Neue Abmahngefahr bei Widerrufsbelehrungen

Das Landgericht Frankfurt am Main (Beschluss v. 21.05.2015 - Az.: 2-06 O 203/15) lässt in einem EV-Verfahren mit einer Rechtsauffassung aufhorchen, für die unserer Meinung nach gute Gründe sprechen, die jedoch gleichzeitig eine erhebliche und akute Abmahngefahr für im Fernabsatz Handelnde in sich birgt.
Uns ist bekannt, dass (auch) ein großer Verband für Onlinehändler derartige Widerrufsbelehrungen einsetzt und bisher die Meinung vertreten hatte, eine solche kombinierte Widerrufsbelehrung sei rechtskonform.
Kurz lässt sich die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt am Main wie folgt zusammenfassen:
Eine Widerrufsbelehrung im Fernabsatz, die in Bezug auf den Fristbeginn alle drei Möglichkeiten kombiniert, ist dann wettbewerbswidrig, wenn der Eindruck entsteht, dass gleichzeitig mehr als eine der drei Varianten vorliegen kann.
Die Entscheidung:
Tenor
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
Verbraucherschutzverein gegen unlauteren Wettbewerb e.V., […]
gegen
IKEA Deutschland GmbH & Co. KG, […]
[...]
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Verfügung wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000,- € - ersatzweise Ordnungshaft- oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an dem Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt,
1. nachfolgende oder mit dieser inhaltsgleiche Bestimmungen in Kaufverträgen mit Verbrauchern einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen:
"Bei Paketlieferungen kommt der Vertrag mit IKEA durch die gesonderte Auftragsbestätigung seitens IKEA per E-Mail zustande, bei Speditionslieferungen durch die Vertragsbestätigung und Lieferankündigung per E-Mail, Brief oder Telefon."
soweit eine Frist für die Angebotsannahme nicht angegeben wird;
2. bei einem Fernabsatzvertrag mit einem Verbraucher diesen nicht vor Abgabe von dessen Vertragserklärung
a) über das bei Dienstleistungsverträgen bestehende Widerrufsrecht zu informieren;
b) nicht ausreichend über den Beginn der angegebenen Lieferfrist zu informieren, indem für den Beginn der angegebenen Lieferfrist auf die Vertragsannahme durch die Antragsgegnerin abgestellt wird, insbesondere wenn dies wie folgt geschieht:
"Wir werden die Ware innerhalb der auf der jeweiligen Angebotsseite genannten Lieferzeit an den Kunden liefern. Ist keine Lieferzeit auf der Angebotsseite angegeben, werden die Waren innerhalb von zwei Wochen geliefert. Bei Sofas, die nach Kundenwunsch bezogen werden, beträgt die Lieferzeit maximal vier Wochen. Die Lieferzeit beginnt jeweils am Tag unserer Annahme Ihres Angebots gemäß Ziffer 2 (d.h. am Tag des Zustandekommens des Kaufvertrages)."
c) nicht ausreichend über den Beginn der Widerrufsfrist zu informieren, indem wie nachfolgend wiedergegeben:
"Die Widerrufsfrist beträgt vierzehn Tage ab dem Tag,
a) an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die Waren in Besitz genommen haben bzw. hat, wenn Sie eine Ware oder mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt haben und die Ware bzw. Waren einheitlich geliefert wird bzw. werden;
b) an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Ware in Besitz genommen haben bzw. hat, wenn Sie mehrere Waren im Rahmen einer einheitlichen Bestellung bestellt haben und die Waren getrennt geliefert werden,
c) an dem Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht der Beförderer ist, die letzte Teilsendung oder das letzte Stück in Besitz genommen haben bzw. hat, wenn Sie eine Ware bestellt haben, die in mehreren Teilsendungen oder Stücken geliefert wird.
Wenn mehrere der vorstehenden Alternativen vorliegen, beginnt die Widerrufsfrist erst zu laufen, wenn Sie oder ein von Ihnen benannter Dritter, der nicht Beförderer ist, die letzte Ware oder letzte Teilsendung bzw. das letzte Stück in Besitz genommen haben bzw. hat"
der Eindruck erweckt wird, dass gleichzeitig mehr als eine der mit a), b) und c) bezeichneten Sachverhalte vorliegen kann.
2. Die Kosten des Eilverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Landgericht Frankfurt am Main, Beschluss v. 21.05.2015 - Az.: 2-06 O 203/15
Ansprechpartner
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