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Mitbewerber im Wettbewerbsrecht: Definition, Abgrenzung, Praxis

| Rechtsanwalt Frank Weiß

Ob eine Abmahnung trägt, ein Unterlassungsanspruch greift oder ein Eilantrag Aussicht auf Erfolg hat, entscheidet sich oft an einer Vorfrage: Besteht ein konkretes Wettbewerbsverhältnis? Ohne Mitbewerbereigenschaft fehlt regelmäßig die Anspruchsgrundlage für ein lauterkeitsrechtliches Vorgehen gegen die Konkurrenz. Die Mitbewerbereigenschaft öffnet somit die Türen zu Unterlassung, Beseitigung, Auskunft und gegebenenfalls Schadensersatz.

Worum es rechtlich geht: Das Wettbewerbsrecht schützt den fairen Leistungswettbewerb. Anspruchsberechtigt sind daher in erster Linie Unternehmen, die zueinander in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Gemeint ist keine bloße Branchenähnlichkeit, sondern tatsächliche Marktnähe: Substituierbarkeit der Leistungen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, überlappende Vertriebswege und relevante Zielgruppen, dazu eine räumliche und zeitliche Marktberührung.

Digitaler Praxisblick: In Online-Märkten verschieben Plattformen, Marktplätze und App-Stores die klassischen Rollen von Hersteller, Händler und Vermittler. Ein lokaler Anbieter kann mit einem bundesweit sichtbaren Portal konkurrieren, wenn Angebot und Nachfrage sich objektiv treffen.  

Was Sie für die Durchsetzung brauchen: Wer Ansprüche geltend machen möchte, sollte die Mitbewerbereigenschaft präzise begründen – nicht als Formalie, sondern als tragendes Element der Anspruchsprüfung. Umgekehrt lässt sich eine Verteidigung häufig genau hier ansetzen und die Marktnähe fundiert bestreiten. Indizien wie Sortimentsüberschneidungen, Preislisten, Produktdarstellungen, Zielgruppenansprache, Shop-Screenshots oder Testkäufe unterstützen die Einordnung.

Kurz gesagt: Ohne schlüssig dargelegte und bestehende Mitbewerbereigenschaft bleibt selbst eine inhaltlich begründete Abmahnung angreifbar. Mit einer klaren, belegten Marktanalyse erhöhen Sie die Erfolgsaussichten – im Abmahnstadium ebenso wie im einstweiligen Rechtsschutz.

 

Übersicht:

Gesetzliche Ausgangslage
Kernelement „konkretes Wettbewerbsverhältnis“
Abgrenzung zu anderen Marktrollen
Spielarten der Mitbewerbereigenschaft in der Praxis
Typische Grenzfälle und Leitlinien
Darlegungs- und Beweisfragen
Anspruchsberechtigung und Durchsetzung
Risiken bei Fehleinschätzung
Checkliste für die Praxis
Fazit

 

 

Gesetzliche Ausgangslage: Begriff des Mitbewerbers nach UWG und Einordnung in das System des Lauterkeitsrechts

Kurz gesagt: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) schützt den fairen Leistungswettbewerb. Anspruchsberechtigt ist unter anderem der Mitbewerber („Konkurrent“) – also ein Unternehmer, der zu einem anderen Unternehmer in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht. Diese rechtliche Position entscheidet häufig darüber, ob Unterlassung, Beseitigung, Auskunft oder Schadensersatz durchsetzbar sind.

Rechtlicher Ausgangspunkt:
Im Sinne des UWG ist Mitbewerber der Unternehmer, der als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis zu einem oder mehreren anderen Unternehmern steht. Zwei Elemente sind zentral:

  • Unternehmer: Jede Person, die geschäftliche Handlungen im Rahmen einer gewerblichen, handwerklichen oder beruflichen Tätigkeit vornimmt. Das umfasst klassische Unternehmen ebenso wie Freiberufler, Online-Shops, Plattformhändler oder Dienstleister.
  • Konkretes Wettbewerbsverhältnis: Keine bloße Branchenverwandtschaft, sondern tatsächliche Marktnähe. Maßgeblich ist, ob sich die Leistungen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise zumindest teilweise ersetzen oder um dieselbe Nachfrage konkurrieren.

