Rechtsverletzer haftet für Abmahnkosten der Anschlussinhaberin

Der Bundesgerichtshof hatte darüber zu entscheiden, ob die Beschränkung der Höhe eines Aufwendungsersatzanspruchs für eine ergangene Abmahnung auch für den Schadensersatzanspruch im Zusammenhang mit derjenigen Abmahnung gilt, die dem Abmahnenden gegen den Rechsverletzer nach § 97a Abs. 3 S. 1, 2 UrhG zusteht. Nach einer Vorlage zum Europäischen Gerichtshof ist dies nach unionsrechtskonformer Auslegung anerkannt worden. Ein Rechtsverletzer muss auch für die Kosten aufkommen, die dem Abmahnenden gegen den Anschlussinhaber entstanden sind.
Hintergrund
Die Klägerin hat einen im Tatzeitraum 13-Jährigen wegen einer Urheberrechtsverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen. An dem Computerspiel "Dead Island - Riptide" hat sie die ausschließlichen Nutzungsrechte inne. Der Beklagte hat im Zeitraum vom 04.02.2014 bis zum 16.02.2014 zu insgesamt 26 im Einzelnen benannten Zeitpunkten unerlaubt Dateien mit diesem Computerspiel oder Teilen davon in einer Tauschbörse ("Peer-to-Peer-Network") über den Internetanschluss seiner Mutter (Anschlussinhaberin) öffentlich zum Download angeboten. Es folgte eine Abmahnung der Anschlussinhaberin. Hierbei ist diese unter Fristsetzung bis zum 05.05.2014 auf Erstattung der Abmahnkosten von etwa 1.000 € und Zahlung eines Teilschadensersatzes für das unerlaubte öffentliche Zugänglichmachen des Computerspiels von 900 € vor dem Amtsgericht in Anspruch genommen worden.
In der Klageerwiderung hat die Anschlussinhaberin klargestellt, dass ihr Sohn, der Beklagte, Täter der Urheberrechtsverletzung sei. Die Klägerin hat ihre Klage daraufhin auf den Beklagten erweitert, sie nahm diesen zusätzlich auf Unterlassung in Anspruch. Das Amtsgericht trennte das gegen den Beklagten gerichtete Verfahren ab und verwies es an das Landgericht. Mit Blick auf eine zwischenzeitlich vom Beklagten abgegebene strafbewehrte Unterlassungserklärung nahm die Klägerin ihren Unterlassungsantrag zurück.
Verfahrensgang
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 184 Euro nebst Zinsen als Gesamtschuldner mit der gesondert verklagten Anschlussinhaberin verurteilt, im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Hiervon entfallen 124 Euro von 1.000 Euro zzgl. Auslagenpauschale auf Schadensersatz für die gegen die Anschlussinhaberin gerichtete Abmahnung. Das Oberlandesgericht hat den für die Urheberrechtsverletzung zu zahlenden Schadensersatz von 60 Euro auf 900 Euro erhöht. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin ohne Erfolg geblieben. Mit ihrer Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Zahlung weiterer rund 860 Euro für die gegen die Anschlussinhaberin gerichtete Abmahnung nebst Zinsen. Daraufhin setzte der Bundesgerichtshof das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof die Fragen zur Vorabentscheidung vor. Dieser entschied durch Urteil vom 28.04.2022, Az. C-559/20.
Begrenzung der Schadensersatzforderung nach § 97a Abs. 3 S. 2 bis 4 UrhG
Die Revision hatte keinen Erfolg. Das OLG hat den Schadensersatzanspruch der Klägerin für die Kosten der Abmahnung der Anschlussinhaberin in entsprechender Anwendung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG auf 124 € ordnungsgemäß begrenzt. Nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch von 1.000 €, wenn der Abgemahnte
1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag, aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist.
Gem. § 97a Abs. 3 Satz 3 UrhG ist der genannte Wert auch dann maßgeblich, wenn ein Unterlassungs- und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Dies gilt nach § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG nicht, wenn der genannte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.
Wann liegen „besondere Umstände des Einzelfalles“ vor?
Die Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG steht mit dem Unionsrecht, insbesondere mit Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums, im Einklang. Die Billigkeitsklausel des § 97a Abs. 3 Satz 4 UrhG bedarf der unionsrechtskonformen Auslegung. Nach dieser sind die darüber hinaus zu berücksichtigenden „besonderen Umstände des Einzelfalls“ dahingehend auszulegen, dass diese die bereits nach § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG tatbestandlich zu berücksichtigenden Merkmale in der Gesamtbetrachtung überwiegen müssen, um von der Begrenzung des Gegenstandswerts absehen zu können.
§ 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG ist bei Schadensersatz entsprechend anzuwenden
Die entsprechende Anwendung der so auszulegenden Regelung des § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG auf den Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist ebenfalls unionsrechtskonform. Die Anforderungen an den von den Mitgliedstaaten vorzusehenden Schadensersatzanspruch richten sich zwar nicht nach Art. 14, sondern Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG. Der EuGH hat aber zur Abgrenzung der beiden Vorschriften entschieden, dass unter die hier in Rede stehenden sonstigen Kosten i.S.d. Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG nur solche Kosten fallen, die unmittelbar und eng mit dem betreffenden Gerichtsverfahren zusammenhängen. Vorliegend hat die Abmahnung der Anschlussinhaberin das gebotene Mittel der Sachverhaltsaufklärung dargestellt, was ein außergerichtliches sowie ggf. gerichtliches Vorgehen gegen den Rechtsverletzer ermöglichen sollte. Insofern war dieser Zusammenhang gegeben.
Rechtsverletzer wurde bei Kostenfrage wie Anschlussinhaberin behandelt
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG reicht mit Blick auf die Kosten der Abmahnung nicht weiter als der Aufwendungsersatzanspruch nach § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG gegen die Anschlussinhaberin. Insofern müssen die Voraussetzungen des § 97a Abs. 3 UrhG auch dann erfüllt sein, wenn die Klägerin vom Beklagten als Rechtsverletzer die Kosten für die Abmahnung der mit diesem nicht identischen Anschlussinhaberin als Schadensersatz verlangt. Hierbei sind insbesondere die in § 97a Abs. 3 Satz 2 bis 4 UrhG enthaltenen Vorschriften zu den erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren entsprechend anwendbar. Dies steht mit dem Unionsrecht im Einklang.
Bundesgerichtshof, Beschluss vom 12.01.2023, Az. I ZR 108/20
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