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Nachbau des VW-Bulli verletzt Markenrechte

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied am 26.01.2023, dass auch Spielzeugautos, die ein markengeschütztes Automodell darstellen, dessen Marke verletzen können. Entscheidend sei, ob der maßgebliche Verkehrskreis aus der Warenform des Spielzeugmodells auf die Herkunft aus einem konkreten Unternehmen schließen könne.

Können Spielzeugautos die Marke VW „Bulli“ verletzen?

VW ging gegen einen Spielzeughersteller vor, der hochpreisige Modellautos für Sammler und Werbekunden anbietet. Dieser hatte den VW Bus T1 (umgangssprachlich „Bulli“ genannt) als Modellauto in verkleinerter Form maßstabsgetreu nachgebildet und vertrieben. Der „Bulli“ war für die Klägerin u.a. als deutsche dreidimensionale Marke für „Fahrzeuge zur Beförderung auf dem Lande, in der Luft und/oder auf dem Wasser sowie deren Teile“ (Klasse 12) und „Spiele, Spielzeug, einschließlich Fahrzeugmodelle (verkleinert), insbesondere Modellautos und Spielzeugautos“ (Klasse 28) geschützt. Die Beklagte war bis 31.12.2012 Lizenznehmerin der Klägerin und zuletzt eine 100%igen Konzerntochter von ihr. Unter diesem Lizenzverhältnis vertrieb die Beklagte u.a. das strittige Modellauto. Auf der Verpackung brachte die Beklagte bis 31.12.2012 einen Lizenzvermerk „Officially licensed by Volkswagen“ an. Der Lizenzvertrag wurde durch die Beklagte zum 31.12.2012 gekündigt. Aber auch nach dessen Beendigung befanden sich Modellautos und Verpackungen der Beklagten mit dem entsprechenden Lizenzvermerk auf dem Markt. Diese hatte die Beklagte noch vor Beendigung des Vertrages in den Verkehr gebracht. Die Klägerin war der Meinung, die Beklagte verletze mit den Modellautos ihre Rechte an der bekannten Marke. Die Vorinstanz wies die Klage ab, wogegen die Klägerin in Berufung ging. Unter anderem erhob die Beklagte die Einrede der Nichtbenutzung.

Benutzung aufgrund Lizenzvertrages

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied, dass die Markenrechte der Klägerin verletzt seien. Vorliegend könne nicht von einer Nichtbenutzung der Marke ausgegangen werden. Denn es liege eine Drittbenutzung mit Zustimmung der Klägerin als Markeninhaberin für Spielzeug-/Modellautos (Warenklasse 28) bis zum 31.12.2012 vor und damit im relevanten Benutzungszeitraum. Ein im Verfahren vorgelegter Lizenzvertrag vom 12./15.10.2003 mit der Beklagten beziehe sich explizit auf den VW Bus T1 („Bulli“). Zwar führe dieser Vertrag die seit 2006 eingetragene dreidimensionale Marke nicht an. Jedoch spreche für eine nicht abschließende Markenaufzählung die Anlage zum Lizenzvertrag, in der es geheißen habe „… und weitere Länder, in denen entsprechende Marken(-anmeldungen) eingereicht/registriert sind“. Die Lizenzierung habe sich zudem auch auf die Form des VW Bus T1 bezogen, da auch „Urheberrechte für Volkwagen Bus und „Kastenwagen“ (T1)“ Gegenstand dieses Lizenzvertrages gewesen sind. Damit sei auch die Form des VW Bus T1 durch die Beklagte im Rahmen der Lizenzbeziehung bis zum 31.12.2012 genutzt worden. Weiterhin habe es unstreitig ein Schreiben der Klägerin gegeben, das eine Heraufsetzung der Stücklizenzen auf 7 % des Nettoverkaufspreises für Modellautos (auch) des VW Bus T1 („Bulli“) und des VW T1 Kastenwagen zum Gegenstand gehabt habe. Dem sei unstreitig durch Unterschrift zugestimmt worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die dreidimensionale Marke bereits eingetragen gewesen. Die Vertragsanpassung zeige, dass die Nutzung der Form des VW Bus T1 („Bulli“) und des VW T1 Kastenwagen für Modellautos im Rahmen einer Lizenzbeziehung durch die Beklagte erfolgt sei.

Fremdbenutzungswille durch Lizenzierung

Auch fehle es nicht an einem Fremdbenutzungswillen durch die Beklagte, so das Gericht. Denn der Lizenzvertrag sei wirksam gewesen. Der Unterzeichner müsse sich bewusst sein, eine fremde Marke zu benutzen, also die Marke nicht als eigenes, sondern als Zeichen des Markeninhabers zu benutzen. Vorliegend sei die Herstellung des Bulli-Modellautos durch die Beklagte bis zum 31.12.2012 unter dem Lizenzvertrag mit der Klägerin erfolgt. Dabei sei auch die dreidimensionale Marke Gegenstand des Vertrages gewesen. Die lizenzierte Ware habe nach den vertraglichen Regelungen gewisse Abstimmungen mit der Klägerin bedurft. Vor Aufnahme einer Serienherstellung und des Vertriebs der lizenzierten Modellautos habe die Beklagte eine schriftliche Freigabe der Klägerin für Farbtöne oder ein Farbdesign einholen müssen. Weiterhin sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die lizenzierten Waren in einer Weise herzustellen und zu vertreiben, die den Qualitäts- und Designanforderungen entsprächen, die die Klägerin an ihre eigenen Produkte stelle. Da auch Urheberrechte für den VW T1 (Bus und Kastenwagen) Gegenstand der Lizenzierung waren, sei auch die Formnutzung lizenziert gewesen. Bei dieser Sachlage habe die Beklagte daher gewusst, dass sie die Form in Lizenz der Klägerin nutzt und nicht als eigene.

