Recht auf Vergessenwerden: Betroffenenrechte der DSGVO und Art. 17 DSGVO

Das „Recht auf Vergessenwerden“ ist ein Datenschutzprinzip, das einer Person die Möglichkeit gibt, die Löschung personenbezogener Informationen aus dem Internet zu verlangen. Dieses Recht wurde durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Fall Google Spain SL, Google Inc. gegen Agencia Española de Protección de Datos, Mario Costeja González (C-131/12) im Jahr 2014 maßgeblich geprägt. Es wurde anschließend durch Artikel 17 der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) kodifiziert und stellt eine zentrale Schutzmaßnahme für die digitale Privatsphäre dar.
Konkret bedeutet das „Recht auf Vergessenwerden“, dass eine Person in bestimmten Situationen verlangen kann, dass ihre personenbezogenen Daten aus Suchmaschinenergebnissen oder von anderen Webseiten entfernt werden. Dies betrifft insbesondere Informationen, die veraltet, irreführend oder nicht mehr relevant sind und deren Verbreitung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen darstellt.
Allerdings ist dieses Recht nicht absolut. Es muss stets gegen das Interesse der Öffentlichkeit an der Verfügbarkeit der betreffenden Informationen abgewogen werden. Besonders bei Personen des öffentlichen Lebens oder bei Informationen mit großer gesellschaftlicher Bedeutung kann das öffentliche Interesse schwerer wiegen als das individuelle Recht auf Löschung.
Warum ist es für Privatpersonen und Unternehmen relevant?
Das „Recht auf Vergessenwerden“ ist sowohl für Privatpersonen als auch für Unternehmen von großer Bedeutung, da es ihnen ermöglicht, ihren digitalen Ruf zu schützen und sich gegen potenziell schädliche oder veraltete Informationen im Internet zu wehren.
- Für Privatpersonen:
- Schutz der Privatsphäre: Personen können beantragen, dass peinliche, rufschädigende oder unrichtige Informationen über sie entfernt werden.
- Kontrolle über die eigene digitale Identität: Besonders im beruflichen Kontext können negative Online-Einträge die Karrierechancen beeinträchtigen.
- Schutz vor Cybermobbing und Stalking: Opfer von Belästigung können verlangen, dass schädliche Inhalte über sie entfernt werden.
- Für Unternehmen:
- Schutz der Unternehmensreputation: Negative oder falsche Bewertungen auf Plattformen wie Google, Kununu oder Jameda können Unternehmen schaden.
- Wettbewerbsrechtliche Bedeutung: Falschinformationen oder verleumderische Inhalte über ein Unternehmen können dessen wirtschaftliche Lage beeinflussen.
- Datenschutzkonformität: Unternehmen, die personenbezogene Daten verarbeiten, müssen sicherstellen, dass sie den Anforderungen der DSGVO gerecht werden und Anträge auf Löschung angemessen bearbeiten.
Gerade in einer digitalisierten Welt, in der Informationen dauerhaft abrufbar sind, gewinnt das „Recht auf Vergessenwerden“ an Bedeutung. Es bietet Menschen und Unternehmen die Möglichkeit, sich gegen die dauerhafte Sichtbarkeit von Daten zu wehren, die für ihre aktuelle Situation nicht mehr relevant oder zutreffend sind.
Bedeutung im digitalen Zeitalter – Schutz der Privatsphäre vs. öffentliches Interesse
Mit der rasanten Digitalisierung ist es einfacher denn je, auf personenbezogene Informationen zuzugreifen. Dies führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen dem individuellen Recht auf Schutz der Privatsphäre und dem öffentlichen Interesse an der Verfügbarkeit von Informationen.
- Schutz der Privatsphäre:
- Persönliche Daten können Jahre oder Jahrzehnte nach ihrer Veröffentlichung immer noch abrufbar sein, selbst wenn sie mittlerweile irrelevant sind.
- Suchmaschinen wie Google speichern und indexieren Inhalte, die möglicherweise längst überholt oder falsch sind.
- Betroffene haben das Recht, nicht dauerhaft für alte Fehler, strafrechtliche Vorfälle oder missverständliche Darstellungen verurteilt zu werden.
- Öffentliches Interesse:
- Das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit sind zentrale demokratische Prinzipien.
- Informationen zu politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlich relevanten Themen dürfen nicht ohne weiteres gelöscht werden.
- Besonders bei Politikern, Geschäftsführern oder anderen Personen des öffentlichen Lebens muss eine Abwägung erfolgen, ob das öffentliche Interesse an der Information überwiegt.
Dieses Spannungsverhältnis wird in der Praxis häufig vor Gericht ausgetragen, wo Richter im Einzelfall entscheiden, ob eine Information weiterhin öffentlich zugänglich bleiben darf oder ob sie gelöscht werden muss.
Ursprung und rechtliche Grundlage
Anwendungsbereiche des Rechts auf Vergessenwerden
Grenzen und Ausnahmen des Rechts auf Vergessenwerden
Rechtsprechung: Wichtige Urteile und Beispiele
Recht auf Vergessenwerden und künstliche Intelligenz
Fazit und Ausblick
Ursprung und rechtliche Grundlage
Das „Recht auf Vergessenwerden“ ist ein relativ neues juristisches Konzept, das sich aus verschiedenen Quellen des Datenschutz- und Menschenrechts entwickelt hat. Es basiert auf dem Grundrecht auf Schutz personenbezogener Daten und der Abwägung zwischen individueller Privatsphäre und öffentlichem Interesse an Informationen. Die wichtigsten rechtlichen Grundlagen umfassen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie wegweisende Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Auch das deutsche Datenschutzrecht (BDSG) und verfassungsrechtliche Aspekte spielen eine wesentliche Rolle.
Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) & Grundrechte
Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) schützt Grundrechte, die auch für das „Recht auf Vergessenwerden“ relevant sind. Besonders zwei Artikel stehen hierbei im Mittelpunkt:
- Artikel 8 EMRK – Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
- Dieser Artikel schützt Personen vor willkürlicher oder ungerechtfertigter Beeinträchtigung ihres Privatlebens, einschließlich ihrer personenbezogenen Daten.
- Er wurde wiederholt von der Europäischen Kommission für Menschenrechte und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zur Begründung von Datenschutzrechten herangezogen.
- Artikel 10 EMRK – Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit
- Dem gegenüber steht das öffentliche Interesse an freien Informationen und Pressefreiheit.
- Das Recht auf Vergessenwerden ist daher nicht absolut, sondern muss gegen die Meinungsfreiheit abgewogen werden.
Das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Rechten zeigt sich besonders in Fällen, in denen Personen die Löschung von Berichten über frühere Vergehen, Insolvenzverfahren oder andere negative Berichterstattungen verlangen. Der EGMR hat wiederholt entschieden, dass der Schutz der Privatsphäre in einigen Fällen überwiegt, insbesondere wenn eine fortgesetzte Veröffentlichung keine gesellschaftliche Relevanz mehr hat.
Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO)
Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die am 25. Mai 2018 in Kraft trat, stärkte das „Recht auf Vergessenwerden“ erheblich. Sie kodifizierte es ausdrücklich in Artikel 17 DSGVO und schuf verbindliche Regelungen für Unternehmen, Behörden und Plattformbetreiber.
Artikel 17 DSGVO: „Recht auf Löschung“ (Recht auf Vergessenwerden)
Artikel 17 DSGVO gewährt betroffenen Personen das Recht, die unverzügliche Löschung ihrer personenbezogenen Daten zu verlangen, wenn einer der folgenden Gründe vorliegt:
- Die Daten sind nicht mehr notwendig – wenn die ursprünglichen Zwecke der Datenerhebung entfallen sind.
- Widerruf der Einwilligung – wenn die Verarbeitung auf einer Einwilligung beruhte und diese widerrufen wurde.
- Widerspruch gegen die Verarbeitung – wenn kein überwiegendes berechtigtes Interesse des Verantwortlichen besteht.
- Unrechtmäßige Verarbeitung – wenn die Daten entgegen den Vorgaben der DSGVO verarbeitet wurden.
- Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung – wenn gesetzliche Vorschriften eine Löschung verlangen.
- Daten von Minderjährigen – wenn es sich um Informationen handelt, die im Zusammenhang mit Diensten der Informationsgesellschaft erhoben wurden (z. B. Social-Media-Konten von Jugendlichen).
Dieses Recht wird jedoch eingeschränkt, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist:
- Die Datenverarbeitung ist zur Ausübung der Meinungs- und Informationsfreiheit erforderlich.
- Die Daten sind für die Erfüllung einer gesetzlichen Verpflichtung oder die Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse notwendig.
- Sie dienen der Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigung von Rechtsansprüchen.
Das bedeutet: Während eine Person die Entfernung ihrer Daten aus Suchmaschinenergebnissen oder Unternehmensdatenbanken verlangen kann, ist dies nicht automatisch durchsetzbar, wenn ein übergeordnetes Interesse an der Speicherung besteht.
Rechtsprechung des EuGH
„Google Spain“-Urteil (C-131/12) als wegweisendes Urteil
Der Durchbruch für das „Recht auf Vergessenwerden“ kam mit dem Urteil Google Spain SL, Google Inc. gegen Agencia Española de Protección de Datos, Mario Costeja González (C-131/12) vom 13. Mai 2014.
Sachverhalt:
- Der spanische Staatsbürger Mario Costeja González hatte in den 1990er Jahren finanzielle Schwierigkeiten, weshalb eine spanische Zeitung eine öffentliche Bekanntmachung über eine Zwangsversteigerung seines Eigentums veröffentlichte.
- Jahre später war der finanzielle Engpass längst Geschichte, doch bei einer Google-Suche nach seinem Namen erschien weiterhin die alte Bekanntmachung.
- Costeja beantragte daraufhin bei Google, die Verlinkung zu den Zeitungsartikeln zu entfernen, da die Informationen veraltet und für sein heutiges Leben irrelevant seien.
Entscheidung des EuGH:
- Der EuGH entschied, dass Suchmaschinen wie Google als „Verantwortliche“ für die Verarbeitung personenbezogener Daten im Sinne des Datenschutzrechts gelten.
- Google wurde verpflichtet, die Suchergebnisse zu entfernen, sofern eine betroffene Person nachweisen kann, dass ihre Rechte auf Datenschutz und Privatsphäre überwiegen.
- Dieses Urteil war richtungsweisend, da es erstmals festlegte, dass Internetunternehmen nicht nur passive Vermittler sind, sondern aktiv Datenschutzrechte beachten müssen.
Auswirkungen auf Suchmaschinenbetreiber
Nach dem Urteil mussten Google, Bing, Yahoo & Co. Löschanträge von Betroffenen ermöglichen. Google richtete hierfür eine spezielle Löschantragsstelle ein, über die Nutzer die Entfernung von Suchergebnissen beantragen können.
Allerdings wurden auch Kriterien für die Abwägung entwickelt:
- Handelt es sich um eine Person des öffentlichen Lebens?
- Wie alt ist die Information?
- Ist die Information noch relevant für die Gesellschaft?
- Ist der Inhalt wahrheitsgetreu oder irreführend?
Während Google bis 2021 über 1,3 Millionen Löschanträge erhalten hat, wurde rund 50 % der Anträge abgelehnt, weil ein öffentliches Interesse bestand.
Deutsche Rechtslage: BDSG und verfassungsrechtliche Aspekte
In Deutschland wird das „Recht auf Vergessenwerden“ durch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) konkretisiert. Das BDSG ergänzt die DSGVO und enthält Regelungen zur Verarbeitung und Löschung personenbezogener Daten.
Verfassungsrechtliche Grundlage:
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in mehreren Entscheidungen betont, dass das „Recht auf Vergessenwerden“ eine Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Artikel 1 Abs. 1 GG (Menschenwürde) und Artikel 2 Abs. 1 GG (Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) ist.
Zwei wichtige Urteile sind:
- „Recht auf Vergessen I“ (2019, 1 BvR 16/13) – Ein Mann wollte die Löschung von alten Berichten über seine Straftaten, die jedoch noch auf Webseiten öffentlich zugänglich waren. Das BVerfG entschied, dass ältere Beiträge mit geringer öffentlicher Relevanz nach einer gewissen Zeit nicht mehr leicht auffindbar sein sollten.
- „Recht auf Vergessen II“ (2019, 1 BvR 276/17) – Das BVerfG stellte klar, dass Suchmaschinen in bestimmten Fällen verpflichtet werden können, Verlinkungen zu veralteten Informationen zu entfernen.
Diese Urteile zeigen, dass deutsche Gerichte das „Recht auf Vergessenwerden“ stark an die jeweiligen Umstände des Einzelfalls knüpfen.
Fazit
Das „Recht auf Vergessenwerden“ hat sich aus grundlegenden Datenschutz- und Persönlichkeitsrechten entwickelt und wurde durch die EuGH-Rechtsprechung und die DSGVO maßgeblich geprägt. Während Betroffene das Recht haben, personenbezogene Daten unter bestimmten Bedingungen löschen zu lassen, müssen Unternehmen, Suchmaschinen und Gerichte stets eine Abwägung zwischen Datenschutz und öffentlichem Interesse treffen.
Anwendungsbereiche des Rechts auf Vergessenwerden
Das Recht auf Vergessenwerden ist ein bedeutendes Instrument zum Schutz personenbezogener Daten und betrifft verschiedene digitale Plattformen. Dabei geht es insbesondere um die Löschung von Daten aus Suchmaschinenergebnissen, von Unternehmensdatenbanken, aus sozialen Netzwerken und sogar aus behördlichen Registern und Medienarchiven. Im geschäftlichen Bereich stellt sich zudem die Frage, inwiefern Unternehmen dieses Recht in Anspruch nehmen können.
