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Personalisierte Briefwerbung ist DSGVO-konform

| Rechtsanwalt Frank Weiß

In einer Zeit, in der digitale Werbeformen wie E-Mail-Marketing, personalisierte Online-Werbung und Social-Media-Kampagnen im Fokus stehen, wirkt Briefwerbung beinahe nostalgisch. Doch personalisierte Werbebriefe haben ihre Berechtigung, insbesondere weil sie rechtlich oft weniger problematisch sind als digitale Werbeformen.

Während unerlaubte Telefonwerbung und unverlangte E-Mail-Werbung (Spam) in Deutschland streng reguliert sind, ist die Briefwerbung unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin zulässig. Eine besonders wichtige rechtliche Fragestellung ist, ob personalisierte Direktwerbung per Post auch ohne vorherige Einwilligung der betroffenen Person zulässig ist.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat sich mit dieser Thematik befasst und in seinem Beschluss vom 2. Februar 2024 (Az. 2 U 63/22) klargestellt, dass personalisierte Briefwerbung in vielen Fällen datenschutzrechtlich erlaubt ist. Diese Entscheidung ist insbesondere für Unternehmen von großer Bedeutung, da sie ihnen Rechtssicherheit bei der Nutzung von Briefwerbung als Marketinginstrument gibt.

Ist personalisierte Briefwerbung datenschutzrechtlich erlaubt?

Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) stellt hohe Anforderungen an die Verarbeitung personenbezogener Daten. Nach Art. 6 Abs. 1 DSGVO ist eine Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann rechtmäßig, wenn sie auf eine der dort genannten Rechtsgrundlagen gestützt werden kann.

Es gibt zwei zentrale Möglichkeiten, personalisierte Briefwerbung DSGVO-konform durchzuführen:

  1. Auf Basis einer vorherigen Einwilligung (Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO)
    • Wenn eine Person ausdrücklich in den Erhalt von Werbebriefen eingewilligt hat, besteht kein Problem.
    • Dies ist allerdings unpraktisch für Unternehmen, da eine vorherige Einwilligung schwer zu erhalten ist.
  2. Auf Basis eines berechtigten Interesses (Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO)
    • Direktwerbung wird ausdrücklich als ein mögliches „berechtigtes Interesse“ eines Unternehmens anerkannt.
    • Unternehmen können personalisierte Briefwerbung verschicken, sofern die Interessen der betroffenen Person nicht überwiegen.
    • Ein Widerspruchsrecht (Art. 21 Abs. 2 DSGVO) muss eingeräumt werden.

Das OLG Stuttgart hat in seinem Beschluss bestätigt, dass personalisierte Briefwerbung in vielen Fällen auf das berechtigte Interesse eines Unternehmens gestützt werden kann – selbst dann, wenn keine vorherige Kundenbeziehung besteht.

Der Fall vor dem OLG Stuttgart – Hintergrund und Sachverhalt

Im Mai 2021 erhielt der Kläger einen personalisierten Werbebrief von einem Unternehmen, mit dem er zuvor keinerlei Kontakt hatte. Die Beklagte war ein Dienstleister, der im Auftrag der Hannoverschen Lebensversicherung AG handelte.

  • Der Kläger hatte weder eine bestehende Kundenbeziehung zu dieser Versicherungsgesellschaft noch jemals eine Einwilligung zur Verarbeitung seiner Daten gegeben.
  • Die Daten des Klägers stammten von einem Schweizer Adresshändler und wurden durch ein Lettershop-Verfahren verarbeitet.
  • Das bedeutet: Die Beklagte erhielt die personenbezogenen Daten lediglich zur postalischen Werbung und gab sie nicht an die Versicherung weiter.

Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen die DSGVO und forderte immateriellen Schadensersatz in Höhe von 3.000 Euro. Er argumentierte, dass seine personenbezogenen Daten unrechtmäßig verarbeitet worden seien, da er keine Einwilligung erteilt habe.

Die Entscheidung des OLG Stuttgart: DSGVO-Verstoß oder zulässige Werbung?

