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Rechtsirrtümer im Äußerungsrecht - Das müssen Sie wissen

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Einleitung: Rechtsirrtümer im Äußerungsrecht – Was darf ich wirklich sagen?

Die Meinungsfreiheit gilt in Deutschland als eines der wichtigsten Grundrechte und ist tief in unserer demokratischen Gesellschaft verankert. Nicht umsonst steht sie prominent im Artikel 5 des Grundgesetzes: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten […]“. Doch die Praxis ist deutlich komplexer, als es dieser einfache Satz zunächst vermuten lässt. Denn genau dort, wo das Recht des einen endet, beginnen oft die Rechte des anderen – insbesondere die Persönlichkeitsrechte. Und gerade hier entstehen zahlreiche Rechtsirrtümer, die oft zu ungewollten juristischen Konsequenzen führen können.

In der digitalen Welt, in der wir heute leben, hat die Bedeutung des Äußerungsrechts drastisch zugenommen. Noch nie war es einfacher, öffentlich Stellung zu beziehen: Jeder Nutzer sozialer Netzwerke, jeder Kunde eines Online-Shops und jeder Verfasser von Rezensionen auf Bewertungsplattformen kann seine Meinung schnell, direkt und mit hoher Reichweite verbreiten. Doch gerade diese unkomplizierte Möglichkeit, Gedanken öffentlich zu machen, führt dazu, dass die Grenzen des Zulässigen häufig verschwimmen.

Schnell ist beispielsweise ein verärgerter Restaurantbesucher verleitet, den Betreiber öffentlich als „Betrüger“ zu bezeichnen, nur weil er sich beim Preis über den Tisch gezogen fühlt. Ebenso leichtfertig werden Gerüchte weiterverbreitet, etwa indem jemand auf Facebook oder Instagram ungeprüfte Vorwürfe gegen andere teilt. Auch kritische journalistische Berichterstattung bewegt sich regelmäßig auf dem schmalen Grat zwischen erlaubter Information der Öffentlichkeit und unerlaubter Ehrverletzung. Dabei halten sich zahlreiche falsche Vorstellungen darüber hartnäckig, was nun erlaubt ist und was nicht – sei es bei Tatsachenbehauptungen, der Bewertung fremder Leistungen oder im Umgang mit anonymen Kommentaren im Internet.

Ziel dieses Beitrags ist es, Sie umfassend und verständlich über die häufigsten Irrtümer im Äußerungsrecht aufzuklären. Wir wollen nicht nur zeigen, welche Aussagen zulässig sind und welche problematisch werden könnten, sondern Ihnen zugleich auch verständlich machen, warum Gerichte in konkreten Fällen so entscheiden, wie sie entscheiden. Dabei setzen wir gezielt auf die Einbindung relevanter Rechtsprechung und prägnanter Beispiele aus dem Alltag, der Presse und dem digitalen Raum, um das Thema greifbar und praxisnah zu erklären.

Sie werden im Laufe dieses Beitrags erkennen, dass Äußerungsrecht keineswegs ein bloß theoretisches Thema ist, das allein Juristen beschäftigt. Vielmehr geht es um Situationen, denen wir tagtäglich begegnen: Sei es beim Posten eines kritischen Kommentars unter einem Online-Artikel, bei der Verfassung von Rezensionen für Unternehmen und Ärzte oder bei der Frage, ob und wie man auf unwahre Behauptungen über die eigene Person reagieren kann.

Denn eines ist sicher: Das Äußerungsrecht betrifft uns alle – ob wir nun aktiv Inhalte produzieren oder lediglich passiv konsumieren. Je besser Sie Ihre Rechte und deren Grenzen verstehen, desto selbstbewusster und rechtssicherer können Sie sich in unserer zunehmend digital geprägten Welt bewegen.

 

Übersicht:

Häufige Rechtsirrtümer über Meinungsfreiheit
Irrtümer im Umgang mit Tatsachenbehauptungen
Rechtsirrtümer bei Online-Äußerungen und Social Media
Irrtümer über Zitate und Weiterverbreitung
Rechtsirrtümer bei Satire und Karikaturen
Rechtsirrtümer bei der Äußerung von Werturteilen über Unternehmen
Rechtsfolgen unzulässiger Äußerungen
Irrtümer zum Gegendarstellungsanspruch
Verjährung und Durchsetzung von Ansprüchen
Fazit & Praxistipps
Praktische Handlungsempfehlungen für sichere Kommunikation
Checkliste zur Risikovermeidung bei kritischen Äußerungen

 

Häufige Rechtsirrtümer über Meinungsfreiheit

„Ich darf alles sagen – Es herrscht schließlich Meinungsfreiheit!“

Einer der am weitesten verbreiteten Rechtsirrtümer lautet: „Ich darf doch wohl alles sagen – schließlich haben wir in Deutschland Meinungsfreiheit!“ Tatsächlich ist es richtig, dass die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes (GG) eines unserer höchsten Verfassungsgüter darstellt und deshalb von Gerichten besonders geschützt wird. Doch entgegen einem verbreiteten Missverständnis bedeutet das nicht, dass jede beliebige Aussage auch rechtlich zulässig ist.

Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen dort, wo Persönlichkeitsrechte anderer Menschen beeinträchtigt werden. Dies betrifft insbesondere Äußerungen, die als Beleidigung, Verleumdung oder sogenannte Schmähkritik einzustufen sind. Viele Bürger überschätzen hier ihren Spielraum und geraten deshalb immer wieder in rechtliche Schwierigkeiten.

Beispiel aus der Rechtsprechung: Das berühmte Urteil „Soldaten sind Mörder“

Ein besonders bekanntes Beispiel für die komplexe Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechten ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Slogan „Soldaten sind Mörder“ (BVerfGE 93, 266). Im Kern ging es um die Frage, ob diese provokative Aussage strafbar oder von der Meinungsfreiheit gedeckt ist.

Das Gericht stellte in seinem Urteil klar, dass auch drastische und polemische Äußerungen grundsätzlich von der Meinungsfreiheit geschützt sein können. Entscheidend war aber, dass der Spruch „Soldaten sind Mörder“ nicht konkret auf eine bestimmte Person bezogen wurde, sondern als pauschale Aussage im Rahmen einer gesellschaftspolitischen Debatte verstanden wurde. Somit lag hier weder eine strafbare Beleidigung noch eine Verleumdung vor. Anders sähe es jedoch aus, wenn eine konkrete Person individuell und persönlich als „Mörder“ bezeichnet würde. Hier wäre dann die Grenze zur strafbaren Ehrverletzung eindeutig überschritten.

Wo genau verlaufen die Grenzen der Meinungsfreiheit?

Generell endet die Meinungsfreiheit dort, wo die Rechte anderer Menschen erheblich verletzt werden. Die wichtigsten Grenzen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Schmähkritik:
    Diese liegt dann vor, wenn nicht mehr die sachliche Auseinandersetzung, sondern ausschließlich die Diffamierung, Kränkung und Herabwürdigung einer Person im Vordergrund steht. Ein Beispiel wäre es, jemanden öffentlich völlig grundlos als „geistig zurückgeblieben“ zu beleidigen. Solche Äußerungen sind grundsätzlich nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt (BVerfG, Beschluss vom 28.07.2014 – 1 BvR 482/13).
  • Beleidigung (§ 185 StGB):
    Auch hier geht es um Angriffe auf die persönliche Ehre, wie etwa Beschimpfungen oder abfällige, beleidigende Bemerkungen. Klassische Beispiele für strafbare Beleidigungen sind Aussagen wie „Idiot“, „Arschloch“ oder vergleichbar herabsetzende Begriffe.
  • Verleumdung (§ 187 StGB):
    Von Verleumdung spricht man, wenn jemand bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen verbreitet, um dem Ruf einer anderen Person gezielt zu schaden – etwa wenn jemand in sozialen Netzwerken behauptet, sein Nachbar sei ein Dieb, obwohl ihm klar ist, dass dies nicht stimmt.

Fazit und praktische Bedeutung:

Der Irrtum, jede Aussage sei von der Meinungsfreiheit gedeckt, führt immer wieder zu teuren Rechtsstreitigkeiten und strafrechtlichen Konsequenzen. Die Rechtsprechung zeigt klar, dass auch das hohe Gut der Meinungsfreiheit klare Grenzen kennt. Wer hier unachtsam handelt, riskiert nicht nur juristische Folgen, sondern auch Schadensersatzansprüche und erheblichen Imageverlust.

Daher gilt: Äußern Sie Kritik sachlich und konstruktiv, verzichten Sie auf persönliche Diffamierungen und bleiben Sie vorsichtig, wenn Ihre Aussagen emotionaler werden. Denn Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Äußerung folgenlos bleibt. Vielmehr fordert sie ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein von jedem, der seine Meinung öffentlich kundtut.

„Beleidigung ist eine Straftat, negative Kritik jedoch nicht“

Ein weiterer verbreiteter Irrtum im Äußerungsrecht ist die Annahme, dass jegliche Form der Kritik erlaubt sei, solange sie nicht offenkundig beleidigend ist. Tatsächlich ist aber nicht jede kritische Aussage automatisch zulässig, und nicht jede harte Kritik erfüllt automatisch den Straftatbestand der Beleidigung (§ 185 StGB). Die rechtliche Abgrenzung zwischen erlaubter negativer Kritik und strafrechtlich relevanter Ehrverletzung ist dabei oft schwieriger, als man vermuten mag.

Grundsätzlich gilt: Kritik an Personen, Unternehmen oder Leistungen ist ein zentrales Element der Meinungsfreiheit und deswegen grundsätzlich erlaubt. Doch die Grenze zur strafbaren Ehrverletzung ist überschritten, wenn eine Äußerung ausschließlich der Diffamierung oder Herabsetzung einer Person dient und keinen sachlichen Bezug mehr hat. In der Rechtsprechung wird hierfür besonders darauf geachtet, ob die Aussage im Rahmen einer sachlichen Auseinandersetzung steht oder ausschließlich dem Zweck der Herabwürdigung dient.

Abgrenzung durch den Bundesgerichtshof (BGH VI ZR 494/15)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich mehrfach ausführlich mit der Frage beschäftigt, wann kritische Äußerungen noch zulässig sind und wann sie strafrechtlich oder zivilrechtlich sanktioniert werden können. Mit Urteil vom 27. September 2016 (VI ZR 494/15) verdeutlichte der BGH, dass selbst harsche Kritik an öffentlichen Personen – hier insbesondere Politiker, Prominente oder Personen, die im öffentlichen Leben stehen – noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann, sofern die Kritik einen klaren sachlichen Bezug hat.

Entscheidend ist laut BGH dabei immer, ob die Aussage die Grenzen der sogenannten „Schmähkritik“ überschreitet. Eine Schmähkritik liegt immer dann vor, wenn nicht mehr eine sachliche Auseinandersetzung, sondern die bloße Herabwürdigung einer Person im Vordergrund steht. Solche Aussagen sind von der Meinungsfreiheit nicht mehr geschützt und können strafrechtlich verfolgt werden.