Einordnung in das System des Lauterkeitsrechts

  • Schutzzweck des UWG: Das UWG ist Marktverhaltensrecht. Es schützt den leistungsbezogenen Wettbewerb, die Interessen der Marktteilnehmer (insbesondere Verbraucher) sowie Mitbewerber vor unlauteren geschäftlichen Handlungen.
  • Tatbestandsseite: Unlautere Handlungen ergeben sich insbesondere aus
    Irreführung (etwa zu Preis, Produkt, Herkunft), Aggressivität (Druck, Belästigung), Rechtsbruch (Verstoß gegen Marktverhaltensregeln), vergleichende Werbung und unzumutbare Belästigungen (z. B. Telefonwerbung ohne Einwilligung). Der Anhang mit der sogenannten „schwarzen Liste“ enthält Verhaltensweisen, die regelmäßig als unlauter gelten.
  • Rechtsfolgenseite: Auf der Anspruchsseite stehen Unterlassung und Beseitigung, flankiert von Auskunft und Schadensersatz sowie – in besonderen Konstellationen – Gewinnabschöpfung. Einstweiliger Rechtsschutz dient der schnellen Sicherung.
  • Aktivlegitimation: Mitbewerber sind zentraler Teil des anspruchsberechtigten Kreises. Daneben sind Verbände, qualifizierte Einrichtungen und Kammern anspruchsberechtigt. Für die Praxis bedeutet das: Selbst wenn ein Verband vorgeht, bleibt die Mitbewerbereigenschaft als Strukturprinzip des UWG ein Leitfaden für die Marktbetrachtung.

Was „konkretes Wettbewerbsverhältnis“ praktisch bedeutet

Zur Bestimmung der Mitbewerbereigenschaft wird regelmäßig geprüft, ob

  • sachliche Nähe besteht: funktionelle Austauschbarkeit der Produkte oder Dienstleistungen;
  • Adressatengleichheit vorliegt: Zielgruppen überschneiden sich in relevanten Teilen;
  • Vertriebswege und Touchpoints sich begegnen: stationär, online, Marktplatz, App-Store, Vergleichsportal;
  • räumliche und zeitliche Marktberührung gegeben sind: Region, bundesweite Sichtbarkeit, Kampagnenlaufzeit, saisonale Peaks.

Je stärker diese Faktoren ausgeprägt sind, desto eher wird ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bejaht. Umgekehrt kann eine deutliche Sortiments- und Zielgruppendistanz gegen die Mitbewerbereigenschaft sprechen.

Abgrenzung zu anderen Marktrollen

  • Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer sind keine Mitbewerber, genießen aber Schutz vor unlauteren Handlungen.
  • Lieferanten, Händler, Vermittler sind Mitbewerber, wenn sie mit dem Anspruchsgegner um dieselbe Nachfrage konkurrieren.
  • Plattformbetreiber können Mitbewerber sein, wenn sie eigene Produkte oder Leistungen anbieten oder den Wettbewerb auf dem Marktplatz gestalten und dadurch in direkte Konkurrenz zu Händlern treten.

Sonderfälle, die häufig übersehen werden

  • Beschaffungswettbewerb: ein Wettbewerbsverhältnis entsteht nicht nur auf der Absatzseite. Wer um Ressourcen oder Listungen konkurriert (z. B. um Lieferanten, Content, App-Store-Sichtbarkeit), kann ebenfalls in einem Wettbewerbsverhältnis stehen.
  • Teilmarkt- und Nischenkonstellationen: Premium vs. Discount, Nischenanbieter oder regionale vs. bundesweite Player – entscheidend bleibt, ob sich relevante Nachfrage überschneidet.

