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Wann eine Person auf TikTok identifizierbar ist

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Identifizierbarkeit auf TikTok und rechtliche Folgen

TikTok ist ein Ort für Kreativität, Unterhaltung und virale Trends – doch was passiert, wenn eine Person gegen ihren Willen ins Rampenlicht gerät? In der digitalen Welt reicht oft schon eine Anspielung, ein Videoausschnitt oder ein Kommentar aus, um eine Person für ihr Umfeld eindeutig erkennbar zu machen. Besonders heikel wird es, wenn dies zu Rufschädigung, Cybermobbing oder gar juristischen Konsequenzen führt.

Aber wann genau gilt eine Person auf TikTok als identifizierbar? Und welche rechtlichen Folgen kann dies für den Ersteller eines Videos oder sogar für TikTok selbst haben? Die Rechtsprechung ist hier klar: Wer auch ohne direkte Namensnennung anhand von Kontext, Bildern oder Andeutungen erkannt werden kann, kann sich rechtlich wehren – mit Unterlassungsansprüchen, Schadensersatzforderungen oder Löschungsanträgen.

In diesem Beitrag beleuchten wir, ab wann eine Identifizierbarkeit vorliegt, welche juristischen Schritte Betroffenen zur Verfügung stehen und warum selbst vage Anspielungen ernste rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können. Denn auf TikTok gilt: Nicht alles, was viral geht, ist auch rechtlich erlaubt.

Warum spielt die Identifizierbarkeit auf Social-Media-Plattformen wie TikTok eine Rolle?

Soziale Netzwerke wie TikTok bieten ihren Nutzern die Möglichkeit, Inhalte in Form von Videos oder Livestreams zu teilen. Doch während kreative Ausdrucksformen gefördert werden, können Inhalte schnell Persönlichkeitsrechte Dritter verletzen. Besonders problematisch sind Fälle, in denen eine Person durch bestimmte Aussagen oder visuelle Darstellungen identifizierbar wird, ohne namentlich genannt zu sein.

Die Identifizierbarkeit ist aus juristischer Sicht ein entscheidendes Kriterium für die Durchsetzung von Unterlassungs-, Schadensersatz- oder Löschungsansprüchen. Ein betroffenes Individuum kann dann gegen den Ersteller oder sogar gegen TikTok selbst vorgehen, sofern eine rechtswidrige Persönlichkeitsrechtsverletzung vorliegt.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei identifizierenden Äußerungen?

Wenn eine Person auf TikTok erkennbar dargestellt wird – sei es durch einen Clip, eine Erwähnung oder eine Andeutung – können verschiedene rechtliche Folgen für den Ersteller des Inhalts drohen:

  • Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht)
  • Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB
  • Widerrufs- und Löschungsanspruch gemäß DSGVO, insbesondere Art. 17 DSGVO („Recht auf Vergessenwerden“)
  • Geldentschädigung („Schmerzensgeld“) bei schwerwiegenden Eingriffen

Diese Maßnahmen setzen voraus, dass die betroffene Person tatsächlich identifizierbar ist. Doch wann genau ist eine Person auf TikTok als erkennbar einzustufen?

Wann gilt eine Person auf TikTok als identifizierbar?

Definition der Erkennbarkeit aus rechtlicher Sicht

Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob eine bestimmte Person für Dritte erkennbar ist, auch wenn der Name nicht ausdrücklich genannt wird. Entscheidend ist hierbei die sogenannte „relative Identifizierbarkeit“ – also ob ein bestimmter Personenkreis (z. B. Kollegen, Freunde oder Familienmitglieder) anhand der gegebenen Informationen die Identität entschlüsseln kann.

Das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 23.03.2024 – Az. 4 W 213/24) stellte klar:

Eine Identifizierbarkeit liegt nicht nur dann vor, wenn der Name einer Person genannt wird, sondern auch dann, wenn durch Beschreibung von Eigenschaften, Umständen oder Handlungen ein Rückschluss auf eine konkrete Person möglich ist.