Löschung von Suchmaschinenergebnissen
Suchmaschinen wie Google, Bing oder Yahoo spielen eine zentrale Rolle beim Zugang zu Informationen. Sie indexieren und verknüpfen Inhalte von Webseiten, ohne selbst die ursprünglichen Daten zu speichern. Dennoch entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Google Spain-Urteil (C-131/12), dass Suchmaschinen als „Verantwortliche für die Verarbeitung personenbezogener Daten“ gelten und somit unter die DSGVO fallen.
Wann müssen Suchmaschinen wie Google Links entfernen?
Betroffene Personen können die Entfernung von Suchergebnissen beantragen, wenn die gelisteten Inhalte gegen Artikel 17 DSGVO (Recht auf Löschung) verstoßen.
Ein Löschantrag kann gestellt werden, wenn:
✅ Die Information unwahr, veraltet oder irreführend ist.
✅ Die Veröffentlichung der Information die Privatsphäre unverhältnismäßig beeinträchtigt.
✅ Die Information keinen erkennbaren öffentlichen Mehrwert mehr hat.
✅ Die Person nicht mehr im öffentlichen Interesse steht.
✅ Es sich um sensible personenbezogene Daten handelt (z. B. Gesundheitsdaten).
Beispiele für erfolgreiche Löschungen:
✔ Ein ehemaliger Insolvenzschuldner kann beantragen, dass alte Einträge über seine Insolvenz nicht mehr in den Suchergebnissen erscheinen.
✔ Ein Opfer von Cybermobbing kann verlangen, dass beleidigende Blog-Artikel oder Bilder nicht mehr über Google auffindbar sind.
✔ Ein ehemaliger Straftäter, der seine Strafe verbüßt hat, kann unter bestimmten Umständen die Entfernung von Berichten über seine Vergangenheit verlangen.
Beispiele für abgelehnte Löschanträge:
✖ Ein Politiker kann nicht verlangen, dass kritische Artikel über seine frühere Amtsführung gelöscht werden.
✖ Ein Unternehmer, der in einen Finanzskandal verwickelt war, kann keine Entfernung der Berichterstattung fordern, wenn das Thema noch relevant ist.
Wie erfolgt die Antragstellung bei Google?
Google bietet ein Online-Formular zur Beantragung der Löschung von Suchergebnissen an.
Ablauf:
- Angabe der betroffenen URLs und eine Begründung, warum die Inhalte gelöscht werden sollen.
- Identitätsnachweis (z. B. Personalausweis).
- Überprüfung durch Google – Eine Einzelfallprüfung erfolgt durch Google-Mitarbeiter.
- Entscheidung über Löschung oder Ablehnung.
- Bei Ablehnung: Möglichkeit zur Beschwerde bei der zuständigen Datenschutzbehörde oder Klage vor Gericht.
Laut Google wurden bis 2021 rund 50 % der Löschanträge abgelehnt, da ein überwiegendes öffentliches Interesse bestand.
Löschung personenbezogener Daten bei Unternehmen & sozialen Netzwerken
Nicht nur Suchmaschinen speichern personenbezogene Daten – auch soziale Netzwerke und Unternehmen verwalten Unmengen an sensiblen Informationen. Betroffene können nach Artikel 17 DSGVO die Löschung von personenbezogenen Daten bei Plattformen wie Facebook, X (ehemals Twitter), LinkedIn und anderen beantragen.
Facebook, X (Twitter), LinkedIn & Co.: Welche Daten können gelöscht werden?
- Eigene Inhalte: Beiträge, Fotos und Videos können vom Nutzer selbst gelöscht werden.
- Daten Dritter: Wenn Nutzer Inhalte über andere Personen veröffentlicht haben, kann die betroffene Person deren Löschung fordern.
- Kommentare und Bewertungen: Falls rechtswidrig (z. B. Beleidigung, Verleumdung, Fake-Bewertungen), kann eine Löschung verlangt werden.
- Konten und Profile: Personen können die vollständige Löschung ihres Profils und der gespeicherten Daten beantragen.
Herausforderungen bei sozialen Netzwerken:
- Viele Plattformen betreiben ihre Server außerhalb der EU und entziehen sich damit teilweise der DSGVO.
- Inhalte werden oft vervielfältigt und von Dritten erneut hochgeladen.
- Unternehmen berufen sich auf Meinungsfreiheit oder Geschäftsinteressen, um Löschanträge abzulehnen.
Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Daten
🔹 Private Daten:
- Namen, Adressen, Telefonnummern, persönliche Bilder, private Nachrichten
- Schutz durch DSGVO → Kann meist gelöscht werden
🔹 Öffentliche Daten:
- Berichterstattung über Personen des öffentlichen Lebens, Unternehmensinformationen
- Schutz durch Meinungsfreiheit & Pressefreiheit → Löschung nicht immer möglich
Recht auf Vergessenwerden bei behördlichen Registern & Medien
Viele Daten werden nicht nur von Suchmaschinen oder Social-Media-Plattformen gespeichert, sondern auch von behördlichen Registern und journalistischen Archiven.
Behördliche Register
- Handelsregister, Insolvenzregister, Grundbuch, Schuldnerverzeichnisse
- Diese Daten sind oft öffentlich einsehbar und unterliegen gesetzlichen Aufbewahrungspflichten.
- Löschung oft nur bei nachgewiesener Unrichtigkeit oder Fristablauf möglich.
Beispiel:
Ein ehemaliger Schuldner kann nach Ablauf der gesetzlichen Speicherfrist eine Löschung seiner Insolvenz-Daten aus dem Schuldnerverzeichnis beantragen.
Unternehmensperspektive: Recht auf Vergessenwerden für Firmen
Das „Recht auf Vergessenwerden“ betrifft nicht nur Einzelpersonen, sondern auch Unternehmen, die ihren Ruf im Internet schützen möchten.
Was können Unternehmen löschen lassen?
✅ Falsche oder rufschädigende Informationen über das Unternehmen.
✅ Fake-Bewertungen auf Plattformen wie Google, Kununu oder Trustpilot.
✅ Unwahre Presseberichte oder Diffamierungen in Blogs und Foren.
Beispiele aus der Praxis:
✔ Ein Restaurant kann verlangen, dass gefälschte Negativbewertungen gelöscht werden.
✔ Ein Unternehmen kann bei falscher Berichterstattung auf Korrektur oder Löschung klagen.
✖ Eine Bank kann nicht verlangen, dass berechtigte Kritik an ihren Geschäftspraktiken entfernt wird.
Löschung von Unternehmensdaten bei Google & Bewertungsplattformen:
- Google My Business: Unternehmen können Fake-Bewertungen melden und löschen lassen.
- Kununu & Jameda: Arbeitgeber können gegen falsche oder beleidigende Bewertungen vorgehen.
- Handelsregister & Impressumspflichten: Unternehmen haben oft keine Möglichkeit, Firmendaten zu löschen, da gesetzliche Veröffentlichungspflichten bestehen.