Praxisnutzen für die Anspruchsdurchsetzung

  • Für Abmahner: Die Mitbewerbereigenschaft sollte klar und nachvollziehbar dargelegt werden. Hilfreich sind Produkt- und Leistungsbeschreibungen, Preislisten, Screenshots von Shop, App oder Plattform, Zielgruppenkonzepte und ggf. Testkäufe.
  • Für Abgemahnte: Die Verteidigung setzt häufig sinnvoll bei der Marktabgrenzung an. Fehlt es an Substituierbarkeit oder an einer relevanten Marktberührung, kann der Anspruch entfallen.
  • Im Eilverfahren: Eine prägnante, belegte Marktanalyse erhöht die Erfolgsaussichten – insbesondere, wenn die Dringlichkeit mit aktueller Marktinteraktion untermauert wird.

Merksatz für die Praxis:
Die Frage „Sind wir tatsächlich Konkurrenten?“ ist keine Formalie, sondern der Dreh- und Angelpunkt lauterkeitsrechtlicher Ansprüche. Wer hier sorgfältig argumentiert und Fakten strukturiert zusammenstellt, verschafft sich in Abmahnung und Eilverfahren einen entscheidenden Vorsprung.

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Kernelement „konkretes Wettbewerbsverhältnis“

Das konkrete Wettbewerbsverhältnis ist der Prüfstein jeder Anspruchsbegründung im UWG. Entscheidend ist nicht, ob Unternehmen derselben Branche entstammen, sondern ob sie sich tatsächlich im Markt begegnen. Vier Blickwinkel helfen bei der Einordnung: sachliche Nähe, räumlicher Markt und Vertriebswege, zeitlicher Bezug und die funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise.

Sachliche Nähe der Leistungen

Im Mittelpunkt steht die Leistungsnähe. Es genügt, wenn Angebote teilweise dieselbe Nachfrage adressieren oder ähnliche Zwecke erfüllen. Maßgeblich ist, ob Ihre Leistung diejenige des Gegners ersetzbar macht oder ersetzbar erscheint. Ergänzungsprodukte begründen für sich genommen noch kein Wettbewerbsverhältnis; sobald jedoch ein Substitutionsmoment hinzutritt (z. B. alternative Buchungs-, Beschaffungs- oder Nutzungspfade), rückt die Mitbewerbereigenschaft näher. Auch Haupt- und Nebensortiment werden nicht isoliert betrachtet: Wenn das Nebensortiment im konkreten Streitgegenstand die Nachfrage lenkt, kann es den Ausschlag geben.

Räumlicher Markt und Vertriebswege

Wettbewerb findet dort statt, wo Angebot und Nachfrage zusammenkommen. Im stationären Bereich spielen Einzugsgebiete und lokale Reichweite eine Rolle. Online verschieben bundesweite Sichtbarkeit, Versandfähigkeit, Lokalisierung (z. B. Click & Collect) und Plattformpräsenz (Marktplätze, App-Stores, Vergleichsportale) die Grenzen. Entscheidend ist, ob sich Kundenzugriffe, Sichtkontakte und Kaufoptionen real überlagern. Ein regionaler Anbieter kann mit einem überregionalen Portal konkurrieren, wenn die Bestell- und Lieferwege sich für dieselben Kunden faktisch öffnen.

Zeitlicher Bezug der Marktaktivitäten

Wettbewerb setzt zeitliche Überschneidung voraus. Parallel laufende Kampagnen, saisonale Peaks oder anstehende Produkteinführungen können den Marktbezug herstellen.

Funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise

Maßstab ist die Sicht der Adressaten – typischerweise der durchschnittlich informierte, verständige und situationsadäquat aufmerksame Kunde. Fragen Sie: Würden diese Verkehrskreise die Leistungen als funktionell austauschbar wahrnehmen? Tragen Produktbeschreibung, Preisgestaltung, Nutzenversprechen, Service-Level und Zugänglichkeit dazu bei, dass der Kunde zwischen den Angeboten alternativ wählt? Je stärker diese Austauschbarkeit erlebt wird, desto näher liegt das konkrete Wettbewerbsverhältnis.

