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Direktwerbung über Social Media: OLG Hamm erklärt Nachrichten zur elektronischen Post

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Soziale Netzwerke, Messenger-Dienste und Online-Portale sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken – sowohl privat als auch beruflich. Unternehmen erkennen darin eine attraktive Möglichkeit, Kunden direkt zu erreichen. Doch genau hier liegt ein rechtliches Risiko: Denn das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat mit Beschluss vom 03.05.2023 (Az. 18 U 154/22) klargestellt, dass Nachrichten über Social Media und vergleichbare Dienste rechtlich als „elektronische Post“ im Sinne des § 7 UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) gelten – und daher ohne ausdrückliche Einwilligung des Empfängers unzulässig sein können.

Die Entscheidung ist nicht nur juristisch bedeutsam, sondern hat auch handfeste Konsequenzen für alle Unternehmen, die Direktnachrichten zu Werbezwecken einsetzen – insbesondere in der Immobilienbranche.

Der Fall vor dem OLG Hamm – eine Akquise mit Folgen

Die Ausgangslage: Werben per Portalnachricht

Die Klägerin – ein Dienstleister für Immobilienmakler – hatte sich darauf spezialisiert, Kontakt zu Immobilienverkäufern aufzunehmen, die auf Portalen wie Immobilienscout oder Immowelt Anzeigen geschaltet hatten, jedoch ohne Telefonnummer. Ziel war es, diese Verkäufer anzuschreiben, um ihre Telefonnummer zu erfragen und in einem späteren Telefonat um Erlaubnis zu bitten, dass sich ein Makler (der Beklagte) bei ihnen melden dürfe.

Die Grundlage hierfür bildete eine vertragliche Akquise-Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Makler (Beklagten), bei der die Klägerin für die Kontaktaufnahme eine erfolgsunabhängige Vergütung erhalten sollte.

Das Problem: Missverständliche Kontaktaufnahme und rechtliche Bedenken

Der Beklagte äußerte wiederholt Kritik an der Vorgehensweise der Klägerin. Die angesprochenen Personen seien nicht korrekt über den Hintergrund der Kontaktaufnahme informiert worden. Ihnen sei lediglich gesagt worden, dass „jemand“ wegen der Immobilie anrufen werde – nicht jedoch, dass es sich um einen Makler handle.

Dies führte zu unangenehmen Situationen, in denen sich der Beklagte gegenüber potenziellen Verkäufern erklären musste. Er fürchtete rechtliche Konsequenzen wegen unzulässiger Direktwerbung – also eine unzumutbare Belästigung nach § 7 UWG. Die Folge: Er verweigerte die Bezahlung, woraufhin die Klägerin Klage einreichte.

Die rechtliche Bewertung: Wettbewerbswidrigkeit und Vertragsnichtigkeit

Landgericht: Vertrag ist wegen Rechtsverstoßes nichtig

Das Landgericht gab dem Beklagten Recht. Der Vertrag sei nach § 134 BGB nichtig, da er auf eine rechtswidrige Handlung gerichtet gewesen sei: die unzulässige Werbung durch Direktnachrichten ohne Einwilligung der Empfänger. Die maßgebliche Vorschrift war hier § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. (alte Fassung), die unzumutbare Belästigungen durch elektronische Post untersagt, sofern keine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Empfängers vorliegt.

OLG Hamm: Bestätigung der Entscheidung – mit weitreichender Begründung

Die Klägerin legte gegen die Entscheidung Berufung ein. Doch auch das OLG Hamm wies die Klage zurück und bestätigte die Argumentation des Landgerichts: Der Vertrag ist nichtig, weil die vereinbarte Leistung – die Kontaktaufnahme über Social Media – gegen das Wettbewerbsrecht verstößt.

Kern der Entscheidung: Was ist „elektronische Post“ im Sinne des § 7 UWG?

Ein zentrales Argument des Gerichts: Die Nachrichten über Immobilienportale oder Social-Media-Dienste stellen elektronische Post dar.

