Reaction Videos ohne Urheberangabe sind unzulässig

Die rechtliche Grauzone von Reaction Videos
Reaction Videos kennt jeder. Sie sind ein beliebtes Mittel, um auf virale Videos, politische Statements, Musikvideos oder Filmtrailer zu reagieren. Dabei wird nicht selten Originalmaterial eingebunden, kommentiert, persifliert oder analysiert. Die Content Creator berufen sich häufig auf das Zitatrecht oder neuerdings auf den Pastiche. Doch wie weit reichen diese Schutzmechanismen wirklich?
Eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Köln (Beschluss vom 06.09.2024, Az.: 14 O 291/24) sorgt für Klarheit: Reaction Videos, die fremde Werke ohne Urheberangabe verwenden, sind rechtswidrig. Weder das Zitatrecht noch der Pastiche bieten in einem solchen Fall eine Rechtfertigung.
Sachverhalt: Drei Reaction-Videos ohne Urheberangabe
Im Mittelpunkt der Entscheidung steht ein Antragsteller, der auf einer bekannten Videoplattform insgesamt drei Reaction-Videos veröffentlichte. In diesen Videos reagierte er auf fremde Filmaufnahmen, ohne dabei die Urheber der Originalaufnahmen zu benennen. Zwar wurden die Inhalte in einem kommentierenden Rahmen eingebunden und kritisch beleuchtet, doch die gesetzlich erforderliche Urheberbenennung gemäß § 63 UrhG blieb aus.
Die Plattformbetreiber löschten daraufhin die Inhalte und übersandten eine urheberrechtliche Verwarnung. Der Antragsteller fühlte sich dadurch in seinen Rechten verletzt und beantragte eine einstweilige Verfügung gegen die Löschung und Verwarnung. Sein zentrales Argument: Er habe sich im Rahmen seiner Meinungsfreiheit geäußert, und sein Verhalten sei durch das Zitatrecht (§ 51 UrhG) bzw. das Pastiche-Recht (§ 51a UrhG) gedeckt.
Entscheidung des LG Köln: Kein urheberrechtlicher Freifahrtschein für Reaction-Videos
Das LG Köln wies den Antrag entschieden zurück. Die Kammer stellte klar, dass das Verhalten des Antragstellers eine Urheberrechtsverletzung darstellt und nicht durch gesetzliche Schrankenregelungen gedeckt ist. Im Fokus standen dabei zwei zentrale Rechtsfragen:
1. Ist die Nutzung als Zitat gemäß § 51 UrhG zulässig?
Die Kammer überprüfte zunächst, ob die Einbindung der Filmaufnahmen durch das Zitatrecht gedeckt sein könnte. Grundsätzlich erlaubt § 51 UrhG die Vervielfältigung, Verbreitung und öffentliche Wiedergabe eines veröffentlichten Werkes zum Zwecke des Zitats, sofern der Umfang der Nutzung durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist.
Das Gericht befand, dass der Antragsteller sich inhaltlich mit den fremden Aufnahmen auseinandersetzte und somit der besondere Zweck grundsätzlich vorlag. Doch die Entscheidung fiel nicht zu seinen Gunsten aus. Der Grund: Die gesetzlich geforderte Urheberangabe nach § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG fehlte.
Der Antragsteller kann sich nicht auf § 51 UrhG berufen, weil er entgegen § 63 Abs. 2 S. 2 UrhG keine Urheberangabe vorgenommen hat. Diese Urheberangabe war vorliegend weder entbehrlich noch unmöglich.
Die Kammer führte weiter aus, dass selbst eine deutliche Quellenangabe nicht ausreiche, wenn der konkrete Urheber bzw. die Urheberin nicht genannt wird. Ein Fall, in dem die Urheberbenennung unzumutbar oder unmöglich gewesen wäre, lag nicht vor.
Folge: Das Zitatrecht greift nicht. Die Verwendung war unzulässig.
2. Liegt ein Pastiche gemäß § 51a UrhG vor?
Alternativ versuchte sich der Antragsteller auf das Pastiche-Recht zu berufen. Seit der Urheberrechtsreform im Juni 2021 erlaubt § 51a UrhG unter bestimmten Voraussetzungen die Nutzung fremder Werke als Hommage, Stilnachahmung oder humorvolle Verarbeitung.
Doch auch hier machte das LG Köln kurzen Prozess. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die Videos des Antragstellers keine schutzwürdige künstlerische Verarbeitung darstellen:
"Die letzten beiden Aspekte [Stilnachahmung und Hommage] liegen hier fern, weil gerade eine Stellungnahme vom anderen politischen Standpunkt vorgenommen wird."
"Eine Art von Humor, gerade solcher, der die eigenen Adressaten anspricht, ist zwar wahrnehmbar, dies aber eher nur als Stilmittel der Kommentierung."
Mit anderen Worten: Die Videos dienten der politischen Meinungsäußerung, nicht einer künstlerischen Auseinandersetzung im Sinne des Pastiches.
Hinzu kommt: Auch für das Pastiche ist eine Urheberangabe grundsätzlich erforderlich, zumindest soweit diese möglich ist.
Juristischer Hintergrund: Die Bedeutung der Urheberangabe
Das Urheberrecht gewährt dem Urheber nicht nur Verwertungsrechte, sondern auch Persönlichkeitsrechte. Dazu gehört insbesondere das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft (§ 13 UrhG).
Wenn jemand aus einem Werk zitiert oder dieses in irgendeiner Form verarbeitet, muss die Quelle angegeben und der Urheber genannt werden. Dies ist nicht optional, sondern gesetzlich verpflichtend (§ 63 Abs. 2 UrhG).
Die Rechtsprechung zeigt hier wenig Spielraum: Eine fehlende oder unvollständige Urheberangabe führt regelmäßig zur Rechtswidrigkeit der Nutzung.
Konsequenzen für Content Creator
Die Entscheidung des LG Köln hat weitreichende Folgen für alle, die Reaction-Videos oder ähnliche Formate veröffentlichen:
- Keine Verwendung fremder Inhalte ohne Urheberangabe
- Angabe von "Quelle: YouTube" reicht nicht aus
- Der vollständige Name des Urhebers muss angegeben werden
- Bei fehlender Angabe drohen: Löschungen, Verwarnungen, Abmahnungen und Klagen
- Auch Humor oder politische Kommentierung rechtfertigen keine pauschale Nutzung fremder Inhalte
Fazit: Reaction-Videos erfordern Sorgfalt und Respekt vor Urheberrechten
Die Entscheidung des LG Köln schafft dringend nötige Klarheit in einem bislang oft missverstandenen Bereich. Sie zeigt, dass auch bei modernen Online-Formaten wie Reaction-Videos das klassische Urheberrecht uneingeschränkt gilt.
Wer fremde Inhalte nutzt, muss den Urheber korrekt benennen. Geschieht dies nicht, sind weder das Zitatrecht noch der Pastiche ein Rettungsanker. Content Creator sollten sich daher ihrer Verantwortung bewusst sein – und im Zweifel rechtlichen Rat einholen.
Ansprechpartner
Frank Weiß
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