Rechtsirrtümer im Wettbewerbsrecht - Das sollten Sie wissen

Irren ist menschlich – aber im Wettbewerbsrecht oft teuer
Werbung mit einem „Testsieger“-Siegel ohne Quellenangabe, ein vorschneller Kommentar über den Mitbewerber auf Social Media oder eine fehlende Kennzeichnung bei einem vermeintlichen Angebot: Im täglichen Geschäftsleben sind es oft kleine Unachtsamkeiten – mit potenziell großen rechtlichen Folgen. Gerade im Wettbewerbsrecht gilt: Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.
1. Warum das Wettbewerbsrecht so tückisch ist
Das deutsche Lauterkeitsrecht – insbesondere geregelt im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) – stellt hohe Anforderungen an Fairness im geschäftlichen Miteinander. Schon geringfügige Verstöße, etwa irreführende Werbeaussagen, unvollständige Preisangaben oder fehlende Transparenz im Online-Handel, können kostenintensive Abmahnungen, einstweilige Verfügungen oder sogar Klagen nach sich ziehen. Häufig reicht ein einziger Mitbewerber, um eine teure rechtliche Auseinandersetzung ins Rollen zu bringen.
Typische Szenarien aus dem Geschäftsalltag
Viele Unternehmen unterschätzen die Fallstricke:
- Ein Start-up wirbt mit dem Claim „Marktführer in Deutschland“ – ohne Beleg.
- Eine Werbeagentur bewirbt Kundenprojekte, ohne Einwilligung der abgebildeten Unternehmen.
- Ein Online-Shop zeigt Rabatte an, obwohl der reduzierte Preis dauerhaft gilt.
Diese und viele andere vermeintliche Kleinigkeiten führen immer wieder zu kostspieligen Verfahren – und lassen sich mit dem nötigen Know-how vermeiden.
Ziel des Beitrags: Aufklären, sensibilisieren, schützen
Mit diesem Beitrag möchten wir Unternehmen, Marketingverantwortliche und Selbstständige für die Stolperfallen des Wettbewerbsrechts sensibilisieren. Wir zeigen, wo die größten Risiken liegen, welche Rechte Mitbewerber (und Verbände) haben, und wie Sie Ihr Unternehmen vor teuren Abmahnungen und Imageschäden schützen können – praxisnah, verständlich und auf den Punkt gebracht. Denn: Wer die Regeln kennt, kann sicher(er) spielen.
2. Grundlagen des Wettbewerbsrechts – kurz erklärt
Was ist überhaupt „Wettbewerbsrecht“?
Das Wettbewerbsrecht gehört zum öffentlichen und zivilrechtlichen Teil des Wirtschaftsrechts. Es regelt die Spielregeln für den Wettbewerb zwischen Unternehmen und sorgt dafür, dass sich Marktteilnehmer fair und rechtskonform verhalten.
Im Zentrum steht dabei der Schutz vor unlauterem Verhalten im Wettbewerb – also vor geschäftlichen Handlungen, die nicht den Anforderungen von Anstand, Transparenz und Fairness entsprechen. Unternehmen sollen sich im freien Wettbewerb durch Leistung, Qualität und Preisgestaltung durchsetzen, nicht aber durch Täuschung, Verunglimpfung oder Manipulation.
Das Wettbewerbsrecht schützt dabei nicht nur die Mitbewerber selbst, sondern auch die Allgemeinheit, insbesondere die Verbraucher. Wer beispielsweise mit falschen Versprechen wirbt oder wesentliche Informationen verschweigt, schädigt nicht nur die Konkurrenz, sondern führt auch Konsumentinnen und Konsumenten in die Irre.
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) im Überblick
Die rechtliche Grundlage des Wettbewerbsrechts in Deutschland ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Es wurde ursprünglich bereits 1909 eingeführt und seither mehrfach grundlegend reformiert – insbesondere in Anpassung an europarechtliche Vorgaben.
Das UWG definiert, was unter unlauteren geschäftlichen Handlungen zu verstehen ist. Dazu zählen insbesondere:
- Irreführende Werbung: Dazu gehören Aussagen, die objektiv falsch oder missverständlich sind, aber auch das bewusste Weglassen wesentlicher Informationen. Beispiel: Ein Produkt wird als „klimaneutral“ beworben, ohne nachvollziehbare Begründung oder Zertifizierung.
- Vergleichende Werbung: Diese ist grundsätzlich erlaubt, sofern sie sachlich bleibt. Problematisch wird es, wenn Mitbewerber unfair herabgesetzt oder deren Leistungen unsachlich kritisiert werden.
- Unzumutbare Belästigungen: Unerwünschte Werbeanrufe, E-Mails ohne ausdrückliche Zustimmung oder aggressive Ansprache potenzieller Kunden sind regelmäßig unzulässig.
- Ausnutzung besonderer Umstände: Wenn ein Unternehmen zum Beispiel gezielt Notlagen oder Unerfahrenheit von Kunden ausnutzt, liegt ebenfalls ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht vor.
- Verletzung gesetzlicher Kennzeichnungspflichten: Vor allem im Online-Handel ist es gesetzlich vorgeschrieben, Preise transparent und vollständig anzugeben, AGB nur in zulässiger Weise bereitzustellen oder auf das Widerrufsrecht hinzuweisen. Ein Verstoß dagegen kann ebenfalls wettbewerbswidrig sein.
Das UWG schützt dabei nicht nur die Mitbewerber untereinander, sondern berücksichtigt explizit auch Verbraucherschutzinteressen – insbesondere durch das Verbot irreführender oder aggressiver Geschäftspraktiken.
Wer darf abmahnen?
Nicht jede Person darf bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht eine Abmahnung aussprechen. Das UWG räumt diese Befugnis nur bestimmten, rechtlich legitimierten Akteuren ein:
- Wettbewerber: Das sind andere Unternehmen, die ähnliche Produkte oder Dienstleistungen anbieten und damit im Wettbewerb zum abgemahnten Unternehmen stehen. Sie können sich gegen unlauteres Verhalten direkt zur Wehr setzen.
- Rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen: Darunter fallen insbesondere die Wettbewerbszentralen oder Fachverbände, die die Einhaltung wettbewerbsrechtlicher Vorgaben branchenübergreifend oder innerhalb einzelner Branchen überwachen.
- Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern: Diese Kammern können tätig werden, wenn durch unlauteres Verhalten ein struktureller Wettbewerbsnachteil für mehrere Unternehmen ihrer Region oder Branche entsteht.
- Verbraucherschutzverbände: Auch sie haben das Recht, gegen unlautere Geschäftspraktiken vorzugehen – vor allem dann, wenn diese Verbraucher täuschen, benachteiligen oder belästigen.
Diese Stellen können sowohl außergerichtlich, durch Abmahnungen, als auch gerichtlich, durch Unterlassungsklagen oder einstweilige Verfügungen, gegen Verstöße vorgehen. Ein großer Vorteil für den Abmahner: Die Kosten für eine berechtigte Abmahnung kann er sich in der Regel vom Rechtsverletzer erstatten lassen.
Was droht bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht?
Wer gegen das Wettbewerbsrecht verstößt, muss mit teils erheblichen rechtlichen und finanziellen Folgen rechnen. Je nach Einzelfall drohen unter anderem:
1. Abmahnung durch Wettbewerber oder Verbände
Eine Abmahnung ist ein außergerichtlicher Hinweis auf einen Verstoß gegen das UWG mit der Aufforderung, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. In der Regel wird der Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung beigefügt. Mit deren Unterzeichnung verpflichtet sich der Abgemahnte, das wettbewerbswidrige Verhalten dauerhaft zu unterlassen – bei Verstoß droht eine empfindliche Vertragsstrafe.
Wird die Erklärung nicht abgegeben oder nicht fristgerecht, kann der Abmahner gerichtliche Schritte einleiten.
2. Einstweilige Verfügung und Unterlassungsklage
Reagiert der Abgemahnte nicht oder lehnt er die Forderungen ab, können Abmahnberechtigte eine einstweilige Verfügung beim Gericht beantragen. Damit kann das unlautere Verhalten innerhalb weniger Tage gerichtlich untersagt werden – auch ohne vorherige Anhörung des Betroffenen.
Alternativ oder zusätzlich kann auch eine Unterlassungsklage/Hauptsacheklage erhoben werden. Das Gericht prüft dann umfassend, ob ein Wettbewerbsverstoß vorliegt, und erlässt ein entsprechendes Urteil.
3. Schadensersatzansprüche
In bestimmten Fällen – insbesondere bei nachweisbarem wirtschaftlichem Schaden – kann der Abmahner auch Schadensersatz geltend machen. Beispielsweise, wenn ihm Kunden aufgrund einer irreführenden Werbekampagne des Konkurrenten abgewandert sind oder es zu Marktverwirrungsschäden gekommen ist.
4. Erstattungspflicht hinsichtlich Abmahnkosten und der Kosten gerichtlicher Verfahren
Der Abgemahnte muss in der Regel die Anwaltskosten des Abmahners tragen, sofern die Abmahnung berechtigt war. Diese liegen je nach Streitwert oft im Bereich von mehreren hundert bis mehreren tausend Euro. Kommt es zu einem gerichtlichen Verfahren, steigen die Kosten noch erheblich – insbesondere bei einstweiligen Verfügungen oder Klagen mit hohem Streitwert. Derjenige, der dann vor Gericht unterliegt, muss für alle Kosten aufkommen.
5. Reputationsschäden und langfristige Risiken durch Vertragsstrafen
Neben den direkten finanziellen Folgen kann ein Wettbewerbsverstoß auch die Reputation eines Unternehmens beschädigen – vor allem, wenn der Streit öffentlich bekannt wird oder das Unternehmen mehrfach negativ auffällt. Wird nach einer Abmahnung eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben, müssen natürlich auch künftige Marketingmaßnahmen genau geprüft werden, um Wiederholungsfälle zu vermeiden. Denn jede Zuwiderhandlung gegen eine strafbewehrte Unterlassungserklärung, also jeder Verstoß gegen das Unterlassungsversprechen, kann Vertragsstrafen in zumeist 4-stelliger Größenordnung (je Verstoß) nach sich ziehen.
3. Top 20 Rechtsirrtümer im Wettbewerbsrecht
Im unternehmerischen Alltag halten sich viele rechtliche Fehleinschätzungen hartnäckig. Sie werden intern weitergegeben, von der Konkurrenz abgeschaut oder beruhen auf gefährlichem Halbwissen. Gerade im Wettbewerbsrecht können solche Irrtümer teuer werden. Abmahnungen, Unterlassungserklärungen und Gerichtskosten sind die möglichen Konsequenzen – selbst wenn keine böse Absicht bestand. Im Folgenden räumen wir mit 20 der häufigsten Missverständnisse auf und zeigen anhand von Beispielen und Urteilen, warum auch vermeintliche Kleinigkeiten juristische Sprengkraft haben können.
