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Preisangabenverordnung: Tätowierstudio als künstlerischer Betrieb

OLG Hamburg, Urteil vom 04.05.2011, Az. 5 U 207/10

Das Oberlandesgericht (OLG) in Hamburg hat mit seinem Urteil vom 04.05.2011 unter dem Az. 5 U 207/10 entschieden, dass ein Tatoostudio keine Preisliste in seinem Geschäft aushängen muss. Denn es handele sich beim Tätowieren um eine künstlerische Tätigkeit, die sich mit derjenigen eines Auftrags-Porträt-Malers vergleichen lässt. Diese unterliegen einer Ausnahmeregelung in Bezug auf die Preisangabenverordnung. Komplexe Bildkompositionen, die beispielsweise auf dem ganzen Rücken oder dem Arm zu sehen sind, seien persönlich-geistige Schöpfungen gemäß § 2 UrhG.

Der Kläger ist ein Verein, der sich mit Wettbewerbsfragen befasst. Er geht gegen die Beklagten vor, weil er der Ansicht ist, diese würden gegen die Preisangabenverordnung (PAngV) verstoßen. Der Kläger verlangt Unterlassung und Ersatz der Abmahnkosten.
Die Beklagten betreiben beide ein Tätowierstudio. Bis zum Jahr 2005 unterhielten sie ein gemeinsames Studio S in Hamburg. Unter dieser Adresse ist der 1. Beklagte noch immer als Tätowierer tätig. Das fragliche Studio besitzt ein Schaufenster. Im Jahre 2009 stellte der Kläger fest, dass sich darin kein Preisaushang befindet. Dies stellt nach seiner Ansicht einen Verstoß gegen § 5 PAngV dar.

Der Kläger hat beantragt, es den Beklagten zu untersagen, ihre Tätowierleistungen ohne eine Preisliste anzubieten, in der die Preise für die wesentlichen Leistungen im Schaufenster oder in einem Schaukasten anzubringen wären.

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht nahm an, dass § 5 PAngV wegen der Ausnahmen der § 9 PAngV in diesem Fall nicht anwendbar sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Im Wesentlichen macht er geltend, dass die Ausnahmevorschrift des § 9 PAngV nicht erfüllt sei. Das Erstellen eines Bildentwurfs vor Durchführung der Tätowierarbeit sei nicht mit schriftlichen Voranschlägen gleichzusetzen, weil Bildentwürfe keine Preisangabe enthalten würden. Es handele sich auch nicht um künstlerische Leistungen, die die Beklagten erbringen würden. Die Ausnahmevorschrift des § 9 PAngV erfordere zudem, dass künstlerische Leistungen in privaten Räumen des Anbieters stattfinden müssten.
Doch das OLG Hamburg sieht die Berufung als unbegründet an. Das LG habe die Klage zu Recht abgewiesen.
Unstreitig sei, dass eine Tätowierung individuell nach den Wünschen des Kunden ablaufe. Eine solchee Leistung sei nicht vergleichbar mit der eines Friseurs, der standardisierte Leistungen erbringe (Haarewaschen, Schneiden, Föhnen, Färben, usw.). In dem Tätowierstudio der Beklagten hingegen würden keine „Standard-Tattoos“ angeboten. Dass es Tätowierer gebe, die zum Teil standardisierte Leistungen anböten, sei nicht vorgetragen worden.
Sachgerecht erscheine es dem Gericht, im Interesse effektiven Verbraucherschutzes keine überzogenen Anforderungen an die Bestimmtheit des Angebots von Kunsthandwerkern zu stellen. Das Tätowierstudio könne sich ohnehin auf die Ausnahmevorschrift des § 9 PAngV berufen. Die Tätigkeit des Beklagten könne als künstlerisch eingestuft werden.
Nach Ansicht des OLG bedeute § 9 der PAngV nicht, dass diese Tätigkeit an einem Ort ausgeübt werden müsse, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich sei, jedoch auch nicht in der Weise, dass Eintritt verlangt werden könne (Konzertsaal, etc.).
Man könne z.B. nicht davon ausgehen, dass ein Portraitmaler, der individuelle Bilder anfertigt, nur deshalb ein Preisverzeichnis aufstellen müsste, weil er die Arbeiten nicht in seinen Wohnräumen erledigt, sondern ein Atelier dazu nutzt, das wie ein frei zugängliches Ladengeschäft gestaltet ist. Die Leistungen bleiben individuelle künstlerische Auftragswerke gegenüber einzelnen Kunden, daher seien sie nicht mit einer Darbietung in einem Theater vergleichbar. Für einen Tätowierer könne nichts anderes gelten. Er könne und müsse seine Leistungen nicht in einem Preisaushang auflisten.

OLG Hamburg, Urteil vom 04.05.2011, Az. 5 U 207/10

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