1:1 Nutzung im Spielzeugbereich weist auf Herkunft hin

Das OLG erachtete auch den Einwand der Beklagten als erfolglos, durch originalgetreu nachgebildete Modelle werde keine Marke verletzt; darin sei auch keine rechtserhaltende Benutzung zu sehen. Im Streitfall sei die Benutzung der dreidimensionalen Mark im Modellauto-Bereich zumindest auch als herkunftshinweisend auf die Klägerin anzusehen. Zwar knüpfe der Verkehr an die Verwendung der Marke für Kraftfahrzeuge und nicht für Spielzeug an. Allerdings sei die Marke auch für den Bereich der Spielzeug-/Modellautos eingetragen. Es ergäbe sich eine Schutzlücke, wenn nur nicht originalgetreue Spielzeug-/Modellautos eine rechtserhaltende Benutzung der Klagemarke bewirken würden. Eine nur 1:1 Nutzung im Spielzeug-/Modellautobereich wäre dann nie rechtserhaltend und würde zum Verlust der Markenrechte für diese Waren führen. Dies könne unter Berücksichtigung der Bindung an die Eintragung nicht richtig sein. Es müsse daher – wie vorliegend – auch eine originalgetreue Modellauto-Nutzung durch die Markeninhaberin möglich und rechtserhaltend sein.

Auch abweichende Form kann Markenbenutzung darstellen

Das Gericht war der Ansicht, soweit ein Modellauto entgegen der Klageformmarke auch das VW-Logo im Kreis enthält und farbig ausgestaltet ist, werde dadurch der kennzeichnende Charakter der Klageformmarke nicht verändert. Gemäß § 26 Abs. 3 MarkenG gelte auch die Formverwendung, die von der Markeneintragung abweicht, als Benutzung, soweit die Abweichung den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändert. Diesbezüglich seien die spezifischen Gewohnheiten der konkreten Branche von Bedeutung. Maßgeblich sei, ob die angesprochenen Verkehrskreise aus der konkreten Warenform auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen schließen oder die Form lediglich der funktionellen und ästhetischen Ausgestaltung der Ware selbst zuordnen. In Bezug auf die Automobilbranche sei der Verkehr seit langem daran gewöhnt, in der äußeren Form eines Fahrzeugs auch einen Herkunftshinweis zu sehen. Automobilhersteller verleihen verschiedenen Modellen, die in zeitlicher Abfolge oder parallel im Rahmen der jeweiligen Modellpalette vertrieben werden, durch gleichbleibende herstellertypische Gestaltungsmerkmale ein Aussehen, das die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Modellfamilie erkennen lässt und die Zuordnung zu einem bestimmten Hersteller erleichtert. Dies werde zudem dadurch unterstützt und gefördert, dass die Hersteller die entsprechenden Gestaltungsmerkmale werblich herausstellen und damit den Wiedererkennungseffekt solcher Formgestaltungen erhöhen. Es gebe Merkmale, die vom Verkehr als charakteristisch empfunden werden und denen infolge dessen eine identitätsstiftende Funktion zukommt. Es entspreche jedenfalls der Lebenserfahrung, dass eine auffällige Form von Automobilen ein klassisches Beispiel für eine herkunftshinweisende Formgestaltung darstellt.

„Bulli“-Form lässt auf VW schließen

Das OLG befand, nach diesen Grundsätzen könne bei den vorliegenden Nachbildungen als Spielzeug-/Modellautos des tatsächlichen „Bulli“ (auch) von einer herkunftshinweisenden Wahrnehmung der angegriffenen Gestaltungen ausgegangen werden. Eine Verkehrsbefragung habe ergeben, dass das von der Beklagten in Lizenz vertriebene Spielzeug- oder Modellauto von 18,5% aller Befragten und 19,8% der Befragten des engeren Verkehrskreises spontan „Volkswagen“ (inkl. der Nennung „VW Bulli“) zugeordnet werde. Weiterhin ergebe sich aus der Befragung, dass die dreidimensionale Klagemarke von relevanten Teilen des angesprochenen Verkehrs als herkunftshinweisend verstanden wird. 75,5% aller Befragten und 83,2% der Befragten des engeren Verkehrskreises seien der Auffassung gewesen, dass die Fahrzeugformen, die der dreidimensionalen Klagemarke entsprechen, von einem ganz bestimmten Unternehmen stammen. Erhebliche Teile des angesprochenen Verkehrs sehen die Verwendung der dreidimensionalen Klagemarke demnach jedenfalls als (auch) herkunftshinweisend an.

Revision zugelassen

Das Gericht ließ die Revision zu. Die Rechtssache habe – im Hinblick auf eine Fortentwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs „Opel-Blitz II“ und deren Anwendbarkeit auf die hier geschützte (bekannte) Klageformmarke – grundsätzliche Bedeutung. Im Hinblick auf eine Beschränkung der Übertragbarkeit der „Opel-Blitz II“-Rechtsprechung auf detailgetreue Nachbildungen des Original-Fahrzeugs weiche die vorliegende Entscheidung überdies von anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab.

 

Oberlandesgericht Hamburg, Urteil vom 26.01.2023, Az. 5 U 61/21

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