Beispiele für erlaubte vs. unerlaubte Aussagen

Um die Unterscheidung zwischen erlaubter Kritik und unerlaubter Ehrverletzung anschaulich zu verdeutlichen, betrachten wir einige Beispiele aus der Praxis:

Erlaubte (zulässige) Aussagen:

  • Beispiel 1:
    Ein Kunde schreibt in einer Bewertung über ein Restaurant:
    „Der Service war unfreundlich, langsam und inkompetent. Das Essen hat uns nicht geschmeckt und war aus unserer Sicht völlig überteuert.“
    Diese Kritik ist zwar hart formuliert, aber als subjektive Meinungsäußerung zulässig, da sie konkrete Erfahrungen des Kunden widerspiegelt und nicht ausschließlich der Diffamierung dient.
  • Beispiel 2:
    Ein Nutzer kritisiert öffentlich einen Politiker auf Twitter:
    „Meiner Ansicht nach hat Herr X in dieser Debatte keinerlei Kompetenz gezeigt und völlig unvorbereitet gewirkt.“
    Diese Äußerung ist ebenfalls zulässig, weil sie sich auf das Verhalten des Politikers in einer konkreten Situation bezieht und keine reine Schmähung darstellt.

Unerlaubte (strafbare) Aussagen:

  • Beispiel 1 (Beleidigung):
    Ein Nutzer schreibt auf Facebook über eine andere Person:
    „Du bist ein kompletter Idiot und gehörst weggesperrt.“
    Diese Aussage erfüllt eindeutig den Straftatbestand der Beleidigung, weil sie keinerlei sachliche Kritik enthält und ausschließlich auf die Herabwürdigung der Person abzielt.
  • Beispiel 2 (Schmähkritik):
    Ein Unternehmer kommentiert öffentlich seinen Wettbewerber:
    „Firma X wird von unfähigen Vollversagern geführt, die von nichts eine Ahnung haben und deren Leistungen absolut wertlos sind.“
    Diese Aussage überschreitet klar die Grenze zur Schmähkritik, da sie lediglich persönliche Herabsetzungen enthält und keinerlei objektive Kritik mehr erkennen lässt.

Fazit – Wie vermeide ich eine strafbare Aussage?

Die wesentliche Erkenntnis ist, dass Kritik stets einen Bezug zu konkreten Ereignissen oder sachlichen Umständen haben sollte. Sachliche Kritik, auch wenn sie negativ ausfällt und emotional formuliert wird, ist rechtlich meist unproblematisch. Sobald jedoch der sachliche Bezug fehlt und eine Aussage ausschließlich die persönliche Herabwürdigung der Person bezweckt, kann daraus sehr schnell eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung werden.

Daher gilt der Rat: Formulieren Sie Kritik immer sachlich und klar erkennbar bezogen auf tatsächliche Ereignisse oder wahrnehmbare Fakten. Verzichten Sie bewusst auf verletzende persönliche Äußerungen, um nicht ungewollt strafrechtliche oder zivilrechtliche Konsequenzen zu riskieren. Denn negative Kritik ist nicht generell strafbar – aber sie darf nie zum reinen Selbstzweck der Herabsetzung einer Person oder eines Unternehmens werden.

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Irrtümer im Umgang mit Tatsachenbehauptungen

„Solange eine Aussage wahr ist, darf ich sie äußern“

Ein besonders verbreiteter Irrtum im Äußerungsrecht lautet: „Wenn etwas wahr ist, darf ich es jederzeit öffentlich äußern.“ Auf den ersten Blick erscheint dieser Gedanke logisch und nachvollziehbar – schließlich ist es keine Verleumdung, eine Tatsache zu verbreiten, die nachweislich stimmt. Doch die Realität im Äußerungsrecht ist komplexer, denn nicht jede wahre Aussage darf tatsächlich bedenkenlos verbreitet werden.

Zwar genießen wahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich einen hohen Schutz, da es im öffentlichen Interesse liegt, dass über tatsächliche Vorgänge berichtet werden darf. Dennoch gibt es klare Grenzen, insbesondere dann, wenn die Aussage erhebliche Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte Betroffener mit sich bringt.

Wann dürfen wahre Tatsachenbehauptungen nicht verbreitet werden?

Die Rechtsprechung zeigt, dass selbst eine wahre Tatsachenbehauptung unzulässig sein kann, wenn sie in besonderem Maße in die Privatsphäre oder Persönlichkeitsrechte eines Menschen eingreift. Entscheidend ist stets eine Interessenabwägung: Es geht darum, ob das Interesse der Öffentlichkeit an der Information überwiegt oder ob das Schutzinteresse der betroffenen Person Vorrang genießt.

Das Bundesverfassungsgericht hat diese Problematik bereits klar umrissen (BVerfG NJW 2012, 1500). Danach ist zu prüfen, ob die Veröffentlichung tatsächlich einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet, oder ob sie primär dazu dient, eine Person bloßzustellen, zu diffamieren oder ihr Image zu schädigen. Je persönlicher und sensibler die verbreitete Tatsache ist, desto stärker gewichtet der Persönlichkeitsschutz des Betroffenen.

Praxisbeispiel: Veröffentlichung von Vorstrafen (OLG Hamburg 7 U 94/20)

Ein besonders anschauliches Beispiel für die Grenzen der Verbreitung wahrer Tatsachen stammt aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG Hamburg, Urteil vom 20. Oktober 2020, Az. 7 U 94/20):

In dem Fall ging es um die Frage, ob die Veröffentlichung einer längst verbüßten Vorstrafe in einem Online-Artikel zulässig war. Ein Nachrichtenportal hatte ausführlich über die geschäftlichen Aktivitäten eines Unternehmers berichtet und dabei dessen frühere Verurteilung wegen Insolvenzdelikten erwähnt. Der Betroffene klagte gegen die Berichterstattung und berief sich auf den Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht.

Das Gericht entschied zugunsten des Betroffenen und stellte klar, dass allein die Tatsache, dass eine Aussage wahr ist, nicht automatisch zu ihrer Rechtmäßigkeit führt. Entscheidend sei vielmehr, ob die Veröffentlichung nach Ablauf einer gewissen Zeitspanne noch von öffentlichem Interesse sei. Im vorliegenden Fall überwog das Recht des Unternehmers auf Schutz seiner Privatsphäre, da die Straftat bereits lange zurücklag, verbüßt war und keinen aktuellen Bezug zu seinen heutigen geschäftlichen Aktivitäten hatte. Die Veröffentlichung verletzte somit das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Unternehmers und war unzulässig.

Was bedeutet das in der Praxis?

Aus der Rechtsprechung ergeben sich folgende Grundsätze, die man beachten sollte:

  • Öffentliches Interesse vs. Persönlichkeitsschutz:
    Je sensibler eine wahre Tatsache ist (zum Beispiel Vorstrafen, intime Details oder private Angelegenheiten), desto stärker wiegt das Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person. Eine Veröffentlichung ist dann nur zulässig, wenn ein überwiegendes öffentliches Interesse an der Information besteht – etwa bei gravierenden Straftaten einer aktuell relevanten Persönlichkeit.
  • Zeitlicher Bezug:
    Auch der zeitliche Abstand zu dem Ereignis ist entscheidend. Je weiter ein Ereignis zurückliegt, desto geringer ist meist das öffentliche Interesse daran, und desto größer wird der Persönlichkeitsschutz des Betroffenen.
  • Relevanz für die Öffentlichkeit:
    Die Aussage muss geeignet sein, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten. Rein voyeuristische oder diffamierende Veröffentlichungen genießen keinen rechtlichen Schutz.

Fazit – Wahre Tatsachen mit Vorsicht verbreiten

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Wahrheit einer Aussage allein nicht automatisch zu ihrer rechtlichen Zulässigkeit führt. Vor der Veröffentlichung sensibler, wahrer Tatsachen ist eine sorgfältige Abwägung erforderlich, ob das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die erheblichen Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht tatsächlich rechtfertigt.

Die Rechtsprechung macht deutlich, dass gerade bei sensiblen Informationen wie Vorstrafen oder privaten Lebensverhältnissen Zurückhaltung geboten ist.

 „Unwahre Tatsachenbehauptungen sind immer strafbar“

Viele Menschen gehen davon aus, dass jede unwahre Behauptung automatisch strafbar ist. Doch auch hier liegt ein verbreiteter Rechtsirrtum vor. Tatsächlich sind unwahre Tatsachenbehauptungen nicht grundsätzlich strafbar – die rechtliche Bewertung hängt vielmehr davon ab, ob sie vorsätzlich oder fahrlässig aufgestellt wurden und welche Folgen sie für den Betroffenen haben. Neben strafrechtlichen Konsequenzen spielen insbesondere zivilrechtliche Ansprüche eine wesentliche Rolle.

Strafrechtliche und zivilrechtliche Unterschiede

Zunächst ist es wichtig, zwischen Strafrecht und Zivilrecht zu unterscheiden:

  • Strafrechtliche Folgen:
    Strafbar sind unwahre Tatsachenbehauptungen nur unter bestimmten Voraussetzungen, etwa wenn sie den Straftatbestand der Verleumdung (§ 187 StGB) oder der Üblen Nachrede (§ 186 StGB) erfüllen. Voraussetzung hierfür ist insbesondere, dass die unwahre Behauptung geeignet ist, die Ehre oder das Ansehen des Betroffenen erheblich zu schädigen. Dabei setzt eine strafrechtliche Verfolgung regelmäßig voraus, dass die unwahre Behauptung entweder vorsätzlich oder zumindest wissentlich („wider besseres Wissen“) verbreitet wurde.
  • Zivilrechtliche Folgen:
    Zivilrechtlich sind unwahre Tatsachenbehauptungen weitaus häufiger relevant. Hier können Betroffene Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen (§§ 823, 1004 BGB analog). Entscheidend für zivilrechtliche Ansprüche ist nicht zwangsläufig der Vorsatz; es genügt bereits Fahrlässigkeit. Selbst gutgläubig geäußerte unwahre Tatsachenbehauptungen können zivilrechtliche Folgen haben, wenn derjenige, der sie verbreitet, seine Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Vorsätzliche Lüge oder fahrlässiger Fehler? – Die Unterscheidung (BGH VI ZR 386/13)

Die Frage, ob eine unwahre Behauptung vorsätzlich oder fahrlässig verbreitet wurde, ist entscheidend für die rechtlichen Konsequenzen. Der Bundesgerichtshof (BGH) verdeutlichte dies in einer wegweisenden Entscheidung (BGH, Urteil vom 17.12.2013 – VI ZR 386/13):

  • Vorsätzlich unwahre Tatsachenbehauptung (bewusste Lüge):
    Liegt dann vor, wenn jemand bewusst und gezielt eine falsche Behauptung verbreitet, um einer anderen Person Schaden zuzufügen. Ein typisches Beispiel wäre, wenn jemand bewusst falsche Vorwürfe in Umlauf bringt, um den Ruf eines Konkurrenten gezielt zu zerstören. Dies erfüllt oft den Straftatbestand der Verleumdung und begründet zusätzlich Schadensersatzansprüche.
  • Fahrlässig unwahre Tatsachenbehauptung:
    Fahrlässigkeit bedeutet, dass jemand eine unwahre Behauptung äußert, ohne zuvor die nötige Sorgfalt bei der Überprüfung ihrer Richtigkeit angewendet zu haben. Wer beispielsweise ungeprüft ein Gerücht weiterverbreitet, könnte sich zivilrechtlich haftbar machen, auch wenn er nicht bewusst gelogen hat.