Praxisindikatoren, die häufig überzeugen

Sortimentsüberschneidungen im exakt streitigen Segment
Identische oder austauschbare Suchbegriffe in SEO/SEA, inkl. Keyword-Advertising auf Marken- oder Gattungsbegriffe
Vergleichbare Vertriebskanäle (eigener Shop, Marktplatz, Filiale mit Online-Reichweite) und gleiche Touchpoints
Kundenzielgruppen, die in Pitch-Decks, Produktseiten oder Social Ads gleich adressiert werden
Testkäufe, Screenshots, Preislisten und Lieferprofile, die den realen Marktbezug belegen

Praxishinweis
Für die Anspruchsdurchsetzung genügt selten ein pauschaler Hinweis auf „gleiche Branche“. Überzeugend ist eine dichte Darstellung der Marktnähe entlang der vier Blickwinkel. In der Verteidigung lohnt sich die präzise Abgrenzung: fehlende Substituierbarkeit, deutlich andere Zielgruppen, abgeschottete Vertriebswege oder eine fehlende zeitliche Überschneidung können die Mitbewerbereigenschaft relativieren.

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Abgrenzung zu anderen Marktrollen

Mitbewerber sind nicht die einzigen Akteure im Lauterkeitsrecht. Für eine treffsichere Anspruchsprüfung ist wichtig, wer geschützt wird und wer Ansprüche geltend machen kann. Drei Gruppen verdienen besondere Aufmerksamkeit.

Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer

Verbraucher sind keine Mitbewerber. Sie sind dennoch adressierte Schutzsubjekte des UWG. Unlautere Handlungen können deshalb auch dann verfolgt werden, wenn primär Verbraucherinteressen betroffen sind. Sonstige Marktteilnehmer – etwa Prospects, Interessenten oder Personen, die nicht geschäftlich handeln – fallen ebenfalls in den Schutzbereich, ohne selbst Mitbewerber zu sein.
Praxisnutzen: Bei typischen B2C-Konstellationen (z. B. irreführende Preisangaben, aggressive Ansprache, unerwünschte Telefonwerbung) lässt sich ein Vorgehen zugunsten der Verbraucher begründen, auch wenn zwischen den Parteien kein enger Leistungswettbewerb nachweisbar ist.

Geschäftspartner, Lieferanten, Händler und Vermittler

Vertikale Partner stehen nicht automatisch in einem Wettbewerbsverhältnis. Entscheidend ist, ob sie um dieselbe Nachfrage konkurrieren.
Reine Ergänzung (z. B. Hersteller ↔ exklusiver Vertrieb) spricht eher gegen Mitbewerberschaft.
Dualer Vertrieb (Hersteller verkauft parallel direkt an Endkunden) oder Private Label können die Rollen verschieben – hier wird der Hersteller schnell zum Mitbewerber des Händlers.
Plattform- und Marktplatzbetreiber sind Mitbewerber, wenn sie eigene Angebote platzieren oder den Markt so steuern, dass ein unmittelbarer Konkurrenzdruck entsteht (z. B. Rankingvorteile, bevorzugte Sichtbarkeit).
Vermittler (Makler, Vergleichsportal, App-Store) werden relevant, wenn sie funktional austauschbare Leistungen anbieten oder gleichgerichtete Nachfrage abschöpfen.
Praxistipp: Prüfen Sie Substituierbarkeit, Zielgruppe und Touchpoints. Sobald ein Partner alternativ zum anderen gewählt werden kann, liegt ein konkretes Wettbewerbsverhältnis nahe.

