingeschaltet werden?

Gerade im Äußerungsrecht empfiehlt sich eine anwaltliche Begleitung frühzeitig – idealerweise vor dem ersten eigenen Schritt. Denn auch formale Fehler in Abmahnungen oder nicht haltbare Forderungen können dazu führen, dass der Gegner mit einer negativen Feststellungsklage oder Gegenmaßnahmen reagiert.

Ein erfahrener Anwalt kann insbesondere helfen bei:

  • Prüfung, ob tatsächlich eine unzulässige Tatsachenbehauptung vorliegt
  • Einschätzung der Erfolgsaussichten gerichtlicher Maßnahmen
  • Formulierung rechtssicherer Abmahnungen und Unterlassungserklärungen
  • Vertretung im einstweiligen Verfügungsverfahren oder Klageprozess
  • Strategischer Beratung, z. B. bei Rufschädigung durch Medien oder im Internet

Tipp für Unternehmen:
Bei systematischen Falschbewertungen oder Kampagnen gegen ein Unternehmen sollte auch über technische Schutzmaßnahmen, Kommunikationsstrategien und gegebenenfalls eine umfassende Reputationsanalyse nachgedacht werden. Auch hier kann eine spezialisierte Kanzlei mit Netzwerken zu IT-Forensikern, Medienanwälten oder Agenturen unterstützen.

Fazit: Reagieren – aber richtig

Wer von einer unzulässigen Tatsachenbehauptung betroffen ist, sollte nicht zögern, aber auch nicht überstürzt handeln. Nur mit klarer Beweissicherung, juristischer Prüfung und strategischem Vorgehen lassen sich falsche Aussagen effektiv bekämpfen.

Je früher ein erfahrener Anwalt eingeschaltet wird, desto eher lassen sich unnötige Eskalationen vermeiden – und desto besser stehen die Chancen, den guten Ruf zu schützen und rechtlich durchzusetzen, was Ihnen zusteht.

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Fazit & Praxistipps

Wer sich öffentlich äußert – ob in Gesprächen, Bewertungen, sozialen Netzwerken, auf Webseiten oder in der Presse – bewegt sich nicht im rechtsfreien Raum. Worte haben Folgen. Und manchmal entscheidet ein einziges Wort darüber, ob eine Äußerung rechtlich zulässig oder angreifbar ist.

Die richtige Einschätzung ist entscheidend

Der rechtliche Schutz einer Äußerung hängt ganz wesentlich davon ab, ob es sich um eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil handelt. Während Meinungsäußerungen – auch scharfe und provokante – grundsätzlich durch das Grundgesetz geschützt sind, gilt dies für unwahre Tatsachenbehauptungen ausdrücklich nicht.

Wer öffentlich über andere spricht oder schreibt, muss also genau wissen:

  • Was behaupte ich – und kann ich es beweisen?
  • Formuliere ich eine persönliche Einschätzung – oder stelle ich eine überprüfbare Behauptung auf?

Gerade in Online-Kommunikation, in Bewertungen und in sozialen Medien verwischen diese Grenzen schnell. Doch vor Gericht wird differenziert: Eine falsche Tatsachenbehauptung kann unzulässig, kostspielig und unter Umständen sogar strafbar sein.

Bedeutung der Sprache – wie ein Wort den Unterschied macht

Oft genügt schon eine kleine sprachliche Nuance, um aus einer Meinung eine Tatsachenbehauptung zu machen. Ein Beispiel:

  • „Ich finde, der Arzt ist inkompetent.“ → wertendes Urteil, regelmäßig zulässig
  • „Der Arzt hat bei mir eine Fehldiagnose gestellt.“ → Tatsachenbehauptung, nur zulässig, wenn wahr und belegbar

Ein weiteres Beispiel:

  • „Das Unternehmen ist ein Betrüger.“ → Tatsachenbehauptung mit strafrechtlicher Relevanz
  • „Ich habe das Gefühl, dass ich vom Unternehmen schlecht behandelt wurde.“ → Meinungsäußerung, regelmäßig geschützt

Die Formulierung entscheidet – nicht nur für den Empfänger, sondern auch für das Gericht.

Lieber prüfen lassen, bevor man spricht, postet oder veröffentlicht

Wer sich unsicher ist, ob eine Aussage zulässig ist, sollte im Zweifel vorher juristisch prüfen lassen, ob ein Verstoß gegen Rechte Dritter vorliegen könnte – insbesondere:

  • bei geplanten Veröffentlichungen (z. B. Blogartikel, Social-Media-Posts, Pressemitteilungen)
  • bei Antworten auf Bewertungen oder Beschwerden
  • bei öffentlichen Vorwürfen gegen Personen oder Institutionen
  • bei Kampagnen in eigener Sache (z. B. Whistleblowing, Kritik an Behörden oder Unternehmen)

Ebenso sollten Betroffene von rufschädigenden Aussagen nicht abwarten, sondern aktiv werden – mit strategischer Beweissicherung, juristischer Beratung und entschlossenem Handeln. Nur so lässt sich der gute Ruf wirksam schützen.

