clever fit begeht Wettbewerbsverstoß mit Preiserhöhung per Drehkreuz

Was auf den ersten Blick wie eine banale Alltagssituation aussieht, hat eine bedeutende juristische Tragweite: Das einfache Passieren eines Drehkreuzes in einem Fitnessstudio wurde durch die Betreiberin clever fit als Zustimmung zu einer Preiserhöhung gewertet. Das Landgericht Augsburg hat diesem Vorgehen mit Urteil vom 06.10.2023 (Az.: 081 O 1161/23) eine klare Absage erteilt. Die Entscheidung reiht sich ein in eine Reihe von verbraucherfreundlichen Urteilen, die aggressive Geschäftspraktiken unterbinden sollen.
Sachverhalt: Wie clever fit durch ein Drehkreuz die Zustimmung zur Preiserhöhung suggerieren wollte
Die beklagte Partei war clever fit, ein Franchisegeber mit über 500 Lizenzbetrieben bundesweit. In mehreren dieser Studios wurde ein nahezu wortgleicher Aushang angebracht, in dem die Mitglieder über eine bevorstehende Preiserhöhung informiert wurden. Die zentrale Passage lautete:
„Liebes Mitglied, clever fit steht für starke Leistungen zum vernünftigen Preis. Um Dir diese Leistungen weiterhin ermöglichen zu können, müssen wir unsere Mitgliedschaftsbeiträge für Neu- und Bestandskunden erhöhen. Dein Mitgliedschaftsbeitrag wird daher ab dem 01. September 2022 um 8€ pro Monat (inkl. MwSt.) bei monatlicher Zahlung bzw. um 96€ pro Jahr (inkl. MwSt.) bei jährlicher Zahlung, erhöht. (...)
Für deine Zustimmung kannst Du ganz unkompliziert unser Drehkreuz passieren.“
Damit wurde den Mitgliedern mitgeteilt, dass sie durch das einfache Passieren des Drehkreuzes und somit durch den Zutritt zum Trainingsbereich der Preiserhöhung zustimmen würden. Eine schriftliche Zustimmung war nicht erforderlich; vielmehr sollte die faktische Nutzung des Studios als konkludente Zustimmung gewertet werden.
Dieses Vorgehen rief den Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) auf den Plan, der in der Praxis einen klaren Wettbewerbsverstoß sah und dagegen Klage einreichte.
Rechtlicher Rahmen: Wettbewerbsrechtliche Bewertung nach dem UWG
Die Klage stützte sich im Wesentlichen auf § 4a Abs. 1 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb). Danach handelt unlauter, wer eine aggressive geschäftliche Handlung vornimmt, um Verbraucher zu einer Entscheidung zu drängen, die sie sonst nicht oder nicht so getroffen hätten.
Im Mittelpunkt stand die Frage: Kann das einfache Passieren eines Drehkreuzes – unter diesen Umständen – als Zustimmung zu einer Vertragsänderung gewertet werden?
Entscheidungsgründe des LG Augsburg
Das Landgericht Augsburg stellte in seinem Urteil eindeutig fest, dass es sich um eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne von § 4a Abs. 1 UWG handelt. Das Gericht stützte seine Entscheidung auf mehrere wesentliche Argumente:
1. Machtausübung durch Zwangssituation
Die Mitglieder wurden in eine faktisch alternativlose Lage gebracht: Wer das Studio weiterhin nutzen wollte, musste das Drehkreuz passieren – und stimmte laut Aushang damit automatisch der Preiserhöhung zu. Eine Nutzung ohne Zustimmung zur Preiserhöhung war nicht vorgesehen.
"Um das Fitnessstudio nutzen zu können, sind die Mitglieder gezwungen, das Drehkreuz unter Verwendung des ihnen überlassenen Zutrittsmediums zu passieren, woraus sich die Machtposition der Studioinhaber ergibt."
2. Überrumpelungssituation für Verbraucher
Die Bekanntmachung wurde erst unmittelbar vor Betreten des Studios durch Aushänge mitgeteilt. Mitglieder mussten daher ad hoc eine Entscheidung treffen, ohne sich ausreichend informieren oder beraten zu können.