Verbände und Kammern: eigene Anspruchsgrundlagen

Neben Mitbewerbern sind Verbände zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, qualifizierte Einrichtungen sowie Industrie- und Handels- bzw. Handwerkskammern anspruchsberechtigt. Diese Akteure handeln institutionell, um Markt- und Verbraucherinteressen zu wahren.
Praktische Folge: Selbst wenn die Mitbewerbereigenschaft zwischen zwei Unternehmen zweifelhaft ist, kann ein verbandliches Vorgehen möglich sein. Für Abgemahnte bedeutet das: Neben der Marktbeziehung stets auch die Aktivlegitimation des Verbandes und die formalen Voraussetzungen im Blick behalten.

Kurzfazit für die Einordnung

Mitbewerberstatus erfordert konkrete Marktnähe und funktionelle Austauschbarkeit.
Verbraucher und sonstige Marktteilnehmer sind Schutzadressaten, nicht Anspruchsgegner als Mitbewerber.
Vertikale Partner werden erst dann zu Mitbewerbern, wenn sie um dieselbe Nachfrage konkurrieren.
Verbände und Kammern verfügen über eigene Klagerechte – ein alternativer Weg der Durchsetzung, wenn die unmittelbare Mitbewerberschaft nicht klar belegt werden kann.

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Spielarten der Mitbewerbereigenschaft in der Praxis

Die Mitbewerbereigenschaft zeigt sich in der Praxis in unterschiedlichen Ausprägungen. Entscheidend bleibt stets die tatsächliche Marktnähe – also die Frage, ob sich Leistungen aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise als alternativ darstellen. Die folgenden Konstellationen treten besonders häufig auf.

Unmittelbare und mittelbare Wettbewerber

Unmittelbarer Wettbewerb liegt nahe, wenn gleichartige Produkte oder Dienstleistungen an dieselben Kunden über vergleichbare Kanäle angeboten werden. Mittelbarer Wettbewerb betrifft Angebote, die nicht identisch sind, sich aber funktionell ersetzen können (z. B. klassischer Kauf vs. Miet-/Abo-Modell; stationärer Service vs. Fern-Dienstleistung). Maßgeblich ist, ob die Zielgruppe real zwischen den Angeboten alternativ wählt.
Praxistipp: Belegen Sie die Nähe mit Keyword-Überschneidungen, Kampagnenmotiven,

Dokumentieren Sie Zeitpunkte (Launch, Kampagnenstart), Reichweiten-Indikatoren und erste Kundenkontakte, um die zeitliche Marktberührung greifbar zu machen.

Nachfragewettbewerb (Beschaffungsmarkt)

Wettbewerb entsteht nicht nur im Absatz, sondern auch auf der Einkaufs- bzw. Beschaffungsseite. Wer um limitierte Ressourcen, Inhalte, Leads, Listungen oder Exklusivitäten konkurriert, kann im Nachfragewettbewerb stehen. Beispiele sind die Akquise identischer Lieferanten, der Zugang zu Plattform-Sichtbarkeit oder die Lizenzierung von Content.
Praxistipp: Prüfen Sie, ob die Parteien um dieselben Bezugsquellen oder Sichtbarkeitsplätze werben; das spricht für funktionelle Austauschbarkeit auf der Nachfrageseite.

Plattform- und Marktplatzkonstellationen (Marketplace, App-Stores, Vergleichsportale)

Plattformbetreiber sind nicht automatisch neutral. Sobald sie eigene Angebote platzieren oder den Wettbewerb steuern (Ranking, Hervorhebungen, Bundles), kann ein direktes Wettbewerbsverhältnis zu Händlern entstehen. Vergleichsportale konkurrieren mit Anbietern, wenn sie kundenseitig als Alternative wahrgenommen werden (z. B. eigener Tarif, eigenes Produkt, Abschlussstrecke). In App-Stores reicht die Marktnähe von Feature-Gleichlauf über Suchbegriffskollisionen bis zu In-App-Substituten.
Praxistipp: Sammeln Sie Screenshots zu Rankings, Eigenlabel-Platzierungen, Promotionslots und Abschlusswegen. Das macht die Substituierbarkeit und Touchpoints sichtbar.

