SCHUFA muss Schuldnerdaten nach Zahlung sofort löschen

1. Einführung – Ein Urteil mit Signalwirkung
Das Oberlandesgericht Köln hat am 10. April 2025 ein Urteil gefällt (Az. 15 U 249/24), das Millionen Verbraucher betrifft. Es geht um nicht weniger als die Frage: Darf die SCHUFA Daten über beglichene Schulden weiterhin speichern – oder müssen diese Informationen sofort gelöscht werden, sobald die Forderung ausgeglichen ist?
Die Antwort des Gerichts ist deutlich: Nein, solche Daten dürfen nicht weiter gespeichert werden. Vielmehr muss eine unverzügliche Löschung erfolgen. Das Urteil stärkt die Rechte von Verbraucherinnen und Verbrauchern – und setzt gleichzeitig die bekannten Wirtschaftsauskunfteien wie SCHUFA & Co. unter Zugzwang.
2. Der Sachverhalt – Was war passiert?
Der Kläger war in der Vergangenheit in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Im konkreten Fall ging es um:
- zwei Vollstreckungsbescheide, die rechtskräftig waren,
- sowie eine nicht titulierte offene Forderung,
- alle drei waren beglichen, also erledigt.
Trotzdem hatte die SCHUFA diese Einträge weiterhin gespeichert. Die Informationen über diese ehemaligen Zahlungsausfälle wurden von der Auskunftei nicht gelöscht, obwohl der Kläger seine Schulden vollständig beglichen hatte. Stattdessen wurden negative Scorewerte an Dritte übermittelt – darunter Banken, ein Telekommunikationsanbieter und ein Energieversorger.
Der Kläger sah sich dadurch in seinem Recht auf Datenschutz und seiner Bonität verletzt und verlangte:
- die vollständige Löschung der Einträge,
- sowie immateriellen Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO.
3. Die Entscheidung des OLG Köln – Kernpunkte und rechtliche Würdigung
3.1. Unverzügliche Löschungspflicht nach Ausgleich der Forderung
Das Gericht stellte klar: Die weitere Speicherung der erledigten Forderungen war rechtswidrig. Denn: Nach vollständiger Zahlung besteht kein berechtigtes Interesse an der fortgesetzten Speicherung mehr.
Das OLG Köln überträgt die gesetzliche Wertung des amtlichen Schuldnerverzeichnisses (§§ 882b ff. ZPO) auf private Wirtschaftsauskunfteien. Danach entfällt das Informationsinteresse mit Begleichung der Forderung – eine fortgesetzte Speicherung ist daher unverhältnismäßig und nicht mehr zulässig.
3.2. Keine Sonderrolle für private Auskunfteien
Die SCHUFA argumentierte, dass sie nicht den gesetzlichen Löschpflichten des Schuldnerverzeichnisses unterliege, weil sie eine private Stelle sei. Das OLG Köln widerspricht dieser Sichtweise ausdrücklich:
„Wirtschaftsauskunfteien verfolgen mit ihren Datenbanken keine anderen Zwecke als das Schuldnerverzeichnis.“
Mit anderen Worten: Wenn der Staat die Informationen löscht, muss auch die SCHUFA sie löschen.
4. Datenschutzrechtliche Bewertung – Verstoß gegen die DSGVO
4.1. Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO – Keine Interessenabwägung mehr zugunsten der SCHUFA
Die Richter kamen zum Ergebnis, dass die fortdauernde Speicherung der erledigten Forderungen gegen Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO verstoße. Nach dieser Norm ist eine Datenverarbeitung zulässig, wenn sie zur Wahrung berechtigter Interessen erforderlich ist – und nicht die Interessen oder Grundrechte der betroffenen Person überwiegen.
Nach Ansicht des Gerichts überwiegen hier eindeutig die Rechte des Klägers: Er hat seine Schuld beglichen. Damit gibt es kein schützenswertes Interesse mehr, diese Information zu speichern und zu verbreiten.
4.2. Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO – 500 Euro zugesprochen
Ein weiterer zentraler Punkt des Urteils ist die Zuerkennung eines immateriellen Schadensersatzes in Höhe von 500 Euro.
Warum Schadensersatz?
Die SCHUFA hatte die alten Daten über Jahre hinweg gespeichert und sie mehrfach an Dritte übermittelt – mit negativen Auswirkungen auf die Bonität des Klägers. Das Gericht erkannte hierin eine Rufschädigung, die einen immateriellen Schaden im Sinne der DSGVO darstellt.
Zitat OLG Köln:
„Dass die Übermittlungen keine weiteren nachteiligen Folgen für den Kläger hatten, steht der Annahme eines immateriellen Schadens [...] nicht entgegen.“
Auch ein nachweisbarer wirtschaftlicher Schaden (z. B. Ablehnung eines Kredits) war nicht erforderlich. Schon die Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs des Klägers reichte aus.
Höhe des Schadensersatzes
Das OLG Köln orientierte sich bei der Höhe des Schadenersatzes an einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 28.01.2025 (VI ZR 183/22), in dem ebenfalls 500 € als angemessener immaterieller Schaden zugesprochen wurden.
5. Was bedeutet das Urteil für Verbraucher?
Dieses Urteil stärkt die Verbraucherrechte in mehrfacher Hinsicht:
✅ Anspruch auf Löschung beglichener Forderungen – ohne Frist
Betroffene können künftig die sofortige Löschung von Einträgen verlangen, wenn die Forderung beglichen ist – unabhängig davon, wann die Forderung ursprünglich eingetragen wurde.
✅ DSGVO-Schadensersatz möglich
Wer durch eine unrechtmäßige Datenspeicherung einen immateriellen Schaden (Rufschädigung, negative Bonität) erleidet, hat Anspruch auf Geldentschädigung – auch ohne konkreten wirtschaftlichen Nachweis.
✅ Keine Ausrede für die SCHUFA
Es spielt keine Rolle, ob die SCHUFA die Daten selbst ermittelt hat oder sie aus anderen Quellen stammen. Entscheidend ist allein, ob die Forderung erfüllt wurde.
6. Auswirkungen auf die Praxis von Auskunfteien
Das Urteil hat enorme Bedeutung für Wirtschaftsauskunfteien. Die bisherigen Speicherfristen (bis zu 3 Jahre nach Ausgleich der Schuld) sind nicht mehr haltbar.
Auskunfteien müssen künftig:
- beglichene Forderungen unverzüglich löschen,
- ihre Datenverarbeitung an der DSGVO ausrichten,
- sich auf vermehrte Löschungsanträge und Schadensersatzforderungen einstellen.
7. Rechtsmittel und Ausblick
Die SCHUFA hat gegen das Urteil Rechtsmittel angekündigt – eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) könnte folgen. Sollte der BGH das OLG-Urteil bestätigen, würde dies die gesamte Praxis der Auskunfteien in Deutschland ändern.
8. Fazit – Ihre Rechte kennen und durchsetzen
Das Urteil des OLG Köln ist ein Meilenstein für Datenschutz und Verbraucherrechte. Es bestätigt: Wer seine Schulden begleicht, darf nicht ewig dafür bestraft werden.
Wenn Sie betroffen sind, lassen Sie Ihre Einträge prüfen – und setzen Sie Ihre Rechte durch. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz nach der DSGVO kann bestehen.
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Frank Weiß
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