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Online-Handelsplattform unterliegt nicht § 5 a Abs.3 UWG

OLG Köln, Urteil vom 26.09.2014, Az. 6 U 56/14
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Die Betreiber von Onlineplattformen unterliegen mit Print-Anzeigen nicht den strengen Richtlinien der wettbewerbsrechtlichen Informationspflichten (§ 5 UWG), wenn der Erwerb von Waren ausschließlich über Drittanbieter über besagte Online-Plattformen möglich ist, jedoch nicht auf direktem Wege, zum Beispiel telefonisch.

Die Beklagte ist Betreiberin einer Online-Plattform, die sie dritten Parteien zum Vertrieb ihrer Ware zur Verfügung stellt. Sie selbst tritt nicht als Verkäuferin in Erscheinung. In der „Bild am Sonntag“ inserierte die Beklagte eine Anzeige, mit der sie auf die über ihre Online-Plattform vertriebenen Waren aufmerksam machte. Kläger ist ein Verein zur Wahrnehmung wettbewerbsrechtlicher Interessen. Er beanstandet die besagte Anzeige, in der er einen Verstoß gegen die wettbewerbsrechtlichen Informationspflichten gemäß § 5 UWG sieht, da die Verbraucher erst mit Aufrufen des in der Anzeige verzeichneten Quellcodes die Identität und Anschrift des potentiellen Vertragspartners unter der Rubrik „Anbieterinformationen“ erfahren. Über einen Link gelangen die Verbraucher auf ein zusätzliches Impressum der jeweiligen Anbieter. Die Beklagte verzichtet auf eigene Impressums-Angaben. Nach erfolgter Abmahnung nimmt der Kläger die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch. Das Gericht erster Instanz gab dem Kläger Recht und verurteilte die Beklagte, es zu unterlassen, mit Anzeigen zu werben, die ihr vollständiges Impressum entsprechend der Informationspflicht nach § 5 UWG nicht beinhalten. Die Beklagte ging auf das erstinstanzliche Urteil hin in Berufung. Die Entscheidung zweiter Instanz weicht von der Vorinstanz ab. Die Vorschriften der wettbewerbsrechtlichen Informationspflichten sind auch auf Unternehmen anzuwenden, die selbst keine Produkte zum Verkauf anbieten und nur Waren von dritten Parteien bewerben. Generell habe sich auch die Betreiberin der Online-Plattform an diese wettbewerbsrechtlichen Vorschriften zu halten. Die Richter nehmen jedoch eine Einschränkung dahingehend vor, dass die Möglichkeit der ausführlichen Bewerbung der durch die Drittparteien angebotenen Waren ausschließlich über die Online-Plattform besteht. Aus diesem Grund ist es ausreichend, wenn die Verbraucher die Adressdaten der Anbieter auf der entsprechenden Internetseite einsehen können.

Der Kläger ist als rechtsfähiger Verband aktiv legitimiert, da er gewerbliche und freiberufliche Interessen (§ 8 UWG) fördert und vertritt. Ihm gehört eine große Anzahl von Unternehmen an, die Produkte auf dem gleichen oder ähnlichen Weg vertreiben wie die Beklagte. Die Interessen seiner Mitglieder werden durch die gerügte wettbewerbsrechtliche Handlung unmittelbar beeinträchtigt. Ein Verband ist berechtigt, wettbewerbsrechtliche Verstöße auch in den Fällen zu verfolgen, in denen Verstöße Dritter auf einem anderen Markt als dem seiner Mitglieder vorliegen. Sein Interesse an der Verfolgung dieser wettbewerbsrechtlichen Verstöße ist auch dann gegeben, wenn die beanstandeten Verstöße die Interessen eines mit den Verbandsmitgliedern in Konkurrenz stehenden Unternehmens beeinträchtigen. Dass die Beklagte im Unterschied zu den Verbandsmitgliedern des Klägers Kaufverträge nicht selbst abschließt, sondern gewerblichen Verkäufern die Möglichkeit zum Abschluss derartiger Verträge gibt, ist für diesen Rechtsstreit nicht von Belang. Der sachliche und einschlägige Markt wird durch den Begriff der gewerblichen Leistungen und Waren gekennzeichnet, den die regelmäßige Rechtsprechung weit auslegt. Daher ist es unerheblich, ob die Beklagte die Ware selbst vertreibt oder ihren Absatz durch dritte Parteien lediglich ermöglicht. Die Vertriebsform ist für die sachliche Marktabgrenzung nicht relevant. Die Print-Anzeige der Beklagten stellt eine Aufforderung zum Kauf dar, die immer dann vorliegt, wenn die Verbraucher so ausführlich über die beworbenen Produkte informiert werden, dass sie in der Lage sind, eine geschäftliche Entscheidung zu treffen, auch wenn sie durch die kommerzielle Kommunikation (die Anzeige) selbst die Produkte noch nicht erwerben können.

Die Berufungsinstanz stuft die Anzeige der Beklagten als klare Absatzwerbung ein, da sie einen Rabatt von 10 Prozent auslobt. Die Anzeige geht damit über eine bloße Image- und Absatzwerbung hinaus. Trotz des Fehlens der wesentlichen Impressumsangaben liegt rechtlich gesehen ein Angebot vor. Um die wesentlichen Informationspflichten auszulösen, muss nicht ein bindendes Angebot oder eine „invitatio ad offerendum“ (Aufforderung zur Angebotsabgabe) vorliegen. Die Informationspflichten treffen den für das Angebot Verantwortlichen. Dass die wesentlichen Impressumsangaben in der streitgegenständlichen Werbeanzeige fehlen, löst alleine noch nicht den Tatbestand des unlauteren Wettbewerbs nach § 5 UWG aus. Die Richter legen den Begriff der geschäftlichen Entscheidung, die die Verbraucher mit dem Lesen der Werbeanzeige tätigen, weit aus. Die Verbraucher können die mit der klagegegenständlichen Anzeige beworbenen Produkte ausschließlich über die Online-Plattform der Beklagten erwerben und sind gezwungen, die entsprechende Seite im Internet aufzurufen, um die Waren von Interesse bei den entsprechenden Anbietern zu erwerben und einen Kaufvertrag abzuschließen. Die Verbraucher erhalten über die Rubrik „Anbieterinformationen“ und einen weiterführenden Link alle vorgeschriebenen Adressdaten der Anbieter. Derartige Angaben und Links sind für die Verbraucher ohne Weiteres erkennbar, zudem können sie sich die Waren am heimischen PC unbeobachtet und ohne Zeitdruck ansehen, bevor sie eine Kaufentscheidung treffen. Die fehlende Impressumsangabe in der Printanzeige verleitet die Verbraucher nicht zu einer Kaufentscheidung, die sie sonst nicht getroffen hätten.

OLG Köln, Urteil vom 26.09.2014, Az. 6 U 56/14

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