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Tätowierungen & Urheberrecht: Wem gehört das Tattoo?

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Tätowierungen sind längst mehr als nur Hautverzierungen – sie sind Ausdruck von Individualität, Kunst und oft auch sozialem Status. Doch während Tätowierte ihre Körperkunst voller Stolz präsentieren, rücken immer häufiger rechtliche Fragen in den Fokus: Fällt ein Tattoo unter das Urheberrecht? Gehört das Motiv dem Tätowierten oder dem Künstler, der es gestochen hat? Und was passiert, wenn ein Tattoo für kommerzielle Zwecke genutzt wird?

Die Antworten auf diese Fragen sind komplex und bewegen sich in einer rechtlichen Grauzone. Schließlich gelten Tattoos einerseits als Werke der bildenden oder angewandten Kunst, die nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt sein können. Andererseits stellt sich die Frage, ob der menschliche Körper als „Leinwand“ im urheberrechtlichen Sinne betrachtet werden kann.

Gerichtliche Entscheidungen – sowohl in Deutschland als auch international – zeigen, dass Tattoos nicht nur ästhetische, sondern auch juristische Herausforderungen mit sich bringen. Vom Fall Whitmill v. Warner Bros. (Mike Tyson-Tattoo in „Hangover 2“) bis hin zu deutschen Urteilen zur Schöpfungshöhe in der angewandten Kunst: Die Debatte darüber, wer die Rechte an einem Tattoo besitzt und welche Nutzung erlaubt ist, ist längst entbrannt.

Dieser Artikel beleuchtet umfassend, unter welchen Bedingungen Tattoos urheberrechtlich geschützt sind, welche Rechte Tätowierer haben und welche Fallstricke für Tätowierte entstehen können – insbesondere bei der Nutzung in Social Media, Werbung oder der Nachahmung durch andere Künstler.

 

Das Wichtigste in Kürze:

  • Tattoo-Urheberrecht ist möglich, aber nicht automatisch gegeben: Tätowierungen können nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG als Werke der bildenden oder angewandten Kunst geschützt sein. Entscheidend ist die Schöpfungshöhe – einfache Symbole oder Standardmotive sind nicht geschützt, während individuell gestaltete, künstlerisch anspruchsvolle Tattoos unter das Urheberrecht fallen können.
  • Tätowierer bleiben Urheber, aber mit Einschränkungen: Nach § 7 UrhG ist der Tätowierer grundsätzlich der Urheber seines Motivs, wenn er es eigenständig entwirft. Dennoch kann er keine Kontrolle über den Körper des Tätowierten ausüben, sodass dieser das Tattoo uneingeschränkt zeigen, aber nicht immer kommerziell verwerten darf.
  • Kommerzielle Nutzung kann lizenzpflichtig sein: Wer sein Tattoo in Werbungen, Filmen oder Videospielen verwendet, könnte eine Lizenz des Tätowierers benötigen. Dies zeigte sich im Fall Whitmill v. Warner Bros. (2011, Mike Tyson-Tattoo), in dem eine unerlaubte kommerzielle Nutzung zu einer Klage führte.

 

 

Sind Tätowierung ein durch das Urheberrecht geschütztes Werk?

Ob Tätowierungen als urheberrechtlich geschützte Werke gelten, ist eine zunehmend relevante Frage, insbesondere im Kontext von Reproduktionen, kommerzieller Nutzung und Streitigkeiten zwischen Tätowierern und Kunden. Das deutsche Urheberrechtsgesetz (UrhG) schützt kreative Werke unter bestimmten Voraussetzungen. Um zu bestimmen, ob Tätowierungen darunterfallen, müssen verschiedene Kriterien betrachtet werden.