Der BGH hat in diesem Urteil hervorgehoben, dass Journalisten und Medien besondere Sorgfaltspflichten treffen. Werden unwahre Tatsachenbehauptungen fahrlässig verbreitet, etwa aufgrund mangelhafter Recherche, können erhebliche Schadensersatzansprüche entstehen, selbst wenn kein Vorsatz vorlag.

Praxisbeispiele: Google-Bewertungen und Presseberichte

Um diese rechtlichen Grundsätze greifbar zu machen, hier einige typische Praxisbeispiele aus der Rechtsprechung:

Beispiel 1: Negative Google-Bewertung mit unwahrer Behauptung
Ein Kunde schreibt in einer Google-Bewertung„Dieser Händler verkauft gebrauchte Ware als neu!“, obwohl das nicht stimmt. War ihm bewusst, dass diese Aussage unwahr war, macht er sich strafbar. Selbst wenn er dies nicht wusste und lediglich leichtfertig handelte, etwa weil er die Ware nicht näher geprüft hatte, entstehen zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Löschung der Bewertung (LG Hamburg, Az. 324 O 63/17). Zusätzlich kann der Händler Schadensersatz verlangen, sofern er einen konkreten Schaden durch diese unwahre Bewertung nachweisen kann.

Beispiel 2: Fahrlässige Falschbehauptung in Presseartikeln
Ein Journalist behauptet in einem Online-Artikel, ein Unternehmer sei in Ermittlungen wegen Steuerbetrugs verwickelt, ohne ausreichende Belege dafür zu haben. Es stellt sich später heraus, dass die Behauptung falsch war. Der Unternehmer kann gegen das Medium auf Unterlassung, Richtigstellung und Schadensersatz klagen (OLG Köln, Urteil vom 28.05.2019 – 15 U 160/18). Strafrechtliche Konsequenzen drohen hier jedoch nur, wenn die unwahre Behauptung vorsätzlich verbreitet wurde – beispielsweise wenn dem Journalisten bewusst war, dass die Behauptung unwahr war, und er trotzdem berichtete.

Was folgt daraus für die Praxis?

Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig die sorgfältige Überprüfung von Tatsachenbehauptungen ist, bevor sie veröffentlicht oder verbreitet werden. Selbst wenn man gutgläubig handelt, können unwahre Aussagen erhebliche juristische und finanzielle Konsequenzen nach sich ziehen.

Der weit verbreitete Irrtum, dass jede unwahre Aussage strafbar ist, ist also zu korrigieren: Strafbar sind in erster Linie bewusst oder zumindest wissentlich falsche Behauptungen. Doch auch fahrlässige Falschbehauptungen können zu erheblichen zivilrechtlichen Folgen führen, die Betroffene finanziell schwer belasten können.

Fazit: Vorsicht bei Tatsachenbehauptungen

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Nicht jede unwahre Tatsachenbehauptung führt automatisch zu strafrechtlichen Konsequenzen. Entscheidend ist vielmehr, ob Vorsatz oder zumindest wissentliche Fahrlässigkeit vorliegt. Unabhängig davon drohen allerdings stets zivilrechtliche Folgen. Jeder, der öffentlich Tatsachen verbreitet – ob als Journalist, Blogger, in sozialen Netzwerken oder in Online-Bewertungen – sollte deshalb äußerst sorgfältig vorgehen und Aussagen gründlich überprüfen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.

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Rechtsirrtümer bei Online-Äußerungen und Social Media

„Im Internet gelten andere Regeln“

Ein weit verbreiteter und hartnäckiger Irrtum lautet: „Im Internet gelten andere Regeln – hier darf ich schreiben, was ich will.“ Diese Annahme könnte kaum weiter von der Realität entfernt sein. Auch wenn im digitalen Raum vieles lockerer, spontaner und weniger kontrolliert erscheint, gelten für Online-Äußerungen exakt dieselben rechtlichen Maßstäbe wie in der realen Welt. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Tatsächlich beschäftigen sich deutsche Gerichte inzwischen regelmäßig mit Streitigkeiten rund um Äußerungen auf Bewertungsplattformen, sozialen Netzwerken und Blogs.

Irrtum: Das Internet als rechtsfreier Raum (BGH VI ZR 34/15)

Schon im Jahr 2015 stellte der Bundesgerichtshof (BGH) in einer wegweisenden Entscheidung (BGH, Urteil vom 28. Juli 2015 – VI ZR 34/15) ausdrücklich klar, dass die Meinungsfreiheit im Internet zwar umfassend geschützt ist, jedoch eindeutige rechtliche Grenzen besitzt. Im konkreten Fall ging es um eine beleidigende und diffamierende Äußerung, die ein Nutzer anonym auf einem Internetportal veröffentlicht hatte. Der BGH machte deutlich, dass die Grundrechte und Persönlichkeitsrechte online genauso intensiv geschützt werden müssen wie offline.

Die Entscheidung führte zur wichtigen Klarstellung, dass auch Betreiber von Internetplattformen und Bewertungsportalen zur Prüfung und gegebenenfalls zur Entfernung rechtswidriger Inhalte verpflichtet sind, wenn sie Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit erlangen. Nutzer sollten sich daher bewusst sein, dass auch im digitalen Raum jede Aussage rechtliche Folgen haben kann – sowohl strafrechtlich als auch zivilrechtlich.

Bedeutung der Rechtsprechung zu Online-Bewertungen (BGH VI ZR 496/18)

Besonders sichtbar wird die rechtliche Bedeutung von Äußerungen im Internet bei Online-Bewertungen, beispielsweise auf Google, Jameda oder anderen Portalen. Nutzer fühlen sich oft anonym und geschützt und formulieren entsprechend drastisch. Doch der Bundesgerichtshof betonte im sogenannten „Jameda-Urteil“ (BGH, Urteil vom 20. Februar 2018 – VI ZR 496/18), dass auch vermeintlich harmlose negative Online-Bewertungen rechtlich relevant sind und geprüft werden müssen.

Im genannten Urteil wurde deutlich, dass Bewertungsplattformen auf Beanstandung des Betroffenen die Behauptungen ihrer Nutzer auf Plausibilität überprüfen müssen. Stellt sich heraus, dass eine Bewertung offensichtlich unwahr oder diffamierend ist, hat der Betreiber die Pflicht, diese Äußerung zu löschen. Dies gilt insbesondere dann, wenn nicht nachweisbar ist, dass der Bewertende überhaupt Kunde oder Patient der bewerteten Person war.

Durch diese Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass Nutzer und Plattformbetreiber gleichermaßen Verantwortung tragen, wenn es um wahrheitsgemäße und sachlich gerechtfertigte Kritik im Internet geht.

Praxisbeispiele: Was ist erlaubt und was nicht?

Um die Tragweite der Rechtsprechung verständlicher zu machen, hier einige Beispiele:

  • Erlaubte Online-Äußerung:
    Ein Kunde bewertet ein Hotel auf Google:
    „Zimmer war unsauber, der Service langsam und das Frühstück nicht schmackhaft.“
    Dies ist eine subjektive Bewertung und somit von der Meinungsfreiheit geschützt, solange der Nutzer tatsächlich Gast war und die Bewertung nicht offensichtlich unwahr oder beleidigend ist.
  • Unzulässige Online-Äußerung:
    Jemand veröffentlicht anonym auf Facebook:
    „Herr X ist ein Betrüger und zockt alle Kunden ab!“
    Dies stellt eine strafbare Tatsachenbehauptung (Verleumdung) dar, die strafrechtlich und zivilrechtlich verfolgt werden kann, wenn diese Behauptung unwahr ist oder nicht nachweislich zutrifft.
  • Bewertungen ohne tatsächlichen Kontakt:
    Ein Arzt erhält eine negative Jameda-Bewertung von jemandem, der nie Patient in seiner Praxis war. Der BGH stellte klar, dass Jameda in solchen Fällen verpflichtet ist, die Bewertung zu entfernen, wenn der Nutzer nicht glaubhaft machen kann, tatsächlich Patient gewesen zu sein (BGH VI ZR 496/18).

Fazit und Tipps für die Praxis

Die weit verbreitete Annahme, im Internet herrsche nahezu grenzenlose Freiheit, führt häufig zu juristischen Auseinandersetzungen und unangenehmen Überraschungen. Nutzer sollten sich bewusst machen, dass jede Äußerung – ob anonym oder mit Klarnamen – rechtliche Folgen haben kann. Gerade weil im Internet oft impulsiv geschrieben wird, ist besondere Vorsicht geboten.

Die Rechtsprechung macht deutlich, dass sowohl Nutzer als auch Betreiber von Internetplattformen Verantwortung tragen. Um auf der sicheren Seite zu sein, sollte man sich daher an folgende Grundsätze halten:

  • Formulieren Sie Online-Bewertungen oder kritische Kommentare stets sachlich und wahrheitsgemäß.
  • Verbreiten Sie keine Behauptungen, deren Wahrheit Sie nicht sicher belegen können.
  • Bedenken Sie, dass vermeintliche Anonymität Sie nicht vor juristischen Konsequenzen schützt.

Das Internet ist keineswegs ein rechtsfreier Raum – die gleichen Regeln, die in der realen Welt gelten, gelten ebenso im digitalen Raum. Dies sollte jeder berücksichtigen, der online aktiv ist, um rechtliche Risiken zu vermeiden.

„Anonyme Äußerungen sind nicht verfolgbar“

Ein weit verbreiteter Rechtsirrtum bei Online-Äußerungen lautet: „Wenn ich etwas anonym im Internet schreibe, kann mir nichts passieren – man weiß ja nicht, wer ich bin.“ Tatsächlich fühlen sich viele Nutzer hinter anonymen Accounts, Fantasienamen oder Pseudonymen im Internet sicher und gehen davon aus, dass beleidigende, diffamierende oder unwahre Äußerungen keinerlei rechtliche Konsequenzen haben können. Doch dieser Irrtum kann kostspielig werden. Denn anonyme Äußerungen sind keineswegs unantastbar, sondern rechtlich durchaus verfolgbar.

Wie können anonyme Urheber ermittelt werden? (BGH VI ZR 476/18)

Die Rechtsprechung beschäftigt sich immer häufiger mit der Frage, wie man anonyme Urheber von rechtswidrigen Aussagen im Internet identifizieren kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat hierzu in einer wegweisenden Entscheidung (BGH, Urteil vom 1. Juli 2014 – VI ZR 345/13 sowie erneut bestätigt in BGH, Urteil vom 6. Februar 2018 – VI ZR 476/18) klargestellt, dass Plattformbetreiber wie Bewertungsportale, soziale Netzwerke oder Webseitenbetreiber verpflichtet sind, bei schwerwiegenden Persönlichkeitsrechtsverletzungen Nutzerdaten preiszugeben oder zumindest zur Ermittlung beizutragen.