Praxistipps auf einen Blick

✔️ Dokumentieren Sie jede Äußerung, die Sie als rufschädigend empfinden – mit Screenshots, Zeitstempeln, URLs und Zeugen.
✔️ Lassen Sie frühzeitig durch einen Anwalt prüfen, ob es sich um eine rechtswidrige Tatsachenbehauptung handelt.
✔️ Wehren Sie sich mit einer Abmahnung und ggf. einer einstweiligen Verfügung, wenn die Aussage unwahr und ehrverletzend ist.
✔️ Formulieren Sie Ihre eigenen Beiträge – ob privat, beruflich oder öffentlich – mit sprachlicher Sorgfalt und rechtlichem Bewusstsein.
✔️ Hüten Sie sich vor schnellen Posts in emotional aufgeladenen Situationen. Eine unbedachte Aussage im Affekt kann juristische Folgen nach sich ziehen.
✔️ Denken Sie bei jeder Veröffentlichung: Ist das eine Meinung – oder behaupte ich etwas, das ich auch beweisen könnte?

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FAQ: Häufige Fragen zu Tatsachenbehauptungen

Ist jede unwahre Aussage automatisch strafbar?

Nein.
Nicht jede unwahre Aussage ist automatisch strafbar – sie ist jedoch zivilrechtlich unzulässig, wenn sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt. Eine strafbare Handlung liegt erst dann vor, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, etwa bei:

  • Verleumdung (§ 187 StGB): Wenn jemand wissentlich eine falsche, ehrenrührige Behauptung aufstellt.
  • Übler Nachrede (§ 186 StGB): Wenn jemand fahrlässig oder unbelegt eine ehrverletzende Aussage verbreitet, die nicht erweislich wahr ist.
  • Falscher Verdächtigung (§ 164 StGB): Wenn jemand absichtlich einen anderen zu Unrecht einer Straftat bezichtigt.

Ob eine unwahre Aussage strafbar ist, hängt also vom Inhalt, der Absicht und dem Wirkungskreis ab.

Kann man für eine Google-Bewertung belangt werden?

Ja.
Google-Bewertungen fallen nicht in einen rechtsfreien Raum. Wer dort unwahre Tatsachenbehauptungen über eine Person, ein Unternehmen, einen Arzt oder Arbeitgeber verbreitet, kann auf Unterlassung, Widerruf, Schadensersatz oder sogar Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden.

Typische Beispiele für unzulässige Inhalte:

  • „Der Arzt hat mich falsch operiert.“ (ohne Beleg)
  • „Die Firma zahlt nie Gehälter pünktlich.“ (wenn objektiv falsch)
  • „Vorsicht: hier werden Kunden systematisch betrogen!“ (schwerwiegender Vorwurf, der belegt werden muss)

Zudem kann bei schwerwiegenden Aussagen auch eine Strafanzeige folgen. Plattformen wie Google sind zur Prüfung und ggf. Löschung verpflichtet, wenn glaubhaft eine Persönlichkeitsrechtsverletzung vorgetragen wird.

Was ist, wenn ich meine Aussage nur „gehört“ habe?

Auch dann kann die Aussage unzulässig sein.
Wer eine Tatsachenbehauptung mit Formulierungen wie „Ich habe gehört, dass …“ oder „Es heißt, …“ einleitet, übernimmt in juristischer Hinsicht dennoch die Verantwortung für die Aussage – insbesondere dann, wenn sie den Anschein erweckt, dass der Inhalt zutrifft.

Solche Aussagen gelten als sogenannte "Behauptung ins Blaue hinein". Das Bundesverfassungsgericht verlangt, dass bei rufsensiblen Äußerungen vor der Veröffentlichung eine sorgfältige Prüfung erfolgt. Wer ohne Prüfung weiterverbreitet, was „man gehört hat“, riskiert juristische Konsequenzen – zivilrechtlich und ggf. strafrechtlich.

Merksatz: Auch Gerüchte müssen belegt oder deutlich als bloße Vermutung gekennzeichnet sein – sonst haftet man für die Verbreitung wie für eine eigene Behauptung.

Wie unterscheiden sich Tatsachenbehauptung und Verdacht?

Der Unterschied liegt im Grad der Sicherheit:

  • Eine Tatsachenbehauptung ist eine definitive Aussage über etwas, das geschehen ist oder besteht („Herr X hat die Kasse manipuliert“).
  • Ein Verdacht ist eine unsichere, hypothetische Einschätzung („Es besteht der Verdacht, dass Herr X die Kasse manipuliert hat“).

Rechtlich entscheidend ist, dass auch die Mitteilung eines Verdachts nur dann zulässig ist, wenn:

  1. ein Minimum an Beweistatsachen vorliegt, und
  2. die Darstellung als bloßer Verdacht erkennbar ist.

Die Gerichte fordern insbesondere bei schwerwiegenden Vorwürfen (z. B. Kriminalitätsverdacht, Korruption, Missbrauch) eine sorgfältige Tatsachengrundlage, bevor ein Verdacht öffentlich geäußert wird.

Fazit:
Ein Verdacht ist keine Freifahrtskarte. Wer ihn äußert, muss sachlich, differenziert und beweisgestützt vorgehen – sonst macht er sich unter Umständen zivil- oder strafrechtlich angreifbar.

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