1. Rechtliche Grundlage: Der Werkbegriff nach dem UrhG

1.1. Gesetzliche Anforderungen an ein urheberrechtlich geschütztes Werk

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG sind Werke der bildenden Kunst, einschließlich Zeichnungen und Gemälde, urheberrechtlich geschützt. Entscheidend ist jedoch § 2 Abs. 2 UrhG, der festlegt:

„Werke im Sinne dieses Gesetzes sind nur persönliche geistige Schöpfungen.“

Daraus ergeben sich drei wesentliche Voraussetzungen:

  1. Persönliche geistige Schöpfung: Das Werk muss eine menschliche Originalleistung sein.
  2. Gestaltungshöhe (Schöpfungshöhe): Das Werk muss eine gewisse Individualität und Originalität besitzen.
  3. Wahrnehmbare Formgestaltung: Die Schöpfung muss in einer greifbaren Form zum Ausdruck gebracht werden.

Tätowierungen bestehen zweifellos in einer wahrnehmbaren Form, da sie auf der Haut als Körperkunst sichtbar sind. Die entscheidende Frage ist also, ob sie auch eine persönliche geistige Schöpfung mit ausreichender Gestaltungshöhe darstellen.

2. Erfüllen Tattoos die erforderliche Schöpfungshöhe?

Nicht jedes Tattoo ist automatisch urheberrechtlich geschützt. Entscheidend ist, ob es über eine „bloße handwerkliche Leistung“ hinausgeht und eine individuelle, kreative Gestaltung aufweist.

  • Unzureichende Schöpfungshöhe:
    • Standardmotive (z. B. Herz mit Namen, einfache Symbole)
    • Schlichte Schriftzüge oder geometrische Muster
    • Vorlagen aus Clipart-Sammlungen oder Tätowierkatalogen
  • Hinreichende Schöpfungshöhe:
    • Individuell entworfene Tattoos mit künstlerischer Gestaltung
    • Porträts und komplexe Illustrationen
    • Großflächige, detaillierte und originelle Werke

Gerichtliche Entscheidungen zur Schöpfungshöhe

Das Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil v. 18.06.2019 – 310 O 182/19, Rn. 34 ff.) entschied, dass ein künstlerisch gestaltetes Design urheberrechtlich geschützt sein kann, wenn es eine ausreichende Gestaltungshöhe erreicht:

Maßgeblich ist, ob die Gestaltung auf einer individuellen schöpferischen Leistung beruht und eine gewisse Originalität besitzt.

Diese Entscheidung zeigt, dass Tattoo-Kunstwerke mit erkennbarer kreativer Leistung als urheberrechtlich geschützte Werke betrachtet werden können.

Relevanz der angewandten Kunst

Tätowierungen fallen unter die Kategorie der angewandten Kunst, die ebenfalls urheberrechtlich geschützt sein kann.

Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil v. 13.11.2013 – I ZR 143/12, Rn. 22 – Geburtstagszug) entschied:

Für den urheberrechtlichen Schutz von Werken der angewandten Kunst gelten keine höheren Anforderungen an die Schöpfungshöhe als für Werke der bildenden Kunst.

Demnach könnten auch Tätowierungen einen Schutz beanspruchen, wenn sie über eine einfache handwerkliche Reproduktion hinausgehen und originelle, künstlerische Gestaltung aufweisen.

3. Internationale Rechtslage: Der Fall „Mike Tyson“

Ein bekanntes Beispiel aus den USA verdeutlicht, dass Tätowierungen durchaus urheberrechtlichen Schutz genießen können:

  • Fall Whitmill v. Warner Bros. (U.S. District Court for the Eastern District of Missouri, 2011, Case No. 4:11-cv-752)
  • Der Tätowierer Victor Whitmill entwarf das berühmte Tribal-Tattoo auf Mike Tysons Gesicht.
  • Warner Bros. nutzte das Design für den Film „Hangover 2“, indem ein Schauspieler eine identische Tätowierung erhielt.
  • Whitmill klagte wegen Urheberrechtsverletzung und argumentierte, dass sein Tattoo eine schutzfähige künstlerische Schöpfung sei.

