Reaktion auf Abmahnung - Das müssen Sie wissen

Eine Abmahnung ist weit mehr als nur ein formelles Schreiben – sie ist ein Weckruf, der Unternehmer und Selbstständige unerwartet mitten ins Geschehen zieht. Wenn ein Wettbewerber, ein Verband oder ein anderer Marktteilnehmer Ansprüche geltend macht, können die daraus resultierenden Konsequenzen weitreichend sein. Die Abmahnung signalisiert nicht nur, dass jemand mit rechtlichen Mitteln agiert, sondern stellt auch den eigenen Handlungsspielraum und die strategische Weitsicht in den Mittelpunkt.
Gerade in einer wettbewerbsintensiven Umgebung, in der schnelle und überlegte Entscheidungen den Unterschied zwischen kostspieligen Rechtsstreitigkeiten und erfolgreicher Krisenbewältigung ausmachen, ist es essenziell, den eigenen Standpunkt sorgfältig zu prüfen. Unternehmer stehen vor der Herausforderung, zu erkennen, ob die Abmahnung – ganz oder teilweise – berechtigt ist. Dabei gilt es, neben der inhaltlichen Prüfung auch taktische Überlegungen anzustellen: Soll man schweigen, eine Unterlassungserklärung abgeben, die Abmahnung aktiv zurückweisen oder sogar den Weg einer negativen Feststellungsklage einschlagen? Hinzu kommen ergänzende Maßnahmen wie die Gegenabmahnung oder die Beantragung einer Fristverlängerung, um den Sachverhalt eingehender zu prüfen und mögliche Risiken abzufedern.
Im Folgenden werden die wesentlichen Reaktionsmöglichkeiten detailliert dargestellt – stets unter Einbeziehung der aktuellen Rechtsprechung und mit praxisnahen Beispielen. So erfahren Sie, wie Sie Ihre rechtlichen Interessen schützen, sich gegen unberechtigte Vorwürfe verteidigen und langfristig den Weg zu einem fairen und ausgewogenen Rechtsstreit ebnen können.
Reaktion auf eine Abmahnung
Schweigen als Reaktionsform auf eine Abmahnung
Unterlassungserklärung
Zurückweisung der Abmahnung
Fristverlängerung
Schutzschrift
Gegenabmahnung
Negative Feststellungsklage
Reaktion auf eine Abmahnung
Die Reaktion auf eine Abmahnung ist für Unternehmer und Selbstständige ein sensibles und zugleich strategisch bedeutsames Thema. Eine Abmahnung signalisiert, dass jemand – oft ein Wettbewerber oder ein Verband – Ansprüche geltend macht, die weitreichende Konsequenzen nach sich ziehen können. Entscheidend ist, dass der Abgemahnte zunächst prüfen muss, ob die Abmahnung (ganz oder teilweise) berechtigt ist. Dabei spielen neben der inhaltlichen Prüfung auch taktische Überlegungen eine wichtige Rolle, etwa im Hinblick auf Gegenansprüche (zum Beispiel wegen der durch die Abmahnung entstandenen Kosten) oder die Möglichkeit, durch geeignete Maßnahmen den Beginn eines gerichtlichen Verfahrens zu verzögern.
Grundsätze der Reaktion
Zentral bei der Wahl der Reaktion ist die Frage, ob der Abgemahnte die Abmahnung als berechtigt einschätzt. Diese Bewertung fließt in die Entscheidung ein, ob man etwa durch Schweigen, das Abgeben einer Unterlassungserklärung, die Zurückweisung der Abmahnung oder gar durch die Einleitung einer negativen Feststellungsklage reagiert. Darüber hinaus können einzelne Unternehmen auch auf eine Gegenabmahnung setzen oder eine Fristverlängerung beantragen, um den Sachverhalt eingehender prüfen zu können. Ergänzend ist seit der Änderung des UWG am 2. Dezember 2020 zu beachten, dass vor allem die inhaltlichen Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 UWG einer Abmahnung genau zu prüfen sind. (vgl. Nippe, Wolfgang, Berechtigte Abmahnung mit zu weit gefasstem Vorschlag einer Unterlassungserklärung – Kein Fall für die negative Feststellungsklage, WRP 2023, 1179)
1. Schweigen
Ohne Hinterlegung einer Schutzschrift
Das Schweigen als Reaktion kann zunächst als passive Strategie erscheinen. Wird jedoch bewusst darauf verzichtet, aktiv Stellung zu beziehen , so signalisiert dies oft, dass der Abgemahnte die Sachlage zunächst genauer prüfen will. Dabei kann die gerichtliche Einleitung von Maßnahmen verzögert werden, da das Gericht dem Unterlassungsschuldner im Rahmen des rechtlichen Gehörs zwingend Raum zur Stellungnahme einräumt.
Mit Hinterlegung einer Schutzschrift
Wählt der Abgemahnte hingegen das Schweigen in Kombination mit der Hinterlegung einer Schutzschrift, so wird zugleich ein gewisser prozessualer Schutz aufgebaut. Die Schutzschrift dient dazu, die eigene Position vorläufig zu sichern, während weitere Informationen eingeholt und eine abschließende Bewertung des Anspruchs vorgenommen werden. Diese Variante kann insbesondere dann sinnvoll sein, wenn der Abgemahnte zwar Zweifel an der Berechtigung hat, aber einerseits keine unmittelbare Bereitschaft zur aktiven Rückweisung der Forderungen zeigen will.