3.1 „Wenn es alle machen, ist es erlaubt“
3.2 „Eine Abmahnung kommt immer erst nach einer Verwarnung“
3.3 „Ich darf meine Mitbewerber offen kritisieren“
3.4 „Preisangaben müssen nicht alle Details enthalten“
3.5 „Ich darf mit Selbstverständlichkeiten werben“
3.6 „Ich darf jeden Kunden als Referenz nennen“
3.7 „Ein Gewinnspiel braucht keine Teilnahmebedingungen“
3.8 „Ich darf mich selbst zum Markt- oder Preisführer erklären“
3.9 „Ein Disclaimer schützt mich vor rechtlichen Folgen“
3.10 „Onlinewerbung unterliegt keinen rechtlichen Regeln“
3.11 „Ich darf Produkte monatelang als ‚neu‘ bewerben“
3.12 „Ich darf Kundenbewertungen beliebig verwenden“
3.13 „‚Jetzt kaufen‘ ist kein Vertrag“
3.14 „Mit alten Testergebnissen darf man dauerhaft werben“
3.15 „Ich darf Konkurrenten über Google schlecht bewerten“
3.16 „‚Gratis‘ bedeutet, dass ich keine weiteren Infos brauche“
3.17 „Social-Media-Werbung muss nicht gekennzeichnet werden“
3.18 „Streichpreise kann ich frei erfinden“
3.19 „Bewertungen kaufen ist erlaubt, solange sie positiv sind“
3.20 „Ein einmaliger Verstoß bleibt ohne Folgen“
3.1 „Wenn es alle machen, ist es erlaubt“
Ein besonders gefährlicher Irrtum im Wettbewerbsrecht: Viele Unternehmen orientieren sich an ihren Mitbewerbern und nehmen an, dass deren Werbeaussagen, Rabatte oder Verkaufspraktiken rechtlich einwandfrei sein müssen. Frei nach dem Motto: „Wenn es die Konkurrenz so macht, wird es schon legal sein.“
Doch das ist ein trügerischer Schluss. Die tatsächliche Marktpraxis ist kein Maßstab für die Rechtmäßigkeit einer geschäftlichen Handlung. Im Gegenteil: Wer sich an einem rechtswidrigen Verhalten anderer orientiert, wiederholt unter Umständen denselben Verstoß – mit allen rechtlichen Konsequenzen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen bewirbt sein Produkt prominent mit dem Hinweis „Testsieger“ – verzichtet aber auf die Nennung der Quelle, das Testinstitut, das Testdatum oder die getesteten Produkte. Der Hinweis ist für den Verbraucher nicht nachvollziehbar.
Das Unternehmen argumentiert im Verfahren, dass diese Art der Werbung branchenweit üblich sei und auch von zahlreichen Wettbewerbern verwendet werde. Das Gericht ließ dieses Argument jedoch nicht gelten.
Fazit:
Wer sich an den rechtswidrigen Praktiken anderer orientiert, ist nicht auf der sicheren Seite – sondern läuft Gefahr, selbst abgemahnt oder verklagt zu werden. Wettbewerbsrechtliche Beurteilungen beruhen nicht auf Marktgewohnheiten, sondern auf gesetzlichen Vorgaben, der aktuellen Rechtsprechung und dem Verständnis eines durchschnittlich informierten Verbrauchers.
3.2 „Eine Abmahnung kommt immer erst nach einer Verwarnung“
Ein weit verbreiteter Irrtum unter Unternehmerinnen und Unternehmern ist die Annahme, dass einem Wettbewerbsverstoß zunächst eine Art „formlose Vorwarnung“ oder Hinweis folgen müsse – etwa per E-Mail oder Telefon – bevor rechtliche Schritte wie eine Abmahnung zulässig sind. Diese Vorstellung klingt fair, ist aber juristisch nicht haltbar.
Tatsächlich sieht das Wettbewerbsrecht keine Pflicht zur vorherigen Verwarnung oder informellen Kontaktaufnahme vor. Sobald ein Mitbewerber, Verband oder eine berechtigte Stelle einen Verstoß feststellt, darf sofort abgemahnt werden – ohne vorherige Rückfrage oder Aufforderung zur Korrektur. Die Abmahnung selbst stellt bereits den ersten Schritt zur außergerichtlichen Streitbeilegung dar.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Onlinehändler bietet auf seiner Website Produkte an, versäumt es jedoch, eine gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung korrekt und vollständig darzustellen. Ein Mitbewerber entdeckt diesen Mangel und lässt durch einen Anwalt eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung mit Unterlassungsaufforderung und Kostennote zustellen – ohne vorherige Kontaktaufnahme oder freundliche Erinnerung.
Der Händler hält die Abmahnung für unzulässig, weil er vorher nicht gewarnt wurde – doch das Gericht urteilt klar zugunsten des Abmahners. Eine Abmahnung ist bei wettbewerbswidrigem Verhalten nicht von einer vorherigen Warnung oder Aufforderung abhängig. Die fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung sei ein klarer Wettbewerbsverstoß, der sofort abgemahnt werden könne. Das Ziel einer Abmahnung sei es gerade, gerichtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, indem der Rechtsverstoß außergerichtlich geklärt wird. Eine vorgelagerte informelle Warnung sei gesetzlich nicht erforderlich.
Fazit:
Im Wettbewerbsrecht zählt allein der Verstoß – nicht die persönliche Fairness oder Kulanz. Wer gegen gesetzliche Vorgaben verstößt, muss jederzeit mit einer formellen Abmahnung rechnen. Ein Anspruch auf eine informelle Vorwarnung besteht nicht. Deshalb ist es umso wichtiger, alle rechtlichen Pflichten im Tagesgeschäft präventiv zu kennen und konsequent einzuhalten.
3.3 „Ich darf meine Mitbewerber offen kritisieren“
In einem freien Markt gehört Konkurrenz zum Alltag. Ebenso ist es grundsätzlich erlaubt, sich kritisch mit anderen Anbietern auseinanderzusetzen – doch nicht jede Kritik ist rechtlich zulässig. Der weit verbreitete Glaube, man dürfe Mitbewerber öffentlich „bewerten“ oder deren Leistungen offen in Frage stellen, ist nur bedingt richtig.
Das Wettbewerbsrecht unterscheidet klar zwischen sachlich zulässiger Kritik und unlauterer Herabsetzung. Sobald eine Äußerung nicht mehr objektiv, sondern abwertend, diffamierend oder gar unwahr ist, handelt es sich um eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne des § 4 Nr. 1 UWG.
Grundsatz:
Kritik an Mitbewerbern ist nur dann erlaubt, wenn sie auf nachprüfbaren Tatsachen beruht, sachlich formuliert ist und nicht über das erforderliche Maß hinausgeht. Persönliche Angriffe, Unterstellungen, Übertreibungen oder ironisch-polemische Formulierungen können hingegen unzulässig sein.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Zahnarzt äußert sich öffentlich – etwa auf seiner Website oder in einem Interview – über einen benachbarten Kollegen und behauptet, dieser sei „nicht auf dem neuesten Stand der Medizin“. Diese Aussage suggeriert eine mangelhafte Behandlung, obwohl es keinen objektiven Beleg für diese Behauptung gibt. Das Gericht entschied, dass solche Äußerungen unzulässig sind. Die Aussage des Zahnarztes wurde als unwahre Tatsachenbehauptung und unlautere Herabsetzung eingestuft. Selbst wenn der Sprecher subjektiv der Meinung ist, fachlich überlegen zu sein, berechtigt ihn das nicht zur pauschalen Abwertung eines Kollegen. Das Gericht betonte, dass die berufliche Ehre und das wirtschaftliche Ansehen des Mitbewerbers zu schützen seien.
Fazit:
Wer Mitbewerber öffentlich herabsetzt oder ihnen unsachlich Vorwürfe macht, riskiert nicht nur eine Abmahnung, sondern auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Sachliche Kritik ist erlaubt – Herabwürdigung, Unterstellungen oder Diffamierungen sind es nicht. Gerade in Branchen mit hohem Vertrauensbedarf – wie bei Ärzten, Anwälten oder Dienstleistern – wiegt ein solcher Verstoß besonders schwer.
3.4 „Preisangaben müssen nicht alle Details enthalten“
Ein häufiger Irrtum – gerade im E-Commerce oder im stationären Handel – besteht darin, dass Preisangaben nicht alle Informationen enthalten müssten. Viele Werbeanzeigen oder Produktseiten arbeiten mit „ab“-Preisen, pauschalen Beträgen oder suggerieren Sonderangebote, ohne dabei alle erforderlichen Preisbestandteile aufzuführen. Doch genau das ist nicht zulässig.
Preisangaben unterliegen in Deutschland der Preisangabenverordnung (PAngV). Sie verfolgt das Ziel, Verbraucherinnen und Verbrauchern klare, vollständige und leicht vergleichbare Informationen über den zu zahlenden Preis zu geben. Bereits unvollständige oder missverständlich formulierte Preise stellen einen Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht dar und sind besonders häufig Gegenstand von Abmahnungen.
Grundsatz:
Wer Preise nennt, muss immer den Endpreis einschließlich aller Preisbestandteile angeben. Dazu gehören insbesondere:
- die gesetzliche Mehrwertsteuer
- Versandkosten
- zusätzliche Gebühren oder Zuschläge
- bei bestimmten Waren auch der Grundpreis pro Mengeneinheit (z. B. €/kg, €/l)
Preisangaben müssen klar, unmissverständlich und gut lesbar sein – und dürfen den Verbraucher nicht über den tatsächlichen Gesamtpreis täuschen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen bewirbt ein Angebot auf seiner Website mit dem Preis „ab 29 €“, ohne darauf hinzuweisen, dass dieser Preis nur für eine bestimmte Produktvariante gilt und noch Versandkosten sowie Zusatzgebühren anfallen. Der Verbraucher wird dadurch über den tatsächlichen Endpreis getäuscht und zum Klick verleitet – was eine klassische Irreführung im Sinne des Wettbewerbsrechts darstellt.
Entscheidung des Gerichts:
Das zuständige Gericht urteilte, dass eine Preisangabe wie „ab 29 €“ ohne klaren Hinweis auf zusätzlich anfallende Kosten gegen die Preisangabenverordnung verstößt. Solche unvollständigen oder intransparenten Angaben seien geeignet, Verbraucher in die Irre zu führen, weil sie sich ein falsches Bild über die tatsächlichen Kosten machen. Damit liege ein wettbewerbswidriges Verhalten vor, das abgemahnt werden kann.