Das Gericht bestätigte, dass Tattoos urheberrechtlich geschützt sein können, ließ die Frage jedoch offen, da sich die Parteien außergerichtlich einigten.

4. Rechtliche Herausforderungen: Ist der menschliche Körper eine urheberrechtlich relevante „Leinwand“?

Eine zentrale Frage in der Diskussion ist, ob das Tattoo als ein Werk betrachtet werden kann, obwohl es untrennbar mit dem menschlichen Körper verbunden ist.

  • Argumente für Urheberrechtsschutz:
    • Tätowierungen sind vergleichbar mit Kunst auf Leinwand oder Wandmalerei, die ebenfalls urheberrechtlich geschützt sind.
    • Die individuelle Schöpfung des Tätowierers steht im Mittelpunkt, unabhängig vom Trägermedium.
  • Argumente gegen Urheberrechtsschutz:
    • Der Körper ist kein „klassisches Werkträgermedium“ im Sinne des UrhG.
    • Ein Tattoo verändert sich über die Zeit (z. B. durch Hautalterung oder Entfernung).

Der BGH hat bislang nicht entschieden, ob der Körper als „Werkträger“ angesehen werden kann. Allerdings zeigt die Rechtsprechung zur angewandten Kunst, dass Tattoos durchaus unter das Urheberrecht fallen könnten.

5. Praxisrelevanz: Urheberrechtsstreitigkeiten rund um Tattoos

In der Praxis entstehen immer wieder Rechtsstreitigkeiten über Tätowierungen. Typische Konflikte sind:

  1. Kopieren von Tattoos:
    • Tätowierer kopieren bestehende Designs ohne Zustimmung des ursprünglichen Künstlers.
    • Kunden bringen fremde Motive zum Tätowierer, ohne Lizenzrechte zu klären.
  2. Kommerzielle Nutzung von Tattoos:
    • Professionelle Sportler oder Schauspieler mit auffälligen Tattoos erscheinen in Werbung, ohne den Tätowierer als Urheber zu berücksichtigen.
  3. Nutzung von Tattoos in sozialen Medien:
    • Veröffentlichungen von Tätowierungen auf Plattformen wie Instagram oder TikTok können urheberrechtliche Fragen aufwerfen, wenn das Tattoo eine künstlerische Schöpfung ist.

Fazit: Sind Tätowierungen urheberrechtlich geschützt?

Ja, Tätowierungen können urheberrechtlich geschützt sein, wenn sie eine ausreichende Schöpfungshöhe aufweisen.

  • Einfache Standardmotive oder nachgeahmte Designs sind nicht geschützt.
  • Individuell gestaltete und künstlerisch anspruchsvolle Tätowierungen können als Werk der bildenden oder angewandten Kunst unter § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG geschützt sein.
  • Die Rechtsprechung zu angewandter Kunst (BGH, Geburtstagszug-Urteil) und das LG Hamburg (2019, Az. 310 O 182/19) bestätigen, dass kreative Gestaltung im Urheberrecht geschützt ist.
  • Der Fall Whitmill v. Warner Bros. (2011) zeigt, dass auch international Tattoos als urheberrechtlich geschützte Werke betrachtet werden.

Da die Rechtsprechung hierzu noch nicht abschließend geklärt ist, bleibt die Frage nach Rechten und Nutzungsbedingungen von Tattoos weiterhin eine komplexe, aber spannende Rechtsmaterie.

 

Wer ist als der Urheber einer Tätowierung anzusehen?

Die Frage nach dem Urheber einer Tätowierung ist von zentraler Bedeutung, insbesondere wenn es um die Verwertung, Vervielfältigung oder kommerzielle Nutzung eines Tattoos geht. Während sich Tätowierungen zweifellos als urheberrechtlich geschützte Werke qualifizieren können, bleibt oft unklar, wer als eigentlicher Urheber gilt.

