Anforderungen an die Verletzung des Namensrechts durch eine länger bestehende Internet-Domain

Unberechtigte Namensanmaßung trotz früherer Domain-Registrierung möglich
Auch bei einer vor Entstehung des Namensrechts registrierten Internet-Domain kann eine unberechtigte Namensanmaßung durch die Aufrechterhaltung vorliegen. Der Bundesgerichtshof hatte sich mit den Voraussetzungen zu befassen, welche an eine derartige Prüfung zu stellen sind. Demnach sind im Rahmen der Interessenabwägung auf Seiten des Domaininhabers nicht nur spezifisch namens- oder kennzeichenrechtliche Interessen, sondern sämtliche Interessen an der Aufrechterhaltung der Domainregistrierung zu berücksichtigen, deren Geltendmachung nicht rechtsmissbräuchlich ist. Hierzu zählt auch ein wirtschaftliches Interesse an der Fortführung eines Weiterleitungsgebrauchs, um durch eine Verbesserung der Trefferquote und des Rankings der Zielseite in Suchmaschinen das Besucheraufkommen zu maximieren.
Hintergrund: Streit um die Domain „energycollect.de“
Die Klägerin ist eine Kommanditgesellschaft, die unter dem Namen „energy COLLECT GmbH & Co. KG“ firmiert. Seit dem Jahr 2020 ist sie als Inkasso-Dienstleisterin für Energieversorgungsunternehmen tätig. Der Beklagte ist Rechtsanwalt und Inhaber der Domains „energycollect.de“ sowie „energy-collect.de“. Diese sind bereits seit April 2010 bei der DENIC eG registriert. Die beiden Domains des Beklagten sind nie als Adresse einer mit Inhalten versehenen Internetseite verwendet worden. Stattdessen werden sie mittels URL-Redirects zur Weiter- und Umleitung auf die Website des Unternehmens „on-collect solutions AG“, einem Drittunternehmen, unter der URL „www.on-collect.de“ genutzt. Dieses Drittunternehmen, dessen Vorstand der Beklagte ist, betätigt sich unter anderem auch als Inkasso-Dienstleister für die Energieversorgungsbranche.
Instanzenzug: Von Mannheim über Karlsruhe zum Bundesgerichtshof
Zunächst hat das Landgericht Mannheim den Beklagten antragsgemäß zur Einwilligung in die Löschung seiner Domains gegenüber der DENIC eG verurteilt. Diese Entscheidung bestätigte das Oberlandesgericht Karlsruhe. Auf die Revision des Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Urteil aufgehoben. Er verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Interessenabwägung bei älteren Domainregistrierungen entscheidend
Zu Recht hat das Oberlandesgericht den Anwendungsbereich des § 12 BGB als eröffnet angesehen und ein Namensrecht der Klägerin, einen unbefugten Namensgebrauch durch den Beklagten sowie das Vorliegen einer Zuordnungsverwirrung angenommen. Der Berufungsgerichtshof war aber der Auffassung, der Namensgebrauch durch den Beklagten verletze keine schutzwürdigen Interessen der Klägerin. So sind bei der Prüfung einer unberechtigten Namensanmaßung durch die Aufrechterhaltung einer vor Entstehung des Namensrechts registrierten Internet-Domain im Rahmen der Interessenabwägung auf Seiten des Domaininhabers nicht nur spezifisch namens- oder kennzeichenrechtliche Belange zu berücksichtigen. Vielmehr sind jegliche Interessen an der Aufrechterhaltung der Domainregistrierung zu berücksichtigen, deren Geltendmachung nicht rechtsmissbräuchlich ist, so der Senat.
Wirtschaftliche Interessen an Domainnutzung sind zulässig
Zu diesen Belangen zählt auch das wirtschaftliche Interesse an der Fortführung eines Weiterleitungsgebrauchs, um durch eine Verbesserung der Trefferquote und des Rankings der Zielseite in Suchmaschinen das Besucheraufkommen zu maximieren. Selbst eine Verkaufsabsicht ist nicht grundsätzlich rechtsmissbräuchlich, denn der Handel mit Domainnamen ist zulässig und nach Art. 12, 14 GG verfassungsrechtlich geschützt, soweit hierdurch keine Namens- oder Kennzeichenrechte Dritter verletzt werden.
Prioritätsprinzip schützt frühere Domainregistrierungen
Auch markenrechtliche Wertungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Beherrschender allgemeiner Rechtsgrundsatz ist auch im Markenrecht das Prioritätsprinzip. Die Tatsache, dass neue Marktteilnehmer wegen der anderweitigen Registrierung des Domainnamens daran gehindert sind, diesen für ihr Unternehmen zu nutzen, ist Folge des Prioritätsprinzips. Eine darin liegende Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeiten ist grundsätzlich hinzunehmen. Sofern der Gebrauch des Domainnamens wirtschaftlichen Zwecken dient und diese, wie der Weiterleitungsgebrauch, nicht ohne weiteres rechtsmissbräuchlich sind, ist auch die herangezogene Parallele zur Löschung einer Marke wegen Verfalls nach § 49 Abs. 1 MarkenG, welche die Vorinstanz ins Feld geführt hatte, nicht von Relevanz.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 26.10.2023, Az. I ZR 107/22
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Verletzung des Namensrechts bei älteren Domains
1. Kann eine ältere Domain das Namensrecht eines neuen Unternehmens verletzen?
Ja, auch wenn eine Domain vor Entstehung des Namensrechts registriert wurde, kann eine unberechtigte Namensanmaßung vorliegen. Entscheidend ist eine umfassende Interessenabwägung, bei der sowohl Namens- als auch wirtschaftliche Interessen berücksichtigt werden.
2. Sind wirtschaftliche Interessen des Domaininhabers bei der Prüfung relevant?
Ja, der Bundesgerichtshof (BGH) hat klargestellt, dass auch wirtschaftliche Interessen – wie die Nutzung der Domain zur Verbesserung des Rankings oder eine Verkaufsabsicht – bei der Interessenabwägung einbezogen werden müssen, sofern diese nicht rechtsmissbräuchlich sind.
3. Gilt das Prioritätsprinzip auch im Domainrecht?
Ja, das Prioritätsprinzip spielt eine entscheidende Rolle. Wer eine Domain zuerst registriert hat, genießt grundsätzlich Vorrang. Neue Marktteilnehmer müssen hinnehmen, dass bestimmte Domains bereits vergeben sind, solange keine rechtswidrige Namensanmaßung vorliegt.
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