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Täuschung über Identität eines Anbieters

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.10.2020, Az. I ZR 210/18
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Der Bundesgerichtshof entschied am 15.10.2020, dass eine Täuschung über den Anbieter, nicht aber über die Herkunft eines Produkts keinen Markenrechtsverstoß darstelle. Damit liege auch keine Verletzung des Markenrechts vor.

Täuschung über Identität durch Adwords-Werbung?
Klägerin war ein Unternehmen, das Staubsauger vertreibt. Sie ist Inhaberin der Marken "Vorwerk", "Kobold" und "Tiger". Die Beklagte Amazon buchte diese Marken als Adwords. Den Nutzern der Suchmaschine Bing wurden aufgrund dessen bei Eingabe dieser Begriffe diverse Werbungen angezeigt. Diese wiederum enthielten einen Link, der jeweils zu einer Liste konkreter Warenangebote auf dem Amazon-Marktplatz führten. Darin wurden zum Teil gebrauchte Originalprodukte der Klägerin, zum Teil Produkte anderer Hersteller angeboten. Dies erachtete die Klägerin als wettbewerbswidrig und ging dagegen vor. Das Landgericht gab der Klage statt. Auf die Berufung der Beklagten bestätigte das Berufungsgericht das Urteil nur zum Teil und wies die Klage im Übrigen ab. Mit der Revision verfolgte die Beklagte ihren auf Abweisung der Klage gerichteten Antrag weiter.

Herkunftsfunktion der Marke nicht verletzt
Der Bundesgerichtshof entschied, dass die geschalteten Werbeanzeigen nicht das Markenrecht der Klägerin verletzen. Denn die Herkunftsfunktion der Marke werde nicht berührt. Diese sei nur verletzt, wenn über die betriebliche Herkunft der mit der Marke beworbenen Produkte getäuscht werde. Nicht verletzt werde sie aber, wenn die Täuschung allein die Identität des Anbietenden betreffe. Denn eine derartige eine Täuschung liege außerhalb des Schutzbereichs vom Markenrecht. Auf dem Marktplatz der Beklagten seien sowohl Markenprodukte der Klägerin als auch Zubehör für Markenprodukte der Klägerin angeboten worden. Werden aber auch Markenprodukte der Klägerin - wenn auch von anderen Händlern - angeboten, so werde der Verkehr nicht darüber getäuscht, dass dort deren Markenprodukte erhältlich seien.

Anbieter als wettbewerbsrechtliches Merkmal
Grundsätzlich könne der Umstand, dass ein bestimmter Markenhersteller zum Anbieterkreis eines Online-Marktplatzes gehöre, ein wesentliches Merkmal im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellen. Denn von der Zusammensetzung des Anbieterkreises hänge Auswahl und Qualität des Angebots ab. Insofern verhalte es sich hier nicht anders als bei einem analogen Wochenmarkt. Auch dessen Attraktivität sei von der Zusammensetzung der Markthändler bestimmt. Somit komme vorliegend eine Täuschung, dass die Klägerin ihre Ware auch auf dem Internet-Marktplatz der Beklagten anbiete, als Bezugspunkt einer Irreführung in Betracht.

Wertungen aus Markenrecht sind zu berücksichtigen
Allerdings dürfe dem Markeninhaber über das Wettbewerbsrecht kein Schutz eingeräumt werden, der ihm nach dem Markenrecht nicht zukomme, so der BGH weiter. Daher seien bei der Irreführung die Wertungen des Markenrechts zu berücksichtigen, um Wertungswidersprüche zu vermeiden. Vorliegend liege die Täuschung außerhalb des Schutzzwecks des Markenrechts. Denn dieser sei vor allem, die Herkunft des gekennzeichneten Produkts zu kennzeichnen. Vorliegend berühre die angenommene Täuschung aber nicht die Herkunftsfunktion der Klagemarke. Somit bestehe keine Gefahr eines Wertungswiderspruchs, wenn die hervorgerufene Fehlvorstellung als irreführende geschäftliche Handlung eingeordnet werde.

Keine Täuschung über Herkunft der Produkte
Das Gericht befand, dass es zudem mangels einer markenmäßigen Benutzung der Klagemarken an einer Markenverletzung fehle. In der Anzeigenfassung liege keine Herkunftstäuschung. Der Kunde wisse, dass Amazon eine Marktplattform sei, Amazon selbst aber keine Produkte herstelle, sondern nur Angebote anderer Hersteller und Händler zugänglich mache. Der Nutzer gehe nicht davon aus, dass Beklagte und Klägerin miteinander verbunden seien. Der durch die Anzeige erweckte Eindruck, es seien Originalwaren der Klägerin über die Plattform beziehbar, sei nicht irreführend. Denn solche Waren dürften über den Marktplatz angeboten werden. Stelle man auf die Trefferlisten ab, fehle es an einer Herkunftstäuschung. Entweder werde Originalwaren angeboten oder durch Hinweise wie "passend für" oder "geeignet für" klargestellt, dass gerade kein Originalzubehör gezeigt werde.

Zurückweisung an Vorinstanz
Der BGH entschied, dass die Vorinstanz noch weitere Feststellungen zu treffen habe. Es gehe insbesondere darum, ob die Täuschung über die Anwesenheit der Klägerin auf Amazon geeignet sei, die Kunden zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Bislang sei davon auszugehen, dass die Irreführung keinerlei geschäftlichen Relevanz besitze. Somit bestehe aber auch kein Unterlassungsanspruch. Durch anderweitige Feststellungen könne sich dies aber ändern.

Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.10.2020, Az. I ZR 210/18

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