Suchmaschine muss Suchergebnisse löschen wenn Rechtsverstoß vorliegt

Suchmaschinen wie Google sind allgegenwärtig – sie bestimmen, was sichtbar ist, und was im digitalen Nirwana verschwindet. Umso wichtiger ist es, ihre rechtliche Verantwortung zu kennen. Wer haftet, wenn in den Suchergebnissen rechtsverletzende Inhalte auftauchen? Muss Google löschen, wenn jemand behauptet, seine Urheberrechte seien verletzt worden? Oder reicht ein bloßer Hinweis nicht aus?
Mit dem Urteil des Landgerichts Köln vom 26.10.2023 (Az.: 14 O 285/23) gibt es nun eine wichtige Weichenstellung. Die Richter entschieden: Eine Suchmaschine ist nur dann zur Löschung verpflichtet, wenn die Rechtsverletzung klar und offensichtlich ist. Komplizierte juristische Abwägungen hingegen muss der Plattformbetreiber nicht vornehmen.
Der Fall: Wer klagte gegen Google – und warum?
Die Klägerin ist ein schweizerisches Unternehmen, das sich gegen die Darstellung bestimmter Suchtreffer bei Google wandte. Auf den verlinkten Webseiten waren Fotos zu sehen, bei denen die Urheberrechtslage unklar war. Es bestand der Verdacht, dass diese Bilder ohne Erlaubnis verwendet worden waren.
Die Klägerin forderte von Google die Löschung dieser Suchergebnisse. Ihre Argumentation: Die Darstellung verweise auf einen Urheberrechtsverstoß – und Google müsse bei einem solchen Hinweis tätig werden.
Doch das LG Köln sah das anders.
Das Urteil: Keine Löschungspflicht bei unklarer Rechtslage
Die zentrale Aussage:
„Eine Suchmaschine muss die Suchtreffer nur dann löschen, wenn die verlinkte Webseite offensichtlich rechtswidrige Inhalte aufweist.“
Mit anderen Worten: Nur wenn eine Rechtsverletzung klar erkennbar und ohne juristische Tieferprüfung feststellbar ist, muss Google handeln.
Im vorliegenden Fall ging es um eine komplexe urheberrechtliche Fragestellung – konkret die Anwendung der Schrankenregelungen in §§ 50, 51 UrhG („Berichterstattung über Tagesereignisse“ und „Zitatrecht“). Diese erfordern eine rechtliche Abwägung im Einzelfall.
Die Richter:
„An dieser Offensichtlichkeit fehlt es im vorliegenden Fall.“
Daher war Google nicht verpflichtet, die Suchtreffer zu löschen.
Die Begründung des Gerichts im Detail
1. Keine generelle Privilegierung von Suchmaschinen
Das LG Köln stellte klar: Suchmaschinen genießen keinen generellen Haftungsvorrang mehr.
„Eine generelle Privilegierung der Beklagten als Suchmaschinenbetreiberin ist weder ersichtlich, noch geboten.“
Damit folgt das Gericht der Linie des EuGH und des BGH, wonach Intermediäre wie Suchmaschinen grundsätzlich haftbar sein können, wenn sie Verkehrspflichten verletzen.
Allerdings hängt diese Haftung maßgeblich von der konkreten Verletzung und deren Erkennbarkeit ab.
2. Neue rechtliche Maßstäbe: Keine Störerhaftung, sondern Täterhaftung
Die Entscheidung lehnt sich an die aktuelle Rechtsprechung zu Plattformhaftung an:
- EuGH, GRUR 2021, 1054 – YouTube und uploaded
- BGH, GRUR 2022, 1308 – YouTube II
- BGH, GRUR 2022, 1328 – uploaded III
Nach dieser Rechtsprechung tritt die klassische Störerhaftung zunehmend in den Hintergrund, stattdessen wird die Täterhaftung in Betracht gezogen – sofern der Intermediär konkrete Prüfpflichten verletzt.
Im Klartext: Google kann haftbar sein – aber nur, wenn die Rechtsverletzung offensichtlich ist oder Prüfpflichten missachtet werden.
3. Voraussetzungen einer Prüfpflicht – und wann sie entfällt
Das Gericht verweist auf die bekannte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs:
„Eine Störerhaftung des Plattformbetreibers setzt einen Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung voraus.“
Der Hinweis muss so konkret sein, dass der Betreiber ohne tiefgehende juristische Analyse erkennen kann, dass eine Rechtsverletzung vorliegt.
Im vorliegenden Fall war dies nicht gegeben.
Konsequenzen des Urteils: Was bedeutet das für Websitebetreiber und Betroffene?
✅ Für Betroffene von Rechtsverletzungen
Wer von Google die Löschung eines Suchtreffers verlangt, muss künftig mehr liefern als einen bloßen Verdacht. Es reicht nicht, einfach auf ein potenziell rechtswidriges Verhalten zu verweisen. Vielmehr muss die Rechtsverletzung klar und für Google ohne Anwalt erkennbar sein.
✅ Für Websitebetreiber
Die Entscheidung stärkt mittelbar auch Websitebetreiber, die oft zu Unrecht Zielscheibe von Löschanträgen werden. Denn Google wird nicht mehr „auf Zuruf“ Inhalte entfernen – das schützt vor übergriffiger Löschpraxis und fördert die Meinungsfreiheit.
✅ Für Suchmaschinenbetreiber
Das Urteil bringt Rechtssicherheit: Nur offensichtliche Verstöße müssen entfernt werden. Bei komplexen Fragen besteht keine sofortige Handlungspflicht – was den Betrieb erheblich entlastet.
Einordnung im Kontext der Meinungsfreiheit
Das LG Köln hebt auch die Bedeutung der Meinungsfreiheit hervor. Wenn eine Rechtsverletzung nicht eindeutig vorliegt, muss Google nicht vorsorglich löschen – denn damit könnten auch rechtmäßige Inhalte unzulässig unterdrückt werden.
Das Gericht spricht sich damit klar gegen eine „Vorsichts-Zensur“ aus und stärkt die Balance zwischen Urheberrechtsschutz und Informationsfreiheit.
Kritische Würdigung: Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Urteil verdient Anerkennung – es schafft:
- Klarheit in der Abgrenzung zwischen offensichtlicher und strittiger Rechtslage
- Transparente Anforderungen für Löschbegehren
- Gleichgewicht zwischen Rechtsschutz und Meinungsfreiheit
Gleichzeitig macht es deutlich, dass die Rolle von Intermediären – auch Suchmaschinen – nicht per se privilegiert ist. Vielmehr kommt es auf die konkreten Umstände an.
Einzelfallgerechtigkeit steht im Vordergrund – ein wichtiges Zeichen im Spannungsfeld von Recht, Technik und Gesellschaft.
Fazit: Keine automatische Haftung – aber auch keine Narrenfreiheit
Das Urteil des LG Köln (Az.: 14 O 285/23) schafft einen präzisen Maßstab: Suchmaschinen wie Google müssen Suchtreffer nur dann löschen, wenn die Rechtsverletzung klar auf der Hand liegt. Komplexe rechtliche Prüfungen sind ihnen nicht zumutbar.
Für Betroffene bedeutet das:
Nur sorgfältig belegte und eindeutig formulierte Löschanträge haben Aussicht auf Erfolg.
Für Suchmaschinen heißt es:
Sie sind nicht völlig aus der Haftung, aber ihre Verantwortung ist begrenzt – und das aus guten Gründen.
Für den Rechtsstaat gilt:
Die Entscheidung steht im Einklang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und bewahrt das notwendige Gleichgewicht zwischen Schutzrechten und Meinungsfreiheit.
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