So hat der BGH ausdrücklich festgestellt, dass der Betreiber einer Internetplattform, der Kenntnis von einer Rechtsverletzung erhält, die Pflicht hat, gegen den anonymen Urheber vorzugehen, ihn gegebenenfalls zur Stellungnahme aufzufordern oder sogar Daten an den Geschädigten herauszugeben. In der Praxis bedeutet dies: Wenn Sie von einer anonymen Bewertung oder einem anonymen Kommentar massiv beleidigt oder verleumdet werden, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den anonymen Urheber zu ermitteln – entweder durch Mithilfe des Plattformbetreibers oder im Wege eines gerichtlichen Auskunftsanspruchs (§ 14 Abs. 3-5 Telemediengesetz, TMG).

Praxisbeispiele: Strafbarkeit und Verfolgung anonymer Bewertungen

Um besser zu verstehen, wie Gerichte diese Fälle beurteilen, folgen einige anschauliche Beispiele aus der Praxis:

Beispiel 1: Anonyme Google-Bewertung mit schwerer Beleidigung
Ein Nutzer veröffentlicht anonym eine Bewertung zu einem Arzt und schreibt:
„Dieser Arzt ist ein Betrüger und sollte keine Patienten behandeln dürfen!“

Diese Behauptung ist massiv persönlichkeitsverletzend und erfüllt die Merkmale der strafbaren Verleumdung (§ 187 StGB). Der betroffene Arzt kann Google auffordern, die Bewertung zu löschen. Gleichzeitig kann er von Google im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens verlangen, die IP-Adresse und die bei Google vorhandenen Nutzerdaten herauszugeben. Diese Daten ermöglichen dann eine Rückverfolgung zum Nutzer, insbesondere, wenn die Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts einer Straftat ermittelt.

Beispiel 2: Facebook-Kommentar mit rassistischem Inhalt
Ein Nutzer postet anonym auf Facebook rassistische Hetze gegen eine bestimmte Person oder Gruppe. Auch hier greifen strafrechtliche Ermittlungen, und Facebook muss auf Anordnung hin vorhandene Daten (z.B. IP-Adresse, E-Mail-Adressen, Registrierungsdaten) preisgeben. Die Strafverfolgungsbehörden können anschließend mithilfe dieser Daten den Urheber identifizieren, selbst wenn dieser zunächst anonym agiert hat.

Beispiel 3: Anonyme, falsche Anschuldigungen auf Bewertungsportalen
Ein Unternehmer wird auf einem Bewertungsportal anonym als „Betrüger“ oder „Krimineller“ diffamiert. Auch hier entsteht ein Anspruch auf Löschung und Ermittlung der Identität des anonymen Nutzers, wenn sich zeigt, dass eine strafrechtlich relevante Ehrverletzung vorliegt. Plattformen wie Kununu, Jameda oder Google wurden von Gerichten bereits mehrfach verpflichtet, bei der Identifikation anonymer Nutzer zu kooperieren, um Rechtsverletzungen zu unterbinden.

Konsequenzen für die Praxis: Anonymität schützt nicht vor Haftung

Diese Praxisfälle machen deutlich, dass sich Nutzer keinesfalls hinter Anonymität verstecken können. Zwar mag es zunächst schwierig erscheinen, anonyme Täter zu identifizieren. Doch die moderne Rechtsprechung sowie technische Möglichkeiten der Ermittlungsbehörden sorgen dafür, dass anonyme Urheber zunehmend greifbar werden. Auch Gerichte gehen inzwischen hart gegen Plattformbetreiber vor, die sich weigern, rechtsverletzende Äußerungen zu löschen oder zur Ermittlung von Tätern beizutragen.

Anonyme Nutzer sollten daher bedenken, dass sie sich im Fall von Persönlichkeitsrechtsverletzungen strafbar machen können – und dies in der Praxis tatsächlich verfolgt wird. Gerade bei schweren Ehrverletzungen oder verleumderischen Aussagen drohen empfindliche Strafen und zivilrechtliche Schadensersatzforderungen.

Fazit: Keine sichere Zuflucht im anonymen Internet

Zusammenfassend ist festzuhalten: Die Annahme, dass anonyme Äußerungen nicht verfolgt werden könnten, ist ein erheblicher und gefährlicher Irrtum. Wer sich anonym zu ehrverletzenden, verleumderischen oder beleidigenden Aussagen hinreißen lässt, muss mit ernsthaften juristischen Konsequenzen rechnen. Plattformbetreiber sind rechtlich verpflichtet, zur Aufklärung beizutragen, und die Ermittlungsbehörden haben heutzutage vielfältige Mittel, um die Identität anonymer Nutzer festzustellen.

Der beste Rat lautet daher:

  • Verzichten Sie auch unter vermeintlichem Schutz der Anonymität auf beleidigende oder diffamierende Aussagen.
  • Bedenken Sie, dass Anonymität im Internet nie absolut ist und keinesfalls vor Strafverfolgung schützt.

Wer sich im digitalen Raum verantwortungsbewusst äußert, vermeidet nicht nur rechtliche Risiken, sondern trägt zu einer faireren, konstruktiven Diskussionskultur im Internet bei.

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Irrtümer über Zitate und Weiterverbreitung

„Ich darf Aussagen Dritter jederzeit verbreiten“

Ein weiterer verbreiteter Irrtum im Äußerungsrecht ist die Annahme: „Wenn ich nur die Aussage einer anderen Person teile oder zitiere, bin ich rechtlich auf der sicheren Seite. Schließlich stammt die Aussage ja gar nicht von mir.“ Doch tatsächlich kann auch die bloße Weitergabe oder Verbreitung fremder Äußerungen erhebliche rechtliche Konsequenzen haben. Wer eine fremde Aussage zitiert oder in sozialen Netzwerken weiterverbreitet, macht sich diese grundsätzlich zu eigen und haftet in vielen Fällen für deren Inhalt – auch wenn er diese Aussage nicht selbst formuliert hat.

Wann hafte ich für fremde Äußerungen? (BVerfG NJW-RR 2017, 1003)

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) stellte in einer vielbeachteten Entscheidung klar (BVerfG NJW-RR 2017, 1003), dass bereits das bloße Weiterverbreiten einer fremden Aussage eine eigenständige Rechtsverletzung darstellen kann. Denn wer fremde Inhalte verbreitet, trägt grundsätzlich Verantwortung für deren Inhalt – insbesondere, wenn dadurch Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt werden.

Die Gerichte unterscheiden hier insbesondere zwischen einer sogenannten „distanzierenden Weitergabe“ und einer „zustimmenden Weitergabe“:

  • Distanzierende Weitergabe:
    Wird eine fremde Aussage ausdrücklich kritisch oder ablehnend kommentiert, so ist die Haftung oft geringer. Allerdings kann auch eine distanzierende Wiedergabe problematisch sein, wenn die Aussage eine schwere Ehrverletzung oder eine schwerwiegende unwahre Behauptung enthält und die Verbreitung dennoch zur Bekanntmachung beiträgt.
  • Zustimmende Weitergabe (Identifikation mit dem Inhalt):
    Wer hingegen Aussagen Dritter teilt oder zitiert, ohne sich eindeutig davon zu distanzieren, wird rechtlich so behandelt, als hätte er die Aussage selbst getroffen. In diesem Fall haftet der Verbreiter in vollem Umfang – strafrechtlich sowie zivilrechtlich.

Praxisbeispiele: Retweets, Facebook-Posts und Blog-Kommentare

Um diese rechtlichen Grundsätze besser zu verstehen, folgen einige typische Beispiele aus der Praxis, die zeigen, wie schnell man als Nutzer rechtlich in Schwierigkeiten geraten kann:

Beispiel 1: Retweet einer beleidigenden Aussage
Ein Nutzer auf Twitter verbreitet („retweetet“) einen Tweet, der eine bekannte Persönlichkeit als „Betrüger“ bezeichnet. Obwohl er selbst die Behauptung nicht verfasst hat, macht er sich durch das Weiterverbreiten die Aussage rechtlich zu eigen und kann somit haftbar gemacht werden. Der Betroffene kann sowohl gegen den ursprünglichen Urheber als auch gegen denjenigen vorgehen, der die beleidigende Aussage weiterverbreitet hat.

Beispiel 2: Teilen eines diffamierenden Facebook-Posts
Auf Facebook teilt ein Nutzer einen fremden Beitrag, in dem behauptet wird, ein bestimmter Politiker sei korrupt. Die Aussage stellt sich später als unwahr heraus. Der Politiker kann nicht nur gegen den ursprünglichen Urheber der unwahren Behauptung, sondern ebenso gegen alle Nutzer vorgehen, die diese unwahre Behauptung weiterverbreitet und sich damit identifiziert haben. Das gilt insbesondere dann, wenn keine klare Distanzierung erkennbar war.

Beispiel 3: Veröffentlichung von Blog-Kommentaren
Ein Blog-Betreiber lässt einen Kommentar zu, in dem jemand behauptet, ein bestimmter Unternehmer habe seine Kunden betrogen. Der Blog-Betreiber haftet nun ebenfalls für diese Aussage, sobald er Kenntnis von der rechtswidrigen Äußerung erlangt und diese nicht unverzüglich löscht oder wenigstens überprüft. Laut Rechtsprechung ist er dazu verpflichtet, solche Aussagen umgehend zu entfernen, um sich selbst vor zivilrechtlichen Ansprüchen zu schützen.

Rechtliche Folgen der Weiterverbreitung fremder Äußerungen

Die rechtlichen Konsequenzen können erheblich sein und umfassen unter anderem:

  • Unterlassungsansprüche: Betroffene Personen können verlangen, dass diffamierende Äußerungen gelöscht und nicht weiter verbreitet werden.
  • Schadensersatzansprüche: Wenn ein konkreter finanzieller Schaden entsteht (z.B. Umsatzeinbußen durch negative Bewertungen), kann Schadensersatz verlangt werden.
  • Strafrechtliche Folgen: Wenn eine Verleumdung (§ 187 StGB), Üble Nachrede (§ 186 StGB) oder eine Beleidigung (§ 185 StGB) verbreitet wird, droht eine strafrechtliche Verfolgung, die bis hin zu Geld- oder sogar Freiheitsstrafen führen kann.

Was heißt das konkret für Nutzer sozialer Medien und Webseitenbetreiber?

Die Rechtsprechung macht deutlich, dass Nutzer sozialer Netzwerke, Blogger und Webseitenbetreiber erhebliche Sorgfaltspflichten treffen, wenn sie Inhalte Dritter verbreiten. Folgende Grundregeln sollten unbedingt beachtet werden:

  • Prüfen Sie fremde Inhalte kritisch, bevor Sie sie teilen oder weiterverbreiten. Fragen Sie sich, ob die Aussage nachweislich wahr und sachlich gerechtfertigt ist.
  • Distanzieren Sie sich ausdrücklich von fragwürdigen oder potenziell rechtswidrigen Äußerungen, wenn Sie sie im Rahmen einer kritischen Berichterstattung verwenden.
  • Löschen Sie problematische Kommentare und Inhalte umgehend, sobald Sie Kenntnis von deren Rechtswidrigkeit erhalten.

