Preiserhöhung bei Amazon Prime war rechtswidrig

Ausgangspunkt: Die Preiserhöhung durch Amazon im Jahr 2022
Im September 2022 erhöhte Amazon die Preise für seinen beliebten Dienst Amazon Prime erheblich:
- Jahresmitgliedschaft: von 69,00 € auf 89,90 € (+ ca. 30 %)
- Monatliche Zahlung: von 7,99 € auf 8,99 €
Diese Änderung betraf Millionen Kunden in Deutschland. Grundlage für die Erhöhung war eine Klausel in den „Amazon Prime Teilnahmebedingungen“ (Stand Juni 2022), welche sich auf ein sogenanntes billiges Ermessen sowie auf eine Reihe äußerer Umstände wie Inflation, Lohnkosten oder Steuern bezog.
Kurzzusammenfassung
- Das LG Düsseldorf erklärte die Amazon-Klausel zur Preisänderung von Amazon Prime für unwirksam.
- Grund: Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.
- Verbraucher konnten weder Zeitpunkt noch Umfang der Preisanpassung nachvollziehen – insbesondere der Verweis auf „Inflation“ sei zu unbestimmt.
- Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, hat jedoch Signalwirkung für AGB in digitalen Dauerschuldverhältnissen.
Die umstrittene Klausel – Was stand wirklich drin?
Die betreffende Klausel zur Preisanpassung (Ziffer 5.2 der Teilnahmebedingungen) lautete:
„Wir sind berechtigt, die Mitgliedsgebühr nach billigem Ermessen und sachlich gerechtfertigten sowie objektiven Kriterien anzupassen. (…) Eine Erhöhung der Mitgliedsgebühr kommt in Betracht (…), um die uns entstehenden Kostensteigerungen (…) weiterzugeben, die auf von uns nicht beeinflussbaren äußeren Umständen beruhen (…) wie etwa (…) generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation.“
Amazon betonte, dass Preiserhöhungen nur weitergegeben würden, wenn sie nicht durch Kostenersparnisse ausgeglichen würden, und dass sich die Änderungen nicht auf das vertragliche Gleichgewicht auswirken dürften.
Klage der Verbraucherzentrale NRW – Ziel und Argumentation
Die Verbraucherzentrale NRW sah in der Klausel eine unzulässige AGB-Regelung gemäß §§ 307 ff. BGB und klagte auf:
- Unterlassung der Verwendung dieser Klausel gegenüber Verbrauchern,
- Unterlassung der Preiserhöhungen ohne transparente Rechtsgrundlage,
- Unterlassung konkreter Erhöhungsschreiben und Rechnungsstellung,
- sowie Aufwendungsersatz.
Zentrale Kritikpunkte:
- Verstoß gegen das Transparenzgebot: Die Klausel sei zu unbestimmt.
- Intransparente Inflationsbezugnahme: Der Verbraucher könne nicht nachvollziehen, wann und in welchem Umfang eine Erhöhung erfolgt.
- Weitreichender Preisanpassungsspielraum für Amazon.
Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf – Urteil vom 15.01.2025 (Az. 12 O 293/22)
Das Landgericht gab der Verbraucherzentrale in zentralen Punkten Recht:
a) Verstoß gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB)
Die beanstandete Klausel sei nicht klar und verständlich formuliert. Besonders kritisierte das Gericht den Verweis auf:
„generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation“
- Inflation sei keine feste, drittbestimmte Größe, wie z. B. der Basiszinssatz.
- Ein durchschnittlich verständiger Verbraucher könne weder Preisanpassungen voraussehen, noch nachvollziehen, ob diese gerechtfertigt seien.
- Die Vielzahl an möglichen Einflussfaktoren (von Lohnkosten bis zu Softwarelizenzen) mache eine Plausibilitätsprüfung unmöglich.
b) Unzulässiger Spielraum für Amazon
Das Gericht betonte, dass die Klausel Amazon einen einseitig weiten Ermessensspielraum einräume – das vertragliche Gleichgewicht könne so leicht zu Lasten des Verbrauchers verschoben werden.
Zwar seien einzelne Kriterien wie Lohnerhöhungen oder Steueränderungen objektiv nachprüfbar – der Sammelbegriff „Inflation“ sei es aber nicht.
Das Gericht wörtlich:
„Das Kriterium der Kostensteigerung durch Inflation [ist] ein gleichsam unüberprüfbares Einfallstor für jedwede von Unternehmensseite gewünschte Preiserhöhung.“
c) Amazon benötigt keine solche Klausel – Kündigungsrecht reicht aus
Ein weiterer wesentlicher Punkt:
- Amazon könne den Vertrag mit einer Frist von 14 Tagen kündigen.
- Daher bestehe kein schützenswertes Interesse, sich durch dynamische Klauseln Preisanpassungen offen zu halten.
- Langfristige Kalkulationen seien nicht notwendig, da der Dienst jederzeit beendet werden könne.
Bedeutung für AGB in digitalen Dauerschuldverhältnissen
Diese Entscheidung betrifft nicht nur Amazon, sondern hat Relevanz für alle Anbieter von Streaming-Diensten, Cloud-Abos, Software-as-a-Service etc., die mit Preisanpassungsklauseln arbeiten.
Auswirkungen:
- Unklare Begriffe wie „Inflation“ dürfen nicht als automatischer Anpassungsfaktor dienen.
- Unternehmen müssen konkrete, nachvollziehbare und überprüfbare Kriterien definieren.
- Preisänderungen müssen vorhersehbar und verständlich sein – auch für juristische Laien.
Was bedeutet das für Amazon-Kunden?
Die Preiserhöhung könnte unzulässig gewesen sein. Zwar ist das Urteil noch nicht rechtskräftig, jedoch plant die Verbraucherzentrale weitere Schritte, darunter:
- Rückforderung überhöhter Beiträge
- Sammelklagen oder verbraucherrechtliche Musterfeststellungsklagen
Verbraucher, die dem Preisanstieg nicht aktiv widersprochen, sondern ihn stillschweigend hingenommen haben, könnten unter Umständen einen Rückzahlungsanspruch haben.
Rechtliche Bewertung und Fazit
Das LG Düsseldorf hat mit diesem Urteil ein starkes Zeichen für Verbraucherschutz gesetzt und zeigt auf, dass selbst große Tech-Konzerne wie Amazon sich an die rechtlichen Anforderungen an AGB halten müssen.
Besonders hervorzuheben:
- Das Gericht macht deutlich, dass wirtschaftliche Flexibilität des Anbieters nicht über dem Schutzbedürfnis des Verbrauchers stehen darf.
- Vage Klauseln, die auf schwer greifbare Begriffe wie „Inflation“ verweisen, reichen nicht aus, um einseitige Preisänderungen zu rechtfertigen.
Fazit:
Die Preiserhöhung von Amazon Prime im Jahr 2022 war – zumindest nach Auffassung des LG Düsseldorf – rechtswidrig. Kunden könnten ggf. Ansprüche auf Rückzahlung geltend machen, sofern das Urteil rechtskräftig wird.
Ansprechpartner
Frank Weiß
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