"Den Mitgliedern wurde vor Ort eine ad hoc-Entscheidung abgenötigt, auf die sie [...] nicht vorbereitet waren, und die Auswirkungen auf das weiter fortlaufende Vertragsverhältnis hatte."
3. Unzumutbare Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit
Die Mitglieder erwarteten beim Besuch des Studios keine rechtlich bindende Geschäftsanbahnung. Die Nutzung des Studios sei eine Freizeitaktivität, nicht der Ort für konkludente Vertragsänderungen. Daher sei die Handlung besonders geeignet gewesen, die Entscheidungsfreiheit wesentlich zu beeinträchtigen.
"Der Besuch eines Fitnessstudios stellt eine Freizeitaktivität dar, bei welcher die Mitglieder grundsätzlich nicht mit einer geschäftlichen Ansprache rechnen müssen."
Haftung der Franchisegeberin clever fit trotz fehlender unmittelbarer Weisung
Ein weiterer entscheidender Aspekt war die Frage, ob clever fit als Franchisegeberin haftet, auch wenn die Aushänge von den Franchisenehmern stammten. Das LG Augsburg bejahte dies mit Verweis auf § 8 Abs. 2 UWG:
"Die Beklagte haftet vorliegend gem. § 8 Abs. 2 UWG selbstständig neben den Franchisenehmern."
Das Gericht begründete die Zurechnung wie folgt:
- Die Franchisenehmer sind in den Betriebsorganismus der Beklagten eingebunden.
- Der wirtschaftliche Erfolg der Franchisenehmer wirkt sich unmittelbar auf clever fit aus, da sie eine Umsatzbeteiligung von 5 % erhalten.
- Auch wenn clever fit nicht selbst zur Preiserhöhung aufgefordert hat, profitiert sie wirtschaftlich von deren Umsetzung und trägt daher eine rechtliche Mitverantwortung.
"Dabei spielt es keine Rolle, ob Preiserhöhungen auch ohne den Wettbewerbsverstoß hätten vereinbart werden können."
Bedeutung der Entscheidung für Praxis und Rechtsprechung
Das Urteil hat weitreichende Bedeutung, insbesondere in folgenden Punkten:
1. Stärkung der Verbraucherrechte
Die Entscheidung betont, dass Verbraucher in Freizeit- und Alltagskontexten nicht mit rechtserheblichen Entscheidungen überrumpelt werden dürfen. Konkludente Zustimmung zu Vertragsänderungen muss freiwillig und informiert erfolgen.
2. Klarstellung zur Haftung im Franchisesystem
Franchisegeber müssen sich die rechtswidrigen Handlungen ihrer Partner zurechnen lassen, wenn diese Teil eines wirtschaftlich und organisatorisch verbundenen Systems sind – insbesondere bei prozentualer Umsatzbeteiligung.
3. Grenzen für konkludente Willenserklärungen
Die Rechtsprechung zieht eine klare Grenze: Nicht jede Handlung im Alltag kann als Zustimmung gewertet werden, insbesondere nicht dann, wenn sie unter Druck oder mangels Alternativen erfolgt.
Fazit: Drehkreuz ist kein Vertragsschlussinstrument
Das Landgericht Augsburg hat mit seinem Urteil ein wichtiges Signal gegen aggressive Geschäftspraktiken gesetzt. Das bloße Passieren eines Drehkreuzes kann keine wirksame Zustimmung zu einer Vertragsänderung darstellen, wenn Verbraucher überrumpelt und in ihrer Entscheidungsfreiheit beeinträchtigt werden.
Das Urteil mahnt zur Sorgfalt im Umgang mit Verbraucherrechten – und erinnert Franchisegeber an ihre rechtliche Mitverantwortung für das Verhalten ihrer Partner.
Für Unternehmen bedeutet das Urteil: Vertragsänderungen dürfen nur nach klarer, transparenter und ausdrücklicher Zustimmung der Kunden erfolgen. Alles andere ist wettbewerbswidrig – und kann teuer werden.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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