Fazit:
Preisangaben müssen vollständig, transparent und leicht verständlich sein. Die Nennung von Teilpreisen, das Weglassen von Versandkosten oder das Verwenden von missverständlichen „ab“-Formulierungen ohne Klarstellung kann schnell zu rechtlichen Konsequenzen führen. Besonders Onlinehändler sollten ihre Produktseiten regelmäßig auf Konformität mit der PAngV prüfen – denn Preisfehler zählen zu den häufigsten Abmahngründen im Internet.
3.5 „Ich darf mit Selbstverständlichkeiten werben“
Viele Unternehmen möchten sich im Wettbewerb positiv darstellen – etwa durch das Hervorheben bestimmter Qualitätsmerkmale, Gesundheitsversprechen oder Sicherheitsstandards. Problematisch wird es jedoch, wenn dabei mit Eigenschaften geworben wird, die gesetzlich ohnehin vorgeschrieben sind. In diesem Fall handelt es sich um sogenannte Selbstverständlichkeitswerbung – und die ist wettbewerbswidrig, weil sie irreführend ist.
Grundsatz:
Werbung mit Selbstverständlichkeiten erweckt den falschen Eindruck, dass das beworbene Produkt oder die angebotene Dienstleistung einen besonderen Vorteil gegenüber konkurrierenden Angeboten aufweist. In Wahrheit erfüllt das Unternehmen lediglich eine gesetzliche Pflicht – genauso wie alle anderen Marktteilnehmer auch. Genau darin liegt die Täuschung: Die Werbung suggeriert eine Besonderheit, wo in Wirklichkeit kein Wettbewerbsvorteil besteht.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Lebensmittelproduzent wirbt großflächig mit dem Slogan: „Unsere Produkte sind frei von Gentechnik.“ Auf den ersten Blick erscheint das positiv – tatsächlich handelt es sich bei den betroffenen Produkten aber um solche, bei denen der Einsatz von Gentechnik gesetzlich verboten ist. Die Werbeaussage vermittelt daher einen vermeintlichen Vorteil, der in Wahrheit für alle Anbieter gleichermaßen gilt. Das Gericht hat hierzu klargestellt, dass eine solche Werbeaussage gegen § 5 UWG verstößt, wenn sie geeignet ist, den Verbraucher über den tatsächlichen Gehalt der Information zu täuschen. Es sei irreführend, gesetzlich vorgeschriebene Merkmale werblich herauszustellen, sofern dadurch der Eindruck entstehe, es handele sich um eine besonders positive, freiwillige Entscheidung des Unternehmens. Entscheidend ist, ob die Werbung eine objektiv richtige, aber missverständliche Information enthält, die eine unzutreffende Vorstellung beim Verbraucher auslöst.
Fazit:
Die Werbung mit Selbstverständlichkeiten ist ein klassisches Beispiel für rechtlich unzulässige Irreführung. Wer gesetzlich geforderte Standards als vermeintliche Qualität oder Besonderheit anpreist, verstößt gegen das Wettbewerbsrecht – auch wenn die Aussage an sich korrekt ist. Unternehmen sollten daher stets prüfen, ob beworbene Eigenschaften wirklich freiwillige Zusatzleistungen oder gesetzlich vorgeschriebene Mindeststandards sind. Andernfalls drohen Abmahnungen, Unterlassungsklagen und finanzielle Konsequenzen.
3.6 „Ich darf jeden Kunden als Referenz nennen“
Für viele Unternehmen sind zufriedene Kunden ein wertvolles Aushängeschild. Referenzkunden, Testimonials oder Projektbeispiele werden deshalb gerne auf der Website, in Präsentationen oder in Angeboten genannt. Doch hier lauert eine rechtliche Falle: Nicht jeder Kunde darf automatisch öffentlich als Referenz aufgeführt werden – selbst dann nicht, wenn die Zusammenarbeit unstrittig war oder noch besteht.
Grundsatz:
Die Nennung eines Kunden als Referenz – sei es mit Name, Logo, Projektbeschreibung oder Zitat – setzt grundsätzlich dessen ausdrückliche Zustimmung voraus. Das betrifft nicht nur datenschutzrechtliche Aspekte, sondern auch das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das Namensrecht (§ 12 BGB) und das Markenrecht (§ 14 MarkenG), wenn z. B. ein geschütztes Logo verwendet wird. Auch geschäftliche Loyalitätspflichten und Wettbewerbsregeln spielen hier eine Rolle.
Wird ein Kunde ohne Zustimmung als Referenz genannt, kann er Unterlassung und gegebenenfalls auch Schadensersatz verlangen – insbesondere dann, wenn durch die unautorisierte Verwendung seines Namens oder Logos ein werblicher Eindruck erzeugt wird.
Beispiel aus der Praxis:
Ein IT-Dienstleister listet auf seiner Website unter der Rubrik „Unsere Kunden“ mehrere große, bekannte Unternehmenslogos – darunter auch Firmen, für die lediglich in der Vergangenheit einmal ein kleiner Auftrag ausgeführt wurde. Die betroffenen Unternehmen wurden jedoch nicht gefragt, ob sie als Referenz genannt werden dürfen. Einige distanzieren sich später sogar öffentlich von der Darstellung. Das zuständige Gericht stellte klar, dass die Verwendung eines fremden Firmenlogos zu Werbezwecken ohne Zustimmung unzulässig ist. Selbst wenn eine Geschäftsbeziehung bestand, rechtfertigt dies nicht automatisch die öffentliche Nennung als Referenzkunde. Die unerlaubte Verwendung stelle einen Eingriff in die Unternehmenspersönlichkeitsrechte dar und könne zudem wettbewerbswidrig sein. Insbesondere bei der Nutzung bekannter Markenlogos entstehe beim Betrachter der Eindruck, es handele sich um eine aktive, von beiden Seiten gewünschte Partnerschaft – was im vorliegenden Fall nicht zutraf.
Fazit:
Unternehmen dürfen Referenzen – ob Name, Logo oder Projektbezug – nur mit ausdrücklicher Zustimmung der jeweiligen Kunden verwenden. Alles andere ist nicht nur ein möglicher Verstoß gegen Datenschutz- und Markenrecht, sondern kann auch als unlautere Werbung nach dem UWG gewertet werden. Empfehlenswert ist, sich für jede Referenzverwendung eine schriftliche Zustimmung einzuholen, idealerweise mit genauem Umfang der Nutzung (z. B. Website, Broschüre, Social Media). Nur so lässt sich rechtlich sicher kommunizieren – und im Streitfall unangenehme Post vom Anwalt vermeiden.
3.7 „Ein Gewinnspiel braucht keine Teilnahmebedingungen“
Gewinnspiele sind ein beliebtes Mittel im Marketing, um Reichweite zu erhöhen, Kundendaten zu generieren oder die Kundenbindung zu stärken. Viele Unternehmen nutzen sie auf ihrer Website, auf Social Media oder im Rahmen von Werbeaktionen. Doch was häufig übersehen wird: Gewinnspiele unterliegen strengen rechtlichen Anforderungen – insbesondere im Wettbewerbsrecht.
Ein häufiger Irrtum besteht darin, dass es ausreiche, das Gewinnspiel einfach anzukündigen und durchzuführen – etwa durch einen Facebook-Post à la „Kommentiere diesen Beitrag und gewinne ein iPhone“. Doch wer keine klaren, transparenten Teilnahmebedingungen kommuniziert, verstößt gegen das Verbot der Irreführung nach § 5 UWG.
Grundsatz:
Gewinnspiele müssen so gestaltet sein, dass die Teilnehmenden genau wissen, worauf sie sich einlassen. Das bedeutet:
- Welche Voraussetzungen gelten für die Teilnahme?
- Wer ist teilnahmeberechtigt (Alter, Wohnsitz, Ausschluss bestimmter Personengruppen)?
- Wie läuft das Gewinnspiel ab?
- Wie lange läuft es? Wann endet die Teilnahmefrist?
- Was genau wird verlost? Wie erfolgt die Gewinnauswahl?
- Wie wird der Gewinner benachrichtigt?
- Wie erfolgt die Übergabe des Preises?
Fehlen diese Angaben oder sind sie nur unvollständig oder versteckt verfügbar, liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen veranstaltet auf Facebook ein Gewinnspiel, bei dem Nutzer lediglich einen Beitrag kommentieren müssen. Es gibt jedoch keine Angaben zu Teilnahmefrist, Gewinnspielregeln oder der Art der Gewinnerermittlung. Auch ist unklar, wie und wann die Gewinner kontaktiert werden. Es entsteht der Eindruck einer undurchsichtigen, möglicherweise sogar manipulierten Aktion. Das Gericht urteilte, dass ein Gewinnspiel ohne klare Teilnahmebedingungen gegen § 5 Abs. 1 UWG verstößt. Verbraucher würden über wesentliche Merkmale der Verkaufsförderungsmaßnahme im Unklaren gelassen, was eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt. Der Veranstalter müsse vor Beginn des Gewinnspiels alle erforderlichen Informationen offenlegen, um Transparenz und Fairness sicherzustellen.
Fazit:
Gewinnspiele sind rechtlich nur dann zulässig, wenn sie vollständige, transparente und leicht zugängliche Teilnahmebedingungen enthalten. Fehlen klare Regeln, Fristen oder Angaben zur Gewinnvergabe, droht nicht nur eine Abmahnung wegen Irreführung, sondern auch ein Vertrauensverlust beim Publikum. Unternehmen sollten daher bei jeder Aktion klare Teilnahmebedingungen formulieren und sichtbar verlinken – gerade auf Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok, wo Schnelllebigkeit oft zu Nachlässigkeit verleitet.
3.8 „Ich darf mich selbst zum Markt- oder Preisführer erklären“
Superlative wie „Marktführer“, „Nummer 1“ oder „Bestpreis-Anbieter“ klingen überzeugend und werden im Marketing gern verwendet. Doch was viele Unternehmen nicht bedenken: Solche Aussagen unterliegen strengen rechtlichen Anforderungen. Wer sich selbst als führend am Markt bezeichnet, muss dies objektiv nachweisen können – andernfalls liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung im Sinne von § 5 UWG vor.
Grundsatz:
Behauptungen über eine Spitzenstellung im Markt – etwa in Bezug auf Umsatz, Verkaufszahlen, Marktanteil oder Preis – sind objektive Tatsachenbehauptungen. Diese müssen durch verlässliche, aktuelle und nachprüfbare Daten belegt werden können, z. B. durch eine neutrale Marktstudie, offizielle Rankings oder Verkaufsstatistiken.