Fazit: Haftung durch Zitate und Weiterverbreitung nicht unterschätzen

Zusammenfassend gilt: Die verbreitete Annahme, Aussagen Dritter jederzeit unproblematisch zitieren oder verbreiten zu können, ist falsch. Wer fremde Äußerungen übernimmt, trägt dafür stets eine erhebliche rechtliche Verantwortung. Gerade im digitalen Zeitalter, wo Inhalte in Sekundenschnelle geteilt werden, sollten Nutzer besondere Vorsicht walten lassen und sicherstellen, dass sie keine rechtswidrigen Aussagen verbreiten.

Wer sich bewusst macht, dass er beim Zitieren und Teilen fremder Aussagen nicht von Haftung befreit ist, vermeidet unnötige juristische Konflikte und schützt sich effektiv vor möglichen Schadensersatzforderungen und strafrechtlichen Konsequenzen.

„Wer nur zitiert, kann nicht haftbar gemacht werden“

Ein weiterer weit verbreiteter Irrtum im Äußerungsrecht lautet: „Wenn ich eine Aussage nur zitiere, kann ich dafür nicht haftbar gemacht werden – ich gebe ja bloß wieder, was jemand anderes gesagt hat.“ Diese Annahme klingt zunächst plausibel, doch tatsächlich kann das bloße Zitieren fremder Äußerungen sehr wohl zu einer rechtlichen Haftung führen. Denn wer ein Zitat verwendet, übernimmt zugleich Verantwortung dafür, wie es eingeordnet und wiedergegeben wird.

Die entscheidende Frage lautet dabei immer, ob das Zitat deutlich als fremde Äußerung erkennbar und angemessen eingeordnet ist oder ob sich der Zitierende die fremde Aussage zu eigen macht. Gerade in der Presseberichterstattung und bei Beiträgen in sozialen Netzwerken lauern hier oft unterschätzte rechtliche Risiken.

Haftung für fremde Zitate und Einordnungspflicht (BGH VI ZR 230/17)

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat zu dieser Problematik eine klare rechtliche Grenze gezogen (BGH, Urteil vom 21. November 2017 – VI ZR 230/17). Nach Auffassung des BGH ist jeder, der ein fremdes Zitat verwendet, verpflichtet, dieses Zitat angemessen einzuordnen und sich klar davon zu distanzieren, wenn es potenziell rechtsverletzend oder persönlichkeitsverletzend ist.

Eine Haftung entsteht insbesondere dann, wenn sich der Zitierende die fremde Aussage durch die Art und Weise der Darstellung erkennbar zu eigen macht. Eine fehlende oder unzureichende Distanzierung reicht bereits aus, um eine zivilrechtliche Haftung auszulösen. Das bedeutet konkret: Wer beispielsweise eine unwahre oder beleidigende Äußerung einer dritten Person zitiert, haftet hierfür genauso, als hätte er sie selbst getroffen, sofern er sich nicht deutlich genug von ihr abgrenzt.

Praxisbeispiel aus der Presseberichterstattung (LG Köln 28 O 11/17)

Ein anschauliches Beispiel für diese Haftung aus der Praxis lieferte das Landgericht Köln (LG Köln, Urteil vom 11. Oktober 2017 – 28 O 11/17):

In diesem Fall hatte ein Nachrichtenportal eine Pressemitteilung einer Organisation veröffentlicht, in der schwerwiegende Vorwürfe gegen eine Privatperson erhoben wurden. Das Nachrichtenportal hatte diese Pressemitteilung lediglich übernommen, ohne klar darauf hinzuweisen, dass es sich um unbewiesene Behauptungen handelte und ohne sich erkennbar davon zu distanzieren. Die Privatperson klagte daraufhin gegen das Portal auf Unterlassung und Schadensersatz wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung.

Das Gericht entschied eindeutig zugunsten des Klägers und stellte klar, dass derjenige, der fremde Aussagen übernimmt, verpflichtet ist, diese Aussagen entweder umfassend auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen oder aber eindeutig darauf hinzuweisen, dass die Aussagen ungeprüft und nicht bestätigt sind. Da dies in dem Fall nicht erfolgt war, haftete das Portal genauso, als hätte es die unwahre und persönlichkeitsverletzende Aussage selbst getroffen.

Wann hafte ich für ein fremdes Zitat?

Aus der Rechtsprechung ergibt sich somit eine klare Einordnungspflicht für Zitate. Folgende Situationen führen typischerweise zu einer Haftung:

  • Identifikation mit dem Zitat:
    Wer fremde Zitate in einer Weise übernimmt, die den Eindruck vermittelt, dass er sie als eigene Meinung vertritt oder deren Richtigkeit unterstützt, haftet voll für deren Inhalt.
  • Fehlende Distanzierung:
    Wird ein Zitat übernommen, ohne darauf hinzuweisen, dass der Inhalt ungesichert oder umstritten ist, und entsteht dadurch der Eindruck, die Aussage sei wahr oder bestätigt, entsteht eine Haftung.
  • Fehlende Quellenkritik:
    Wer Zitate verwendet, ohne den Wahrheitsgehalt oder die Glaubwürdigkeit der Quelle zu prüfen, haftet ebenfalls, wenn sich herausstellt, dass das Zitat rechtsverletzend ist.

Praxisbeispiele: Wie vermeidet man Haftung beim Zitieren?

Um Missverständnisse zu vermeiden, hier ein paar praktische Beispiele:

  • Haftungsfreies Zitieren:
    Ein Journalist berichtet über Vorwürfe gegen einen Politiker und schreibt deutlich:
    „Die Vorwürfe wurden bisher nicht bestätigt, der Politiker bestreitet die Anschuldigungen ausdrücklich.“
    In diesem Fall haftet der Journalist nicht, da er die Vorwürfe sachlich einordnet und keine Tatsachenbehauptungen übernimmt.
  • Haftung aufgrund fehlender Einordnung:
    Derselbe Journalist übernimmt unkommentiert die Behauptung:
    „Laut Augenzeugen hat Politiker XY Schmiergelder angenommen.“
    Ohne Prüfung der Richtigkeit und ohne klaren Hinweis auf Unklarheit entsteht hier sofort eine Haftung des Journalisten, falls sich herausstellt, dass die Behauptung falsch oder nicht beweisbar ist.

Konsequenzen für die Praxis: Sorgfaltspflicht beim Zitieren beachten

Gerade im Bereich der Medien, Blogs und sozialen Netzwerke besteht eine hohe Gefahr der Haftung durch unbedachte Zitate. Wer fremde Aussagen übernimmt, muss sorgfältig prüfen, wie er diese Zitate verwendet und ob er seiner Einordnungspflicht ausreichend nachkommt.

  • Prüfen Sie immer, ob das Zitat objektiv wahr oder zumindest glaubhaft ist.
  • Falls Zweifel bestehen, weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass es sich um ungeprüfte oder streitige Aussagen handelt.
  • Distanzieren Sie sich klar und deutlich von zweifelhaften oder fragwürdigen Inhalten.

Fazit: Zitieren bedeutet Verantwortung übernehmen

Zusammenfassend gilt: Der weit verbreitete Irrtum, durch bloßes Zitieren könne man sich jeder Haftung entziehen, ist falsch. Wer fremde Aussagen verwendet, übernimmt automatisch Verantwortung für deren Inhalt. Das betrifft insbesondere Journalisten, Blogger und Nutzer sozialer Medien.

Nur durch eine klare und sorgfältige Einordnung der fremden Aussagen lässt sich vermeiden, dass man für Inhalte Dritter haftbar gemacht wird. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Zitaten schützt Sie nicht nur vor juristischen Risiken, sondern erhöht auch Ihre Glaubwürdigkeit und Professionalität im Umgang mit sensiblen Themen.

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Rechtsirrtümer bei Satire und Karikaturen

Ein besonders populärer und hartnäckiger Irrtum rund um das Äußerungsrecht lautet: „Satire darf alles.“ Dieser Satz ist vielen bekannt und verleitet dazu, zu glauben, Satire sei eine Art rechtliche Freikarte, um Grenzen der persönlichen Ehre oder des guten Geschmacks problemlos zu überschreiten. Doch die Realität sieht anders aus. Zwar genießt Satire einen besonders hohen Schutz, gerade weil sie gesellschaftliche Kritik auf humorvolle, spöttische oder überspitzte Art formuliert. Trotzdem hat auch Satire klare rechtliche Grenzen – insbesondere dann, wenn sie tiefgreifend in Persönlichkeitsrechte eingreift.

Wann ist Satire rechtlich erlaubt? – Das „Titanic-Urteil“ (BVerfGE 86, 1)

Das Bundesverfassungsgericht stellte bereits 1990 im sogenannten „Titanic-Urteil“ (BVerfGE 86, 1) klar, dass Satire grundsätzlich sehr weitgehenden Schutz unter Artikel 5 des Grundgesetzes (Meinungs- und Kunstfreiheit) genießt. Die damals umstrittene Karikatur in der Satirezeitschrift „Titanic“ zeigte Politiker Franz Josef Strauß in einer Weise, die viele als extrem beleidigend empfanden. Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch zugunsten der Satirezeitschrift und betonte:

  • Satire darf grundsätzlich übertreiben, verzerren und polemisch zuspitzen.
  • Sie darf sogar verletzend oder provozierend sein, solange die satirische Absicht erkennbar bleibt.
  • Entscheidend ist, ob die Satire noch einen Beitrag zur gesellschaftlichen Debatte liefert oder nur auf bloße Herabwürdigung abzielt.

Damit stellte das Gericht klar, dass Satire nicht bereits dann unzulässig ist, wenn sich jemand verletzt oder angegriffen fühlt. Satirische Aussagen dürfen provozieren und sogar unangenehm sein – allerdings gibt es auch hier klare Grenzen.

Irrtum: „Satire darf alles“ – Die Grenzen der Satire (Böhmermann-Fall, LG Hamburg 324 O 402/16)

Ein besonders prominentes Beispiel dafür, dass auch Satire nicht unbegrenzt zulässig ist, lieferte der sogenannte „Böhmermann-Fall“. Im Jahr 2016 veröffentlichte der Satiriker Jan Böhmermann in seiner Sendung „Neo Magazin Royale“ ein Gedicht, das den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bewusst drastisch und beleidigend darstellte. Das Gedicht führte zu einem juristischen Streit vor dem Landgericht Hamburg (LG Hamburg, Urteil vom 10. Februar 2017 – 324 O 402/16).

Das Gericht kam zu der Einschätzung, dass Böhmermanns „Schmähgedicht“ in Teilen nicht mehr vom Schutzbereich der Satire gedeckt war, sondern die Grenze zur Schmähkritik überschritten hatte. Nach Auffassung der Richter handelte es sich teilweise nicht mehr um einen satirischen Beitrag zur politischen Diskussion, sondern um eine reine Herabwürdigung, die gezielt und massiv die Menschenwürde und persönliche Ehre Erdoğans angriff.