Fazit
Das „Recht auf Vergessenwerden“ bietet umfassende Schutzmöglichkeiten für Privatpersonen und Unternehmen. Während die Löschung personenbezogener Daten in sozialen Netzwerken oder Suchmaschinen oft möglich ist, bleibt die Abwägung mit dem öffentlichen Interesse eine Herausforderung – insbesondere bei journalistischen Inhalten und behördlichen Registern. Unternehmen profitieren vor allem im Bereich des Reputationsschutzes, müssen aber gesetzliche Transparenzpflichten beachten.
Grenzen und Ausnahmen des Rechts auf Vergessenwerden
Das „Recht auf Vergessenwerden“ ist kein absolutes Recht, sondern unterliegt Grenzen und Ausnahmen. Insbesondere müssen Suchmaschinen, soziale Netzwerke und Medienplattformen eine Abwägung zwischen dem individuellen Datenschutzinteresse und dem öffentlichen Informationsinteresse vornehmen. In der Praxis führt dies oft zu Konflikten mit der Meinungs- und Pressefreiheit sowie mit anderen Datenschutzrechten.
Öffentliches Interesse und Meinungsfreiheit
Das „Recht auf Vergessenwerden“ kollidiert häufig mit dem Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit. In Fällen, in denen eine Information von öffentlichem Interesse ist, kann ein Löschantrag nach Artikel 17 DSGVO abgelehnt werden.
Wann überwiegt das öffentliche Informationsinteresse?
In folgenden Situationen kann das öffentliche Interesse an der Information das Löschungsinteresse der betroffenen Person überwiegen:
- Personen des öffentlichen Lebens
- Politiker, Prominente, Führungskräfte oder andere Personen mit gesellschaftlicher Relevanz haben eine geringere Erwartung an Datenschutz.
- Gerichtliche Verfahren, Finanzskandale oder berufliche Kontroversen dürfen meist nicht gelöscht werden, wenn sie für die Öffentlichkeit relevant bleiben.
Beispiel:
- Ein Minister, der in eine Korruptionsaffäre verwickelt ist, kann nicht verlangen, dass Berichte darüber gelöscht werden.
- Historische und gesellschaftlich relevante Ereignisse
- Berichte über Wirtschafts- oder Finanzskandale, Naturkatastrophen oder politisch relevante Vorfälle haben eine anhaltende Bedeutung.
- Selbst wenn die betroffene Person eine „zweite Chance“ möchte, bleibt der Informationswert für die Gesellschaft bestehen.
Beispiel:
- Ein ehemaliger Bankmanager, der an der Finanzkrise 2008 beteiligt war, kann nicht verlangen, dass sein Name aus Berichten entfernt wird.
- Kriminelle Vergangenheit und öffentliche Sicherheit
- Personen, die wegen schwerer Straftaten verurteilt wurden, können nicht immer verlangen, dass ihre Namen aus Online-Suchtreffern entfernt werden.
- Die öffentliche Sicherheit oder die Aufarbeitung von Straftaten kann schwerer wiegen als das persönliche Interesse an Anonymität.
Beispiel:
- Ein ehemaliger Sexualstraftäter kann nicht einfach die Entfernung von Berichten über seine Verurteilung fordern, wenn weiterhin ein berechtigtes öffentliches Interesse besteht.
- Wissenschaftliche und medizinische Forschung
- Veröffentlichte Daten im Bereich Gesundheitswesen, Wissenschaft und Technik können von öffentlichem Interesse sein.
- Forscher oder Ärzte können nicht einfach verlangen, dass ihre früheren Arbeiten oder Skandale aus der Öffentlichkeit verschwinden.
Beispiel:
- Ein ehemaliger Arzt, der durch fragwürdige Praktiken auffiel, kann nicht verlangen, dass seine Vergangenheit aus medizinischen Datenbanken gelöscht wird.
Relevante Urteile zur Abwägung
Google Spain (EuGH, 2014 – C-131/12)
- Erstmalige Anerkennung des „Rechts auf Vergessenwerden“.
- Google muss Links zu veralteten oder irrelevanten Informationen löschen, wenn keine überwiegenden öffentlichen Interessen vorliegen.
BGH-Urteil zu Jameda (2018, VI ZR 30/17)
- Ärztebewertungen auf Jameda wurden als teilweise unzulässig eingestuft.
- Arzt konnte verlangen, dass manipulativ platzierte negative Bewertungen gelöscht werden.
Recht auf Vergessen I (BVerfG, 2019 – 1 BvR 16/13)
- Eine Person forderte die Löschung von Presseberichten über ihre frühere Straftat.
- BVerfG entschied: Datenschutz muss gegen Pressefreiheit abgewogen werden.
Recht auf Vergessen II (BVerfG, 2019 – 1 BvR 276/17)
- Ein Mann wollte Google verpflichten, Links zu alten Berichten über ihn zu entfernen.
- Das BVerfG entschied, dass Google in bestimmten Fällen für die Löschung verantwortlich sein kann.
Medienprivileg und journalistische Freiheit
Artikel 85 DSGVO sieht vor, dass Mitgliedstaaten das Datenschutzrecht mit der Pressefreiheit in Einklang bringen müssen. Viele Länder haben daher das sogenannte „Medienprivileg“ eingeführt, das journalistische Inhalte weitgehend vom „Recht auf Vergessenwerden“ ausnimmt.
Schutz der Pressefreiheit nach Art. 85 DSGVO
- Medienunternehmen müssen sich nicht in jedem Fall an Artikel 17 DSGVO halten.
- Journalistische Inhalte genießen einen höheren Schutz, wenn sie der Berichterstattung über gesellschaftlich relevante Themen dienen.
- Auch Suchmaschinen können sich in bestimmten Fällen auf die Meinungsfreiheit berufen, wenn sie Nachrichtenportale verlinken.
Folgen des Medienprivilegs:
📌 Nachrichtenartikel, die bereits veröffentlicht wurden, müssen nicht ohne Weiteres gelöscht werden.
📌 Eine Zeitung muss einen kritischen Bericht über eine Person nicht nachträglich anonymisieren.
📌 Suchmaschinen hingegen können zur Löschung gezwungen werden, wenn sich herausstellt, dass eine Information veraltet oder unverhältnismäßig schädigend ist.
Beispiele aus der Praxis
✅ Ein Lokalpolitiker kann nicht verlangen, dass seine umstrittenen Äußerungen aus der Presse verschwinden.
✅ Ein Prominenter kann keine Löschung von Artikeln über eine öffentliche Affäre verlangen, wenn diese weiterhin relevant sind.
✅ Ein Unternehmen kann nicht pauschal negative Medienberichte entfernen lassen, nur weil es diese als rufschädigend empfindet.
✖ Ein ehemaliger Straftäter kann unter bestimmten Bedingungen die Löschung eines veralteten Artikels verlangen, wenn die Berichterstattung nicht mehr relevant ist.