2. Abgabe einer Unterlassungserklärung
Die Unterlassungserklärung gilt als klassisches Mittel, um eine außergerichtliche Streitbeilegung herbeizuführen. Mit ihrer Abgabe verpflichtet sich der Abgemahnte, das beanstandete Verhalten künftig zu unterlassen. Diese Option ist oft attraktiv, wenn der Abgemahnte – auch wenn er die Ansprüche nicht in vollem Umfang anerkennt – das Risiko weiterer gerichtlicher Auseinandersetzungen minimieren möchte. Kritisch ist jedoch zu bedenken, dass die Unterlassungserklärung weitreichende rechtliche Folgen haben kann, da sie den Handlungsspielraum des Abgemahnten nachhaltig einschränkt. Gerade in Fällen, in denen der Abmahner zu weit gefasste Forderungen stellt, ist daher sorgfältig zu prüfen, ob diese Variante die wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken wirklich minimiert.
3. Zurückweisung der Abmahnung
Ohne Hinterlegung einer Schutzschrift
Die aktive Zurückweisung der Abmahnung stellt einen klaren Widerspruch gegen die erhobenen Ansprüche dar. Wird dies ohne die Hinterlegung einer Schutzschrift vollzogen, signalisiert der Abgemahnte, dass er die Vorwürfe als völlig unbegründet ansieht und bereit ist, sich unmittelbar zur Sache zu äußern. Diese Option birgt jedoch das Risiko, dass – bei einem eventuell unzureichenden Beweis der eigenen Position – bereits vorprozessuale Nachteile entstehen können.
Mit Hinterlegung einer Schutzschrift
Wählt man die Zurückweisung in Kombination mit einer Schutzschrift, wird das prozessuale Risiko zusätzlich gepuffert. Die Schutzschrift dient hier nicht nur als Sicherungsinstrument, sondern auch dazu, dass der Abgemahnte trotz Widerspruchs seine rechtliche Stellung bis zur abschließenden gerichtlichen Klärung bewahren kann. Diese Strategie ist insbesondere dann zu empfehlen, wenn Unsicherheiten bezüglich der Ansprüche des Abmahners bestehen oder wenn taktische Überlegungen – wie das Abwarten weiterer Sachverhaltsaufklärung – eine Rolle spielen.
4. Negative Feststellungsklage
Bei der negativen Feststellungsklage geht es darum, gerichtlich feststellen zu lassen, dass keine Unterlassungspflicht besteht. Diese Klageform wird vor allem dann gewählt, wenn der Abgemahnte fest davon überzeugt ist, dass der behauptete Verstoß entweder gar nicht oder nur in einem unzutreffenden Umfang vorliegt. Die negative Feststellungsklage bietet den Vorteil, dass mit einem gerichtlichen Urteil Klarheit geschaffen wird und künftige Auseinandersetzungen vermieden werden können. Allerdings erfordert dieser Weg in der Regel eine umfassende Beweisführung und ist mit einem höheren gerichtlichen Aufwand verbunden.
Ergänzende taktische Maßnahmen: Gegenabmahnung und Fristverlängerung
Neben den oben dargestellten Reaktionsmöglichkeiten greifen manche Unternehmer zu einer Gegenabmahnung. Dies dient dazu, den Druck umzukehren und eventuell selbst Ansprüche geltend zu machen. Andere wiederum beantragen eine Fristverlängerung, um mehr Zeit für die Prüfung des Sachverhalts und die Einholung weiterer Informationen zu haben. Beide Maßnahmen können strategisch sinnvoll sein, wenn sich der Abgemahnte in einer Situation befindet, in der er zunächst die Berechtigung der Abmahnung (oder einzelner Forderungen) nicht abschließend beurteilen kann.
Besondere Überlegungen bei Abmahnungen durch Verbände
Abmahnungen, die von einem Verband ausgesprochen werden, bringen zusätzliche Besonderheiten mit sich. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG sind Verbände befugt, Abmahnungen auszusprechen, wenn ihnen eine ausreichende Anzahl von Unternehmen angehört, die im Wettbewerb zueinander stehen.
Obwohl der Abgemahnte – wie bereits festgestellt – vorgerichtlich keinen Anspruch auf die Überlassung einer nicht anonymisierten Mitgliederliste hat (Senatsbeschluss vom 6.6.2017 – Az.: 1 W 18/17; OLG Hamm, Beschluss vom 23.2.2017 – Az.: I-4 W 1902/16), steht ihm der Anspruch zu, dass die zur Prüfung des Anspruchs erforderlichen Tatsachen schlüssig dargelegt werden. Konkret bedeutet dies:
"Der Antragsteller hätte der Antragsgegnerin daher als Reaktion auf das Anwaltsschreiben vom 26.6.2017 vorgerichtlich mitteilen müssen, ob und inwiefern ihm eine erhebliche Zahl von Mitgliedern angehört, die auf dem relevanten räumlichen Markt im Heilbehandlungssektor tätig sind, was beispielsweise durch Vorlage einer anonymisierten aktuellen Mitgliederliste geschehen konnte."
Diese detaillierte Mitteilung ist entscheidend, um den Umfang des behaupteten Wettbewerbsnachteils nachvollziehbar zu machen und gegebenenfalls Widersprüche gegen die Abmahnung fundiert zu untermauern.
Schlussbetrachtung
Die Reaktion auf eine Abmahnung erfordert ein sorgfältiges Abwägen aller möglichen Handlungsoptionen. Ob durch Schweigen (mit oder ohne Schutzschrift), die Abgabe einer Unterlassungserklärung, die aktive Zurückweisung der Abmahnung oder gar die Einleitung einer negativen Feststellungsklage – jede Variante birgt eigene Chancen und Risiken. Darüber hinaus können ergänzende taktische Maßnahmen wie die Gegenabmahnung oder die Beantragung einer Fristverlängerung dazu beitragen, die Verhandlungsposition zu stärken. Entscheidend ist, dass der Abgemahnte in jedem Fall darauf besteht, dass ihm alle für die Prüfung des Anspruchs notwendigen Informationen vollständig und nachvollziehbar dargelegt werden – insbesondere bei Abmahnungen durch Verbände, wie die Rechtsprechung des OLG Saarbrücken eindrücklich verdeutlicht.