Identifizierbarkeit durch Namen, Bilder, Videos oder andere Merkmale

Neben der expliziten Namensnennung gibt es zahlreiche Wege, auf denen eine Person identifizierbar gemacht werden kann, darunter:

  • Visuelle Merkmale: Gesichtsaufnahmen, Tattoos, besondere Kleidungsstücke
  • Stimmmerkmale: Unveränderte Originalstimme, typische Sprachmuster
  • Ortsangaben: Wiedererkennbare Umgebungen (z. B. Arbeitsplatz, Wohnumfeld)
  • Kontextinformationen: Beschreibung eines spezifischen Vorfalls oder Konflikts

Das OLG Dresden führte hierzu aus:

Auch die bloße Beschreibung einer Person kann eine Identifizierbarkeit bewirken, wenn diese Merkmale hinreichend individuell sind und für Dritte Rückschlüsse auf die betroffene Person ermöglichen.

In einem entschiedenen Fall wurde ein TikTok-Nutzer in einem Livestream ohne Namensnennung als „derjenige, der mich vor Gericht gezerrt hat“ beschrieben. Das Gericht bejahte dennoch die Erkennbarkeit, da der Kreis der Zuschauer den Kontext nachvollziehen konnte.

Einfluss von Kontext und Reichweite auf die Erkennbarkeit

Die Erkennbarkeit hängt zudem stark von Reichweite und Kontext ab. Ein Video mit nur wenigen Aufrufen mag eine geringere Identifizierbarkeit bewirken als ein viraler Beitrag mit Millionenpublikum. Das OLG Dresden betont in seinem Urteil:

Maßgeblich für die Beurteilung der Identifizierbarkeit ist nicht nur die objektive Möglichkeit der Erkennung, sondern auch der jeweilige Adressatenkreis und dessen Vorwissen über die betroffene Person.

Rechtsprechung zur Erkennbarkeit von Personen in sozialen Medien

Wann liegt eine unzulässige Persönlichkeitsrechtsverletzung vor?

Das OLG Dresden stellte in seiner Entscheidung klar:

Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung liegt insbesondere dann vor, wenn durch Aussagen oder Darstellungen die betroffene Person in ihrem sozialen Umfeld erkennbar wird und dies mit nachteiligen Folgen verbunden ist.

Dies kann etwa der Fall sein bei:

  • Abfälligen Aussagen oder Schmähkritik
  • Verzerrenden Darstellungen der Realität
  • Diskreditierung der betroffenen Person im beruflichen oder privaten Umfeld

Beispiele aus der Rechtsprechung

Fall 1: Identifizierbarkeit durch kontextuelle Hinweise

Ein TikTok-Video zeigte eine unscharfe Aufnahme einer Person mit dem Kommentar: „Jeder in der Stadt kennt diesen Typen, der nie seine Rechnungen bezahlt!“

  • Gerichtsurteil: Identifizierbarkeit bejaht, da die Person durch den spezifischen Kontext (kleine Stadt, wirtschaftliche Probleme) identifiziert werden konnte.

Fall 2: Unzureichende Identifizierbarkeit

Ein Nutzer postete auf TikTok: „Irgendjemand aus meinem Bekanntenkreis schuldet mir Geld!“

  • Gerichtsurteil: Keine Identifizierbarkeit, da die Aussage zu vage war und keinen eindeutigen Bezug zu einer bestimmten Person zuließ.

Unterlassungsansprüche: Wann können Betroffene dagegen vorgehen?

Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch

Ein Unterlassungsanspruch ist die wichtigste zivilrechtliche Maßnahme, um gegen identifizierende Inhalte auf TikTok vorzugehen. Er kann geltend gemacht werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Identifizierbarkeit:
    • Die betroffene Person muss für einen bestimmten Personenkreis erkennbar sein.
    • Dies kann durch ein Video, eine Sprachaufnahme, ein Bild oder durch beschreibende Hinweise erfolgen.
    • Selbst eine nicht explizite Nennung reicht aus, wenn Zuschauer die Person aufgrund von Kontextinformationen identifizieren können.

