Posten eines Grimassen-Emojis in WhatsApp ist keine Zustimmung

Emojis gehören heute zum Standardrepertoire digitaler Kommunikation – ob privat oder geschäftlich. Doch was passiert, wenn diese kleinen Bildchen in rechtlich relevanten Kontexten auftauchen? Kann ein Emoji eine Willenserklärung sein? Kann es eine Zustimmung ausdrücken – oder sogar eine vertragliche Änderung bewirken?
Mit dieser Frage beschäftigte sich das Oberlandesgericht (OLG) München in einem besonders aufsehenerregenden Fall: Ein Käufer bestellte einen Ferrari für rund 620.000 Euro. Als der Verkäufer eine Lieferverzögerung per WhatsApp mitteilte, reagierte der Käufer lediglich mit „Ups 😬“. Reichte das aus, um als Zustimmung zur Verzögerung gewertet zu werden? Das OLG München hatte hierzu eine klare Antwort.
Sachverhalt des Falls
Beteiligte Parteien:
Kläger: Käufer eines Ferrari SF90 Stradale, Preis: ca. 620.000 €
Beklagte: Verkäuferin des Fahrzeugs (Autohändler)
Der Vertrag:
Im November 2020 schlossen die Parteien einen Kaufvertrag über den genannten Ferrari.
Ein unverbindlicher Lieferzeitpunkt wurde für das 2. oder 3. Quartal 2021 genannt.
Die Anzahlung betrug 100.000 €.
Die Lieferverzögerungen:
Bereits 2021 zeichnete sich eine Verspätung ab.
Im September 2021 informierte der Händler den Käufer per WhatsApp über eine Verschiebung auf das erste Halbjahr 2022:
„Hallo Herr (...),
Der SF90 Stradale rutscht leider auf erstes Halbjahr 2022.
Das konnten wir nicht absehen und können wir nicht beeinflussen.
Immerhin ist der dann zur nächsten Saison da.
Viele Grüße (…)”
Der Käufer antwortete darauf lediglich mit:
„Ups 😬“
Später kam es zu weiteren Verzögerungen, erneut wurde kein verbindlicher Liefertermin genannt.
Der Rücktritt:
Der Käufer trat im Juni 2022 vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung der Anzahlung.
Die Beklagte verweigerte dies mit dem Hinweis, der Käufer habe durch das „Ups“-Emoji mit der Verzögerung konkludent eingewilligt, weshalb ein Rücktritt ausgeschlossen sei.
Rechtliche Fragestellung
Die zentrale Rechtsfrage lautete:
Kann das Absenden eines Grimassen-Emojis in Verbindung mit dem Wort „Ups“ als rechtlich wirksame Zustimmung zur Lieferverzögerung verstanden werden?
Die Beklagte behauptete: Ja, das sei ein „konkludentes Verhalten“, also eine stillschweigende Zustimmung.
Der Kläger sagte: Nein – das Emoji bringe lediglich Verwunderung oder Verlegenheit zum Ausdruck, nicht aber eine Zustimmung im rechtlichen Sinne.
Die Entscheidung des OLG München vom 11.11.2024 (Az. 19 U 200/24)
Das OLG gab dem Kläger recht und urteilte, dass keine Zustimmung zur Lieferverzögerung vorlag.
1. Willenserklärungen im digitalen Zeitalter
Das Gericht stellte zunächst klar, dass auch Emojis grundsätzlich Teil einer Willenserklärung sein können, etwa bei Messenger-Diensten wie WhatsApp:
„Willenserklärungen können sowohl ausdrücklich – mündlich oder schriftlich – als auch konkludent – durch schlüssiges Verhalten – erfolgen. […] Auch elektronische Erklärungen sind echte Willenserklärungen.“
Aber: Ob wirklich eine Willenserklärung vorliegt, hängt vom Kontext und der objektiven Auslegung ab. Entscheidend sei, wie ein verständiger Empfänger die Nachricht verstehen durfte (§ 133, § 157 BGB).
2. Analyse des verwendeten Emojis
Das Gericht bezog sich ausdrücklich auf Emoji-Lexika wie Emojipedia und Emojiterra, um die übliche Bedeutung des Grimassen-Emojis 😬 zu bewerten:
Bedeutung:
„Grimassen schneidendes Gesicht“
Unicode: U+1F62C
Typische Konnotationen: Nervosität, Unbehagen, Verlegenheit, Peinlichkeit, unangenehme Überraschung.
Diese Darstellung steht gerade nicht für Zustimmung oder Akzeptanz, sondern eher für emotionales Unwohlsein oder Zurückhaltung.
Wichtig: Auch der Begleittext „Ups“ verstärkte laut Gericht nicht den Eindruck einer Zustimmung.
„Der Ausdruck ‚Ups‘ ist allenfalls als Ausruf der Überraschung oder des Erstaunens zu werten – keinesfalls als zustimmende Aussage.“
3. Kontextuelle Auslegung & Kommunikationsumfeld
Das Gericht betonte die Wichtigkeit des Kontexts, in dem ein Emoji gesendet wird. Hier:
Der Kläger äußerte keine klare Zustimmung.
Es gab keine vorherige Einigung über weitere Verzögerungen.
Der Emoji war Teil einer kurzen, ausweichenden Reaktion, nicht eines Einverständnisses.
„Dass die Parteien diesem Emoji eine besondere, abweichende Bedeutung beimaßen, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.“
Zudem wurde darauf hingewiesen, dass derartige Reaktionen eher auf den nichtjuristischen Umgangston in Messenger-Diensten zurückzuführen seien – nicht auf rechtlich verbindliche Aussagen.
4. Rücktritt vom Vertrag berechtigt
Da es keine vertragliche Grundlage für die Lieferverzögerung gab und auch keine Zustimmung durch den Emoji erfolgte, war der Rücktritt gemäß §§ 323 Abs. 1, 437 Nr. 2 BGB zulässig. Die Beklagte musste die Anzahlung zurückzahlen.
Fazit und Praxishinweise für Verbraucher & Unternehmen
Das Urteil des OLG München setzt ein wichtiges Zeichen in Bezug auf die zunehmende Rolle digitaler Kommunikationsformen im Geschäftsleben.
Für Verbraucher:
Emojis sind keine Spielerei, sie können im Einzelfall rechtliche Wirkung entfalten – aber eben nicht immer.
Wer nicht ausdrücklich einer Änderung eines Vertrags zustimmt, sollte darauf achten, keine missverständlichen Reaktionen zu senden.
Es lohnt sich, schriftlich klarzustellen, wenn man mit einer Änderung nicht einverstanden ist.
Für Unternehmen:
Die Interpretation von Emojis darf nicht als rechtliche Vereinfachung missverstanden werden.
Lieferverzögerungen oder Vertragsänderungen sollten stets schriftlich und eindeutig abgestimmt werden.
Die Kommunikation per WhatsApp & Co. ersetzt keine saubere Vertragsgestaltung.
Zusammenfassung: Die drei wichtigsten Takeaways
😬 Ein Grimassen-Emoji drückt keine Zustimmung aus, sondern symbolisiert Unbehagen oder Verlegenheit – und ist keine konkludente Willenserklärung.
📱 Digitale Kommunikation muss im Vertragsrecht objektiv ausgelegt werden – Emojis können unterstützend wirken, ersetzen aber keine klaren Aussagen.
⚖️ Das Urteil des OLG München stärkt Rechtssicherheit im Umgang mit neuen Kommunikationsformen – gerade im Geschäftsleben.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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