Franchise, Verbundgruppen und Konzernunternehmen

Franchise-Nehmer, Mitglieder von Verbundgruppen und konzernverbundene Unternehmen sind eigene Unternehmer. Sie können zueinander Mitbewerber sein, wenn sie selbstständig am Markt auftreten und gleichgerichtete Nachfrage adressieren. Innerhalb von Verbünden kann es zur internen Konkurrenz kommen (z. B. benachbarte Standorte, parallele Online-Shops). Auch Schwester- oder Mutter-/Tochtergesellschaften treten als Mitbewerber auf, wenn sie eigenständig Leistungen vermarkten, die funktionell austauschbar sind.
Praxistipp: Trennen Sie die Betrachtung strikt nach Rechtsträgern und konkreten Leistungen. Entscheidend ist das Auftreten am Markt, nicht die interne Organisation.

Kurzfazit für die Praxis

– Unmittelbarer Wettbewerb ist leicht zu belegen; mittelbarer erfordert eine funktionelle Brille.
Potenzialwettbewerb gewinnt mit greifbaren Vorbereitungsschritten an Kontur.
Beschaffungswettbewerb ist ein oft unterschätzter Hebel für die Mitbewerbereigenschaft.
– In Plattformökosystemen kippt Neutralität schnell in Eigenwettbewerb.
– Bei Franchise/Verbund/Konzern zählt das Marktauftreten des jeweiligen Rechtsträgers.

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Typische Grenzfälle und Leitlinien

Grenzfälle entscheiden viele UWG-Verfahren. Maßstab bleibt die funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise. Die folgenden Leitlinien helfen bei der sauberen Einordnung.

Haupt- vs. Nebensortiment, Sortimentsnähe

Nebensortimente werden rechtlich nicht als „Nebensache“ behandelt. Maßgeblich ist, welches Produkt oder welche Dienstleistung konkret streitgegenständlich ist. Verkauft ein Unternehmen ein an sich randständiges Produkt, das jedoch genau den Nachfrageschwerpunkt des Gegners trifft, kann Wettbewerb vorliegen.
Praxisindikatoren sind Sortimentsüberschneidungen im Streitsegment, gemeinsame Gattungsbegriffe, vergleichbare Produktseiten und identische Suchbegriffe. Komplementärprodukte genügen häufig nicht; tritt jedoch ein Substitutionsmoment hinzu (z. B. Miet- statt Kaufmodell, DIY-Kit statt Service), rückt die Marktnähe näher.

Premium vs. Discount, Nischenanbieter und Spezialmärkte

Unterschiedliche Preis- und Qualitätssegmente schließen ein Wettbewerbsverhältnis nicht aus. Entscheidend ist, ob Verkehrskreise die Angebote als Alternativen derselben Bedarfssituation verstehen. Premium- und Discountanbieter können konkurrieren, wenn Kunden zwischen „besser“ und „günstiger“ wählen.
Bei Nischen- und Spezialmärkten kann die Zielgruppe so eng sein, dass substanzielle Überschneidungen fehlen. Hinweise auf Distanz sind spezielle Zertifizierungen, regulatorische Zulassungen, besonders zugeschnittene Leistungsmerkmale oder exklusive Vertriebskanäle. Wo sich Nische und Massenmarkt trotzdem im gleichen Use-Case treffen, bleibt Wettbewerb möglich.

Lokale Anbieter vs. bundesweite Online-Portale

Der räumliche Markt ist dort, wo Angebot und Nachfrage tatsächlich zusammenfinden. Ein lokaler Anbieter kann mit einem bundesweiten Portal konkurrieren, wenn das Portal Kunden im Einzugsgebiet anspricht oder liefer- bzw. terminfähig dorthin ist.
Wichtige Indizien sind Geo-Targeting in Anzeigen, Regionalseiten, Click & Collect, Anfahrts- oder Lieferoptionen für die Region, lokale SEO-Snippets und Sameday-/Nextday-Hinweise. Fehlt eine reale Kaufoption im Gebiet, spricht dies gegen die Mitbewerbereigenschaft.