Fehlt ein solcher Nachweis oder wird die Aussage nicht transparent belegt, wird der Verbraucher in die Irre geführt. Denn er geht davon aus, dass das Unternehmen tatsächlich belegbar an der Spitze steht – was oft nicht der Fall ist.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Anbieter wirbt auf seiner Website prominent mit dem Slogan: „Nr. 1 in Deutschland“. Ein konkreter Bezug fehlt: Weder wird angegeben, worauf sich die Aussage bezieht (z. B. Kundenzahl, Umsatz, Bewertungen), noch gibt es Hinweise auf eine Studie, Quelle oder Vergleichsdaten. Die Aussage wirkt zwar überzeugend, ist aber inhaltlich nicht überprüfbar – und damit rechtlich riskant. Das Gericht urteilte, dass eine solche Werbung nur zulässig ist, wenn sie sich auf nachvollziehbare und nachprüfbare Tatsachen stützt. Die Angabe „Nummer 1 in Deutschland“ sei ohne Bezug oder Quellenangabe irreführend, weil der Durchschnittsverbraucher eine klare Marktführerschaft erwartet. Fehlt ein objektiver Beleg, liegt ein Verstoß gegen das Verbot der Täuschung über geschäftliche Verhältnisse vor.
Fazit:
Wer mit Aussagen wie „Marktführer“, „Preisführer“, „Nr. 1 im Segment“ oder ähnlichen Formulierungen werben möchte, sollte dies nur auf Basis belastbarer Daten und mit transparenter Quellenangabe tun. Ohne objektiven Beleg droht schnell eine Abmahnung wegen Irreführung – vor allem dann, wenn Wettbewerber oder Verbraucherschutzverbände die Aussage anzweifeln. Generell gilt: Je marktschreierischer der Werbespruch, desto sorgfältiger muss er rechtlich abgesichert sein.
3.9 „Ein Disclaimer schützt mich vor rechtlichen Folgen“
Viele Unternehmen glauben, sich mit pauschalen Hinweisen wie „Alle Angaben ohne Gewähr“, „Irrtümer vorbehalten“ oder „Angaben können abweichen“ rechtlich abzusichern – insbesondere in Preiswerbung, bei Produktinformationen oder bei besonderen Angeboten. Diese sogenannten Disclaimer sollen angeblich vor rechtlichen Konsequenzen schützen, falls sich später ein Fehler herausstellt.
Doch dieser Glaube ist ein gefährlicher Irrtum. Ein solcher pauschaler Hinweis hebt die Irreführung nicht auf. Wenn eine Werbeaussage objektiv falsch oder irreführend ist, hilft auch ein allgemeiner Vorbehalt nicht, um sich der rechtlichen Verantwortung zu entziehen.
Grundsatz:
Ein Disclaimer kann nur dann Wirkung entfalten, wenn er klar, konkret und eindeutig auf die betroffene Aussage bezogen ist – und selbst dann nur eingeschränkt. Allgemeine Floskeln, die irgendwo auf der Website oder im Kleingedruckten auftauchen, reichen in keinem Fall aus, um eine objektiv falsche oder wettbewerbswidrige Werbeaussage zu „heilen“.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Händler bewirbt Produkte mit der Angabe eines sogenannten unverbindlichen Verkaufspreises (UVP), um Preisvorteile zu suggerieren. Tatsächlich sind diese UVPs veraltet, weil sie vom Hersteller schon lange nicht mehr verwendet werden. Zwar findet sich auf der Website ein allgemeiner Hinweis wie „Irrtümer und Änderungen vorbehalten“, doch dieser bezieht sich nicht konkret auf die UVP-Angaben – und kann daher nicht vor dem Vorwurf der Irreführung schützen. Das zuständige Gericht entschied, dass ein allgemeiner Disclaimer nicht geeignet ist, eine irreführende Werbung wettbewerbsrechtlich zu rechtfertigen. Die Richter stellten klar, dass bei objektiv falschen oder veralteten Preisangaben der Hinweis „Alle Angaben ohne Gewähr“ nicht ausreicht, um eine Irreführung auszuschließen. Der durchschnittliche Verbraucher nimmt solche Angaben nicht als ernsthafte Einschränkung der beworbenen Aussagen wahr.
Fazit:
Werbung muss von Anfang an korrekt und rechtlich einwandfrei sein. Pauschale Haftungsausschlüsse und vage Formulierungen schützen nicht vor Abmahnungen oder gerichtlichen Schritten, wenn tatsächliche Irreführungen oder Wettbewerbsverstöße vorliegen. Disclaimer sind kein Freifahrtschein, sondern nur ein – oft unzureichendes – Mittel zur Klarstellung. Unternehmen sollten sich daher nicht auf bloße Hinweise verlassen, sondern ihre Aussagen und Preisangaben inhaltlich sauber belegen und regelmäßig aktualisieren.
3.10 „Onlinewerbung unterliegt keinen rechtlichen Regeln“
Der Mythos hält sich hartnäckig: Werbung im Internet sei freier, unregulierter und weniger risikobehaftet als klassische Print-, TV- oder Radiowerbung. Manche Unternehmen glauben sogar, dass sie in Google-Anzeigen, Social-Media-Kampagnen oder E-Mail-Marketing anders – oder großzügiger – werben dürfen. Doch das ist ein klarer Rechtsirrtum.
Tatsächlich gilt: Onlinewerbung unterliegt denselben wettbewerbsrechtlichen Regeln wie jede andere Werbung auch. Die Vorschriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) greifen medienunabhängig. Das bedeutet: Auch digitale Formate müssen wahr, klar, transparent und nicht irreführend sein.
Grundsatz:
Online-Werbemittel – egal ob Banner, Google Ads, Sponsored Posts, Newsletter oder Social-Media-Beiträge – müssen sämtliche wettbewerbsrechtlichen Anforderungen erfüllen. Dazu gehören unter anderem:
- Keine irreführenden Aussagen oder unvollständigen Informationen
- Klare und eindeutige Kennzeichnung von Werbung (z. B. als Anzeige, Sponsored, Werbung)
- Beachtung von Informationspflichten, insbesondere bei Preisangaben
- Transparenz bei Angeboten, Rabatten und Aktionen
- Keine Schleichwerbung oder Täuschung über den Absender
Besonders kritisch:
Bei Google Ads oder anderen Suchmaschinenanzeigen sind Platzbeschränkungen kein Freifahrtschein für Irreführung. Gerade in Meta-Titles und Descriptions müssen Aussagen wahrheitsgemäß und überprüfbar sein – auch wenn sie nur aus wenigen Zeichen bestehen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen bewirbt seine Produkte über Google Ads und formuliert in der Meta-Beschreibung: „Testsieger 2021 – bester Anbieter laut Studie“. Eine konkrete Quelle oder ein Verweis auf die Studie fehlt – und auch auf der verlinkten Zielseite finden sich keine Hinweise. Der Eindruck eines objektiven Vorteils wird erweckt, ohne Beleg. Das zuständige Landgericht befand hierzu, dass auch irreführende Angaben in Google-Anzeigen einen Wettbewerbsverstoß darstellen. Die bloße Begrenzung des Zeichenumfangs sei kein Rechtfertigungsgrund, um wesentliche Informationen wegzulassen oder unklare Behauptungen aufzustellen. Auch bei digitalen Werbeformen müsse der Verbraucher zutreffend informiert und dürfe nicht durch Auslassung oder Übertreibung in die Irre geführt werden.
Fazit:
Onlinewerbung ist kein rechtsfreier Raum. Im Gegenteil: Gerade weil sie oft automatisiert, schnell und massenhaft ausgespielt wird, ist sie besonders anfällig für rechtliche Fallstricke. Unternehmen müssen sicherstellen, dass auch kurze Texte, Meta-Angaben, Anzeigen oder Social-Media-Inhalte den Vorgaben des UWG und der Preisangabenverordnung entsprechen. Wer hier sorglos agiert, riskiert nicht nur Abmahnungen, sondern auch massive Reputationsverluste.
3.11 „Ich darf Produkte monatelang als ‚neu‘ bewerben“
„Neu“ verkauft sich gut. Der Begriff suggeriert Innovation, Fortschritt, Exklusivität – und wird deshalb im Marketing besonders gerne eingesetzt. Doch viele Unternehmen überdehnen die zeitliche Gültigkeit dieses Begriffs: Produkte werden noch Monate nach ihrer Einführung als „neu“ beworben, obwohl sie längst im regulären Sortiment erhältlich sind. Dabei gilt: „Neu“ ist kein dauerhafter Werbestand.
Grundsatz:
Der Begriff „neu“ ist eine zeitlich begrenzte Werbeaussage. Er bezieht sich auf einen aktuellen Zustand und verliert mit zunehmender Verfügbarkeit des Produkts an Aussagekraft. Wird ein Produkt über einen zu langen Zeitraum als „neu“ beworben, liegt eine Irreführung nach § 5 UWG vor – insbesondere, wenn der durchschnittliche Verbraucher den Eindruck erhält, es handle sich um eine kürzlich erfolgte Markteinführung.
Es kommt dabei nicht auf die subjektive Sichtweise des Unternehmens, sondern auf die objektive Verbrauchererwartung an: Wie lange darf etwas als „neu“ gelten? Die Rechtsprechung geht in der Regel von einem Zeitraum von wenigen Wochen bis maximal etwa drei Monaten aus. Danach ist eine Bewerbung als „neu“ in der Regel nicht mehr zulässig.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Hersteller bewirbt ein Produkt auch sechs Monate nach der Markteinführung weiterhin als „neu“. Es handelt sich um ein Serienprodukt, das seit dem Launch unverändert geblieben ist und bereits im Handel etabliert ist. Dennoch wird der Begriff „neu“ weiterhin prominent in Anzeigen und auf der Website verwendet. In zweiter Instanz entschied das Oberlandesgericht, dass eine Bewerbung mit dem Begriff „neu“ sechs Monate nach der Produkteinführung irreführend ist. Der Begriff „neu“ setze nach allgemeinem Sprachgebrauch eine zeitliche Nähe zur Markteinführung voraus. Diese Erwartung werde enttäuscht, wenn ein Produkt schon lange erhältlich ist und sich keine wesentlichen Neuerungen mehr ergeben haben. Das Gericht stellte klar, dass der Begriff „neu“ im Wettbewerbsrecht nicht beliebig verwendet werden darf und bei überlanger Nutzung eine unzutreffende Vorstellung über den Innovationsgrad des Produkts vermittelt wird.
Fazit:
Der Begriff „neu“ darf nur für einen begrenzten Zeitraum und nur dann verwendet werden, wenn tatsächlich eine neue Produkteigenschaft oder Markteinführung vorliegt. Wird der Begriff zu lange verwendet, liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung vor – mit entsprechendem Abmahnrisiko. Unternehmen sollten genau dokumentieren, wann ein Produkt eingeführt wurde, und intern festlegen, bis wann die Bewerbung als „neu“ zulässig ist. Faustregel: Nach drei Monaten sollte der Begriff in der Werbung kritisch hinterfragt werden.
3.12 „Ich darf Kundenbewertungen beliebig verwenden“
Kundenbewertungen sind ein mächtiges Marketinginstrument. Sie schaffen Vertrauen, senken die Kaufbarriere und steigern die Conversion Rate – insbesondere im Onlinehandel. Viele Unternehmen greifen daher gezielt auf Rezensionen zurück, um ihre Produkte oder Dienstleistungen glaubwürdiger erscheinen zu lassen. Doch hier gilt: Nicht jede Art der Verwendung ist rechtlich zulässig.