Durch eine gründliche und strategisch überlegte Reaktion können nicht nur unmittelbare rechtliche Nachteile abgewendet, sondern auch langfristig die Weichen für einen fairen und ausgewogenen Rechtsstreit gestellt werden.
Schweigen als Reaktionsform auf eine Abmahnung
Das Schweigen als Reaktionsform bietet dem Abgemahnten grundsätzlich die Möglichkeit, sich selbst zu verteidigen – es birgt jedoch auch erhebliche Risiken. Insbesondere im Rahmen eines Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird das Gericht – wie das Bundesverfassungsgericht betont – nur dann auf den Beschlusswege entscheiden, wenn dem Antragsgegner Gelegenheit eingeräumt wurde, sich zum Vorwurf zu äußern. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf das Gericht – von Ausnahmefällen abgesehen – eine einstweilige Verfügung nur dann im Beschlusswege erlassen, wenn der Antragsgegner Gelegenheit hatte, zum Vorwurf Stellung zu nehmen.
Das Schweigen kann also als strategisches Mittel gewählt werden, birgt aber stets das Risiko, dass das Gericht dies als fehlende Verteidigung interpretiert.
1. Schweigen auf eine berechtigte Abmahnung
Allgemeine Konsequenzen
Schweigt der Abgemahnte auf eine berechtigte Abmahnung, sendet dies ein Signal an den Abmahnenden: Ohne weitere Zwischenschritte erscheint es so, als ob der Abgemahnte keine Reaktion beabsichtigt – was dem Abmahnenden oft die Gelegenheit gibt, direkt ein Gerichtsverfahren einzuleiten. Dies führt nicht selten zu erheblichen Kosten für den Abgemahnten. Wie das OLG Frankfurt in seinem Beschluss vom 30.11.2017 (Az.: 1 W 40/17) feststellte, gilt, wer auf eine berechtigte Abmahnung hin schweigt, gibt dem Abmahnenden Veranlassung, ohne weitere Zwischenschritte ein Gerichtsverfahren einzuleiten.
Diese passive Haltung kann insbesondere in Wettbewerbssachen dazu führen, dass – mangels vertragsstrafebewehrter Unterlassungserklärung – von vornherein Prozesskosten in Kauf genommen werden müssen.
a. Verschweigen einer Drittunterwerfung
Ein spezieller Fall innerhalb des Schweigens auf eine berechtigte Abmahnung liegt vor, wenn der Abgemahnte gegenüber einem Dritten bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat – er dies aber dem Abmahnenden verschweigt. Dieses Verschweigen einer sogenannten Drittunterwerfung führt zu besonderen Haftungsrisiken. Der Abgemahnte kann sich hier schadensersatzpflichtig machen, da der Dritte im Falle eines unnötig eingeleiteten Gerichtsverfahrens die Kosten geltend machen kann.
Der Bundesgerichtshof stellte in seinem Urteil vom 19. Juni 1986 (Az.: I ZR 65/84) klar, dass eine Aufklärungspflicht besteht, wenn eine solche Drittunterwerfung vorliegt:
Wer auf eine berechtigte Abmahnung hin verschweigt, dass er gegenüber einem Dritten bereits eine Unterlassungserklärung abgegeben hat, haftet dem Dritten für die Kosten des unnötig eingeleiteten Gerichtsverfahrens.
Wird diese Pflicht verletzt, kann dies als Verletzung von § 241 Abs. 2 BGB (heute als Pflichtverletzung) gewertet werden, was zusätzlich Schadensersatzansprüche zur Folge haben kann. Auch im Urteil des OLG Hamm vom 5. Oktober 2010 (Az.: 4 U 64/10) wird die Bedeutung einer rechtzeitigen und umfassenden Aufklärung hervorgehoben.
Darüber hinaus fließt bei der Kostenentscheidung nach §§ 91a, 93 ZPO mit ein, ob der Beklagte durch die Verletzung seiner Aufklärungspflicht Anlass zur Einleitung des Verfahrens gegeben hat – insbesondere, wenn nach einer verweigerten Annahme der Abmahnung gegenüber Dritten eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 01.12.1994, Az.: I ZR 139/92; ).
2. Schweigen auf eine unberechtigte Abmahnung
Bei unberechtigten Abmahnungen besteht grundsätzlich keine Aufklärungspflicht des Abgemahnten. Die einseitige Zusendung einer Abmahnung schafft noch kein rechtliches Verhältnis, aus dem Pflichten zur Stellungnahme abgeleitet werden könnten. Daher ist der Abgemahnte nicht verpflichtet, den Abmahnenden über etwaige bereits erfolgte oder beabsichtigte Unterlassungserklärungen aufzuklären.
Wie der BGH in seinem Beschluss vom 01.12.1994 (Az.: I ZR 139/92) feststellte, fehlt in einem solchen Fall eine „wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung“, die eine Aufklärungspflicht begründen könnte: Einseitiges Drängen – insbesondere bei einem ohne vorherige Kontaktaufnahme erfolgten Abmahnungsschreiben – begründet somit keine Verpflichtung des Abgemahnten, sich weitergehend zu äußern oder den Sachverhalt aufzuklären.
3. Schweigen auf eine zu weit gefasste Unterlassungsforderung
Auch wenn eine Abmahnung inhaltlich zu weit geht und rechtmäßiges Verhalten fälschlicherweise erfasst, führt das Schweigen nicht zur kompletten Wirkungslosigkeit der Forderung. Im gewerblichen Rechtsverkehr ist es anerkannt, dass dem Gläubiger nicht die Obliegenheit auferlegt ist, einen detaillierten Unterlassungserklärungsvorschlag beizufügen – selbst wenn dieser über den tatsächlichen Anspruch hinausgeht. Vielmehr obliegt es dem Abgemahnten, im Falle der Abgabe einer solchen Unterlassungserklärung, den Umfang der Wiederholungsgefahr angemessen auszuräumen.