Nach deutschem Recht bestimmt sich die Urheberschaft nach § 7 UrhG:

„Urheber ist der Schöpfer des Werkes.“

Damit stellt sich die Frage, wer die eigentliche schöpferische Leistung erbringt – der Tätowierer, der Kunde oder eine dritte Person, die das Motiv entworfen hat?

1. Grundsatz: Der Tätowierer als Urheber

Nach § 7 UrhG ist grundsätzlich derjenige Urheber, der die kreative und individuelle Gestaltung eines Werkes vornimmt.

Da ein Tätowierer in der Regel:

  • ein Motiv selbst entwirft,
  • künstlerische Entscheidungen zur Umsetzung trifft,
  • und das Tattoo mit eigener Hand auf den Körper bringt,

ist er nach allgemeiner Ansicht als Urheber anzusehen.

1.1. Rechtsprechung: Der Tätowierer ist als Künstler anzusehen

Das Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil v. 18.06.2019 – 310 O 182/19, Rn. 34 ff.) stellt fest, dass eine künstlerische Gestaltung dann urheberrechtlich geschützt ist, wenn sie eine individuelle schöpferische Leistung beinhaltet:

Die schöpferische Tätigkeit eines Tätowierers kann insbesondere dann als persönliche geistige Schöpfung angesehen werden, wenn sie eine eigenständige kreative Leistung beinhaltet, die sich von alltäglichen oder trivialen Gestaltungen abhebt.

Daraus ergibt sich, dass der Tätowierer als Urheber zu betrachten ist, wenn er das Motiv selbst entworfen und künstlerisch umgesetzt hat.

1.2. Vergleich mit anderen kunsthandwerklichen Tätigkeiten

In der Rechtsprechung zu anderen handwerklich-künstlerischen Berufen wurde wiederholt betont, dass eine manuelle Umsetzung allein nicht ausreicht, um Urheber zu sein.

  • Der BGH (Urteil v. 20.11.2013 – I ZR 143/12, Rn. 22 – Geburtstagszug) entschied, dass handwerkliche Tätigkeiten erst dann Urheberrechtsschutz genießen, wenn sie eine kreative Eigenleistung enthalten.
  • Gleiches gilt für Bildhauer, Modedesigner oder Graffiti-Künstler – sie sind nur dann Urheber, wenn die Gestaltung über bloße handwerkliche Präzision hinausgeht.

Daher ist ein Tätowierer nur dann Urheber des Tattoos, wenn er das Motiv selbst entworfen und in einer künstlerischen Weise umgesetzt hat.

2. Ausnahme: Der Kunde als (Mit-)Urheber?

Kunden haben oft eigene Vorstellungen oder bringen Skizzen mit. Entscheidend ist jedoch, ob ihre Vorgaben die kreative Gestaltung durch den Tätowierer dominieren.

  • Kunde liefert nur eine grobe Idee → Tätowierer als Urheber:
    Der Kunde sagt beispielsweise: „Ich möchte einen Drachen, der mein Geburtsdatum umschließt.“ Wenn der Tätowierer daraufhin ein eigene künstlerische Interpretation anfertigt, bleibt er Urheber.
  • Kunde liefert eine detaillierte Vorlage → Kunde als Mit-Urheber möglich:
    Wird ein Tattoo nach einer bereits bestehenden Skizze des Kunden exakt umgesetzt, könnte der Kunde als Mit-Urheber gelten (§ 8 UrhG: Miturheberrecht). In der Praxis wäre dies allerdings schwer nachzuweisen.
  • Komplette Fremdvorlage ohne eigene Leistung des Tätowierers → Kunde ist nicht Urheber:
    Der Kunde bringt eine Kopie eines berühmten Kunstwerks mit, z. B. ein Gemälde von Salvador Dalí. In diesem Fall ist der ursprüngliche Künstler der Urheber, nicht der Kunde oder der Tätowierer.

Gerichtliche Entscheidung zu vorgegebenen Motiven

Ein Urteil des BGH zur Schöpfungshöhe bei Logos (BGH, Urteil v. 12.05.2011 – I ZR 53/10 – Pferd mit Reiter, Rn. 32) zeigt, dass eine handwerkliche Reproduktion einer fremden Vorlage keinen eigenen Urheberrechtsschutz begründet.

