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Nichtvorlage eines Erwiderungsschreibens kann missbräuchlich sein

Oberlandesgericht München, Urteil vom 08.06.2017, Az. 29 U 1210/17
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht München entschied am 08.06.2017, dass ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung rechtsmissbräuchlich sein könne, wenn der Antragsteller gegen die Wahrheitspflicht verstoße. Dies gelte, wenn der Antragsteller versuche, den Titel zu erschleichen. Hierunter falle auch die fehlende Vorlage der gegnerischen Reaktion auf eine erfolgte Abmahnung. Denn damit werde eine umfangreiche Äußerung des Abgemahnten verschwiegen.

Nichtvorlage der Reaktion auf die Abmahnung im Verfügungsverfahren rechtsmissbräuchlich?
Die Parteien waren jeweils Rechtsanwälte, die u.a. im Bereich von Kapitalanlagen tätig waren. Wegen direkter Kontaktaufnahme mit der eigenen Mandantschaft mahnte der Antragsteller den Antragsgegner ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Daraufhin erwiderten die Vertreter des Antragsgegners per Schreiben umfangreich auf die Abmahnung. Sie erinnerten auch an die prozessuale Wahrheitspflicht und wiesen darauf hin, im Falle eines gerichtlichen Verfahrens dem Gericht das Erwiderungsschreiben unaufgefordert vorzulegen. Dem kam der Antragsteller jedoch nicht nach. Er wurde erstinstanzlich wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens wegen unangemessen hoher Vertragsstrafe sowie fehlender Vorlage der Abmahnungserwiderung verurteilt. Hiergegen richtet sich seine Berufung.

Verstoß gegen Gebot zum vollständigen Sachvortrag
Das Oberlandesgericht München erachtete die geltend gemachten Unterlassungsansprüche als missbräuchlich. Denn den Antrag ohne Vorlage des Erwiderungsschreibens einzureichen, verletze das Prozessgebot zum vollständigen Sachvortrag. Damit sei er unzulässig.

Hohe Vertragsstrafen sind grundsätzlich nicht rechtsmissbräuchlich
Zwar liege der Rechtsmissbrauch nicht in der relativ hohen Vertragsstrafe je Verstoß oder in der ungerechtfertigten Geltendmachung von Anwaltsgebühren für eine Tätigkeit in eigner Sache. Denn es sei dem Antragsteller allein um die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs selbst und nicht um Kostenerstattung und Vertragsstrafen gegangen.

Grobe Verletzung der prozessualen Wahrheitspflicht
Das Gericht stelle jedoch fest, dass der Rechtsmissbrauch in der groben Verletzung seiner prozessualen Wahrheitspflicht liege. Er habe versucht, den Erlass einer einstweiligen Verfügung zu erschleichen. Grundsätzlich seien die Parteien verpflichtet, ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Statt lediglich mitzuteilen, dass der Antragsgegner die strafbewehrte Unterlassungserklärung nicht abgegeben habe, hätte mitgeteilt werden müssen, dass er die geltend gemachten Ansprüche vorprozessual zurückgewiesen habe. Zudem hätte auch das Erwiderungsschreiben des Antraggegners vorgelegt werden müssen. Da das Schreiben nicht erwähnt worden sei, sei das Gericht von einer fehlenden Reaktion des Antraggegners ausgegangen.

Erschleichung eines Titels
Dass der Antragsgegner eine Schutzschrift hinterlegt habe und somit auch ohne Vorlage des Erwiderungsschreibens eine gerichtliche Würdigung hätte erfolgen könne, sei unerheblich, so das OLG weiter. Der Antragsteller habe nämlich von der Schutzschrift keine Kenntnis gehabt. Vielmehr sei für die Missbräuchlichkeit maßgeblich, dass der Antragsteller versucht habe, sich unter planmäßig-gezielter Vereitelung des rechtlichen Gehörs einen Titel zu erschleichen.

Kein Kanzleiversehen erkennbar
Nach Meinung des Gerichts sei die Nichtvorlage des Schreibens auch nicht auf ein Kanzleiversehen zurückzuführen. Denn der Antragsteller habe zwar behauptet, dass die Antragschrift bei fristgemäßem Eingang einer Unterlassungserklärung nicht hätte versandt werden sollen. Nicht aber habe er behauptet, dass das Erwiderungsschreiben versehentlich nicht beigefügt worden sei. Auch eine zeitbedingte fehlende Erwähnung greife nicht. Denn grundsätzlich habe der Antragsteller die Möglichkeit gehabt, das Erwiderungsschreiben „unbearbeitet“, nur mit dem Hinweis auf die fehlende Abgabe einer Unterlassungserklärung, einzureichen.

Oberlandesgericht München, Urteil vom 08.06.2017, Az. 29 U 1210/17

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