Das OLG Stuttgart wies die Berufung des Klägers zurück und bestätigte die Entscheidung des Landgerichts Stuttgart, welches die Klage bereits abgelehnt hatte.

Das Gericht stellte klar:

Personalisierte Briefwerbung ist unter bestimmten Voraussetzungen DSGVO-konform.
Ein berechtigtes Interesse gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO kann eine ausreichende Rechtsgrundlage sein.
Eine vorherige Kundenbeziehung ist keine zwingende Voraussetzung.

Das bedeutet: Unternehmen dürfen personenbezogene Daten für personalisierte Werbebriefe nutzen, sofern eine Interessenabwägung erfolgt und ein Widerspruchsrecht eingeräumt wird.

Das OLG Stuttgart orientierte sich dabei an Erwägungsgrund 47 der DSGVO, der ausdrücklich festhält, dass Direktwerbung als ein berechtigtes Interesse angesehen werden kann.

Zitat aus Erwägungsgrund 47 DSGVO:
„Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“

Interessenabwägung: Überwiegen die Interessen des Empfängers?

Damit personalisierte Briefwerbung auf das berechtigte Interesse des Unternehmens gestützt werden kann, muss eine Interessenabwägung erfolgen.

Das OLG Stuttgart stellte fest, dass die Interessen des Klägers nicht überwogen:

Kein erheblicher Eingriff in die Privatsphäre:

  • Ein postalisch zugestellter Werbebrief ist weniger invasiv als unerwünschte Werbeanrufe oder E-Mails.
  • Der Empfänger kann den Brief einfach entsorgen.

Kein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil:

  • Der Kläger erlitt keinen nachweisbaren finanziellen Schaden.

Kein Verstoß gegen Datenschutzrechte:

  • Der Kläger hatte jederzeit das Recht auf Widerspruch gemäß Art. 21 Abs. 2 DSGVO.
  • Hätte der Kläger der Nutzung seiner Daten widersprochen, hätte die Beklagte keine weiteren Werbesendungen versenden dürfen.

Warum war die Verarbeitung der Daten erforderlich?

Das Gericht stellte klar, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten für personalisierte Briefwerbung erforderlich sein kann, um das berechtigte Interesse des Unternehmens zu verwirklichen.

Briefwerbung ist datenschutzfreundlicher als E-Mail-Werbung:

  • Elektronische Werbung per E-Mail oder Telefon ist in Deutschland nur mit vorheriger Einwilligung erlaubt.
  • Briefwerbung hingegen kann auf berechtigtes Interesse gestützt werden.

Alternativen sind weniger effektiv:

  • Ein generischer Werbebrief ohne Personalisierung hätte nicht den gleichen Werbeeffekt.

Kein Schadensersatz ohne konkreten Schaden

Der Kläger forderte 3.000 Euro Schadensersatz gemäß Art. 82 DSGVO.

Das OLG Stuttgart lehnte den Anspruch ab, da:

Kein konkreter Schaden nachgewiesen wurde.
Unwohlsein oder Ärger reichen nicht aus, um Schadensersatz zu erhalten.
Ein einzelner Werbebrief stellt keine schwerwiegende Datenschutzverletzung dar.

Fazit: Was bedeutet das Urteil für Unternehmen?

Personalisierte Briefwerbung ist DSGVO-konform, wenn sie auf ein berechtigtes Interesse gestützt wird.
Eine vorherige Kundenbeziehung ist nicht zwingend erforderlich.
Ein Widerspruchsrecht muss eingeräumt werden.
Briefwerbung bleibt ein zulässiges Marketinginstrument.

Für Unternehmen bedeutet dies: Sie können weiterhin personalisierte Werbebriefe versenden, solange sie datenschutzrechtliche Vorgaben beachten.

Dieses Urteil gibt Unternehmen Rechtssicherheit und zeigt, dass Briefwerbung eine attraktive, DSGVO-konforme Alternative zur digitalen Werbung sein kann.

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