Damit wurde erneut bestätigt, dass die Meinungs- und Kunstfreiheit der Satire ihre Grenze erreicht, sobald eine Äußerung ausschließlich auf Diffamierung oder Schmähung abzielt, ohne erkennbaren Bezug zu einem ernsthaften gesellschaftlichen Anliegen oder zu einer aktuellen politischen Debatte.

Praxisbeispiele: Wo verläuft die Grenze der Satire?

Zur Verdeutlichung, wann Satire zulässig ist und wann nicht, einige konkrete Beispiele aus der Rechtsprechung und Praxis:

Zulässige Satire:

  • Karikatur eines Politikers:
    Eine Karikatur stellt einen Politiker satirisch als Marionette mächtiger Lobbyisten dar. Obwohl der Politiker dies als beleidigend empfinden könnte, ist dies rechtlich zulässig, da es eine erkennbare politische Kritik darstellt.
  • Satirische Übertreibung in TV-Sendungen:
    Ein Komiker bezeichnet in einer satirischen Sendung eine politische Entscheidung als „schwersten Fehler seit Erfindung des Rads“. Diese überspitzte Darstellung fällt klar unter den Schutz der Satire, da sie einen klaren Bezug zur politischen Diskussion hat und keine reine Herabsetzung der Person darstellt.

Unzulässige Satire (Schmähkritik):

  • Böhmermanns Schmähgedicht:
    Das Gedicht über Erdoğan enthielt Passagen, die nicht mehr als satirische Kritik zu werten waren, sondern ausschließlich der Beleidigung und Herabwürdigung dienten. Hier griffen die Gerichte ein und stellten klar, dass nicht jede herabsetzende Aussage unter den Deckmantel der Satire fällt.
  • Rein diffamierende Karikaturen:
    Eine Karikatur, die eine bekannte Person ausschließlich lächerlich macht, ohne Bezug zu gesellschaftlich relevanten Themen oder Debatten, ist rechtlich kritisch zu betrachten. Die Grenze zur strafbaren Beleidigung ist schnell überschritten.

Wie vermeiden Satiriker und Medien rechtliche Probleme?

Wer Satire oder Karikaturen nutzt, sollte daher stets folgende Grundregeln beachten, um rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben:

  • Satire sollte immer einen klar erkennbaren Bezug zu gesellschaftlichen, politischen oder öffentlichen Themen haben.
  • Persönliche Angriffe ohne jeden sachlichen Bezug, insbesondere solche, die gezielt darauf abzielen, jemanden bloßzustellen oder in seiner Würde zu verletzen, sind niemals von der Meinungsfreiheit gedeckt.
  • Überprüfen Sie Ihre satirischen Beiträge kritisch: Gibt es noch eine nachvollziehbare gesellschaftskritische Aussage, oder dient der Beitrag ausschließlich der Diffamierung?

Fazit: Satire darf viel, aber längst nicht alles

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Satz „Satire darf alles“ ist ein weitverbreiteter Irrtum. Zwar genießt Satire hohen Schutz und darf überspitzt, provokant und auch unbequem sein. Doch sie endet genau dort, wo sie ausschließlich zur Diffamierung und Herabwürdigung anderer dient.

Wer sich in der Praxis an den oben genannten Grundregeln orientiert und sicherstellt, dass satirische Äußerungen stets gesellschaftskritisch und nicht bloß persönlich herabsetzend sind, vermeidet rechtliche Risiken effektiv und nutzt Satire verantwortungsvoll als wertvolles Mittel der Meinungsäußerung.

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Rechtsirrtümer bei der Äußerung von Werturteilen über Unternehmen

Ein häufiger Irrtum im Bereich des Äußerungsrechts lautet: „Unternehmen haben keinen Persönlichkeitsschutz. Schließlich sind Unternehmen ja keine Menschen.“ Diese Annahme ist jedoch rechtlich falsch. Tatsächlich genießen auch Unternehmen – ähnlich wie natürliche Personen – rechtlichen Schutz gegen diffamierende oder ehrverletzende Äußerungen. In der Rechtsprechung hat sich der Begriff des Unternehmenspersönlichkeitsrechts etabliert. Es handelt sich dabei um eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die juristische Personen wie Unternehmen oder Organisationen schützt.

Unternehmen haben Persönlichkeitsschutz – Die rechtliche Grundlage

Zwar können Unternehmen tatsächlich nicht in derselben Weise beleidigt oder verletzt werden wie Menschen, dennoch genießen sie einen Schutz vor rufschädigenden Äußerungen. Insbesondere das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben in zahlreichen Urteilen bestätigt, dass Unternehmen berechtigt sind, sich gegen rufschädigende Kritik oder falsche Behauptungen zur Wehr zu setzen.

Die rechtliche Grundlage dafür ist das sogenannte Unternehmenspersönlichkeitsrecht, welches aus Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (freie Entfaltung der Persönlichkeit) in Verbindung mit Artikel 19 Abs. 3 Grundgesetz (Grundrechte gelten auch für juristische Personen) abgeleitet wird. Daraus folgt, dass Unternehmen sich gegen unzutreffende, diffamierende oder unangemessen herabsetzende Kritik rechtlich wehren können, sei es durch Unterlassungsansprüche oder Schadensersatzforderungen.

Praxisbeispiele: Welche Äußerungen über Unternehmen sind erlaubt – welche nicht?

Um ein besseres Verständnis dafür zu schaffen, wo die Grenze zulässiger Kritik an Unternehmen verläuft, hier einige anschauliche Praxisbeispiele:

Zulässige kritische Äußerungen:

  • Ein Kunde schreibt öffentlich:
    „Die Qualität der gelieferten Ware war schlecht, und der Kundenservice wirkte desinteressiert und unprofessionell.“
    Diese Äußerung ist als subjektive Bewertung zulässig, solange sie tatsächliche Erfahrungen widerspiegelt und nicht offensichtlich unwahr ist.
  • Ein Journalist berichtet über tatsächliche Probleme bei einem Unternehmen:
    „Firma XY wurde mehrfach wegen Verstößen gegen Umweltauflagen belangt.“
    Diese Aussage ist rechtlich erlaubt, wenn sie nachweislich wahr und sachlich korrekt ist.

Unzulässige Äußerungen (verletzen das Unternehmenspersönlichkeitsrecht):

  • Ein Konkurrent behauptet in sozialen Netzwerken ohne Beweise:
    „Firma XY betrügt systematisch ihre Kunden.“
    Diese Aussage stellt eine Tatsachenbehauptung dar und verletzt das Unternehmenspersönlichkeitsrecht, wenn sie unwahr oder nicht belegbar ist.
  • Ein Kunde bewertet anonym:
    „Das Unternehmen XY ist kriminell und verkauft nur gefälschte Produkte!“
    Hier handelt es sich um eine schwerwiegende, unwahre Tatsachenbehauptung, gegen die das Unternehmen rechtlich vorgehen kann.

Folgen der Verletzung des Unternehmenspersönlichkeitsrechts

Wenn die Grenzen zulässiger Äußerungen überschritten werden, können Unternehmen rechtlich mit folgenden Maßnahmen reagieren:

  • Unterlassungsanspruch:
    Das Unternehmen kann verlangen, dass die rechtswidrige Äußerung gelöscht und künftig nicht mehr verbreitet wird.
  • Schadensersatzanspruch:
    Hat das Unternehmen durch eine unwahre Behauptung nachweislich wirtschaftlichen Schaden erlitten, kann es Schadensersatz verlangen.
  • Gegendarstellungsanspruch:
    Bei falschen Behauptungen in Presseberichten kann ein Unternehmen eine Gegendarstellung verlangen, die in gleicher Weise veröffentlicht werden muss wie die ursprüngliche Aussage.

Fazit: Unternehmen haben Persönlichkeitsschutz – Vorsicht bei kritischen Aussagen

Zusammenfassend gilt: Der Irrtum, Unternehmen seien rechtlich ungeschützt und könnten keine Ansprüche gegen ehrverletzende oder unwahre Äußerungen geltend machen, ist falsch. Unternehmen genießen durchaus Schutz vor rufschädigenden und falschen Aussagen. Auch wenn kritische Werturteile grundsätzlich erlaubt bleiben, so dürfen diese nicht diffamierend, unwahr oder bewusst schädigend sein.

Wer öffentlich über Unternehmen spricht, bewertet oder kritisiert, sollte daher stets sachlich und wahrheitsgemäß formulieren, um rechtliche Risiken zu vermeiden. Denn wer gegen das Unternehmenspersönlichkeitsrecht verstößt, riskiert erhebliche rechtliche Konsequenzen.

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Rechtsfolgen unzulässiger Äußerungen

Wer unbedacht falsche, diffamierende oder ehrverletzende Aussagen verbreitet, riskiert erhebliche rechtliche Konsequenzen – sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich. Viele Menschen unterschätzen, welche weitreichenden Folgen ihre Aussagen tatsächlich haben können. Dabei reichen die möglichen Konsequenzen von gerichtlichen Verboten über hohe Schadensersatzforderungen bis hin zu empfindlichen Geld- und sogar Freiheitsstrafen.

Zivilrechtliche Folgen: Schadensersatz und Unterlassungsansprüche (§§ 823, 1004 BGB analog)

Das Zivilrecht gibt betroffenen Personen und Unternehmen die Möglichkeit, sich effektiv gegen rechtswidrige Äußerungen zu wehren. Grundlage hierfür sind insbesondere die Vorschriften der §§ 823 und 1004 BGB (analog), die vor allem folgende Ansprüche ermöglichen:

  • Unterlassungsanspruch:
    Wer Opfer einer unwahren oder ehrverletzenden Behauptung geworden ist, kann verlangen, dass diese Äußerung sofort gelöscht und künftig nicht erneut verbreitet wird. Dies erfolgt meist über eine Abmahnung mit Unterlassungserklärung oder durch einstweilige Verfügungen bei Gericht.
  • Schadensersatzanspruch:
    Neben der Löschung einer rechtswidrigen Aussage können Betroffene auch Schadensersatz verlangen, wenn durch die Äußerung ein nachweisbarer Schaden entstanden ist. Dies umfasst zum Beispiel entgangene Umsätze, Rufschädigung oder die Kosten für die Rechtsverfolgung.

Praxisbeispiele: Finanzielle Folgen rechtswidriger Äußerungen

Wie erheblich die finanziellen Folgen falscher oder ehrverletzender Aussagen in der Praxis sein können, zeigen folgende Beispiele aus der Rechtsprechung:

  • Beispiel 1: Unwahre Google-Bewertung
    Ein Kunde behauptete in einer Google-Bewertung wahrheitswidrig, ein Unternehmen habe ihn „abgezockt“ und „betrogen“. Das Unternehmen erwirkte die Löschung und erhielt vom Gericht Schadensersatz zugesprochen, da es einen Umsatzeinbruch unmittelbar nach Veröffentlichung der falschen Bewertung nachweisen konnte. Die Kosten beliefen sich auf mehrere tausend Euro.
  • Beispiel 2: Verleumdung im beruflichen Kontext
    Eine Person verbreitete gezielt falsche Gerüchte, ein Konkurrent würde „illegale Methoden“ nutzen, um Aufträge zu erhalten. Durch den entstandenen Vertrauensverlust verlor der Geschädigte Aufträge im fünfstelligen Bereich. Das Gericht sprach ihm daraufhin umfangreichen Schadensersatz zu.