Ein häufiger Fehler ist die verkürzte, aus dem Zusammenhang gerissene oder selektive Darstellung von Kundenmeinungen. Auch das eigenständige „Umdichten“ oder Anpassen von Bewertungen ist problematisch. Wer Rezensionen verändert oder nur positiv gefärbt wiedergibt, ohne den vollständigen Kontext oder die Quelle kenntlich zu machen, läuft Gefahr, gegen das Irreführungsverbot gemäß § 5 UWG zu verstoßen.
Grundsatz:
Bewertungen dürfen nicht so verwendet werden, dass sie beim Verbraucher ein verzerrtes Bild erzeugen. Das betrifft insbesondere:
- gekürzte Zitate, bei denen kritische Passagen ausgelassen werden
- Zusammenfassungen, die den ursprünglichen Aussagegehalt verändern
- fehlende Quellenangaben (z. B. zur Plattform, zum Datum oder zur vollständigen Rezension)
- die Auswahl nur positiver Rezensionen, wenn ein differenzierter Gesamteindruck besteht
In all diesen Fällen besteht das Risiko einer wettbewerbswidrigen Irreführung, weil dem Verbraucher ein positiveres Bild vermittelt wird, als es die tatsächliche Kundenzufriedenheit rechtfertigt.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen bewirbt ein Produkt auf seiner Website mit dem Zitat: „Ein tolles Produkt – funktioniert zuverlässig.“ Die ursprüngliche Bewertung lautete jedoch vollständig: „Ein tolles Produkt – funktioniert zuverlässig, aber der Kundenservice war enttäuschend.“ Die Bewertung wurde verkürzt und der kritische Teil weggelassen. Eine Quellenangabe fehlt ebenfalls. Das positive Zitat wird so isoliert verwendet, dass es nicht mehr dem ursprünglichen Aussagegehalt entspricht. Das zuständige Berufungsgericht hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass eine verkürzte oder selektiv verwendete Kundenbewertung ohne Angabe der Quelle irreführend ist. Die Verwendung von Rezensionen in der Werbung sei nur dann zulässig, wenn sie inhaltlich vollständig, korrekt und im Kontext wiedergegeben werde. Das Gericht stellte klar: Wird eine Bewertung verändert oder entstellt, liegt ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot vor – selbst wenn die Änderung nur aus der Weglassung einzelner Worte besteht.
Fazit:
Kundenbewertungen dürfen nicht beliebig verändert oder verkürzt werden. Wer Rezensionen in der Werbung verwendet, muss sie wahrheitsgetreu, unverfälscht und mit korrektem Kontext darstellen. Fehlen wichtige Bestandteile, werden kritische Inhalte ausgelassen oder die Quelle verschwiegen, entsteht beim Verbraucher ein verzerrtes Bild, das rechtlich angreifbar ist. Unternehmen sollten daher intern klare Richtlinien für den Umgang mit Kundenbewertungen entwickeln – und idealerweise auf vollständige und verlinkte Originalbewertungen zurückgreifen, um Transparenz und Vertrauen zu wahren.
3.13 „‚Jetzt kaufen‘ ist kein Vertrag“
Noch immer herrscht bei vielen Website-Betreibern und Online-Händlern der Irrglaube, dass ein Klick auf einen Bestellbutton rechtlich unverbindlich sei – insbesondere dann, wenn die Bezeichnung der Schaltfläche vage oder allgemein gehalten ist. Manche nutzen Begriffe wie „Weiter“, „Anmelden“ oder „Jetzt sichern“, in der Annahme, dass dies nicht zu einem rechtlich bindenden Kaufvertrag führen könne. Doch das ist ein gefährlicher Irrtum.
Grundsatz:
Seit Inkrafttreten des sogenannten „Button-Lösungs-Gesetzes“ (§ 312j Abs. 3 BGB) im Jahr 2012 ist gesetzlich vorgeschrieben, dass bei Online-Bestellungen mit Zahlungspflicht eine klare und unmissverständliche Formulierung auf der letzten Schaltfläche vor Vertragsschluss verwendet werden muss. Ziel ist es, Verbraucher vor ungewollten Vertragsabschlüssen zu schützen.
Dabei gilt:
- Die Schaltfläche muss eindeutig auf eine zahlungspflichtige Bestellung hinweisen.
- Zulässig sind Bezeichnungen wie „Kostenpflichtig bestellen“, „Jetzt kostenpflichtig buchen“ oder „Jetzt kaufen“.
- Unzulässig sind Buttons mit irreführender oder nicht eindeutiger Beschriftung, z. B. „Weiter“, „Jetzt testen“, „Bestellen“ (ohne Zusatz) oder „Jetzt registrieren“, wenn eine Zahlungspflicht entsteht.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen bietet Online-Dienstleistungen im Abo-Modell an. Auf der letzten Bestellseite findet sich lediglich ein Button mit der Aufschrift „Weiter“. Erst in den nachgelagerten E-Mails und im Kleingedruckten wird darauf hingewiesen, dass ein kostenpflichtiger Vertrag geschlossen wurde. Viele Kunden fühlen sich getäuscht – und widersprechen der Zahlungspflicht. Hierzu befand das angerufene Gericht, dass ein solcher Bestellbutton nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Ein Button mit der Beschriftung „Weiter“ sei nicht eindeutig genug, um auf eine kostenpflichtige Bestellung hinzuweisen. Ohne einen klaren Hinweis auf die Zahlungspflicht sei kein wirksamer Vertrag zustande gekommen. Das Gericht stellte zudem klar: Der Unternehmer darf sich nicht darauf berufen, dass der Hinweis an anderer Stelle auf der Website oder in den AGB gestanden habe – entscheidend ist allein die Beschriftung der Schaltfläche.
Fazit:
Wer Online-Verträge mit Verbrauchern abschließt, muss dafür sorgen, dass der letzte Klick klar auf eine Zahlungsverpflichtung hinweist. Andernfalls drohen nicht nur rechtliche Konsequenzen wie Abmahnungen und Rückabwicklungen, sondern auch der Verlust des Zahlungsanspruchs. Unternehmen sollten ihre Bestellprozesse regelmäßig überprüfen und sicherstellen, dass der Button deutlich, rechtssicher und verbraucherfreundlich formuliert ist. Denn: Ein einziger falsch beschrifteter Button kann bedeuten, dass kein wirksamer Vertrag zustande kommt – mit allen wirtschaftlichen Folgen.
3.14 „Mit alten Testergebnissen darf man dauerhaft werben“
Das Testsieger-Siegel verkauft. Unternehmen werben gerne mit Auszeichnungen renommierter Institute wie Stiftung Warentest, ÖKO-TEST oder TÜV. Doch viele lassen dabei außer Acht, dass auch Testergebnisse nur für eine begrenzte Zeit werblich verwendet werden dürfen. Wer mit veralteten oder nicht mehr relevanten Testergebnissen wirbt, riskiert eine wettbewerbsrechtliche Irreführung nach § 5 UWG.
Grundsatz:
Testergebnisse dürfen in der Werbung nur dann verwendet werden, wenn sie:
- noch aktuell sind,
- eine nachvollziehbare Quelle enthalten,
- das beworbene Produkt in unveränderter Form betrifft,
- und dem Verbraucher die Möglichkeit geben, die Angabe selbst nachzuvollziehen.
Ein Testergebnis aus der Vergangenheit kann mit fortschreitender Zeit an Aussagekraft verlieren – insbesondere, wenn sich Marktbedingungen, Konkurrenzprodukte oder das getestete Produkt selbst verändert haben. Die Werbung mit einem alten Testsieg erweckt dann den unzutreffenden Eindruck, das Produkt sei auch heute noch objektiv führend.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Elektronikhersteller bewirbt ein bestimmtes Modell im Jahr 2024 mit dem Hinweis: „Testsieger bei Stiftung Warentest“. Tatsächlich stammt das Testergebnis aus dem Jahr 2018. Seitdem wurden mehrere Nachfolgermodelle veröffentlicht, und das getestete Produkt ist technologisch überholt. Weder das Testdatum noch die genaue Quelle werden angegeben. Für den Verbraucher entsteht der Eindruck, das Produkt sei nach wie vor aktuell ausgezeichnet. In letzter Instanz bestätigte das zuständige Gericht, dass die Werbung mit einem veralteten Testergebnis ohne klaren Hinweis auf das Testdatum und die Quelle eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt. Verbraucher würden bei der Aussage „Testsieger“ erwarten, dass es sich um ein aktuelles und weiterhin relevantes Testergebnis handelt. Eine dauerhafte Verwendung alter Testergebnisse sei nur zulässig, wenn deutlich und transparent auf das Datum des Tests hingewiesen wird – andernfalls sei der Hinweis geeignet, eine unzutreffende Vorstellung über die Qualität und Aktualität des Produkts hervorzurufen.
Fazit:
Testergebnisse dürfen in der Werbung nicht zeitlich unbegrenzt verwendet werden. Wer mit Auszeichnungen wirbt, muss sicherstellen, dass sie aktuell, nachvollziehbar und transparent gekennzeichnet sind. Veraltete Tests oder nicht belegte Behauptungen wie „Testsieger“ ohne Quellenangabe können nicht nur zu Abmahnungen, sondern auch zu gerichtlichen Auseinandersetzungen führen. Unternehmen sollten daher regelmäßig prüfen, ob die verwendeten Werbeaussagen noch rechtlich zulässig sind – und ältere Testergebnisse mit Vorsicht oder gar nicht mehr einsetzen.
3.15 „Ich darf Konkurrenten über Google schlecht bewerten“
Google-Bewertungen sind für viele Unternehmen ein zentraler Bestandteil ihrer Online-Reputation. Gleichzeitig sind sie ein beliebtes Instrument im Wettbewerb – nicht nur zur eigenen Profilstärkung, sondern auch zur gezielten Schwächung der Konkurrenz. Dabei glauben manche Unternehmer, sie könnten unter einem Alias oder als vermeintlicher Kunde negative Rezensionen über Wettbewerber abgeben, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Doch das ist ein schwerwiegender Rechtsirrtum.
Grundsatz:
Wer als Wettbewerber eine bewusst falsche oder gefälschte negative Bewertung über einen Konkurrenten abgibt, begeht eine unlautere geschäftliche Handlung nach § 4 Nr. 4 UWG („gezielte Behinderung“) und möglicherweise zusätzlich eine unwahre Tatsachenbehauptung nach § 5 UWG. In solchen Fällen handelt es sich nicht mehr um eine zulässige Meinungsäußerung, sondern um einen rechtswidrigen Eingriff in den Wettbewerb.
