Stoffmaterial muss in der Bestellübersicht genannt werden
Wer einen Online-Shop für Bekleidung betreibt, muss zahlreiche gesetzliche Vorgaben beachten. Eine davon betrifft die Pflicht, wesentliche Produkteigenschaften korrekt und transparent anzugeben – und zwar nicht irgendwo auf der Webseite, sondern genau dort, wo der Kunde den finalen Kauf abschließt: auf der Bestellübersicht.
Dass viele Online-Händler diese Pflicht nicht ernst genug nehmen, zeigt ein aktuelles Urteil des Landgerichts Berlin (Urteil vom 26.02.2025, Az. 97 O 23/25). Die Richter entschieden klar: Fehlt dort die Angabe des Stoffmaterials eines Kleidungsstücks, liegt ein Wettbewerbsverstoß vor – selbst wenn sich die Information auf der Produktseite befindet oder theoretisch über einen Link abrufbar wäre.
Der Fall: Schals im Online-Shop – ohne Materialangabe im letzten Schritt
Die beklagte Betreiberin eines Online-Shops verkaufte unter anderem Schals. Auf der jeweiligen Produktseite stand korrekt das verwendete Material: Polyester. In der finalen Bestellübersicht – also jener Seite, auf der der Käufer seine Bestellung prüft und durch Klick auf den „Jetzt kaufen“-Button abschließt – fehlte diese Angabe jedoch vollständig.
Stattdessen war lediglich ein Link zur Produktseite eingebaut. Doch dieser war weder klar gekennzeichnet noch unmittelbar mit der Materialinformation verknüpft. Der Link führte zwar zur Detailansicht des Artikels, aber die Angabe zum Material befand sich dort unter einem Reiter mit dem Titel „Beschreibung“, neben weiteren Reitern mit sonstigen Informationen.
Ein Mitbewerber mahnte den Shop-Betreiber ab – mit Erfolg.
Die Entscheidung: Stoffmaterial ist eine wesentliche Eigenschaft
Das Landgericht Berlin stellte klar, dass es sich bei dem verwendeten Stoffmaterial um eine wesentliche Produkteigenschaft im Sinne von Art. 246a § 1 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB handelt. Diese Vorschrift verlangt, dass dem Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung klare Informationen über alle wesentlichen Merkmale der Ware zur Verfügung gestellt werden – und zwar in klarer, verständlicher und hervorgehobener Weise.
Nach Ansicht der Richter erfüllt eine bloße Verlinkung auf die Produktseite diese Anforderungen nicht, wenn sie nicht unmittelbar als Materialhinweis erkennbar ist. Noch deutlicher wird das Urteil in seiner Begründung:
„Bei dem Material von Bekleidungsstücken wie einem Schal handelt es sich um eine wesentliche Eigenschaft der Ware […]. Die Materialzusammensetzung eines Schals hat Auswirkungen auf Wärme, Tragekomfort, Haltbarkeit, Wirkung der Person nach außen usw.“
Gerade im vorliegenden Fall sei die Diskrepanz besonders augenfällig gewesen: Die Produktbezeichnung lautete „Seidenschal“ – tatsächlich bestand der Schal jedoch nicht aus echter Seide, sondern aus dem billigeren Kunststoff Polyester. Das kann bei Käufern zu massiven Fehlvorstellungen führen – und damit zur Täuschung über die Qualität der Ware.
Pflicht zur Angabe auf der finalen Bestellseite – nicht nur irgendwo
Das LG Berlin geht noch weiter: Es reicht nicht, dass irgendwo auf der Webseite ein Hinweis zu finden ist. Entscheidend ist der Ort der Information: Unmittelbar auf der Seite, auf der der Kunde seine Bestellung final abgibt.
Die Richter führen hierzu aus:
Auf der streitgegenständlichen Bestellseite gibt es keinen räumlich-funktionalen Zusammenhang zwischen der Pflichtangabe und dem Bestellbutton.
Anders gesagt: Die wesentliche Information (hier: „Polyester“) muss direkt neben dem Button stehen, mit dem der Vertrag abgeschlossen wird. Eine unklare Verlinkung – ohne sichtbaren Hinweis auf die Materialangabe – genügt keinesfalls.
Ein Link reicht laut Gericht nur dann, wenn er „für jeden Interessenten erkennbar“ als Weg zu den Pflichtinformationen dient. Das war hier gerade nicht der Fall.
Zudem kritisierten die Richter, dass der Aufbau der Produktseite verwirrend sei. Die Materialangabe war dort nicht sofort sichtbar, sondern musste unter dem Reiter „Beschreibung“ gesucht werden – neben weiteren Reitern, etwa für Bewertungen oder Pflegehinweise. Diese gestalterische Lösung verhindere eine klare, unmittelbare Information.
Warum diese Entscheidung weitreichende Folgen hat
Das Urteil des LG Berlin ist nicht nur für Betreiber von Mode-Online-Shops von Bedeutung, sondern betrifft alle Händler, die Bekleidung oder vergleichbare Produkte im Internet anbieten. Denn:
- Das Stoffmaterial ist immer eine wesentliche Eigenschaft – nicht nur bei Schals.
- Eine klare, sichtbare Angabe in der finalen Bestellübersicht ist zwingend.
- Ein versteckter Link oder eine Reiter-Struktur auf der Produktseite reichen nicht.
Shop-Betreiber sind daher gut beraten, ihre Bestellseiten jetzt genau zu überprüfen. Die relevanten Angaben – vor allem zu Material, Größe, Farbe oder Pflege – müssen unmittelbar ersichtlich sein, ohne dass der Kunde extra klicken muss.
Ein Verstoß kann nicht nur zu Abmahnungen durch Mitbewerber führen, sondern auch zu Bußgeldern oder Rückabwicklungen von Verträgen.
Fazit: Kein Raum für Tricks – Klarheit geht vor Klicks
Das LG Berlin hat mit seinem Urteil ein deutliches Signal gesendet: Wer online Kleidung verkauft, muss offen, transparent und benutzerfreundlich agieren. Der Kunde soll alle wesentlichen Informationen sofort im Blick haben – genau dort, wo er seine Kaufentscheidung trifft.
Ob es sich dabei um das Material eines Schals, die Zusammensetzung eines Pullovers oder den Stoffanteil eines T-Shirts handelt, spielt keine Rolle. Entscheidend ist, dass der Verbraucher nicht in die Irre geführt wird – weder durch fehlende Angaben noch durch umständliche Links oder irreführende Bezeichnungen wie „Seidenschal“.
Wenn Sie einen Online-Shop betreiben, sollten Sie deshalb:
- Ihre Bestellübersicht überarbeiten
- Pflichtinformationen direkt am „Kaufen“-Button platzieren
- Keine Informationen hinter unklaren Links verstecken
So vermeiden Sie nicht nur rechtliche Risiken – Sie schaffen auch Vertrauen bei Ihren Kunden.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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