Werke der angewandten Kunst sind schutzfähig, wenn sie eine überdurchschnittliche gestalterische Eigenart besitzen, die sich von bereits bestehenden Designs abhebt.

Damit wird klar: Ein Tätowierer, der eine fremde Vorlage lediglich 1:1 überträgt, ist nicht Urheber.

3. Was passiert bei der Verwendung fremder Vorlagen?

3.1. Urheber ist der ursprüngliche Schöpfer des Motivs

Wird ein Tattoo auf Basis eines bestehenden Designs, eines berühmten Logos oder einer Grafik gestochen, bleibt der ursprüngliche Künstler der eigentliche Urheber.

Beispiele:

  • Ein Kunde bringt ein Disney-Motiv mit → Urheber ist Disney.
  • Ein Kunde möchte das Logo einer Band als Tattoo → Urheber ist der Designer des Logos.

In solchen Fällen kann der Tätowierer eine Urheberrechtsverletzung begehen, wenn er das Motiv ohne Genehmigung tätowiert.

3.2. Tätowierer als Miturheber bei Bearbeitung eines Motivs

Falls der Tätowierer ein bestehendes Motiv wesentlich verändert oder neu interpretiert, könnte er Miturheber werden (§ 23 UrhG: Bearbeitung eines Werkes). Eine eigenständige Schöpfung müsste jedoch nachweislich vorliegen.

4. Miturheberschaft bei Gemeinschaftswerken

In manchen Studios arbeiten mehrere Tätowierer an einem Großprojekt. Wenn mehrere Tätowierer an einer zusammenhängenden Körperkunst mitwirken, könnte eine Miturheberschaft nach § 8 UrhG vorliegen.

  • Beispiel: Zwei Tätowierer arbeiten an einem zusammenhängenden Full-Body-Tattoo, wobei beide eigenständige kreative Entscheidungen treffen.
  • In einem solchen Fall könnte es sich um ein gemeinsames Werk handeln, und alle beteiligten Künstler wären Urheber.

5. Können Urheberrechte am Tattoo übertragen werden?

Urheberrechte sind nicht übertragbar (§ 29 Abs. 1 UrhG). Der Tätowierer kann also nicht sein Urheberrecht verkaufen, wohl aber eine Nutzungslizenz gewähren.

5.1. Nutzungsrechte des Tätowierten

Da der Tätowierte sein Tattoo auf seiner Haut trägt, kann er es im Alltag uneingeschränkt zeigen. Strittig ist jedoch, ob er das Motiv kommerziell nutzen darf.

  • Social Media & Fotos:
    • Das Veröffentlichen eines Tattoos auf Instagram, TikTok oder Facebook ist in der Regel zulässig.
    • Falls das Tattoo jedoch als Werbemittel dient (z. B. auf Werbeplakaten), könnte der Tätowierer ein Mitspracherecht haben.
  • Kommerzielle Nutzung (z. B. in Filmen oder Videospielen)
    • Im Fall des Mike-Tyson-Tattoos (Whitmill v. Warner Bros., 2011) wurde deutlich, dass eine kommerzielle Nutzung urheberrechtliche Streitigkeiten auslösen kann.
    • Auch bei Werbespots oder Merchandising könnte der Tätowierer Vergütungsansprüche geltend machen.

Fazit: Wer ist Urheber einer Tätowierung?

  1. Grundsatz: Der Tätowierer ist Urheber, wenn er das Motiv selbst entworfen und künstlerisch gestaltet hat.
  2. Kunde als Miturheber? Nur, wenn der Kunde eine eigene künstlerische Leistung erbringt.
  3. Fremde Vorlagen: Der ursprüngliche Designer bleibt Urheber. Tätowierer darf das Motiv nicht ohne Lizenz verwenden.
  4. Miturheberschaft: Möglich, wenn mehrere Tätowierer gemeinsam ein Kunstwerk erschaffen.
  5. Nutzungsrechte: Der Tätowierte darf das Tattoo im Alltag zeigen, aber eine kommerzielle Nutzung könnte lizenzpflichtig sein.