Unionrechtskonforme Auslegung

Der Begriff „elektronische Post“ in § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG a.F. sei in Übereinstimmung mit Art. 2 Satz 2 lit. h der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (RL 2002/58/EG) auszulegen. Danach umfasst der Begriff:

„jede über ein öffentliches Kommunikationsnetz verschickte Text-, Sprach-, Ton- oder Bildnachricht, die im Netz oder im Endgerät des Empfängers gespeichert werden kann, bis sie von diesem abgerufen wird.“

Konkrete Auslegung des OLG Hamm

Nach Ansicht des Gerichts sind darunter nicht nur klassische E-Mails, SMS oder MMS, sondern auch Nachrichten über Xing, Facebook, LinkedIn, WhatsApp oder Portalnachrichtensysteme zu verstehen.

Denn auch bei diesen Systemen handelt es sich um:

  • asynchrone Kommunikationsformen
  • mit speicherbarer Zustellung in ein privates Benutzerpostfach
  • das nur vom Empfänger eingesehen werden kann

Das Immobilienportal fungiert dabei gewissermaßen als digitaler Briefkasten. Die Nachricht wird auf einem Server gespeichert, bis der Nutzer sie abruft – damit ist der technische Ablauf identisch mit E-Mail oder WhatsApp.

Zur Argumentation der Klägerin – warum sie scheiterte

Die Klägerin meinte, dass ihre Nachricht nicht direkt an den Verbraucher, sondern an das Immobilienportal geschickt wurde, weshalb es sich nicht um elektronische Post an den Nutzer handle. Doch das OLG Hamm widersprach dieser Sichtweise entschieden:

  • Die Nachricht sei klar an den Inserenten gerichtet, nicht an das Portal
  • Der Empfänger sei identifizierbar und habe ein persönliches Postfach
  • Die Argumentation der Klägerin sei nicht mit dem Schutzzweck des § 7 UWG vereinbar

Der Zweck der Norm ist es, die Privatsphäre vor unerbetener Werbung zu schützen – und dieser Schutz gilt unabhängig vom genutzten Medium.

Folgen des Urteils: Was Unternehmen jetzt beachten müssen

Das Urteil hat weitreichende Folgen für die Praxis – besonders für Unternehmen, die auf Direktmarketing über digitale Plattformen setzen.

1. Ohne Einwilligung keine Direktnachricht

Jegliche Kontaktaufnahme per Nachricht über Social Media, Messenger oder Plattformen ist als elektronische Post zu werten – und somit nur mit ausdrücklicher vorheriger Zustimmung zulässig.

2. Verträge auf rechtswidrige Leistungen sind nichtig

Wenn ein Vertrag darauf abzielt, wettbewerbswidrige Maßnahmen umzusetzen – wie etwa unerlaubte Direktnachrichten – kann er nach § 134 BGB insgesamt nichtig sein. Dann besteht kein Anspruch auf Zahlung.

3. Unternehmerisches Risiko bei Beauftragung von Dritten

Unternehmer, die externe Dienstleister für Akquise oder Leadgenerierung beauftragen, sollten sicherstellen, dass diese rechtskonform handeln. Andernfalls drohen Haftungsrisiken, Imageverluste und auch Nichtigkeit von Verträgen.

Fazit: Direktwerbung über Social Media ist kein rechtsfreier Raum

Das OLG Hamm hat mit seiner Entscheidung deutlich gemacht: Auch moderne Kommunikationskanäle unterliegen klaren gesetzlichen Grenzen. Wer potenzielle Kunden über Messenger, Social Media oder Portale anschreibt, handelt nicht im rechtsfreien Raum. Vielmehr gelten dieselben Maßstäbe wie bei E-Mail-Werbung – inklusive Einwilligungspflicht.

Unternehmen sollten ihre Werbestrategien daraufhin kritisch prüfen. Wer auf Nummer sicher gehen will, holt vor dem Versand von Direktnachrichten eine dokumentierte Einwilligung ein – oder setzt auf alternative Werbeformen, etwa über öffentlich sichtbare Inhalte oder klassische Anzeigen.

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