Das OLG Frankfurt (Beschluss vom 30.11.2017, Az.: 1 W 40/17) stellt in diesem Zusammenhang fest:
Es ist grundsätzlich unschädlich, wenn der Gläubiger mit der vorformulierten Unterwerfungserklärung mehr verlangt, als ihm zusteht; es ist dann Sache des Schuldners, die Wiederholungsgefahr in dem dazu erforderlichen Umfang auszuräumen.
Hierbei handelt es sich um eine taktische Spielart, bei der der Abgemahnte durch sein Schweigen nicht automatisch in die Pflicht genommen wird, sich zu verteidigen – vielmehr muss der Gläubiger im Streitfall die Angemessenheit seiner Forderungen darlegen.
Zusammenfassung
Das Schweigen als Reaktion auf eine Abmahnung ist ein zweischneidiges Schwert.
- Bei berechtigten Abmahnungen kann das Schweigen – insbesondere ohne Hinterlegung einer Schutzschrift – als stillschweigende Zustimmung gewertet werden, was dem Abmahnenden den Weg zu einem gerichtlichen Verfahren erleichtert und mit erheblichen Kosten verbunden sein kann.
- Beim Verschweigen einer Drittunterwerfung entsteht ein zusätzliches Haftungsrisiko, da der Abgemahnte verpflichtet ist, über bereits abgegebene Unterlassungserklärungen gegenüber Dritten aufzuklären.
- Bei unberechtigten Abmahnungen fehlt es an einer rechtlichen Grundlage, die eine Aufklärungspflicht begründen könnte, sodass hier das Schweigen weniger nachteilig erscheint.
- Auch bei zu weit gefassten Unterlassungsforderungen wird das Schweigen nicht vollständig neutralisiert – der Abgemahnte bleibt gefordert, den tatsächlichen Umfang der Wiederholungsgefahr zu bestreiten.
Unterlassungserklärung
Die Unterlassungserklärung dient dazu, einen gesetzlichen Unterlassungsanspruch – begründet durch eine bereits begangene unzulässige geschäftliche Handlung – in einen durchsetzbaren, strafbewehrten vertraglichen Anspruch umzuwandeln. Sie muss eindeutig, hinreichend bestimmt, unwiderruflich und ohne Endtermin abgegeben werden, um die Wiederholungsgefahr auszuräumen. Dabei ist ein angemessenes Vertragsstrafeversprechen erforderlich, welches den Schuldner davon abhalten soll, die beanstandete Handlung erneut vorzunehmen.
Zudem muss die Erklärung den gesamten gesetzlichen Unterlassungsanspruch abdecken und alle kerngleichen Verletzungshandlungen einschließen – eine bloße Willenserklärung, künftig die Handlung nicht zu wiederholen, reicht hierfür nicht aus. Dies soll nicht nur einen Streit vermeiden, sondern auch im Falle eines erneuten Verstoßes die Durchsetzung der vereinbarten Vertragsstrafe ermöglichen.
Öffentliche Einrichtungen und andere Akteure sind ebenso verpflichtet, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, wenn sie von einer dazu berechtigten Stelle aufgefordert werden. Dabei ist zu beachten, dass die vermutete Wiederholungsgefahr – die sich aus vorangegangenen Verstößen ergibt – nicht nur die konkrete Verletzungsform, sondern alle im Kern gleichartigen Handlungen umfasst.
Beachten Sie hierzu unseren Beitrag "Strafbewehrte Unterlassungserklärung - Ein Leitfaden nach Abmahnung".
Zurückweisung der Abmahnung
Die Rückweisung einer Abmahnung ist ein komplexer strategischer Schritt, den der Abgemahnte – sofern er die Abmahnung für unberechtigt hält – in Betracht ziehen kann. Dabei müssen verschiedene Aspekte berücksichtigt werden, um späteren prozessualen Nachteilen und erheblichen Kosten vorzubeugen.
1. Gründe für die Rückweisung
Grundsätzlich kann der Empfänger einer Abmahnung diese aus unterschiedlichen Gründen als unberechtigt ablehnen. Zwei wesentliche Szenarien stehen dabei im Vordergrund:
- Drittunterwerfungserklärung:
Hat der Abgemahnte bereits von einem Dritten eine Abmahnung erhalten und diesem gegenüber eine Unterlassungserklärung abgegeben, so sollte er den ursprünglichen Abmahnenden darüber unverzüglich und unter namentlicher Nennung des betreffenden Dritten informieren. Diese Information ist notwendig, um eine wettbewerbsrechtliche Sonderbeziehung zu begründen, die den Abmahnenden zur Rücksichtnahme verpflichtet. Ohne diese Aufklärung läuft der Abmahnende Gefahr, ein unnötiges Gerichtsverfahren einzuleiten, obwohl die geforderte Unterlassung bereits anderweitig abgesichert wurde.
Dies entspricht der Rechtsprechung, wonach der Schutz des Abgemahnten auch darin besteht, vor einer Doppel- oder Mehrfachabmahnung zu warnen. - Unbegründetheit der Abmahnung:
Wird die Abmahnung als insgesamt unbegründet angesehen, ist es dem Abgemahnten grundsätzlich freigestellt, nicht aktiv zu werden. Er kann zunächst abwarten, ob der Abmahnende die Angelegenheit durch ein einstweiliges Verfügungsverfahren oder durch Klage weiterverfolgt. Allerdings ist es – neben einer reinen Passivität – häufig ratsam, sich prozessual abzusichern. Hierzu kann beispielsweise die Hinterlegung einer Schutzschrift bei Gericht gehören. Ebenso sollte der Abgemahnte den Abmahnenden – sofern es die Umstände zulassen – höflich und detailliert über die Gründe informieren, weshalb die Abmahnung als unberechtigt einzustufen ist. Eine solche Information dient nicht nur der Klarstellung, sondern kann auch dazu beitragen, dass der Abmahnende von weiteren Schritten absieht.