OLG Dresden, Beschluss vom 23.03.2024 – Az. 4 W 213/24:

Es ist nicht erforderlich, dass eine Person namentlich genannt wird, sofern Merkmale oder Umstände vorliegen, die es einem begrenzten Adressatenkreis ermöglichen, die Identität der betroffenen Person eindeutig festzustellen.

  1. Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts:
    • Die Identifizierbarkeit allein ist nicht automatisch rechtswidrig.
    • Entscheidend ist, ob durch die Äußerung eine unzulässige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts vorliegt, z. B.:
      • Unwahre Tatsachenbehauptungen
      • Schmähkritik oder Ehrverletzungen
      • Verletzung der Privatsphäre durch intime oder sensible Informationen
  2. Wiederholungsgefahr:
    • Ein Unterlassungsanspruch setzt eine konkrete Gefahr voraus, dass sich die Rechtsverletzung wiederholt.
    • Gerichte gehen von einer Wiederholungsgefahr aus, wenn ein rechtswidriger Inhalt bereits veröffentlicht wurde.

BGH, Urteil vom 15.12.2021 – VI ZR 488/20:

Ein Unterlassungsanspruch besteht bereits dann, wenn aufgrund einer vorangegangenen Rechtsverletzung die ernsthafte Gefahr einer Wiederholung anzunehmen ist.

Anspruchsgegner: Wer haftet für den Inhalt? (Ersteller vs. Plattform)

Wer kann für rechtswidrige Inhalte auf TikTok haftbar gemacht werden? Es gibt zwei mögliche Anspruchsgegner:

1. Der Ersteller des Inhalts

  • Primär haftet die Person, die das TikTok-Video hochgeladen hat.
  • In diesen Fällen kann ein außergerichtliches Vorgehen sinnvoll sein, etwa:
    • Direkte Aufforderung zur Löschung
    • Anwaltliche Abmahnung mit Unterlassungserklärung
    • Klage auf Unterlassung und Schadensersatz

2. Die Plattform TikTok

  • TikTok selbst haftet erst, wenn es trotz Meldung untätig bleibt.
  • Nach dem BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10 gilt:

Die Plattform ist erst nach positiver Kenntnis einer Rechtsverletzung verpflichtet, den Inhalt unverzüglich zu entfernen. Eine proaktive Prüfpflicht trifft den Betreiber nicht.

  • TikTok kann also erst belangt werden, wenn es trotz Meldung nicht reagiert.

Praxisbeispiele: Wann ist eine Person identifizierbar und wann nicht?

Fall 1: Identifizierbarkeit durch Kontext (OLG Dresden, Az. 4 W 213/24)

Ein TikTok-Nutzer postet ein Video mit dem Kommentar: „Jeder weiß, dass diese Person immer lügt.“
Gerichtsurteil: Identifizierbarkeit gegeben, da für einen bestimmten Personenkreis klar war, wer gemeint ist.

Fall 2: Keine Identifizierbarkeit (OLG Köln, Az. 15 U 153/22)

Ein Beitrag kritisiert „gewisse Leute in meiner Stadt, die ihre Rechnungen nicht zahlen“.
Gerichtsurteil: Keine Identifizierbarkeit, da keine spezifischen Hinweise vorlagen.

Fazit

Die Identifizierbarkeit einer Person auf TikTok ist ein entscheidender rechtlicher Faktor. Selbst ohne Namensnennung kann durch Kontext und Hinweise eine Identifizierung möglich sein, wodurch Unterlassungs-, Schadensersatz- und Löschungsansprüche entstehen können.

Was tun, wenn Sie betroffen sind?

  • Lassen Sie den Fall juristisch prüfen: Unsere Kanzlei ist spezialisiert auf Persönlichkeitsrechtsverletzungen und hilft Ihnen schnell und effektiv.
  • Sichern Sie Beweise: Screenshots, Links und Zeugenaussagen sind essenziell für rechtliche Schritte.
  • Ergreifen Sie rechtliche Maßnahmen: Unterlassungserklärungen, Löschungsanträge und Schadensersatzklagen sind mögliche Handlungsoptionen.

Kontaktieren Sie uns für eine kostenlose Ersteinschätzung Ihres Falls!

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