„Mondpreise“ im Online-Shop

Wer kennt es nicht: Im Netz stößt man auf ein Sportgerät für 299,99 €, daneben prangt durchgestrichen der angebliche UVP von 649 € – ein Schnäppchen? Nicht unbedingt. Manchmal handelt es sich dabei nicht um echte Preisnachlässe, sondern um eine gezielte Irreführung. Das Oberlandesgericht Stuttgart (OLG Stuttgart, Urteil vom 06.03.2025 – Az. 2 U 142/23) hat dazu ein klares Signal gesendet: Wer online mit überhöhten Mondpreisen wirbt, verstößt gegen das Wettbewerbsrecht.
I. Was ist passiert? – Der Sachverhalt
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg hatte gegen die Lidl Digital International GmbH & Co. KG geklagt. Im Mittelpunkt: ein Heimtrainer („Christopeit Sport Ergometer AL 2 Black Edition“), den Lidl auf seiner Website zum Preis von 303,05 € angeboten hatte – unter Bezugnahme auf eine „unverbindliche Preisempfehlung (UVP)“ von 649 €.
Klingt nach einem echten Angebot. Doch: Der tatsächliche Hersteller, die Christopeit-Sport GmbH, verkaufte das Gerät regulär selbst für weniger als 300 €.
Die angebliche UVP stammte nicht vom Hersteller, sondern von der Top-Sports Gilles GmbH, die als Markeninhaberin und Importeurin auftrat.
II. Warum das problematisch ist – Der juristische Hintergrund
Im Wettbewerbsrecht (§ 5 Abs. 1 UWG) gilt: Wer Verbraucher durch irreführende Angaben täuscht, handelt unlauter.
Die Werbung mit einem Preisnachlass gegenüber einer UVP ist nur dann zulässig, wenn diese UVP auch tatsächlich empfohlen wurde – und zwar vom Hersteller, auf dem deutschen Markt, und mit realistischem Bezug zum Marktpreis.
Wenn jedoch ein überhöhter Fantasiepreis als UVP genutzt wird, um einen besonders hohen Rabatt zu suggerieren, spricht man von einem „Mondpreis“ – und der ist rechtlich nicht haltbar.
III. Das Urteil des OLG Stuttgart im Detail
Das OLG Stuttgart (Az.: 2 U 142/23) hob das vorinstanzliche Urteil des Landgerichts Heilbronn auf und gab der Klage der Verbraucherzentrale vollumfänglich statt. Die Begründung ist für den Onlinehandel ein echter Paukenschlag.
1. UVP war nicht vom Hersteller
Das Gericht stellte klar: Die angegebene UVP von 649 € stammt nicht von der Christopeit-Sport GmbH, die als faktischer Hersteller auftritt. Stattdessen wurde sie von der Streithelferin (Top-Sports Gilles GmbH) gesetzt, die formal als Markeninhaberin auftrat, faktisch aber wirtschaftlich identisch mit dem Hersteller war.
Kernaussage: Wer sich als Händler auf eine UVP beruft, muss sicherstellen, dass diese vom tatsächlichen Hersteller stammt – nicht von einem Vertriebsunternehmen mit engen wirtschaftlichen Verflechtungen.
2. Die UVP war irreführend hoch
Christopeit-Sport bot das Gerät selbst für weniger als 300 € an – also unter dem Lidl-Preis. Die UVP von 649 € war damit vollkommen realitätsfern.
Das OLG sah hierin eine klare Irreführung nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 UWG.
Zitat aus dem Urteil:
„Es liegt eine Preisgegenüberstellung vor, die den Eindruck erweckt, der Verbraucher erhalte einen erheblichen Preisvorteil gegenüber einer angeblichen Herstellerempfehlung, obwohl der tatsächliche Hersteller günstiger anbietet.“
3. Täuschung über die Identität des Herstellers
Für Verbraucher war nicht klar ersichtlich, dass die beworbene UVP nicht vom Hersteller, sondern von einem Dritten mit gleichem Geschäftsführer stammte. Das Gericht betonte: Die Täuschung über die Herkunft der UVP ist wesentlich für die Kaufentscheidung des Verbrauchers.
IV. Was bedeutet das für die Praxis?
1. Werbung mit UVP nur bei echter Grundlage
Wer online mit UVPs wirbt, muss belegen können, dass diese:
- vom tatsächlichen Hersteller stammen,
- für den deutschen Markt gedacht sind,
- und realistisch (nicht utopisch) im Vergleich zum Marktpreis sind.
2. „Mondpreise“ sind unzulässig
Eine UVP, die nur dazu dient, den Verkaufspreis besonders günstig erscheinen zu lassen – obwohl der Hersteller selbst günstiger verkauft – ist ein klassischer Wettbewerbsverstoß.
3. Transparenzpflicht
Verbraucher dürfen nicht im Unklaren darüber gelassen werden, von wem die UVP stammt. Gerade bei engen Verflechtungen (gleiche Geschäftsführer, Lizenzbeziehungen) muss besonders transparent kommuniziert werden.
V. Rechtliche Einordnung
Die Entscheidung basiert auf folgenden zentralen Vorschriften:
- § 5 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 UWG – Verbot der Irreführung über den Preisvorteil.
- § 1 Abs. 3 S. 2 PAngV – Maßstab bei Preisvergleichen ist regelmäßig der Preis des Herstellers, nicht der eines Zwischenhändlers.
- § 3a UWG – Verstoß gegen verbraucherschützende Normen kann wettbewerbswidrig sein.
Das OLG Stuttgart hat dabei insbesondere die Anforderungen an die objektive Richtigkeit von UVP-Angaben geschärft.
VI. Fazit: Finger weg von Scheinrabatten
Das Urteil des OLG Stuttgart ist ein deutliches Signal an den Onlinehandel:
✅ Wer mit Preisnachlässen wirbt, muss wahrheitsgemäß und transparent kommunizieren.
❌ Fantasiepreise als UVPs zu deklarieren, ist wettbewerbswidrig – selbst wenn eine formale Berechtigung (z. B. Markeninhaberschaft) besteht.
Solche Mondpreise schaden nicht nur dem Verbraucher, sondern auch dem Vertrauen in die Werbepraxis des gesamten Onlinehandels.
Ansprechpartner
Alexander Bräuer
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