2. Die Bedeutung anwaltlicher Beratung
Bevor der Abgemahnte eine Abmahnung zurückweist, ist es unerlässlich, einen Rechtsanwalt zu konsultieren, der über einschlägige Kenntnisse im Wettbewerbsrecht oder im jeweils zugrundeliegenden Rechtsgebiet verfügt. Die Beurteilung, ob eine Abmahnung berechtigt oder unberechtigt ist, erfordert eine detaillierte Analyse des Einzelfalls. Eine fehlerhafte Bewertung kann dazu führen, dass der Abgemahnte später mit erheblichen Kosten konfrontiert wird, sollte der Abmahnende die in der Abmahnung erhobenen Ansprüche gerichtlich durchsetzen.
3. Eingrenzung statt pauschaler Ablehnung
Es ist wichtig zu betonen, dass eine Abmahnung allein nicht schon dann als unberechtigt gilt, wenn sie zu weit gefasst ist. Vielmehr obliegt es dem Abgemahnten, den Umfang der Abmahnung einzuschränken. Nach der herrschenden Rechtsprechung – wie sie etwa das OLG Köln im Beschluss vom 13. Juni 2014 (Az.: 6 U 156/13, II.2.a) darlegt – besteht die Möglichkeit, durch Abgabe einer eingeschränkten Unterlassungserklärung lediglich die konkret wettbewerbswidrige Verletzungsform abzudecken und somit die Wiederholungsgefahr zu beseitigen. Dies bedeutet, dass der Abgemahnte nicht pauschal alle Ansprüche des Abmahnenden anerkennen muss, sondern den beanstandeten Umfang präzise begrenzen kann. Auch die juristische Kommentierung, etwa nach Köhler/Bornkamm (UWG, § 12 Rn. 1.17), unterstützt die Auffassung, dass der Abgemahnte dazu berechtigt ist, den Umfang der geforderten Unterlassungserklärung zu relativieren und somit die Abmahnung – soweit sie über den tatsächlich relevanten Sachverhalt hinausgeht – zu beschränken.
4. Praktische Umsetzung und Prozessstrategien
- Schutzschrift und Prozessvorsorge:
Selbst wenn der Abgemahnte zunächst auf eine Rückweisung der Abmahnung setzt, kann es ratsam sein, bei gerichtlichen Verfahren eine Schutzschrift einzureichen. Dies dient als prozessuale Absicherung, falls der Abmahnende doch den Rechtsweg beschreitet. - Kommunikation mit dem Abmahnenden:
Eine detaillierte Mitteilung über die Gründe, warum die Abmahnung als unberechtigt angesehen wird, kann oft zu einer außergerichtlichen Klärung beitragen. Dies ist nicht nur im Interesse des Abgemahnten, sondern entspricht auch einem Gebot der Fairness im Wettbewerb. - Dokumentation und Beweissicherung:
Alle relevanten Schritte und Mitteilungen sollten sorgfältig dokumentiert werden, um im Falle eines späteren gerichtlichen Verfahrens über belastbares Beweismaterial zu verfügen.
5. Zusammenfassung und Fazit
Die Rückweisung einer Abmahnung stellt für den Abgemahnten einen strategisch anspruchsvollen und risikobehafteten Schritt dar. Entscheidend sind dabei:
- Die rechtzeitige und umfassende Information über bereits abgegebene Drittunterwerfungserklärungen,
- Die sorgfältige Prüfung der Berechtigung der Abmahnung unter Hinzuziehung eines spezialisierten Rechtsanwalts,
- Die Option, die Abmahnung – wenn sie zu weit gefasst ist – durch eine eingeschränkte Unterlassungserklärung zu relativieren, sodass lediglich die konkret wettbewerbswidrige Verletzungsform abgedeckt wird.
Die Rechtsprechung, etwa das Urteil des OLG Köln vom 13. Juni 2014 (Az.: 6 U 156/13, II.2.a), bestätigt, dass der Abgemahnte grundsätzlich die Möglichkeit hat, den Umfang der Unterlassungserklärung zu beschränken, ohne die gesamte Abmahnung als gerechtfertigt anzusehen. Gleichzeitig wird in der juristischen Literatur, beispielsweise in Köhler/Bornkamm (UWG, § 12 Rn. 1.17), darauf hingewiesen, dass eine pauschale Ablehnung der Abmahnung nicht zwangsläufig erfolgt, wenn diese über den berechtigten Umfang hinausgeht.
Insgesamt zeigt sich, dass die Rückweisung einer Abmahnung – immer unter sorgfältiger Prüfung und idealerweise in anwaltlicher Begleitung – ein wirksames Mittel sein kann, um sich gegen unberechtigte oder überzogene Abmahnungen zu wehren, ohne sofort in einen kostspieligen Rechtsstreit hineingezogen zu werden.
Fristverlängerung
Die Frage der Fristverlängerung bei Abmahnungen betrifft vor allem die Angemessenheit der in der Abmahnung gesetzten Frist. Grundsätzlich gilt: Ist die Frist ausreichend bemessen, besteht kein Anspruch auf eine Verlängerung. Wird die Frist hingegen als zu kurz erachtet, kann – bei entsprechender Begründung – um eine Verlängerung gebeten werden. Im Folgenden werden beide Aspekte ausführlich beleuchtet.
1. Gesetzte Frist ausreichend
Grundsatz:
Wenn die in der Abmahnung gesetzte Frist als angemessen lang angesehen wird, besteht kein Anspruch auf eine Fristverlängerung. Dies bedeutet, dass der Abmahnende nicht verpflichtet ist, einer Bitte um Verlängerung nachzukommen, sofern keine nachvollziehbaren Gründe vorgebracht werden.