Die gezielte Verbreitung unwahrer, herabsetzender Inhalte über Bewertungsportale kann sowohl zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich ziehen als auch – je nach Inhalt – strafrechtlich relevant sein (z. B. Verleumdung oder üble Nachrede nach §§ 186, 187 StGB).
Beispiel aus der Praxis:
Ein regionaler Dienstleister entdeckt auf seinem Google-Unternehmensprofil eine anonyme 1-Stern-Bewertung, die keinerlei Text, aber massive Auswirkungen auf den Gesamtscore hat. Interne Recherchen und ein gerichtliches Auskunftsverfahren ergeben: Die Bewertung wurde von einem direkten Wettbewerber abgegeben – unter Verwendung eines privaten Google-Kontos ohne geschäftlichen Bezug. Es bestand weder ein Kundenverhältnis noch ein echter Anlass zur Bewertung. Das Gericht urteilte hierzu, dass eine solche Bewertung eine gezielte wettbewerbsrechtliche Behinderung darstellt. Die vorsätzliche Abgabe einer negativen Google-Rezension durch einen Konkurrenten ohne tatsächlichen Geschäftskontakt sei ein klarer Verstoß gegen das Lauterkeitsrecht. Das Gericht stellte fest, dass Bewertungen auf Bewertungsplattformen nicht zum Zweck der gezielten Schädigung von Mitbewerbern missbraucht werden dürfen. Der betroffene Unternehmer hatte daher einen Anspruch auf Unterlassung und Löschung der Bewertung sowie auf Erstattung seiner Abmahnkosten.
Fazit:
Wettbewerber dürfen sich nicht über Bewertungsplattformen gegenseitig schädigen. Wer als Konkurrent bewusst falsche oder irreführende Rezensionen abgibt – ob mit Text oder nur durch eine manipulativ gesetzte Sternebewertung –, begeht eine unzulässige geschäftliche Handlung mit rechtlichen Konsequenzen. Unternehmen sollten sich daher hüten, Bewertungen als Mittel der Marktverdrängung zu nutzen. Bewertungsplattformen sind kein rechtsfreier Raum – und der Missbrauch kann nicht nur teuer, sondern auch rufs- und strafschädigend sein.
3.16 „‚Gratis‘ bedeutet, dass ich keine weiteren Infos brauche“
Begriffe wie „gratis“, „kostenlos“ oder „umsonst“ sind starke Kaufanreize. Sie wecken positive Assoziationen und erhöhen die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden. Doch genau deshalb sind solche Aussagen auch rechtlich besonders sensibel: Wer mit kostenlosen Angeboten wirbt, muss sicherstellen, dass für den Verbraucher keine versteckten Kosten oder Verpflichtungen entstehen – und dass alle relevanten Informationen transparent offengelegt werden. Andernfalls liegt eine wettbewerbswidrige Irreführung nach § 5 UWG vor.
Grundsatz:
Die Werbung mit einem Gratisangebot ist nur dann zulässig, wenn das Angebot tatsächlich völlig kostenfrei ist und nicht an weitere kostenpflichtige Leistungen gekoppelt wird – es sei denn, auf solche Bedingungen wird klar und unmissverständlich hingewiesen.
Besonders häufig problematisch sind Angebote wie:
- „Kostenlos testen“, bei denen sich das Probeabo automatisch verlängert,
- „Gratis-Download“, der nur nach Registrierung mit Zahlungsdaten möglich ist,
- oder „kostenlose Beratung“, die in eine kostenpflichtige Dienstleistung mündet.
Verbraucher müssen klar und rechtzeitig erfahren, ob und wann aus einem kostenlosen Angebot eine Zahlungspflicht entsteht – und unter welchen Bedingungen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen wirbt auf seiner Website prominent mit: „30 Tage gratis testen – ohne Risiko!“. Erst im Kleingedruckten wird erwähnt, dass das Abo automatisch in ein kostenpflichtiges Jahresabo übergeht, wenn es nicht innerhalb der 30 Tage aktiv gekündigt wird. Die Angabe zu den Kosten und Kündigungsbedingungen ist auf einer separaten Unterseite versteckt. Viele Nutzer fühlen sich getäuscht – denn sie gingen davon aus, dass nach Ablauf der Testphase keine weiteren Verpflichtungen bestehen. Im Revisionsverfahren ist letztlich rechtskräftig entschieden worden, dass die Bewerbung eines Angebots als „gratis“ nicht irreführend sein darf, wenn mit dem Angebot eine Zahlungspflicht verknüpft ist, über die nicht ausreichend informiert wurde. Der Begriff „gratis“ sei für Verbraucher besonders werbewirksam, daher bestehe eine erhöhte Transparenzpflicht. Wer wesentliche Informationen zur Preisgestaltung oder zu Vertragsbedingungen verschweigt oder versteckt, handle unlauter.
Fazit:
Gratis-Angebote sind kein Freibrief für rechtliche Grauzonen. Wer mit „kostenlos“, „gratis“ oder ähnlichen Begriffen wirbt, muss sicherstellen, dass Verbraucher vollständig, klar und unmissverständlich über alle Folgekosten, Bedingungen und Fristen informiert werden. Automatische Verlängerungen, versteckte Gebühren oder verschleierte Abo-Fallen sind nicht nur rechtlich angreifbar, sondern schaden auch der Glaubwürdigkeit des Anbieters. Transparenz ist hier der beste Schutz vor Abmahnungen – und vor enttäuschten Kunden.
3.17 „Social-Media-Werbung muss nicht gekennzeichnet werden“
Ob Instagram, TikTok, YouTube oder Facebook – Social Media ist längst ein fester Bestandteil moderner Marketingstrategien. Produkte und Marken werden dort zunehmend durch unterhaltsame Inhalte und Empfehlungen statt durch klassische Werbeblöcke in Szene gesetzt. Doch was viele Unternehmen und Influencer übersehen: Auch Werbung im sozialen Netz unterliegt denselben gesetzlichen Vorgaben wie jede andere Form der Werbung – insbesondere dem Transparenzgebot nach § 5a UWG.
Grundsatz:
Sobald ein Beitrag im sozialen Netzwerk geschäftlichen Charakter hat, muss er klar und eindeutig als Werbung gekennzeichnet werden – unabhängig davon, ob der Beitrag bezahlt wurde, ein Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt wurde oder der Account kommerziell betrieben wird.
Verbraucher dürfen nicht über den werblichen Zweck einer Veröffentlichung getäuscht werden. Besonders bei Influencer-Marketing und Produktempfehlungen ist die Trennung zwischen redaktionellem Inhalt und Werbung deutlich zu kennzeichnen – z. B. durch Begriffe wie „Anzeige“, „Werbung“ oder „Bezahlte Partnerschaft“.
Nicht ausreichend sind:
- versteckte Hinweise (z. B. im Hashtag-Dschungel),
- missverständliche Begriffe wie „Ad“ oder „in Kooperation mit“ (ohne Klarstellung),
- oder die bloße Tatsache, dass das Produkt „nur verlinkt“ wurde.
Beispiel aus der Praxis:
Eine bekannte Influencerin veröffentlicht auf Instagram ein Bild mit einem Fitnessprodukt und verlinkt den Hersteller im Bild und in der Story. Eine ausdrückliche Werbekennzeichnung fehlt. Die Influencerin argumentiert später, sie habe keine Bezahlung erhalten, sondern das Produkt aus Überzeugung empfohlen – daher sei keine Kennzeichnung notwendig gewesen. Das zuständige Gericht befand eindeutig: Auch unbezahlte Produktempfehlungen können kennzeichnungspflichtige Werbung sein, wenn sie geschäftlich motiviert sind und zur Absatzförderung eines Unternehmens beitragen. Maßgeblich sei die objektive Wirkung auf den Verbraucher. Wenn ein durchschnittlicher Nutzer nicht klar erkennen kann, dass es sich um eine werbliche Aussage handelt, liege eine unzulässige Schleichwerbung vor – mit entsprechenden wettbewerbsrechtlichen Konsequenzen.
Fazit:
Social-Media-Beiträge mit werblichem Charakter müssen ausnahmslos deutlich als Werbung gekennzeichnet werden – unabhängig von Bezahlung oder Produktherkunft. Wer dagegen verstößt, riskiert nicht nur Abmahnungen und Bußgelder, sondern auch erheblichen Reputationsschaden. Unternehmen sollten ihre Kooperationspartner (z. B. Influencer) vertraglich zur Einhaltung der Kennzeichnungspflichten verpflichten – und eigene Kanäle regelmäßig auf rechtssichere Gestaltung prüfen. Transparenz ist Pflicht, nicht Kür.
3.18 „Streichpreise kann ich frei erfinden“
Rabatte und Sonderangebote sind im Handel allgegenwärtig – kaum ein Online-Shop kommt heute ohne durchgestrichene Preise, „-50 %“-Hinweise oder „Jetzt nur“-Aktionen aus. Doch dabei vergessen viele Anbieter: Auch Preiswerbung unterliegt dem Irreführungsverbot nach § 5 UWG. Wer mit einem „Streichpreis“ wirbt, muss sicherstellen, dass dieser Preis tatsächlich vorher verlangt wurde – andernfalls liegt eine unzulässige Irreführung vor.
Grundsatz:
Ein durchgestrichener Preis suggeriert dem Verbraucher, dass es sich um einen ehemals gültigen, tatsächlich verlangten Preis handelt, der nun vergünstigt wurde. Wer dagegen mit einem fiktiven, überhöhten oder nie geforderten Preis wirbt – etwa mit einer erfundenen UVP (unverbindlichen Preisempfehlung) – täuscht über den tatsächlichen Preisvorteil und handelt wettbewerbswidrig.
Das gilt insbesondere für:
- angebliche „ehemalige Verkaufspreise“, die nie in Geltung waren,
- nicht belegbare UVPs,
- durchgestrichene Preise ohne Bezug zu einem tatsächlichen Angebotspreis.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Onlinehändler bewirbt ein Produkt mit dem Hinweis „statt 89,99 € – jetzt nur 49,99 €“. Die 89,99 € wurden allerdings niemals zuvor verlangt, sondern sind rein kalkulatorischer Natur. Auch die angegebene UVP stammt nicht vom Hersteller, sondern wurde intern festgelegt. Für Verbraucher entsteht der Eindruck eines erheblichen Preisvorteils – obwohl der „Vergleichspreis“ in Wirklichkeit fiktiv ist. Das in zweiter Instanz angerufene Oberlandesgericht stellte hierzu klar, dass Preiswerbung mit durchgestrichenen oder angeblich früheren Preisen nur dann zulässig ist, wenn der höhere Preis zuvor tatsächlich für einen angemessenen Zeitraum gefordert wurde. Eine frei erfundene UVP oder ein nie verlangter Preis stelle eine Irreführung über den wirtschaftlichen Vorteil dar. Das Gericht betonte, dass Verbraucher durch solche Preisvergleiche bewusst getäuscht würden – und sprach dem Kläger daher einen Unterlassungsanspruch zu.