✖ Ein Arzt kann gegen unwahre Berichte über seine medizinische Praxis vorgehen.
Rechtskonflikte mit anderen Datenschutzrechten
Das „Recht auf Vergessenwerden“ steht häufig in Konflikt mit anderen datenschutzrechtlichen Bestimmungen.
- Konflikt mit dem Recht auf Auskunft (Artikel 15 DSGVO)
- Unternehmen und Behörden sind verpflichtet, personenbezogene Daten offenzulegen.
- Betroffene Personen können gleichzeitig die Löschung dieser Daten verlangen – ein Spannungsfeld entsteht.
- Konflikt mit dem Archivierungsrecht (Artikel 89 DSGVO)
- Historische, wissenschaftliche oder statistische Daten dürfen oft nicht gelöscht werden, wenn sie für Forschungszwecke notwendig sind.
- Konflikt mit dem Recht auf Meinungsfreiheit (Artikel 11 EU-Grundrechtecharta)
- Kritische Meinungen über eine Person oder ein Unternehmen fallen unter die Meinungsfreiheit.
- Löschanträge müssen sorgfältig geprüft werden, um keine Zensur herbeizuführen.
- Konflikt mit der kommerziellen Nutzung von Daten
- Unternehmen speichern personenbezogene Daten für Werbung, Scoring oder Bonitätsprüfungen.
- Hier kann ein Interessenkonflikt mit dem „Recht auf Vergessenwerden“ entstehen.
Beispiel:
- Eine Person beantragt die Löschung ihrer Daten aus einem Bonitätsregister (z. B. Schufa).
- Die Schufa kann dies ablehnen, wenn die Speicherung für künftige Bonitätsbewertungen notwendig ist.
Fazit
Das „Recht auf Vergessenwerden“ ist ein starkes Instrument des Datenschutzes, aber kein uneingeschränktes Recht. Es muss gegen die Presse- und Meinungsfreiheit, das öffentliche Interesse und andere Datenschutzrechte abgewogen werden. Besonders Medien, Suchmaschinen und Unternehmen müssen genau prüfen, ob eine Löschung gerechtfertigt ist oder ob das öffentliche Interesse an der Information überwiegt.
Gerichte entscheiden in vielen Fällen einzelfallbezogen, sodass eine pauschale Anwendung schwierig ist. Trotzdem zeigt die Rechtsprechung, dass Personen eine Chance haben, sich gegen überholte oder schädliche Online-Inhalte zu wehren, sofern keine übergeordneten Interessen entgegenstehen.
Rechtsprechung: Wichtige Urteile und Beispiele
Das „Recht auf Vergessenwerden“ wurde durch verschiedene wegweisende Urteile geprägt. Diese haben die Pflichten von Suchmaschinen, die Abwägung zwischen Privatsphäre und öffentlichem Interesse sowie die Rechte von Betroffenen gegenüber Bewertungsportalen und sozialen Netzwerken definiert. Die folgenden Urteile sind besonders relevant für die Praxis.
Google Spain (EuGH, 2014 – C-131/12)
Sachverhalt
- Der spanische Staatsbürger Mario Costeja González stellte fest, dass eine alte Zeitungsanzeige aus dem Jahr 1998 über seine finanzielle Notlage und eine Zwangsversteigerung noch immer über Google abrufbar war.
- Die Zeitung, die den Artikel veröffentlicht hatte, konnte sich auf die Pressefreiheit berufen, doch Costeja forderte, dass Google als Suchmaschine den Link aus den Suchergebnissen entfernt.
- Er argumentierte, dass die Information veraltet und nicht mehr relevant sei, jedoch weiterhin rufschädigend wirke.
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)
- Der EuGH entschied, dass Google als Suchmaschine für die Verarbeitung personenbezogener Daten verantwortlich ist.
- Suchmaschinenbetreiber müssen unter bestimmten Voraussetzungen Links zu personenbezogenen Informationen löschen, wenn die Informationen nicht mehr relevant sind oder das Schutzinteresse der betroffenen Person überwiegt.
- Allerdings müssen dabei Interessenabwägungen stattfinden, insbesondere, wenn die betroffene Person eine Person des öffentlichen Lebens ist.
Auswirkungen auf Suchmaschinen
Google & andere Suchmaschinen sind verpflichtet, Anträge auf Entfernung personenbezogener Daten zu prüfen.
Es entstand das Löschformular von Google, über das Betroffene Anträge auf Löschung von Suchergebnissen stellen können.
Es folgte eine Flut von Löschanträgen – bis heute wurden mehr als 1,3 Millionen Anträge weltweit bearbeitet.
Praktische Bedeutung
✅ Personen können verlangen, dass veraltete oder rufschädigende Informationen entfernt werden.
❌ Öffentlich relevante Informationen müssen nicht gelöscht werden.
❌ Suchmaschinen entfernen nur den Link aus den Ergebnissen – der Originalartikel bleibt erhalten.
Beispiel für eine erfolgreiche Löschung:
✔ Ein Arzt kann verlangen, dass Berichte über eine erfolglose Behandlung von 1999 nicht mehr unter seinem Namen gefunden werden.
Beispiel für eine abgelehnte Löschung:
✖ Ein Politiker kann nicht verlangen, dass kritische Artikel über ihn entfernt werden, solange sie noch von öffentlichem Interesse sind.
NT1 & NT2 gegen Google (UK, 2018)
Sachverhalt
- Zwei britische Geschäftsleute, bekannt als NT1 und NT2, klagten gegen Google, weil alte Artikel über ihre Verurteilungen weiterhin auffindbar waren.
- Beide Männer hatten ihre Strafen verbüßt und argumentierten, dass die Berichte ihren Ruf und ihre Karrieremöglichkeiten erheblich beeinträchtigten.
- NT1 wurde in den 1990er Jahren wegen Betrugsdelikten verurteilt.
- NT2 wurde später wegen Telefonüberwachung eines Geschäftspartners verurteilt.
Urteil des High Court in London
- Das Gericht entschied unterschiedlich für die beiden Kläger:
✅ NT2 gewann den Fall: Seine Verurteilung wurde als weniger schwerwiegend eingestuft, und der Artikel hatte keinen aktuellen Nachrichtenwert mehr. Google musste die Links entfernen.
❌ NT1 verlor den Fall: Seine betrügerischen Aktivitäten wurden als weiterhin von öffentlichem Interesse angesehen, und die Artikel blieben abrufbar.
Bedeutung für die Praxis
Jede Löschung muss individuell geprüft werden.
Verbrechen mit anhaltender Relevanz bleiben in den Suchergebnissen erhalten.
Resozialisierung vs. Öffentliches Interesse – Gerichte wägen ab, ob Informationen noch relevant sind.
Vergleich mit „Google Spain“:
- Während im Fall Google Spain allgemeine Finanzprobleme ohne besondere Relevanz betroffen waren, ging es in NT1 & NT2 um schwere Straftaten, die weiter von öffentlichem Interesse sein könnten.