Die Frage nach der Urheberschaft von Tätowierungen ist also keineswegs trivial und bleibt in vielen Fällen eine Grauzone.

 

Darf man ein Tattoo einfach wieder entfernen lassen?

Die Entscheidung, ein Tattoo entfernen zu lassen, ist in der Praxis eine sehr persönliche Angelegenheit. Doch aus rechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob die Entfernung eines Tattoos durch das Urheberrecht oder andere rechtliche Rahmenbedingungen eingeschränkt werden kann.

Grundsätzlich könnte sich die Problematik aus der Tatsache ergeben, dass Tätowierungen unter das Urheberrecht fallen können und Tätowierer damit Urheberrechte an ihrem Werk besitzen. Doch bedeutet dies, dass ein Tätowierer verbieten kann, dass sein Werk von der Haut entfernt wird? Oder hat der Tätowierte als Träger des Tattoos uneingeschränkte Rechte an seiner eigenen Haut?

Im Folgenden wird die Rechtslage zur Tattoo-Entfernung detailliert betrachtet, einschließlich urheberrechtlicher Fragen, moralischer Rechte des Künstlers und praktischer Konsequenzen.

1. Grundsatz: Körperliche Autonomie und das Recht auf Entfernung

Ein Tattoo ist untrennbar mit dem Körper des Tätowierten verbunden. Nach deutschem Recht genießt jeder Mensch das Recht auf körperliche Unversehrtheit und Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG).

Daraus folgt:

  • Kein Tätowierer kann verhindern, dass eine Person ihr Tattoo entfernen lässt.
  • Die körperliche Autonomie hat Vorrang vor urheberrechtlichen Überlegungen.
  • Kein Urheberrecht kann sich über das Selbstbestimmungsrecht des Tätowierten hinwegsetzen.

Juristische Grundlage:

Das Urheberrecht schützt zwar kreative Werke (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG), doch dieser Schutz kann nicht bedeuten, dass der Tätowierte sein Tattoo nicht ändern oder entfernen darf.

Praxisbeispiel:

  • Eine Person hat ein künstlerisch anspruchsvolles Tattoo auf dem Rücken.
  • Der Tätowierer kann zwar urheberrechtliche Ansprüche auf das Motiv geltend machen,
  • jedoch kann er nicht verlangen, dass das Tattoo für immer auf der Haut bleibt.

Fazit: Ja, man darf ein Tattoo entfernen lassen – es gibt kein Verbot oder rechtliche Hindernisse.

2. Kann der Tätowierer rechtlich gegen eine Tattoo-Entfernung vorgehen?

In Deutschland gibt es keine rechtliche Grundlage, die es einem Tätowierer ermöglicht, gegen die Entfernung eines Tattoos zu klagen.

2.1. Urheberpersönlichkeitsrecht des Tätowierers

Nach § 14 UrhG hat der Urheber eines Werkes das Recht, Entstellungen oder andere Beeinträchtigungen seines Werkes zu verbieten, wenn diese seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen gefährden.

Könnte sich ein Tätowierer also auf diese Norm berufen und das Entfernen oder Verändern seines Kunstwerks untersagen?

  • Veränderungen an Tattoos (z. B. Cover-Ups, Erweiterungen)Nicht angreifbar, da der Körper des Kunden keine „Leinwand“ ist, die der Urheber beanspruchen kann.
  • Tattoo-EntfernungFällt unter die persönliche Entscheidungsfreiheit des Kunden.