Strafrechtliche Folgen: Geldstrafen und Freiheitsstrafen (§§ 185 ff. StGB)

Neben zivilrechtlichen Konsequenzen drohen bei besonders schwerwiegenden ehrverletzenden Äußerungen auch strafrechtliche Folgen. Die wichtigsten Straftatbestände in diesem Zusammenhang sind:

  • Beleidigung (§ 185 StGB):
    Wer eine andere Person vorsätzlich herabwürdigt, kann mit Geldstrafen oder sogar Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft werden.
  • Üble Nachrede (§ 186 StGB):
    Wer eine ehrverletzende Tatsache behauptet oder verbreitet, obwohl er nicht sicher weiß, ob diese wahr ist, macht sich strafbar und kann ebenfalls mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren rechnen.
  • Verleumdung (§ 187 StGB):
    Wer wider besseres Wissen eine unwahre Tatsache verbreitet, um jemanden zu schädigen, riskiert sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren.

Zusammenfassung: Welche Folgen drohen konkret?

Die rechtlichen Folgen rechtswidriger Äußerungen sind vielfältig und können erheblich sein:

  • Zivilrechtlich:
    • Unterlassungsansprüche (Löschung und Verbot der Wiederholung)
    • Schadensersatzforderungen (für Umsatzeinbußen, Rufschädigung etc.)
    • Anwalts- und Gerichtskosten, die schnell tausende Euro betragen können
  • Strafrechtlich:
    • Empfindliche Geldstrafen
    • Freiheitsstrafen, insbesondere bei bewusster Lüge oder schwerer Beleidigung

Fazit: Unzulässige Äußerungen können teuer werden

Wer vorschnell oder emotional Aussagen trifft, unterschätzt oft, welche erheblichen Folgen diese haben können. Rechtswidrige Äußerungen sind keinesfalls harmlos, sondern können sowohl finanziell als auch strafrechtlich gravierende Konsequenzen nach sich ziehen.

Der beste Schutz vor diesen Folgen ist, sich bewusst zu sein, welche rechtlichen Grenzen bei öffentlichen Äußerungen bestehen. Jeder sollte daher Äußerungen – ob online oder offline – sorgfältig prüfen, um rechtliche Risiken effektiv zu vermeiden. Denn wer hier zu leichtfertig handelt, zahlt häufig einen hohen Preis.

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Irrtümer zum Gegendarstellungsanspruch

Ein häufig verbreiteter Irrtum im Presserecht lautet: „Jeder kann immer eine Gegendarstellung verlangen.“ Tatsächlich handelt es sich beim Gegendarstellungsanspruch jedoch um ein sehr spezifisches Rechtsinstrument, das strengen gesetzlichen Voraussetzungen unterliegt und nur unter bestimmten Bedingungen geltend gemacht werden kann.

Wann besteht ein Gegendarstellungsanspruch (Presserecht)?

Der Gegendarstellungsanspruch ermöglicht es Betroffenen, in Pressemedien wie Zeitungen, Zeitschriften oder auf journalistischen Internetseiten eine eigene Darstellung eines Sachverhalts zu veröffentlichen, der zuvor in einer Berichterstattung falsch oder verzerrt dargestellt wurde. Wesentliche Voraussetzungen dafür sind:

  • Veröffentlichung in einem periodisch erscheinenden Medium:
    Gegendarstellungen können nur in regelmäßigen, periodischen Medien verlangt werden, also Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehsendungen oder Online-Nachrichtenseiten, die regelmäßig journalistische Inhalte veröffentlichen.
  • Tatsachenbehauptung, keine Meinungsäußerung:
    Der Anspruch auf Gegendarstellung besteht nur bezüglich Tatsachenbehauptungen, die objektiv überprüfbar sind. Meinungen oder Werturteile können hingegen nicht mit einer Gegendarstellung beantwortet werden, da sie subjektiv geprägt sind.
  • Unmittelbare persönliche Betroffenheit:
    Anspruchsberechtigt ist nur, wer unmittelbar und persönlich betroffen ist – das heißt, die veröffentlichte Behauptung muss konkret die betroffene Person identifizierbar nennen oder zumindest erkennbar meinen.
  • Kein Nachweis der Unwahrheit erforderlich:
    Wichtig: Für den Gegendarstellungsanspruch ist es nicht notwendig, die Unwahrheit der ursprünglichen Behauptung nachzuweisen. Es reicht bereits aus, dass man eine alternative Darstellung oder Sichtweise des gleichen Sachverhalts fordert.

Irrtum: „Jeder kann immer eine Gegendarstellung verlangen“

Diese Aussage ist ein klassischer Irrtum. Nicht jeder und nicht in jedem Fall besteht automatisch das Recht, eine Gegendarstellung zu verlangen. Insbesondere in folgenden Situationen besteht kein Anspruch:

  • Keine Betroffenheit:
    Wer nicht eindeutig persönlich von einer Tatsachenbehauptung betroffen ist, hat keinen Anspruch. Eine allgemeine Empörung über einen Artikel oder eine Äußerung reicht nicht aus.
  • Keine Tatsachenbehauptung:
    Gegen Meinungsäußerungen, satirische Darstellungen oder Werturteile besteht kein Anspruch auf eine Gegendarstellung. Hier kommen allenfalls Unterlassungs- oder Schadensersatzansprüche in Betracht.
  • Verspätete Forderung:
    Wenn die gesetzliche Frist (üblicherweise zwei Wochen nach Kenntnisnahme) versäumt wurde, entfällt der Anspruch.
  • Formale Fehler:
    Gegendarstellungen, die formell unklar, zu umfangreich oder inhaltlich völlig unsachlich sind, können abgelehnt werden.

Beispiel aus der Rechtsprechung: OLG München, Urteil vom 14. Januar 2020 – 18 U 1225/19

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG München, Urteil vom 14.01.2020 – 18 U 1225/19) verdeutlicht die engen Grenzen und spezifischen Anforderungen des Gegendarstellungsanspruchs:

Im konkreten Fall verlangte ein Kläger eine Gegendarstellung gegen einen Zeitungsartikel, der ihn seiner Ansicht nach falsch dargestellt hatte. Das OLG München entschied jedoch gegen den Kläger und stellte klar:

  • Eine Gegendarstellung ist nur dann zulässig, wenn eine Tatsachenbehauptung vorliegt, die den Betroffenen klar erkennbar betrifft.
  • Meinungsäußerungen oder allgemeine Wertungen sind von vornherein ungeeignet für eine Gegendarstellung.
  • Die Gegendarstellung darf sich nur auf konkrete Tatsachen beziehen, die zuvor behauptet wurden, und muss in angemessener Kürze verfasst sein.

Das Gericht betonte in diesem Fall, dass die vom Kläger geforderte Gegendarstellung zu allgemein formuliert war und überwiegend Wertungen enthielt. Deshalb bestand kein Anspruch auf Veröffentlichung der Gegendarstellung. Das Urteil verdeutlicht, dass Gerichte die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen streng prüfen und der Gegendarstellungsanspruch keineswegs automatisch besteht.

Konsequenzen für die Praxis: Tipps zur erfolgreichen Gegendarstellung

Um die Chancen auf eine erfolgreiche Gegendarstellung zu erhöhen, sollten Betroffene folgende praktische Hinweise beachten:

  • Prüfen Sie genau, ob es sich tatsächlich um eine Tatsachenbehauptung handelt und nicht lediglich um eine subjektive Meinung.
  • Formulieren Sie Ihre Gegendarstellung sachlich, klar und präzise.
  • Achten Sie unbedingt auf die Einhaltung der kurzen gesetzlichen Frist von meist zwei Wochen.
  • Holen Sie im Zweifel rechtlichen Rat ein, um formale Fehler zu vermeiden und die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen.

Fazit: Gegendarstellung als gezieltes Mittel – kein universeller Anspruch

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Gegendarstellungsanspruch ist ein wichtiges presserechtliches Instrument, um auf falsche oder verzerrte Darstellungen zu reagieren. Doch der verbreitete Irrtum, dass jedermann jederzeit eine Gegendarstellung verlangen könne, entspricht nicht der rechtlichen Realität. Es gibt klare Voraussetzungen und Grenzen, die Gerichte sorgfältig prüfen.

Nur wer diese Voraussetzungen kennt und beachtet, wird erfolgreich und effizient von seinem Recht auf Gegendarstellung Gebrauch machen können. Der Gegendarstellungsanspruch ist kein Allheilmittel, aber ein wirksames Instrument für diejenigen, die von Tatsachenbehauptungen unmittelbar betroffen sind und ihre eigene Sicht der Dinge klarstellen wollen.

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Verjährung und Durchsetzung von Ansprüchen

Ein häufiger Irrtum im Äußerungsrecht ist die Annahme, Ansprüche gegen rechtswidrige Äußerungen könnten jederzeit und unbegrenzt geltend gemacht werden, da Inhalte „im Internet ja ewig stehen bleiben“. Tatsächlich unterliegen auch Persönlichkeitsrechtsverletzungen klaren zeitlichen Grenzen, sogenannten Verjährungsfristen, die bestimmen, wie lange Betroffene gegen rechtswidrige Inhalte vorgehen können. Gleichzeitig besteht der weit verbreitete Irrtum, dass Inhalte im Internet für immer unveränderbar seien – dabei existieren klare rechtliche Löschungspflichten, die nicht selten unterschätzt werden.

Wann verjähren Ansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen?

Ansprüche auf Unterlassung, Löschung oder Schadensersatz bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen verjähren nicht unbegrenzt, sondern unterliegen klaren gesetzlichen Fristen. Entscheidend sind hier insbesondere folgende Regeln:

  • Unterlassungsansprüche:
    Ein Anspruch auf Unterlassung, also die Forderung, eine rechtswidrige Äußerung nicht erneut zu verbreiten, verjährt grundsätzlich innerhalb der sogenannten regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese Frist beginnt am Ende des Jahres zu laufen, in dem der Betroffene Kenntnis von der Äußerung und der Identität des Verursachers erlangt hat.
  • Schadensersatzansprüche:
    Ansprüche auf Schadensersatz (etwa wegen Rufschädigung oder Umsatzeinbußen) unterliegen ebenfalls der dreijährigen Regelverjährung gemäß § 195 BGB. Die Frist beginnt ebenfalls mit Kenntnisnahme des Betroffenen von der Rechtsverletzung und der Identität des Schädigers.
  • Besonderheit bei dauerhaften Veröffentlichungen im Internet:
    Eine Besonderheit besteht jedoch bei Äußerungen, die dauerhaft online abrufbar sind (z.B. Google-Bewertungen, Blog-Beiträge). Hier beginnt die Verjährung für jeden einzelnen Tag der Veröffentlichung neu („fortdauernde Rechtsverletzung“). Dies bedeutet praktisch, dass Ansprüche auf Löschung oder Unterlassung auch lange nach der erstmaligen Veröffentlichung noch durchgesetzt werden können, solange der Inhalt noch abrufbar ist.