BGH-Urteil zu Bewertungsportalen (Jameda, Kununu, Google-Bewertungen, 2018 & 2021)
Bewertungsportale wie Jameda, Kununu oder Google My Business spielen eine große Rolle für die Reputation von Unternehmen, Ärzten und Arbeitgebern. Viele Betroffene stellen sich die Frage: Kann ich eine schlechte Bewertung löschen lassen?
Jameda-Urteil des BGH (2018 – VI ZR 30/17)
- Ein Arzt klagte gegen das Bewertungsportal Jameda, da es ihm keine Möglichkeit bot, sich gegen negative Bewertungen effektiv zu wehren.
- Der Bundesgerichtshof (BGH) entschied, dass Jameda seine Neutralitätspflicht verletzt hatte, weil zahlende Ärzte besser dargestellt wurden.
- Folge: Jameda musste sein Geschäftsmodell ändern und konnte nicht mehr gezielt zahlende Kunden bevorzugen.
BGH-Urteil zu Kununu & Google-Bewertungen (2021 – VI ZR 1244/20)
- Ein Arbeitgeber forderte die Löschung einer negativen Kununu-Bewertung, die er für unwahr hielt.
- Der BGH entschied, dass Bewertungsportale die Identität des Bewerters prüfen müssen, wenn eine Bewertung angefochten wird.
- Dies stärkte die Rechte von Unternehmen gegen Fake-Bewertungen, macht aber echte Kritik weiterhin möglich.
Praxisrelevanz für Betroffene:
✅ Unwahre oder gefälschte Bewertungen können gelöscht werden.
✅ Unternehmen und Ärzte können eine Identitätsprüfung verlangen.
❌ Echte, aber negative Bewertungen bleiben bestehen.
Facebook & das Recht auf Löschung von Beiträgen
BGH-Urteil zu Facebook (2021 – III ZR 179/20 & III ZR 192/20)
- Zwei Facebook-Nutzer wurden wegen angeblicher Verstöße gegen die „Community Standards“ gesperrt, obwohl ihre Beiträge nicht strafbar waren.
- Sie forderten die Wiederherstellung ihrer Beiträge und eine Anpassung der Facebook-Richtlinien.
BGH-Entscheidung:
- Facebook darf Inhalte nicht ohne vorherige Anhörung der betroffenen Person löschen.
- Nutzer müssen eine Möglichkeit haben, sich zu verteidigen, bevor ihr Beitrag entfernt oder ihr Konto gesperrt wird.
Bedeutung für soziale Netzwerke
Plattformen wie Facebook, X und Instagram müssen Löschentscheidungen transparenter gestalten.
Nutzer können sich gegen ungerechtfertigte Sperrungen und Löschungen wehren.
Fazit: Welche Lehren ziehen wir aus der Rechtsprechung?
📌 „Google Spain“ (2014): Legte den Grundstein für das Recht auf Vergessenwerden – Suchmaschinen müssen personenbezogene Links löschen.
📌 „NT1 & NT2“ (2018): Löschung hängt von der Schwere der Verfehlung und der Relevanz für die Öffentlichkeit ab.
📌 BGH-Urteile zu Bewertungsportalen: Unternehmen und Privatpersonen haben ein Recht auf Schutz vor Fake-Bewertungen.
📌 BGH zu Facebook (2021): Soziale Netzwerke müssen Nutzern vor Sperrungen und Löschungen eine Stellungnahme ermöglichen.
Zusammenfassung:
- Persönliche Daten können gelöscht werden, aber das öffentliche Interesse spielt eine große Rolle.
- Suchmaschinen und Plattformen haben klare Regeln zur Löschung entwickelt.
- Betroffene haben Möglichkeiten, sich gegen negative oder unwahre Informationen zu wehren – sei es durch Löschanträge, Beschwerden oder Klagen.
Recht auf Vergessenwerden und künstliche Intelligenz
Das „Recht auf Vergessenwerden“ hat sich mit der Digitalisierung und insbesondere mit dem Aufstieg der künstlichen Intelligenz (KI), Machine Learning und Big Data weiterentwickelt. KI-Systeme beeinflussen den Datenschutz erheblich, da sie große Mengen personenbezogener Daten verarbeiten, analysieren und speichern. Dies wirft neue Herausforderungen auf: Wie kann das Recht auf Vergessenwerden in einer Welt durchgesetzt werden, in der Maschinen lernen, sich erinnern und Informationen replizieren?
Wie beeinflussen KI-Systeme den Datenschutz?
Künstliche Intelligenz basiert auf Datensammlungen, die durch automatisierte Prozesse verarbeitet werden. Je größer der verfügbare Datenpool, desto leistungsfähiger sind KI-Modelle. Dies hat direkte Auswirkungen auf den Datenschutz und das Recht auf Vergessenwerden:
1. KI verarbeitet personenbezogene Daten in großem Umfang
KI-gestützte Systeme sammeln und analysieren Daten aus unterschiedlichsten Quellen:
- Suchmaschinen (Google, Bing, DuckDuckGo)
- Soziale Netzwerke (Facebook, X, LinkedIn, Instagram)
- Gesichtserkennungssysteme und Überwachungskameras
- Nutzerprofile im Online-Marketing und Werbung
- Chatbots und Sprachassistenten (z. B. Alexa, Siri, Google Assistant)
Diese unstrukturierte und verteilte Speicherung macht es schwieriger, personenbezogene Daten gezielt zu löschen. Wenn ein Nutzer etwa die Löschung seiner Suchergebnisse bei Google beantragt, bleiben möglicherweise KI-gestützte Algorithmendaten und maschinell generierte Informationen weiterhin erhalten.
2. Automatisierte Entscheidungsfindung kann bestehende Daten weiterverwenden
KI-Systeme nutzen historische Daten, um zukünftige Entscheidungen zu treffen.
- Beispiel: Ein Bewerber beantragt die Löschung eines alten negativen Artikels über seine Vergangenheit. Doch ein KI-gestütztes Bonitätsbewertungs- oder Scoring-System könnte bereits die ursprünglichen Daten verwendet haben und beeinflusst weiterhin Kreditvergaben oder Bewerbungsentscheidungen.
- Ein weiteres Problem: Profiling durch KI – Selbst wenn Daten gelöscht werden, kann ein KI-System durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen trotzdem Rückschlüsse auf die Person ziehen.
3. Replikation und Verbreitung von Informationen durch KI
KI-Modelle wie ChatGPT, Bard oder Claude lernen aus großen Datenmengen und erstellen neue Inhalte basierend auf vorhandenen Informationen.
- Wenn eine Person die Löschung eines Artikels aus Google beantragt, kann dieser dennoch in KI-generierten Texten oder auf anderen Plattformen erneut auftauchen.
- KI könnte auf Archivseiten oder Screenshots zugreifen, die weiterhin öffentlich verfügbar sind.