Keyword-Advertising und vergleichende Werbung

Wer auf Marken- oder Gattungsbegriffe des Gegners bietet oder diesen vergleichend anspricht, zeigt regelmäßig gezielte Marktansprache – ein starkes Indiz für die Mitbewerbereigenschaft. Allein das Bieten auf Keywords begründet sie nicht automatisch; zusammen mit Anzeigen-Text, Ziel-URL, Produktnähe und Nutzerversprechen entsteht jedoch ein stimmiges Bild eines Wettbewerbsverhältnisses.
Für die Verteidigung kann sprechen, dass die Anzeige lediglich Informations- oder Ratgeberinhalte bewirbt und keine abschließende Kaufalternative bietet.

Influencer-Kooperationen und Creator-Ökosysteme

Influencer sind häufig Beauftragte eines Unternehmens. Deren Handlungen werden dem werbenden Unternehmen in der Regel zugerechnet. Der Influencer selbst wird Mitbewerber, wenn er eigene Produkte oder Leistungen anbietet (Merch, Coachings, digitale Güter) oder Abschlussstrecken bereitstellt, die vom Kunden alternativ zum Angebot des Gegners gewählt werden können.
Bei Affiliate-Links, Creator-Codes oder Lead-Gen konkurrieren Creator um Aufmerksamkeit und Abschlüsse. Entsteht dadurch eine funktionelle Alternative zur Leistung des Gegners (z. B. eigener Shop, eigenes Tarifprodukt, eigenes Buchungs-Widget), spricht das für eine Mitbewerbereigenschaft. Reine Empfehlungs- oder Testformate ohne Abschlussoption deuten eher auf fehlende Substituierbarkeit hin.

Leitlinien für die Beurteilung im Einzelfall

– Fragen Sie zuerst nach dem konkreten Use-Case: In welcher Entscheidungssituation steht der Kunde wirklich?
– Prüfen Sie die Touchpoints: Treffen die Parteien den Kunden an denselben Stellen (Shop, Marktplatz, App, lokale Suche, Social Ads)?
– Bewerten Sie die Zielgruppenüberschneidung: Werden dieselben Segmente tatsächlich angesprochen – und nicht nur theoretisch?
– Sichern Sie Belege: Screenshots, Preislisten, Ranking- und Keyword-Daten, Testkäufe, Liefer- und Terminoptionen, Geo-Ads.

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Darlegungs- und Beweisfragen

Die Mitbewerbereigenschaft ist kein Selbstläufer. Sie braucht konkrete Tatsachen – nicht nur rechtliche Schlagworte. Für die Praxis zählt, wer was vorträgt, welche Indizien überzeugen und wie Sie Beweise strukturiert sichern.

Wer was darlegt und beweist

Grundsätzlich trägt die anspruchstellende Seite die Darlegungslast und im Hauptsacheverfahren die Beweislast dafür, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis besteht. Erforderlich sind tatsächliche Umstände, aus denen sich sachliche, räumliche und zeitliche Nähe sowie die funktionelle Austauschbarkeit ergeben.
In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes genügt regelmäßig die Glaubhaftmachung. Typische Mittel sind eidesstattliche Versicherungen, Screenshots, Testkaufdokumentationen und Ausdrucke von Produktseiten oder Anzeigen.
Bestreitet die Gegenseite pauschal, reicht das in vielen Konstellationen nicht aus. Liegen relevante Informationen in ihrer Sphäre (z. B. Liefergebiete, Vertriebskanäle, Zielgruppen-Targeting), kann eine sekundäre Darlegungslast in Betracht kommen: Die Gegenseite sollte dann substantiiert erläutern, warum keine Marktnähe besteht.

Indizien für Markt- und Produktnähe

Überzeugend ist ein Bündel aufeinander abgestimmter Indizien. Einzelaspekte sind selten ausschlaggebend; in der Gesamtschau entsteht jedoch ein klares Bild.