Irrtum: „Im Internet bleibt alles ewig stehen“ – Löschungspflichten (EuGH C-131/12 „Google-Spain“-Urteil)

Ein verbreiteter Irrtum lautet: „Einmal online veröffentlicht, lässt sich nichts mehr löschen.“ Diese Annahme ist falsch. Tatsächlich bestehen für Internetplattformen und Suchmaschinen klare rechtliche Pflichten, rechtswidrige oder persönlichkeitsverletzende Inhalte zu löschen oder unauffindbar zu machen. Ein besonders bekanntes Urteil hierzu stammt vom Europäischen Gerichtshof (EuGH), das sogenannte „Google-Spain“-Urteil (EuGH, Urteil vom 13. Mai 2014 – C-131/12), das das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ begründete.

Was bedeutet das „Google-Spain“-Urteil?

Der EuGH entschied damals, dass Personen das Recht haben, Suchmaschinen zur Entfernung von Suchergebnissen aufzufordern, wenn diese Links auf Webseiten enthalten, die persönliche Daten enthalten, welche veraltet, irrelevant oder in anderer Weise unverhältnismäßig in das Privatleben eingreifen. Konkret ging es darum, dass Google Suchergebnisse löschen musste, die auf längst vergangene persönliche Sachverhalte (z.B. veraltete Zeitungsartikel über alte Schulden oder frühere Rechtsstreitigkeiten) hinwiesen. Das Urteil führte dazu, dass heute weltweit Millionen von Links auf Antrag von Betroffenen gelöscht wurden.

  • Folgen des Urteils:
    Suchmaschinenbetreiber müssen auf Antrag von Betroffenen prüfen, ob bestimmte Suchergebnisse gelöscht werden müssen, weil sie die Privatsphäre verletzen.
    Unternehmen wie Google haben umfangreiche Prozesse eingerichtet, um solche Löschanträge zu bearbeiten.

Praxisbeispiele zur Löschungspflicht:

  • Beispiel 1: Löschung alter Zeitungsberichte:
    Ein Unternehmer verlangte von Google die Löschung eines zehn Jahre alten Presseberichts, der über ein inzwischen vollständig erledigtes Insolvenzverfahren berichtete. Google musste diese Suchergebnisse nach Prüfung löschen, da der Bericht inzwischen veraltet war und kein überwiegendes öffentliches Interesse mehr bestand.
  • Beispiel 2: Löschung falscher Google-Bewertungen:
    Ein Arzt verlangte erfolgreich die Löschung falscher und ehrverletzender Bewertungen auf Google, da sie unwahre Tatsachenbehauptungen enthielten. Google musste nach Aufforderung und Prüfung die Bewertungen entfernen.

Was folgt daraus für Betroffene in der Praxis?

Für Personen und Unternehmen, deren Persönlichkeitsrechte verletzt wurden, bestehen also erhebliche rechtliche Möglichkeiten, rechtswidrige Inhalte effektiv zu beseitigen:

  • Löschung von Inhalten verlangen:
    Betroffene können direkt beim Betreiber einer Plattform (Google, Facebook, Bewertungsportale etc.) Löschung beantragen. Bei Verweigerung der Löschung kann dies gerichtlich durchgesetzt werden.
  • Unterlassungsansprüche geltend machen:
    Auch wenn ein Beitrag lange online steht, lässt sich ein Unterlassungsanspruch häufig noch durchsetzen, da jeder Abruf des Inhalts erneut eine Rechtsverletzung darstellt.
  • „Recht auf Vergessenwerden“ aktiv nutzen:
    Insbesondere das „Google-Spain“-Urteil bietet Privatpersonen und Unternehmen eine effektive Möglichkeit, unerwünschte Informationen aus Suchmaschinen dauerhaft entfernen zu lassen.

Fazit: Verjährung beachten – Löschung konsequent durchsetzen

Zusammenfassend lässt sich festhalten: Der Irrtum, dass im Internet veröffentlichte Inhalte ewig unveränderlich bleiben, ist falsch. Tatsächlich bestehen weitreichende Löschungspflichten und Möglichkeiten zur Rechtsdurchsetzung, die von Betroffenen konsequent genutzt werden sollten.

Zugleich sollten Betroffene beachten, dass Ansprüche aus Persönlichkeitsrechtsverletzungen klaren Verjährungsfristen unterliegen. Je früher Betroffene aktiv werden, desto besser können sie ihre Rechte effektiv und erfolgreich durchsetzen. Ein rechtzeitiges Handeln sichert dabei nicht nur persönliche Rechte, sondern verhindert auch langfristige, schwer korrigierbare Schäden.

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Fazit & Praxistipps

Im Äußerungsrecht kursieren zahlreiche hartnäckige Rechtsirrtümer, die häufig zu unerwarteten rechtlichen Konsequenzen führen. Umso wichtiger ist es, diese Irrtümer klarzustellen und die rechtlichen Grenzen genau zu kennen.

Zusammenfassung der wichtigsten Irrtümer:

  1. „Ich darf alles sagen – Meinungsfreiheit!“
    Tatsächlich endet die Meinungsfreiheit, sobald Aussagen persönlich diffamierend, beleidigend oder verleumderisch werden.
  2. „Negative Kritik ist nie strafbar.“
    Auch negative Kritik kann strafbar sein, wenn sie unwahre Tatsachen enthält oder allein der Herabsetzung dient (Schmähkritik).
  3. „Solange etwas wahr ist, darf ich es immer sagen.“
    Auch wahre Aussagen können unzulässig sein, wenn sie massiv in die Privatsphäre anderer eingreifen (z.B. alte Vorstrafen).
  4. „Unwahre Behauptungen sind immer strafbar.“
    Nicht jede unwahre Behauptung ist automatisch strafbar; entscheidend sind Vorsatz und Schwere der Rechtsverletzung. Zivilrechtliche Haftung entsteht aber oft auch bei fahrlässigen Falschbehauptungen.
  5. „Im Internet gelten andere Regeln.“
    Das Internet ist kein rechtsfreier Raum; hier gelten dieselben rechtlichen Maßstäbe wie in der Offline-Welt, besonders bei Online-Bewertungen und Social Media.
  6. „Anonyme Äußerungen können nicht verfolgt werden.“
    Anonyme Äußerungen sind keineswegs unantastbar. Plattformbetreiber und Behörden haben Möglichkeiten, Nutzer auch anonym zu identifizieren.
  7. „Wer nur Aussagen anderer weiterverbreitet oder zitiert, haftet nicht.“
    Wer Zitate verwendet, haftet unter Umständen voll für deren Inhalt, wenn keine ausreichende Distanzierung oder Einordnung erfolgt.
  8. „Satire darf alles.“
    Satire darf zwar vieles, doch reine Schmähungen oder Diffamierungen sind unzulässig.
  9. „Unternehmen haben keinen Persönlichkeitsschutz.“
    Unternehmen genießen Schutz vor diffamierenden, unwahren oder geschäftsschädigenden Aussagen und können juristisch dagegen vorgehen.
  10. „Jeder kann immer eine Gegendarstellung verlangen.“
    Ein Gegendarstellungsanspruch ist an klare Voraussetzungen geknüpft und keinesfalls universell verfügbar.
  11. „Im Internet bleibt alles ewig stehen.“
    Betroffene haben effektive rechtliche Möglichkeiten, Inhalte löschen zu lassen („Recht auf Vergessenwerden“). Allerdings gelten hierfür klare Verjährungsfristen.

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Praktische Handlungsempfehlungen für sichere Kommunikation

  • Sachlich bleiben: Formulieren Sie Kritik stets objektiv, nachvollziehbar und frei von emotionaler Übertreibung.
  • Wahrheit prüfen: Äußern Sie keine Tatsachen, deren Wahrheit Sie nicht sicher belegen können. Bei Unsicherheit lieber auf Behauptungen verzichten.
  • Zitate klar einordnen: Wenn Sie Aussagen Dritter verbreiten, machen Sie deutlich, ob Sie diese unterstützen oder davon distanzieren.
  • Anonymität nicht überschätzen: Anonymität schützt Sie nicht vor rechtlicher Verfolgung – bleiben Sie auch anonym stets sachlich und respektvoll.
  • Vorsicht bei sensiblen Tatsachen: Auch wahre Aussagen, insbesondere zu privaten Details oder Vorstrafen, sollten kritisch geprüft werden. Fragen Sie, ob die Veröffentlichung wirklich notwendig ist.
  • Satire bewusst einsetzen: Nutzen Sie Satire immer mit erkennbarer Verbindung zur öffentlichen Debatte und vermeiden Sie reine persönliche Diffamierungen.
  • Verjährung beachten: Werden Sie bei rechtswidrigen Inhalten zeitnah aktiv, um Ihre Ansprüche effektiv durchzusetzen.
  • Im Zweifel Rat suchen: Ziehen Sie bei kritischen Äußerungen juristische Expertise hinzu – dies spart oft Ärger und Kosten.

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Checkliste zur Risikovermeidung bei kritischen Äußerungen:

Nutzen Sie diese Checkliste, bevor Sie kritische Aussagen veröffentlichen oder verbreiten:

Ist die Aussage eine überprüfbare Tatsache oder eine subjektive Meinung?
➡️ Tatsachen müssen belegbar wahr sein; Meinungen sollten sachlich formuliert werden.

Ist die Aussage nachweislich wahr und aktuell?
➡️ Prüfen Sie sorgfältig die Fakten, besonders bei sensiblen Themen.

Hat die Aussage öffentlichen Mehrwert oder dient sie nur der Herabwürdigung?
➡️ Aussagen ohne sachlichen Mehrwert sind oft riskant.

Wurde das Zitat klar als fremde Aussage gekennzeichnet?
➡️ Deutlich distanzieren, falls Sie die fremde Aussage nicht selbst vertreten.

Sind personenbezogene Daten betroffen?
➡️ Prüfen Sie, ob die Veröffentlichung personenbezogener Daten zulässig und notwendig ist.

Gibt es sensible Inhalte (Vorstrafen, intime Details)?
➡️ Vorsicht: Wahrheitsgemäße Aussagen können unzulässig sein, wenn kein öffentliches Interesse besteht.

Haben Sie die rechtlichen Konsequenzen bedacht?
➡️ Unterlassung, Löschung, Schadensersatz oder Strafverfahren – überlegen Sie mögliche Folgen genau.

Sind Sie sich über den Kontext (Satire, Kritik, Bewertung) bewusst?
➡️ Prüfen Sie, ob Ihre Aussage als Satire oder Bewertung erkennbar und zulässig bleibt.

Können Sie im Streitfall Beweise oder Quellen vorlegen?
➡️ Sichern Sie Beweise, um Ihre Aussage ggf. nachträglich rechtlich verteidigen zu können.

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