Rechtsprechung und Begründung:
- OLG Frankfurt, Beschluss vom 10.11.2016, 6 W 101/16
In diesem Beschluss stellte das Gericht fest, dass die Klägerin ihrer Abmahnobliegenheit gemäß § 12 Abs. 1 S. 1 UWG nachgekommen sei, da die gesetzte Frist nicht unangemessen kurz war. Es wurde betont, dass der Gläubiger – also der Abmahnende – nur dann einer Fristverlängerung zustimmen müsse, wenn nachvollziehbare Gründe für die Verkürzung der Frist vorliegen. Ein bloßes Verlängerungsersuchen, das sich etwa auf interne Rücksprachen beruft, genügt hierfür nicht.
„Die gesetzte Frist war ... nicht unangemessen kurz. Die Klägerin war auch nicht verpflichtet, dem einen Tag vor Fristablauf erklärten Verlängerungsersuchen nachzukommen. Auf eine Fristverlängerung muss sich der Gläubiger nur einlassen, wenn nachvollziehbare Gründe mitgeteilt werden.“
- OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.2.2009, 4 W 59/08
Weiterhin betont das OLG Karlsruhe, dass der Abmahnende nicht verpflichtet ist, einer Bitte um Fristverlängerung nachzukommen, wenn diese mit Umständen begründet wird, die in der Organisation des abgemahnten Unternehmens selbst liegen – beispielsweise der Abwesenheit des Geschäftsführers. Gerade in wettbewerbsrechtlich sensiblen Bereichen ist es dem Unternehmen zumutbar, für dringende Entscheidungen auch in Abwesenheit eines Geschäftsführers vorab einen Vertreter oder einen Anwalt zu bestellen.
„Der Abmahnende ist nicht gehalten, einer Bitte des abgemahnten Unternehmens um Verlängerung der Abmahnfrist nachzukommen, wenn diese mit der Abwesenheit des Geschäftsführers begründet wird...“
Fazit zu „Gesetzte Frist ausreichend“:
Sind die in der Abmahnung gesetzten Fristen angemessen, ist von einer Fristverlängerung grundsätzlich nicht auszugehen. Das Gericht erwartet, dass interne organisatorische Probleme – wie z. B. die Abwesenheit eines Geschäftsführers – durch vorherige Maßnahmen (etwa die Beauftragung eines Anwalts) kompensiert werden. Eine Fristverlängerung wird nur dann als gerechtfertigt angesehen, wenn nachvollziehbare, externe Gründe vorliegen.
2. Gesetzte Frist zu kurz
Grundsatz:
Wenn die in der Abmahnung gesetzte Frist als zu kurz bemessen erscheint, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, um eine Fristverlängerung zu bitten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Abgemahnte den zu kurzen Zeitraum konkret und nachvollziehbar darlegt.
Rechtsprechung und Begründung:
- OLG Hamburg, Beschluss vom 31.1.2005, 5 W 150/04
Das OLG Hamburg entschied, dass eine in einer Abmahnung gesetzte Äußerungsfrist dann als zu kurz bewertet werden kann, wenn der Verletzer – also der Abgemahnte – zu Recht beanstandet, dass der Zeitraum nicht ausreicht, um die Angelegenheit umfassend mit seinem Mandanten zu besprechen. In einem solchen Fall muss die verlangte Fristverlängerung konkret formuliert sein. Es reicht nicht, vage zu wünschen, man benötige mehr Zeit. Der Abmahnende muss dabei eindeutig erkennen können, bis zu welchem Zeitpunkt er eine Reaktion erwartet. Ist die in einer Abmahnung gesetzte Äußerungsfrist zu kurz bemessen und beanstandet dies der Verletzer zu Recht, so muss die von ihm verlangte Fristverlängerung konkret sein, um eine dahingehende Verpflichtung des Verletzten auszulösen.
Auswirkungen einer nicht gewährten Fristverlängerung:
Wird einer konkret begründeten Fristverlängerung nicht stattgegeben, kann dies dazu führen, dass der Unterlassungsschuldner – also der Abgemahnte – den geltend gemachten Rechtsanspruch bereits mit der Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens anerkennen muss. Dies bedeutet, dass die zu kurz bemessene Frist unmittelbare negative Folgen haben kann, wenn der Abmahnende nicht gewillt ist, dem Verlängerungswunsch zu entsprechen.
Eine zu kurz gesetzte Frist in der Abmahnung muss nicht akzeptiert werden. Entscheidend ist hier die konkrete und nachvollziehbare Begründung des Verlängerungswunsches. Der Abgemahnte hat die Möglichkeit, auf eine angemessene Reaktionsfrist zu pochen – insbesondere wenn der ursprünglich gesetzte Zeitraum eine sorgfältige Prüfung und Beratung nicht zulässt.
3. Zusammenfassung
Die Fristverlängerung ist ein wesentliches Instrument in der Reaktion auf eine Abmahnung und hängt entscheidend von der Angemessenheit der ursprünglich gesetzten Frist ab.
- Ist die Frist ausreichend:
Wird – wie etwa im Beschluss des OLG Frankfurt vom 10.11.2016 und des OLG Karlsruhe vom 17.2.2009 festgestellt – die Frist als angemessen lang bewertet, besteht kein Anspruch auf Verlängerung. Interne organisatorische Probleme, wie die Abwesenheit eines Geschäftsführers, rechtfertigen in diesem Zusammenhang keine Fristverlängerung, da die Verantwortung hierfür beim abgemahnten Unternehmen liegt. - Ist die Frist zu kurz:
Wird hingegen nachweislich eine zu kurze Frist gesetzt, muss der Abgemahnte eine konkrete und präzise Fristverlängerung beantragen – wie das OLG Hamburg in seinem Beschluss vom 31.1.2005 fordert. Eine unpräzise oder vage Begründung genügt in diesem Fall nicht, und das Versäumnis, eine angemessene Verlängerung zu erreichen, kann zur sofortigen Anerkennung des Rechtsanspruchs führen.