Fazit:
Streichpreise dürfen nicht frei erfunden oder kalkulatorisch festgelegt werden, sondern müssen sich auf einen tatsächlich geltenden früheren Verkaufspreis oder eine belegbare UVP des Herstellers beziehen. Wer gegen diese Grundsätze verstößt, riskiert Abmahnungen, Unterlassungsklagen und hohe Kosten – ganz abgesehen vom Vertrauensverlust bei den Kunden. Unternehmen sollten Preisaktionen daher dokumentieren, belegen und transparent gestalten – denn beim Thema Preisvorteil ist die Erwartung an Ehrlichkeit besonders hoch.
3.19 „Bewertungen kaufen ist erlaubt, solange sie positiv sind“
Online-Bewertungen sind ein maßgeblicher Faktor für die Kaufentscheidung. Viele Unternehmen versuchen deshalb, ihr Bewertungsprofil gezielt zu verbessern – nicht selten durch den Kauf positiver Rezensionen über Agenturen oder Freelancer. Der Irrglaube dahinter: Solange die Bewertungen positiv sind und dem Image dienen, könne das nicht schaden. Doch das ist ein klarer Verstoß gegen geltendes Wettbewerbsrecht.
Grundsatz:
Bewertungen müssen echt, authentisch und unbeeinflusst sein. Sobald Bewertungen gegen Bezahlung abgegeben oder vermittelt werden, handelt es sich um kommerzielle Kommunikation – selbst dann, wenn sie vermeintlich „freiwillig“ oder im Namen echter Personen erfolgt. Solche Rezensionen müssen klar als Werbung gekennzeichnet werden. Fehlt diese Kennzeichnung, liegt eine verschleierte Werbemaßnahme und damit unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 5a Abs. 6 UWG vor.
Zudem kann auch eine Irreführung über die geschäftliche Relevanz der Bewertung vorliegen, wenn Kunden glauben, es handle sich um echte, neutrale Erfahrungsberichte – obwohl tatsächlich ein kommerzielles Interesse dahintersteht.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Unternehmen beauftragt eine Online-Agentur damit, positive Fünf-Sterne-Bewertungen auf Google, Facebook und Trusted Shops zu hinterlassen. Die Bewertungen stammen nicht von echten Kundinnen und Kunden, sondern von Dritten, die keinerlei Leistung in Anspruch genommen haben. Die Texte sind zwar wohlformuliert und unterschiedlich, aber alle loben das Unternehmen überschwänglich. Eine Kennzeichnung als „Anzeige“ oder „gesponsert“ erfolgt nicht. In erster Instanz stellte das Landgericht klar, dass das systematische Erzeugen und Verbreiten positiver Bewertungen ohne Kennzeichnung und ohne reale Kundenerfahrung eine wettbewerbswidrige Irreführung darstellt. Die Richter stellten klar: Für Verbraucher ist nicht erkennbar, dass es sich um gekaufte Rezensionen handelt – sie verlassen sich auf die Echtheit der Bewertungen. Dadurch werde das Kaufverhalten unlauter beeinflusst, was einen Verstoß gegen die Transparenzpflichten und die Grundsätze des lauteren Wettbewerbs darstellt.
Fazit:
Gekaufte Bewertungen ohne klare Kennzeichnung sind nicht erlaubt – unabhängig vom Inhalt oder der Plattform. Wer positive Rezensionen in Auftrag gibt, ohne diese als Werbung offenzulegen, handelt rechtswidrig und riskiert Abmahnungen, Unterlassungsverfügungen und empfindliche Bußgelder. Auch die Reputationsgefahr ist erheblich: Wird ein Bewertungsbetrug öffentlich, kann der Imageverlust weitaus kostspieliger sein als jede Abmahnung. Unternehmen sollten stattdessen auf echte Kundenzufriedenheit setzen – und transparente Bewertungsstrategien verfolgen, die nachhaltig und rechtssicher sind.
3.20 „Ein einmaliger Verstoß bleibt ohne Folgen“
Viele Unternehmer gehen fälschlicherweise davon aus, dass kleinere oder einmalige Verstöße gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften toleriert werden – etwa im Glauben, dass nur bei systematischem oder wiederholtem Fehlverhalten rechtliche Konsequenzen drohen. Doch dieser Irrtum kann teuer werden. Schon ein einziger Verstoß – selbst bei einem einzelnen Produkt oder Angebot – kann eine sofortige, kostenpflichtige Abmahnung und gerichtliche Schritte nach sich ziehen.
Grundsatz:
Das Wettbewerbsrecht kennt keine Bagatellgrenze im Sinne eines „einmal darf man“. Bereits der einmalige Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften – etwa gegen Informationspflichten im E-Commerce, irreführende Werbung oder Preisangaben – kann als unlautere geschäftliche Handlung gewertet werden und abgemahnt werden.
Ob der Verstoß versehentlich geschah, keine Wiederholungsabsicht bestand oder nur ein einzelnes Produkt betroffen war, ist dabei unerheblich. Entscheidend ist allein, dass überhaupt ein wettbewerbswidriges Verhalten vorliegt, das geeignet ist, den Wettbewerb zu verzerren oder Verbraucher zu täuschen.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Onlinehändler bietet ein einzelnes Produkt über eine Plattform wie eBay oder Amazon an – jedoch ohne die gesetzlich vorgeschriebene Widerrufsbelehrung. Die restlichen Angebote des Händlers sind vollständig und rechtlich einwandfrei. Ein Wettbewerber entdeckt genau dieses eine fehlerhafte Angebot und lässt eine kostenpflichtige Abmahnung zustellen. Auch in letzter Instanz ist hierzu klargestellt worden, dass selbst ein einzelner Wettbewerbsverstoß ausreicht, um eine Abmahnung zu rechtfertigen. In dem zugrunde liegenden Fall fehlte bei einem einzigen Angebot die erforderliche Widerrufsbelehrung – der BGH bestätigte dennoch den Unterlassungsanspruch des Mitbewerbers. Es komme nicht auf das Ausmaß oder die Häufigkeit des Fehlverhaltens an, sondern auf die objektive Eignung zur Marktverzerrung oder Verbrauchertäuschung.
Fazit:
Auch scheinbar „kleine Ausrutscher“ im Geschäftsalltag können teure Konsequenzen haben. Das Wettbewerbsrecht ist in dieser Hinsicht konsequent und strikt: Jeder rechtliche Verstoß – selbst bei nur einem einzelnen Angebot – kann abgemahnt, unterbunden und mit Kosten verbunden sein. Unternehmer sollten daher alle geschäftlichen Handlungen, auch auf Plattformen oder in Einzelfällen, sorgfältig prüfen und keine Nachlässigkeiten riskieren. Präventive Compliance ist immer günstiger als eine nachträgliche Korrektur unter Abmahnungsdruck.
4. Was viele Unternehmer nicht wissen: Auch kleine Fehler haben große Wirkung
Viele Unternehmer unterschätzen die juristische Tragweite scheinbar kleiner Unachtsamkeiten. Ein fehlendes Pflichtfeld im Online-Shop, ein falsch platzierter Werbeslogan oder ein überholtes Testsiegel – im Alltag mögen solche Details nebensächlich erscheinen, rechtlich können sie jedoch erhebliche Konsequenzen haben. Denn das Wettbewerbsrecht kennt kein „zu klein, um relevant zu sein“.
Bereits formale oder geringfügige Verstöße können zu Abmahnungen, Unterlassungsklagen und hohen Kosten führen – unabhängig davon, ob der Fehler aus Unwissenheit, Fahrlässigkeit oder schlicht aus Routine passiert ist.
Warum Gerichte oft streng urteilen
Die Rechtsprechung im Wettbewerbsrecht ist seit jeher konsequent und vielfach streng. Der Grund dafür ist einfach: Das Wettbewerbsrecht soll den freien Markt schützen – vor unfairen Praktiken, Irreführung und Manipulation. Wer sich einen Vorteil durch ein unzulässiges Verhalten verschafft – bewusst oder unbewusst – beeinträchtigt den Wettbewerb und handelt damit unlauter.
Gerichte urteilen daher nicht nach Sympathie oder dem „Augenmaß-Prinzip“, sondern nach dem Grundsatz: Bereits die Eignung zur Irreführung oder Wettbewerbsverzerrung genügt – der tatsächliche Schaden muss noch nicht einmal eingetreten sein.
Das bedeutet in der Praxis:
- Die Größe des Unternehmens oder das „Versehen“ spielen keine Rolle.
- Auch vermeintliche Bagatellen können als abmahnfähige Rechtsverstöße gewertet werden.
- Die Rechtsprechung schützt nicht nur Verbraucher, sondern auch Wettbewerber, die durch das Verhalten benachteiligt werden könnten.
Bedeutung der Wiederholungsgefahr
Ein zentrales Prinzip im Wettbewerbsrecht ist die sogenannte Wiederholungsgefahr. Sie spielt insbesondere bei Abmahnungen und Unterlassungserklärungen eine entscheidende Rolle. Die Rechtsprechung geht davon aus:
Wer einmal gegen das UWG verstoßen hat, bei dem besteht die Gefahr, dass er es wieder tut.
Diese Wiederholungsgefahr kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wirksam beseitigt werden. Fehlt eine solche Erklärung, kann der Abmahner sofort gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen – etwa in Form einer einstweiligen Verfügung oder Unterlassungsklage.
Wichtig:
- Selbst wenn der Verstoß sofort nach Hinweis beseitigt wurde, bleibt die Wiederholungsgefahr bestehen.
- Der Verstoß „verliert“ seine rechtliche Relevanz nicht dadurch, dass er nur einmal passiert ist.
- Wer keine Unterlassungserklärung abgibt, läuft Gefahr, gerichtlich verpflichtet zu werden – meist mit zusätzlichen Kosten.
Kostenrisiken einer Abmahnung
Die wohl am meisten unterschätzte Folge eines Wettbewerbsverstoßes sind die Kosten, die selbst bei einem einmaligen Fehler entstehen können.
Ein kurzer Überblick über typische Positionen:
Position |
Beispielhafte Höhe |
Abmahnkosten (Anwaltsgebühren) |
500 € bis 1.500 € (je nach Streitwert) |
Vertragsstrafe bei Verstoß gegen Unterlassung |
2.500 € bis 10.000 € oder mehr |
Gerichtskosten bei Unterlassungsklage |
mehrere tausend Euro möglich |
Eigene Rechtsberatungskosten |
variabel, oft zusätzliche Belastung |
Image- und Reputationsschäden |
nicht bezifferbar, aber potenziell gravierend |
Zudem drohen Folgekosten für die Prüfung und Anpassung aller weiteren Marketingmaßnahmen, Produktseiten oder Verkaufsdokumente, um weitere Verstöße zu vermeiden.