- Das „Vergessen“ von Informationen ist für KI-Modelle eine technische Herausforderung, da sie bereits auf den Daten trainiert wurden.
Herausforderungen durch Machine Learning & Big Data
1. KI speichert Daten nicht „explizit“, sondern verinnerlicht Wissen
Traditionelle Datenbanken können gezielt Informationen löschen. Bei Machine-Learning-Modellen ist dies schwieriger, da:
- Informationen nicht einfach in einer Datenbank-Zeile gespeichert, sondern im gesamten Modell verteilt sind.
- Ein Training mit personenbezogenen Daten nicht einfach rückgängig gemacht werden kann, ohne das gesamte Modell neu zu trainieren.
- Eine gezielte Löschung von „erlernten“ Daten technisch extrem aufwendig ist.
Ein Beispiel ist die „Right to be Forgotten“-Forderung bei KI-Sprachmodellen:
- KI kann auf archivierte Inhalte zugreifen, auch wenn die Originalquelle gelöscht wurde.
- Löscht man einen Artikel über eine Person, kann KI trotzdem ähnliche Informationen aus anderen Quellen „rekonstruieren“.
2. Big Data erhöht die Persistenz von Informationen
Big Data-Systeme speichern riesige Datenmengen und synchronisieren sie über verteilte Server – manchmal außerhalb der DSGVO-Gesetzgebung (z. B. in den USA oder China).
- Einmal gespeicherte Daten verschwinden selten vollständig.
- Selbst wenn ein Suchergebnis entfernt wird, könnte es über eine Datenbank-Duplikation oder über Drittanbieter-Algorithmen weiterhin verfügbar bleiben.
Ein Beispiel:
- Ein Unternehmen entfernt eine negative Bewertung über eine Person aus Google-Suchergebnissen.
- Trotzdem bleibt die Bewertung in anderen KI-gestützten Datenbanken erhalten, die für Online-Reputation-Scoring genutzt werden.
3. KI erschwert die Nachverfolgbarkeit von Datenquellen
- Bei traditionellen Datenbanken kann eine Löschung durch eine eindeutige Identifikation erfolgen.
- KI verarbeitet jedoch oft unspezifische, zusammengeführte Informationen aus Millionen von Quellen.
- Betroffene haben keine klare Möglichkeit, nachzuvollziehen, welche Daten über sie verwendet wurden.
Mögliche zukünftige Entwicklungen
Da das „Recht auf Vergessenwerden“ durch KI und Big Data herausgefordert wird, sind neue gesetzliche, technische und ethische Lösungsansätze erforderlich.
1. Einführung von „Forgetful AI“ (vergessende KI)
Ein viel diskutierter Ansatz ist die Entwicklung von KI-Systemen, die selektiv vergessen können.
- Forscher arbeiten an Algorithmen, die bestimmte Datenpunkte bewusst entfernen, ohne das gesamte Modell neu trainieren zu müssen.
- Google, OpenAI und Meta entwickeln bereits „Machine Unlearning“-Techniken, die eine selektive Löschung ermöglichen könnten.
2. Gesetzliche Anpassungen der DSGVO
Die DSGVO wurde vor dem KI-Boom entwickelt und muss möglicherweise aktualisiert werden, um:
- Die Verantwortlichkeit für KI-generierte Daten klar zu regeln.
- Unternehmen zur Nachverfolgbarkeit von Trainingsdaten zu verpflichten.
- Mechanismen zu schaffen, mit denen Betroffene die Löschung in KI-Modellen beantragen können.
Die EU-Gesetzgeber diskutieren bereits über neue Datenschutzverordnungen im Zusammenhang mit KI und automatisierten Systemen.
3. Strengere Regulierung von KI-Trainingsdaten
- Unternehmen, die KI-Modelle trainieren, könnten dazu verpflichtet werden, personenbezogene Daten zu anonymisieren oder spezielle Filtermechanismen einzubauen.
- OpenAI hat bereits begonnen, Anfragen zur Löschung personenbezogener Informationen aus KI-generierten Antworten zu akzeptieren.
4. Entwicklung eines globalen Standards für Datenlöschung
- Heute gibt es kein einheitliches Verfahren zur Löschung von personenbezogenen Daten aus KI-Trainingsmodellen.
- Eine mögliche Lösung wäre ein „Right-to-be-Forgotten“-API-System, das Suchmaschinen und KI-Modelle automatisch synchronisiert.
Fazit
Das „Recht auf Vergessenwerden“ stößt im Zeitalter der künstlichen Intelligenz und Big Data auf massive Herausforderungen. Während die DSGVO klare Regeln für Suchmaschinen und soziale Netzwerke definiert, sind die technischen Hürden bei KI-Systemen erheblich größer.
Kernprobleme:
- KI kann Informationen lernen und replizieren, selbst wenn die Originalquelle gelöscht wird.
- Big Data-Systeme speichern Daten oft weltweit verteilt, wodurch sie schwer zu entfernen sind.
- Es gibt bisher keine effektiven Mechanismen, um personenbezogene Daten aus KI-Trainingsmodellen zu entfernen.
Mögliche Lösungen:
✅ Entwicklung von KI-Modellen, die gezielt „vergessen“ können
✅ Gesetzliche Anpassungen der DSGVO, um KI-generierte Daten abzudecken
✅ Globale Standards für die Löschung von Daten in Machine Learning-Modellen
👉 Fazit: Das Recht auf Vergessenwerden muss dringend weiterentwickelt werden, um mit den neuen Herausforderungen durch KI und Big Data Schritt zu halten. Ohne klare Regelungen könnte sich die Löschung von personenbezogenen Daten in der digitalen Zukunft als nahezu unmöglich erweisen.
Fazit und Ausblick
Das „Recht auf Vergessenwerden“ hat sich in den letzten Jahren als wichtiger Bestandteil des europäischen Datenschutzrechts etabliert. Es ermöglicht Privatpersonen und Unternehmen, die Löschung personenbezogener Daten zu verlangen, wenn diese nicht mehr relevant sind oder einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Privatsphäre darstellen. Trotz seiner klaren rechtlichen Verankerung bleibt das Recht auf Vergessenwerden umstritten und steht im Spannungsverhältnis zur Meinungs- und Pressefreiheit.
Warum bleibt das Recht auf Vergessenwerden ein umstrittenes Thema?
Das Recht auf Vergessenwerden ist eine juristische Gratwanderung. Es berührt zentrale demokratische Prinzipien, insbesondere den Schutz der Privatsphäre auf der einen und das Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit auf der anderen Seite.
1. Abwägung zwischen individuellem Schutz und öffentlichem Interesse
Das zentrale Problem ist die Einzelfallbewertung:
✅ Wann ist eine Information wirklich nicht mehr relevant?
✅ Wann überwiegt das öffentliche Interesse an einer Information?
✅ Wann ist eine Person keine Person des öffentlichen Lebens mehr?
