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Nach unberechtigter Abmahnung kein Schadensersatz wegen Mitverschulden

BGH, Urteil vom 19.09.2019 – Az.: I ZR 116/18
| Rechtsanwalt Frank Weiß

Für einen zu Unrecht Abgemahnten bestehen keine Schadensersatzansprüche, sofern dieser wider besseres Wissen unmittelbar nach der Abmahnung seinen Vertrieb einstellt.

In dem Verfahren, das der Bundesgerichtshof am 19.09.2019 zu entscheiden hatte, machte die Klägerin verschiedene Schadensersatzansprüche aufgrund einer in der Vergangenheit durch die Beklagte erfolgten unberechtigten Abmahnung geltend. Genaugenommen ging es bei den Schadensersatzforderungen um den entgangenen Gewinn und die Aufwendung für den Rückruf und die Vernichtung von beanstandeten Grußkarten.

Die Rechtsstreitigkeit begann in Jahr 2011
Schon Anfang Juni 2011 mahnte die Beklagte die Klägerin aufgrund der Verwendung bestimmter Hühnermotive („Chickenwings“) auf Grußkarten ab. Dabei machte sie die Verletzung von Marken-, Urheber- und Geschmacksmusterrechten geltend. Daraufhin wies das abgemahnte Unternehmen recht schnell die Abmahnung als unberechtigt zurück, stellte jedoch zunächst den Verkauf der beanstandeten Grußkarten ein.

Im Oktober 2011 hat die Klägerin schließlich negative Feststellungsklage erhoben. In diesem Rahmen sollte abschließend geklärt werden, ob die Abmahnung unberechtigt war. Die in der Abmahnung geltend gemachten Ansprüchen sind in dem nach Widerklage der Beklagten ergangenen Urteil vom 17. Juli 2012 verneint worden.

Im Jahr 2015 stellte das LG Berlin auf Antrag der Klägerin die Verpflichtung der Beklagten fest, den infolge der Abmahnung aus dem Jahr 2011 entstandenen Schaden doch zu ersetzen.

Höchste Instanz sollte Klarheit schaffen
In dem nun vom BGH entschiedenen Verfahren fordert die Klägerin, also das ursprünglich abgemahnte Unternehmen, die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 81.983,25 € für den entgangenen Gewinn sowie für die Aufwendungen, die ihr für Rückruf und Vernichtung der beanstandeten Grußkarten entstanden seien. Jedoch ging es in dem Verfahren auch um die Frage, ob sich das beklagte Unternehmen noch auf den Einwand des Mitverschuldens berufen konnte, obwohl das Feststellungsverfahren, in dem das „Ob“ der Schadensersatzpflicht geklärt wurde, schon beendet war.

BGH: Mitverschulden bei der Abgemahnten
Entgegen anfänglicher Erwartungen lag nach Ansicht des Bundesgerichtshofs ein überwiegendes Mitverschulden im Sinne des § 252 BGB auf Seiten der Klägerin vor. Das Gericht stellte klar: Um die Entstehung von Umsatzeinbußen und einen entsprechenden entgangenen Gewinn zum Gegenstand des Feststellungsverfahrens zu machen, hätte die Klägerin vielmehr auch schriftsätzlich auf diese Schadensposition hinweisen müssen. Ausschlaggebender Punkt für eine Reduzierung des geforderten Schadensersatzbetrags auf null war für den Senat jedoch vor allem das unverständliche Gesamtverhalten der Klägerin. Diese hat zunächst sämtliche von der Beklagten in der Abmahnung erhobenen Forderungen zurückgewiesen und selbst negative Feststellungsklage erhoben. Währenddessen hat sie einerseits neue Karten mit den besagten Motiven entwerfen und drucken lassen und begehrt andererseits die Kostenerstattung für die Rückholung und Vernichtung von Karten. Erläuterungen bezüglich dieses unverständlichen Verhaltens, warum die Vernichtung der Karten erfolgte, obwohl zugleich der Neudruck von Karten mit den beanstandeten Motiven in Auftrag gegeben worden war, erfolgten nicht. Dies gab dem Bundesgerichtshof Anlass dazu, davon auszugehen, dass die Klägerin die Ware nicht nur vorteilig, sondern wider besseres Wissen vernichtet hat. Ihr Verhalten muss sie sich entgegenhalten lassen, weil sie es schuldhaft unterlassen hat, den Schaden abzuwenden.

Kein Schadensersatz trotz bestehendem Feststellungsurteil
Das Feststellungsurteil stand der Entscheidung des BGH nicht entgegen, weil die den Einwand des Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht begründenden Tatsachen der Beklagten im Feststellungsprozess nicht bekannt gewesen seien und deshalb von ihr nicht hätten vorgetragen werden können. Damit wies der BGH einen Schadensersatzanspruch trotz eines bestehenden Feststellungsurteils zurück.

Fazit
Generell kann eine fehlerhafte Abmahnung als unberechtigte Schutzrechtsverwarnung Schadensersatzansprüche zur Folge haben. Dies stellt für den Abgemahnten jedoch nicht immer einen Grund dar, sofort aktiv zu werden, solange keine Unterlassungserklärung abgegeben wurde oder aber eine einstweilige Verfügung oder ein vollstreckbares Urteil vorliegt. Jede Abmahnung sollte aber dennoch ernst genommen werden: Sofern eine solche berechtigt ist, sollte, unabhängig ob eine Unterlassungserklärung vorliegt oder nicht, immer damit gerechnet werden, dass auch eine zu erwartende einstweilige Verfügung oder eine vollstreckbare Klage jeder Zeit entgegengehalten werden kann.


BGH, Urteil vom 19.09.2019 – Az.: I ZR 116/18

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