Insgesamt zeigt sich, dass die Frage der Fristverlängerung stets eine Einzelfallbetrachtung erfordert, bei der sowohl die Rechtsprechung als auch die konkreten Umstände des abgemahnten Unternehmens maßgeblich zu berücksichtigen sind.
Schutzschrift
1. Was ist eine Schutzschrift
Eine Schutzschrift ist ein Schriftsatz, in dem der Abgemahnte zu den Vorwürfen Stellung nimmt, bevor das Gericht eine einstweilige Verfügung erlässt. Damit soll sichergestellt werden, dass das Gericht seine Argumente kennt und berücksichtigt – ohne dass dadurch ein formelles Prozessverhältnis eingeleitet wird (BGH, Urt. v. 13.02.2003, I ZB 23/02, Tz. 8 ).
2. Hintergrund/Gründe für eine Schutzschrift
Gerichte können nach § 937 Abs. 2 ZPO ex parte einstweilige Verfügungen erlassen – oft ohne mündliche Anhörung. Die Schutzschrift bietet dem Abgemahnten die Möglichkeit, seinen Standpunkt darzulegen, insbesondere wenn er befürchtet, dass der Antragsteller wichtige rechtliche Aspekte nicht vollständig vorbringt (BVerfG, Beschl. v. 30.9.2018, 1 BvR 1783/17).
3. Pro und Contra Schutzschrift
Pro:
- Ermöglicht dem Abgemahnten, seine Argumente vorab darzulegen.
- Kann verhindern, dass das Gericht voreilig eine einstweilige Verfügung erlässt.
Contra:
- Enthält die Schutzschrift wenig Substanz, kann sie das Gericht bestärken, eine Verfügung zu erlassen.
- Die Zustellung der Verfügung erfolgt oft direkt an den Anwalt des Abgemahnten, was den Prozess beschleunigen kann.
4. Wirkung der Schutzschrift
Die Schutzschrift führt nicht zu einem eigenständigen Verfahren, sondern beeinflusst die Entscheidung des Gerichts im Rahmen eines späteren Verfügungsantrags. Sie dient einzig der Vorabbeteiligung des Abgemahnten an der gerichtlichen Beurteilung (BGH, Urt. v. 13.02.2003, I ZB 23/02, Tz. 8).
5. Wo sollte die Schutzschrift hinterlegt werden
Da im Wettbewerbsrecht oft mehrere Gerichte zuständig sein können, sollte die Schutzschrift – idealerweise über das zentrale Schutzschriftenregister gemäß § 945a ZPO – bei allen potenziell zuständigen Gerichten eingereicht werden (OLG Hamburg, Beschl. v. 4.7.2016, 8 W 68/16).
6. Kosten der Schutzschrift
a. Bei unzuständigem Gericht:
Wer eine Schutzschrift bei einem unzuständigen Gericht einreicht, muss in der Regel die Kosten selbst tragen, es sei denn, der Antrag wird korrekt weitergeleitet (OLG Rostock, Beschl. v. 21.10.201? , 5 W 117/10).
b. Bei weiteren Schutzschriften:
Schutzschriften, die vorsorglich bei mehreren Gerichten hinterlegt werden und nicht zu einem tatsächlichen Prozessrechtsverhältnis führen, sind grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Nur die Schutzschrift im tatsächlichen einstweiligen Verfügungsverfahren kann kostenmäßig berücksichtigt werden (OLG Hamburg, Beschl. v. 23.10.2013, 4 W 100/13).
Weiter Informationen zur Schutzschrift finden Sie in unserem Beitrag "Schutzschrift - Eine Übersicht inkl. Leitfaden".
Gegenabmahnung
Die Gegenabmahnung ist ein Instrument, das grundsätzlich bei Abmahnungen ins Spiel kommen kann. Dabei ist zwischen unberechtigten Schutzrechtsverwarnungen und unberechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen zu unterscheiden.
1. Unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vs. wettbewerbsrechtliche Abmahnung
Im Falle einer unberechtigten Verwarnung aus einem Schutzrecht besteht prinzipiell die Möglichkeit, dass der Betroffene den Abmahnenden selbst auf Unterlassung in Anspruch nimmt, um weitere unberechtigte Warnungen zu verhindern (BGH, Urt. v. 22.7.2010, I ZR 139/08, Tz. 63).
Diese Regelung beruht auf den Grundsätzen aus § 823 Abs. 1 BGB, die jedoch nicht auf unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnungen übertragbar sind. Anders als bei Schutzrechtsverwarnungen gehen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen in der Regel nicht mit den weitreichenden negativen Auswirkungen einher, die beispielsweise Kundenbeziehungen eines Herstellers erheblich beeinträchtigen können.
2. Reaktion auf eine unberechtigte wettbewerbsrechtliche Abmahnung
Wird eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung als unberechtigt beurteilt, kann der Abgemahnte diese ohne größere Risiken in der Regel unbeachtet lassen. Der Rechtsfolgencharakter einer unberechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung ist oft vergleichsweise gering, da typische negative Effekte, wie sie bei Schutzrechtsverwarnungen auftreten, nicht in gleichem Maße eintreten.
Es kommt jedoch häufig vor, dass der Abgemahnte auch das geschäftliche Verhalten des Abmahnenden genauer unter die Lupe nimmt und – sofern er selbst Wettbewerbsverstöße feststellt – eine eigene Abmahnung (Gegenabmahnung) ausspricht. Diese Retourkutsche ist grundsätzlich zulässig, muss aber sorgfältig abgewogen werden, um eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung des Instruments zu vermeiden.