Viele Fälle sind nicht eindeutig zu beantworten. Gerichte müssen stets eine Abwägung zwischen den Interessen der betroffenen Person und der Allgemeinheit treffen. Die Relevanz einer Information kann sich zudem über die Zeit verändern, was eine dynamische Bewertung erfordert.
2. Problematische Umsetzung in der Praxis
Obwohl Suchmaschinen wie Google und Plattformen wie Facebook Mechanismen zur Löschung von Daten bereitstellen, gibt es weiterhin zahlreiche Hürden in der Umsetzung:
- Die Kriterien für die Bewertung von Löschanträgen sind nicht immer transparent.
- Unternehmen wie Google lehnen rund 50 % der Anträge ab – oft mit ungenügender Begründung.
- Es gibt keine einheitlichen globalen Standards, sodass Informationen in einem Land gelöscht, in einem anderen aber weiterhin verfügbar sein können.
- Archivierte Inhalte, Screenshots und Kopien sind weiterhin abrufbar, selbst wenn die Originalquelle gelöscht wurde.
3. Technologische Herausforderungen durch künstliche Intelligenz (KI)
KI und automatisierte Datenverarbeitung erschweren das Recht auf Vergessenwerden erheblich:
- Suchmaschinen-Algorithmen „merken“ sich Informationen, selbst wenn sie gelöscht wurden.
- Maschinelles Lernen kann Informationen aus anderen Quellen ableiten, selbst wenn die Originalquelle entfernt wurde.
- KI-gestützte Modelle speichern keine expliziten Daten, sondern arbeiten mit Wahrscheinlichkeiten – eine gezielte Löschung ist daher technisch schwierig.
Ohne neue technische Lösungen wird das Recht auf Vergessenwerden künftig schwer durchsetzbar sein.
Datenschutz vs. Informationsfreiheit – eine immerwährende Debatte
Das Recht auf Vergessenwerden kollidiert immer wieder mit der Informationsfreiheit und der Pressefreiheit.
1. Datenschutz und das Recht auf Privatheit
- Das Grundrecht auf Datenschutz schützt Individuen vor übermäßiger Datenverarbeitung.
- Menschen sollen nicht lebenslang an alte Fehler oder private Informationen gebunden sein.
- Eine Gesellschaft, die keine „zweiten Chancen“ ermöglicht, könnte zu einem sozialen Ausschluss von Betroffenen führen.
2. Informationsfreiheit als Grundpfeiler der Demokratie
- Pressefreiheit ist in Artikel 5 Grundgesetz (GG) und Artikel 11 EU-Grundrechtecharta geschützt.
- Öffentliche Informationen sind für eine demokratische Gesellschaft essenziell.
- Manipulationsgefahr: Wenn Personen oder Unternehmen unliebsame Berichte einfach entfernen lassen könnten, würde dies zu einer Form der Zensur führen.
3. Gerichtliche Abwägung zwischen beiden Interessen
Gerichte müssen im Einzelfall abwägen:
Ist die Information noch relevant oder bereits überholt?
Gibt es ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit?
Wie schwer wiegt der Eingriff in die Privatsphäre?
In der Praxis führt dies zu uneinheitlichen Entscheidungen, die nicht immer nachvollziehbar sind.
Beispiel:
- Während Google in einem Fall ein Suchergebnis über eine Insolvenz entfernt, wird ein ähnlicher Fall in einem anderen Land nicht gelöscht, weil das öffentliche Interesse überwiegt.
Diese Uneinheitlichkeit macht es für Betroffene schwer, ihre Rechte durchzusetzen.
Ausblick: Künftige Entwicklungen in der Rechtsprechung und Gesetzgebung
1. Stärkere Regulierung von KI und Machine Learning
- Es wird erwartet, dass die EU-Datenschutzbehörden strengere Vorgaben für KI-gestützte Datenverarbeitung erlassen.
- Es könnte Gesetze geben, die vorschreiben, dass KI-Systeme personenbezogene Daten gezielt vergessen können.
- „Machine Unlearning“ als technologische Lösung könnte helfen, gespeicherte Daten aus KI-Modellen zu entfernen.
2. Einheitliche globale Datenschutzregelungen?
- Derzeit gibt es keine internationalen Standards für das Recht auf Vergessenwerden.
- Die EU ist weltweit führend im Datenschutz, aber Länder wie die USA oder China haben weniger strenge Gesetze.
- Eine mögliche Lösung wäre ein „Right-to-be-Forgotten“-Protokoll, das von allen Suchmaschinen und Plattformen weltweit übernommen wird.
3. Erweiterung der DSGVO?
- Es gibt Vorschläge, das Recht auf Vergessenwerden weiter auszubauen.
- Möglicherweise werden strengere Fristen für Plattformen eingeführt, um Löschanträge schneller zu bearbeiten.
- Auch könnte eine automatisierte Löschung nach bestimmten Zeiträumen gesetzlich verankert werden.
4. Rechtsprechung wird weiter an Bedeutung gewinnen
- Europäische und nationale Gerichte werden weiterhin entscheiden müssen, wann das öffentliche Interesse überwiegt.
- Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und der Europäische Gerichtshof (EuGH) werden voraussichtlich neue Leitentscheidungen treffen.
- Es ist möglich, dass bewertungsabhängige Plattformen (z. B. Jameda, Kununu) striktere Regelungen zur Identitätsprüfung bei Bewertungen erhalten.
Schlussfolgerung: Wie geht es weiter?
📌 Das Recht auf Vergessenwerden wird sich weiterentwickeln müssen, um mit den technologischen Veränderungen Schritt zu halten.
📌 Die Balance zwischen Datenschutz und Informationsfreiheit bleibt eine große Herausforderung.
📌 Neue Gesetze und technische Lösungen sind notwendig, um Daten gezielt zu löschen – insbesondere im KI-Zeitalter.
Was bedeutet das für Betroffene?
✅ Löschanträge bei Suchmaschinen sind weiterhin ein effektiver Schutzmechanismus – doch nicht jeder Antrag wird genehmigt.
✅ Gerichte müssen klare Regeln aufstellen, um Transparenz zu schaffen.
✅ Technologische Innovationen wie „vergessende KI“ oder „Machine Unlearning“ könnten in Zukunft eine Lösung bieten.
Fazit:
Das Recht auf Vergessenwerden bleibt ein dynamisches, kontroverses und hoch relevantes Thema. Gesetze, Unternehmen und Technologien müssen sich anpassen, um Datenschutz und Informationsfreiheit in Einklang zu bringen. Die kommenden Jahre werden entscheidend dafür sein, ob und wie dieses Recht in der digitalen Welt durchsetzbar bleibt.
Ansprechpartner
Frank Weiß
Frank Weiß
Andere über uns
WEB CHECK SCHUTZ
Gestalten Sie Ihre Internetseite / Ihren Onlineshop rechts- und abmahnsicher.
Erfahren Sie mehr über die Schutzpakete der Anwaltskanzlei Weiß & Partner für die rechtssichere Gestaltung Ihrer Internetpräsenzen.