Vergleich mit der Rechtsprechung zu Graffiti

Der BGH hat in einem Urteil zu Graffiti (BGH, Urteil v. 05.06.2003 – I ZR 192/00, „Wandbild“) entschieden, dass ein Urheber keinen Anspruch darauf hat, dass sein Werk auf einer fremden Oberfläche dauerhaft erhalten bleibt.

Übertragen auf Tattoos bedeutet dies:

  • Tätowierer können zwar Urheberrechte an ihrem Werk besitzen,
  • aber sie können nicht verlangen, dass ihr Werk für immer auf der Haut verbleibt.

Fazit:

  • Nein, Tätowierer haben kein Recht, gegen eine Tattoo-Entfernung vorzugehen.
  • Das Selbstbestimmungsrecht des Tätowierten ist vorrangig.

3. Tattoo-Entfernung und moralische Rechte des Tätowierers

3.1. Verletzung des Urheberpersönlichkeitsrechts?

Einige Tätowierer könnten argumentieren, dass die Entfernung eines ihrer Werke eine „Verstümmelung“ ihrer künstlerischen Leistung darstellt. Dies könnte unter das Urheberpersönlichkeitsrecht gemäß § 14 UrhG fallen.

Jedoch gilt:

  • Tätowierungen sind untrennbar mit der Haut des Trägers verbunden.
  • Das Tattoo ist kein eigenständiges Werk im klassischen Sinne (wie ein Gemälde oder eine Skulptur).
  • Das Persönlichkeitsrecht des Urhebers endet dort, wo das Recht des Tätowierten auf körperliche Selbstbestimmung beginnt.

3.2. Vergleich mit anderen Kunstformen

  • Kann ein Friseur verlangen, dass eine Frisur nicht verändert wird? → Nein.
  • Kann ein Designer verbieten, dass Kleidung verändert wird? → Nein.
  • Kann ein Tätowierer fordern, dass sein Werk auf der Haut bestehen bleibt? → Nein.

Da ein Tattoo auf einem lebenden Organismus existiert und sich über die Zeit verändert, kann kein Künstler verlangen, dass sein Werk für immer bestehen bleibt.

Fazit: Tätowierer können sich nicht auf moralische Rechte berufen, um eine Tattoo-Entfernung zu verhindern.

4. Tattoo-Entfernung und Vertragsrecht: Gibt es Einschränkungen?

Könnte ein Tätowierer durch eine vertragliche Klausel bestimmen, dass ein Tattoo nicht entfernt werden darf?

4.1. Zulässigkeit von Vertragsklauseln

Einige Tätowierer haben versucht, Kunden Verträge unterschreiben zu lassen, die bestimmte Einschränkungen enthalten. Beispielsweise:

  • Verbot der Tattoo-Entfernung für eine bestimmte Zeit.
  • Verbot der Abwandlung des Motivs.
  • Pflicht zur Namensnennung des Tätowierers bei Veröffentlichungen.

Doch solche Klauseln sind nicht wirksam, da sie gegen das Grundrecht auf körperliche Selbstbestimmung verstoßen.

Relevante Rechtsnormen:

  • § 134 BGB: Verträge, die gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen, sind nichtig.
  • § 138 BGB: Verträge, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind nichtig.

Ein Vertrag, der das Entfernen eines Tattoos verbietet, wäre nicht durchsetzbar.

Fazit: Darf man ein Tattoo entfernen lassen?

Ja, jeder Tätowierte hat das uneingeschränkte Recht, sein Tattoo entfernen zu lassen.

  • Das Urheberrecht des Tätowierers erstreckt sich nicht auf den Körper des Kunden.
  • Körperliche Selbstbestimmung steht über dem Urheberrecht.
  • Tätowierer können nicht verlangen, dass ein Tattoo bestehen bleibt.
  • Vertragsklauseln, die das Entfernen eines Tattoos verbieten, sind unwirksam.

Somit gibt es keine rechtlichen Einschränkungen, die eine Tattoo-Entfernung verhindern können. Tätowierte können also frei entscheiden, ob sie ihr Tattoo behalten oder entfernen lassen möchten.

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