3. Rechtsmissbräuchlichkeit der Gegenabmahnung
Eine Gegenabmahnung darf nicht dazu dienen, den Abmahnenden aus taktischen Gründen zu schikanieren oder den Wettbewerbsprozess zu verzerren. Insbesondere ist darauf zu achten, dass nicht einseitig versucht wird, den Strich zu ziehen, ohne dass eine hinreichende tatsächliche und rechtliche Grundlage vorliegt. Das Gericht prüft in solchen Fällen, ob die Gegenabmahnung als Reaktion auf eine unberechtigte Abmahnung nicht missbräuchlich erfolgt (BGH GRUR 2005, 882).
4. Beispiel aus dem Markenrecht
In markenrechtlichen Verfahren wurde beispielsweise versucht, mittels einstweiliger Verfügungen weitere Abmahnungen zu verhindern. So hat ein Fall vor dem Kammergericht gezeigt, dass der Abgemahnte, der den Abmahner im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens auf Unterlassung weiterer Abmahnungen verklagt hatte, sein Rechtsschutzbedürfnis verneint bekam (KG, Beschl. v. 18.10.2016, 5 W 201/16).
5. Zusammenfassung
- Schutzrechtsverwarnung:
Bei unberechtigten Verwarnungen aus Schutzrechten kann der Betroffene unter Umständen selbst auf Unterlassung klagen, um weitere Warnungen zu unterbinden. - Wettbewerbsrechtliche Abmahnung:
Die rechtlichen Grundsätze aus § 823 Abs. 1 BGB sind hier nicht übertragbar. Daher kann der Empfänger einer unberechtigten wettbewerbsrechtlichen Abmahnung diese in der Regel ohne größere Risiken ignorieren. - Gegenabmahnung:
Eine Gegenabmahnung – also eine Abmahnung des Abgemahnten an den Abmahnenden – ist möglich, wenn dieser im eigenen Geschäftsverhalten ebenfalls Wettbewerbsverstöße feststellt. Allerdings muss dabei Sorgfalt walten, um eine missbräuchliche Rückwirkung zu vermeiden. - Markenrechtliche Besonderheiten:
In Verfahren, in denen injunktive Maßnahmen gegen weitere Abmahnungen angestrebt wurden, zeigt sich, dass solche Maßnahmen oftmals nicht die gewünschte Sicherheit bieten, da sie weder Bestandskraft entfalten noch alle Unsicherheiten beseitigen.
Die Entscheidung, ob und in welchem Umfang eine Gegenabmahnung erfolgen sollte, hängt stets vom Einzelfall ab und erfordert eine sorgfältige rechtliche Prüfung. Eine umfassende Beratung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt ist in jedem Fall zu empfehlen, um sowohl die Erfolgsaussichten als auch die Risiken einer Gegenabmahnung angemessen beurteilen zu können.
Negative Feststellungsklage
1. Allgemeines
Die negative Feststellungsklage dient dazu, gerichtlich feststellen zu lassen, dass der Gegner – der sich eines Anspruchs berühmt – keinen Anspruch gegen den Kläger hat. Sie richtet sich an die Beseitigung einer gegenwärtigen Ungewissheit über das Bestehen eines Rechtsverhältnisses (BGH, Vers.-Urt. v. 4.5.2006, IX ZR 189/03, Tz. 22).
2. Im Wettbewerbsrecht und gewerblichen Rechtsschutz
Im Wettbewerbsrecht kann der Abgemahnte mittels negativer Feststellungsklage gerichtlich klären lassen, dass die Abmahnung – und damit die behaupteten Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche – unberechtigt sind (BGH, Urt. v. 12.7.1995, I ZR 85/93; OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.5.2019, 2 U 50/18, Tz. 40).
3. Streitgegenstand
Der Streitgegenstand der Klage ist exakt auf den in der Abmahnung behaupteten Anspruch begrenzt. Die Klage darf nicht darüber hinausgehen, was der Abmahnende als Grundlage seiner Forderung anführt (OLG Düsseldorf, Urt. v. 23.5.2019, 2 U 50/18, Tz. 57).
4. Keine vorherige Gegenabmahnung erforderlich
Vor der Erhebung einer negativen Feststellungsklage besteht grundsätzlich keine Pflicht, eine Gegenabmahnung auszusprechen – selbst zur Vermeidung von Kostenfolgen gemäß § 93 ZPO (BGH, Urt. v. 29.04.2004, I ZR 233/01, Tz. 49; BGH, Urt. v. 6.10.2005, I ZB 37/05)
5. Feststellungsinteresse und Wegfall
- Bestehen eines Feststellungsinteresses:
Das Interesse an einer schnellen Klärung muss bestehen, wenn die Rechtsposition des Klägers durch die Abmahnung in Ungewissheit gerät (OLG Stuttgart, Urt. v. 11.11.2010, 2 U 31/10). - Wegfall des Feststellungsinteresses:
Falls der Abmahnende später eine Leistungsklage erhebt oder formell auf seinen Anspruch verzichtet, kann das Feststellungsinteresse entfallen, sodass die negative Feststellungsklage unzulässig wird (OLG Hamm, Urt. v. 24.9.2009, 4 U 104/09).
6. Gerichtliche Zuständigkeit
Die negative Feststellungsklage kann bei dem Gericht erhoben werden, das für eine Leistungsklage des Beklagten zuständig wäre – dies gilt auch bei grenzüberschreitenden Fällen innerhalb der EU (EuGH, Urt. v. 25.10.2012, C‑133/11, Tz. 56).
Diese kompakte Übersicht fasst die wesentlichen Aspekte der negativen Feststellungsklage zusammen – von ihrem Zweck und Anwendungsbereich bis hin zu den Anforderungen an das Feststellungsinteresse und die Zuständigkeit der Gerichte.
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