Besonders tückisch:
Ein einmalig abgemahnter Wettbewerbsverstoß kann zum Ausgangspunkt für weitere serienartige Abmahnungen werden – etwa durch Wettbewerbsverbände oder spezialisierte Kanzleien. Wer auf einer Plattform wie Amazon oder eBay aktiv ist, riskiert durch ein fehlerhaftes Angebot sogar eine Sperrung des Händlerkontos.
Fazit:
Kleine Fehler im Wettbewerbsrecht sind keine Lappalien – sie können schnell zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit spürbaren finanziellen Folgen führen. Gerichte urteilen streng, die Wiederholungsgefahr macht auch einmalige Verstöße abmahnfähig, und die Kosten können insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine echte Belastung darstellen. Vorsorge ist hier nicht nur klüger, sondern meist auch deutlich günstiger als die nachträgliche Schadensbegrenzung.
5. So vermeiden Sie Rechtsverstöße im Wettbewerbsrecht
Das Wettbewerbsrecht ist komplex – und tückisch im Alltag. Viele Verstöße entstehen nicht durch Absicht, sondern durch Unwissenheit, Ungenauigkeit oder fehlende interne Prozesse. Umso wichtiger ist es, systematisch vorzugehen. Denn wer Wettbewerbsverstöße frühzeitig erkennt und vermeidet, schützt nicht nur sich selbst vor Abmahnungen, sondern erhöht auch das Vertrauen von Kunden, Partnern und Plattformbetreibern.
Im Folgenden finden Sie eine praxisorientierte Checkliste für Unternehmen, Agenturen und Marketingverantwortliche sowie Hinweise, wann eine anwaltliche Prüfung sinnvoll und empfehlenswert ist.
Checkliste für Unternehmer & Marketingverantwortliche
✅ Transparente Preisgestaltung
- Sind alle Preisangaben vollständig, inklusive Mehrwertsteuer, Versandkosten und möglicher Zusatzgebühren und Bestandteile?
- Werden Streichpreise oder Rabatte nur dann verwendet, wenn ein vorheriger Preis tatsächlich verlangt wurde?
✅ Rechtssichere Werbung
- Enthält Ihre Werbung ausschließlich sachlich richtige Aussagen?
- Vermeiden Sie Superlative (z. B. „Nummer 1“) ohne belegbare Quellen?
- Wird mit Testergebnissen oder Zertifikaten nur geworben, wenn sie aktuell und nachvollziehbar sind?
✅ Korrekte Nutzung von Bewertungen
- Sind alle veröffentlichten Kundenrezensionen echt und nicht gekauft?
- Werden Bewertungen unverfälscht und im vollständigen Kontext wiedergegeben?
✅ Klarheit bei Gratis-Angeboten und Testversionen
- Ist deutlich erkennbar, ob und wann ein kostenfreies Angebot in eine Zahlungsverpflichtung übergeht?
- Sind alle Bedingungen transparent aufgeführt – einschließlich Fristen, Kündigungsregeln und Folgekosten?
✅ Rechtssichere Gestaltung von Online-Shops
- Werden alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen (AGB, Widerrufsrecht, Impressum, Datenschutzerklärung) korrekt eingebunden?
- Ist die Beschriftung des Bestellbuttons eindeutig im Sinne des § 312j BGB („Kostenpflichtig bestellen“)?
✅ Social-Media-Kampagnen und Influencer-Marketing
- Sind alle werblichen Inhalte eindeutig als Werbung gekennzeichnet – auch bei unbezahlten Produktempfehlungen?
- Werden Kooperationen transparent gemacht und Influencer entsprechend gebrieft?
✅ Saubere Nutzung von Kunden-Referenzen und Logos
- Liegt eine schriftliche Zustimmung zur Nennung als Referenz vor?
- Werden Logos und Markenzeichen nur mit Genehmigung verwendet?
✅ Formelle Korrektheit Ihrer Gewinnspiele und Aktionen
- Gibt es vollständige, transparente Teilnahmebedingungen?
- Sind Ablauf, Fristen, Teilnahmevoraussetzungen und Gewinnermittlung eindeutig geregelt?
✅ Regelmäßige interne Kontrolle
- Gibt es Verantwortliche für rechtliche Prüfung im Marketing und Vertrieb?
- Werden Kampagnen, Landingpages und neue Produkte regelmäßig auf rechtliche Fallstricke geprüft?
Wann Sie eine anwaltliche Prüfung durchführen lassen sollten
Auch wenn viele Punkte intern geprüft werden können, gibt es Situationen, in denen eine professionelle rechtliche Bewertung dringend zu empfehlen ist:
1. Bei neuen Produkten, Märkten oder Geschäftsmodellen
Sie starten mit einer neuen Marke, erweitern Ihr Angebot oder betreten einen neuen Markt (z. B. international)? Dann sollten Sie Ihre Werbeversprechen, Texte und Vertriebskanäle juristisch prüfen lassen, bevor Sie starten.
2. Bei rechtlich sensiblen Aussagen oder Versprechen
Aussagen wie „Testsieger“, „klinisch geprüft“, „bester Anbieter“, „100 % Wirkung“ oder vergleichende Werbung mit Mitbewerbern sollten immer vorab juristisch freigegeben werden. Sie bergen ein hohes Abmahnpotenzial.
3. Bei Kooperationen mit Influencern, Testimonials oder Agenturen
Lassen Sie Verträge, Briefings und Werbekonzeptionen auf Kennzeichnungspflichten, Verantwortlichkeiten und Haftungsfragen prüfen – insbesondere bei Social Media oder im Affiliate-Marketing.
4. Bei Verwendung von Kundenmeinungen, Logos oder Bewertungen
Wenn Sie Rezensionen veröffentlichen oder mit Kundenlogos werben wollen, prüfen Sie vorher die Zulässigkeit und Reichweite der Einwilligungen. Im Zweifel: erst klären, dann veröffentlichen.
5. Bei Abmahnungen, Unterlassungserklärungen oder einstweiligen Verfügungen
Sobald Sie rechtlich in Anspruch genommen werden – selbst bei einer scheinbar unbedeutenden Abmahnung – sollten Sie sofort anwaltlichen Rat einholen. Unterschreiben Sie niemals vorschnell eine Unterlassungserklärung, dies insbesondere nicht, wenn Sie den Inhalt, die Reichweite, die Folgen sowie die Konsequenzen für Ihre gesamte unternehmerische Zukunft nicht vollständig überblicken!
6. Bei Unsicherheiten in der Gesetzesauslegung
Nicht jede Rechtsfrage ist eindeutig. Wenn intern Zweifel bestehen, ob eine bestimmte Formulierung oder Maßnahme zulässig ist, sollten Sie auf Nummer sicher gehen und eine rechtliche Prüfung veranlassen – im Sinne von Prävention statt Korrektur.
Fazit:
Wettbewerbsrechtliche Verstöße lassen sich durch strukturierte Prozesse, regelmäßige Überprüfung und klare Zuständigkeiten weitgehend vermeiden. In besonders sensiblen Fällen ist eine anwaltliche Begleitung kein unnötiger Aufwand, sondern aktiver Risikoschutz. Wer rechtlich sauber arbeitet, kann seine Werbechancen voll ausschöpfen – ohne Angst vor Abmahnungen, Imageschäden oder Prozesskosten.
6. Fazit: Wettbewerbsrecht ist kein Wunschkonzert – aber beherrschbar
Das Wettbewerbsrecht ist streng, dynamisch – und oft gnadenlos detailverliebt. Was im Geschäftsalltag wie eine Kleinigkeit wirkt, kann vor Gericht zum kostspieligen Problem werden. Es gibt keinen „Goodwill-Bonus“ für Unwissenheit oder Nachlässigkeit. Die Anforderungen sind klar geregelt – und werden konsequent durchgesetzt.
Doch die gute Nachricht ist: Wer die Spielregeln kennt und beachtet, muss keine Angst vor Abmahnungen, Unterlassungsklagen oder Imageschäden haben. Das Wettbewerbsrecht ist kein Wunschkonzert, aber es ist beherrschbar – mit Aufmerksamkeit, Struktur und dem richtigen Maß an jurischer Vorsicht.
Warum anwaltlicher Rat kein Luxus, sondern eine Investition ist
Viele Unternehmen scheuen sich davor, juristischen Rat einzuholen – aus Angst vor Kosten oder in der Hoffnung, „es werde schon nichts passieren“. Doch genau diese Haltung kann teuer werden. Denn:
- Eine Abmahnung kostet schnell 1.000 € oder mehr – exklusive interner Aufwände.
- Ein einziger Wettbewerbsverstoß kann dauerhafte Unterlassungspflichten nach sich ziehen – und bei Zuwiderhandlung hohe Vertragsstrafen.
- Gerichtliche Auseinandersetzungen führen oft zu fünfstelligen Kosten – ganz zu schweigen vom Reputationsschaden.
Demgegenüber ist ein anwaltlicher Check vergleichsweise kostengünstig – und häufig mit wenigen Stunden Aufwand erledigt.
Anwaltlicher Rat ist deshalb kein Luxus, sondern eine unternehmerisch sinnvolle Investition in Sicherheit, Planbarkeit und Rechtsfrieden. Gerade für kleine und mittlere Unternehmen, Start-ups und Marketingabteilungen gilt: Lieber früh prüfen als später teuer korrigieren.
Schlussappell: Fehler kosten – Vorsicht spart
Ob Website-Text, Social-Media-Kampagne, Newsletter, Preismodell oder Produktbeschreibung:
Jeder rechtliche Fehler kann unmittelbare finanzielle und rechtliche Folgen haben.
Die wichtigsten Learnings auf einen Blick:
- Jeder Verstoß kann abgemahnt werden – auch bei erstmaligem Auftreten.
- Das Wettbewerbsrecht gilt überall: online, offline, auf Social Media, im E-Mail-Marketing oder auf Marktplätzen.
- Transparenz, Wahrheit und Nachvollziehbarkeit sind Ihre besten Schutzschilde.
- Rechtssicherheit beginnt mit Wissen – und endet mit einer sauberen Umsetzung.
Wer sich auf dem schmalen Grat zwischen kreativer Werbung und rechtlicher Zulässigkeit bewegt, braucht klare Leitplanken. Das Wettbewerbsrecht gibt diese vor – und ist dabei oft strenger, als viele denken. Doch mit einem systematischen Blick auf rechtliche Risiken, klaren internen Prozessen und dem gelegentlichen Rückgriff auf juristische Expertise lassen sich Verstöße vermeiden, statt bereuen.
Ansprechpartner
Frank Weiß
Alexander Bräuer
Frank Weiß
Alexander Bräuer
Andere über uns
WEB CHECK SCHUTZ
Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.
Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.