  • Sortiments- und Leistungsüberschneidung im konkreten Streitsegment
  • Funktionelle Austauschbarkeit: alternative Wege zum selben Nutzen (Kauf vs. Miete/Abo, Vor-Ort-Service vs. Remote)
  • Zielgruppen- und Use-Case-Nähe anhand von Produktversprechen, FAQs, Landingpages, Social-Ads
  • Identische Gattungs- und Marken-Keywords in SEO/SEA, inkl. Buchungen auf Namen oder Kernbegriffe des Gegners
  • Vergleichende Aussagen in Anzeigen oder auf Produktseiten
  • Räumliche Marktreichweite: Regionalseiten, Liefer- und Terminoptionen, Click & Collect, Geo-Targeting
  • Vertriebskanäle und Touchpoints: eigener Shop, Marktplätze, App-Stores, Vergleichsportale, lokale Suche
  • Preis- und Leistungsniveaus: vergleichbares Pricing oder bewusst gesetzte Alternativen (Premium vs. Discount)
  • Customer Journey: Abschlussstrecken, Warenkorbprozesse, Checkout-Kompatibilität, Zahlungs- und Versandprofile

Nutzung von Marktstudien, Preislisten, Shop-Screenshots und Testkäufen

Sichern Sie Belege revisionsfest und nachvollziehbar. Ziel ist eine stringente Dokumentation, die die zeitliche und sachliche Marktnähe zeigt.

  • Marktstudien und Reports
    Nutzen Sie neutrale Branchenanalysen zur Einordnung von Marktsegmenten, Substitutionsbeziehungen und Zielgruppen. Wichtig sind aktuelle Zeitbezüge, ein klarer Scope und eine saubere Quellenangabe in Ihren Anlagen. Studien ersetzen den Sachvortrag nicht, sie stützen ihn.
  • Preislisten und Angebotsunterlagen
    Legen Sie ausgedruckte oder exportierte Preislisten und Leistungsübersichten vor, versehen mit Datum, Quelle und Produktbezug. Zeigen Sie, wo gleichartige Leistungsbündel oder vergleichbare Preispunkte vorliegen.
  • Shop-Screenshots und Archivbelege
    Erstellen Sie vollständige Screenshots (Header bis Footer) inklusive URL, Datum/Uhrzeit und – wenn verfügbar – Breadcrumbs und Filterzustände. Dokumentieren Sie Suchergebnisse, Produktdetailseiten, Liefer- und Abholoptionen, Rechtstexte sowie Hinweise zu Versand, Servicegebiet oder Verfügbarkeit. Archivbelege (z. B. historische Stände) können Entwicklungen plausibilisieren.
  • Testkäufe und Mystery Shopping
    Führen Sie strukturierte Testkäufe durch und dokumentieren Sie jeden Schritt: Suchanfrage, Anzeige/Landingpage, Produktseite, Warenkorb, Checkout, Bestellbestätigung, Lieferung/Termin. Bewahren Sie Belege (E-Mails, PDFs, Rechnungen, Versandnachweise) auf. Achten Sie darauf, keine unzulässigen Aufzeichnungen anzufertigen; schriftliche Dokumentation und Screenshots sind in der Praxis oft ausreichend.
    Für Dienstleistungen können Probeanfragen mit dokumentierter Reaktionszeit, Preisnennung und Leistungsumfang die reale Marktinteraktion zeigen.

Best Practice für die Belegführung

  • Zeitliche Klammer: Legen Sie dar, dass die Belege den maßgeblichen Zeitraum abdecken (z. B. Kampagnenlaufzeit, Verletzungsphase).
  • Konsistenz: Verknüpfen Sie Indizien durch Verweise (z. B. Keyword-Buchung → Anzeige → Landingpage → Abschluss).
  • Nachvollziehbarkeit: Arbeiten Sie mit sprechenden Dateinamen, Fortlaufnummern und einer Anlagenliste.
  • Glaubhaftmachung: Ergänzen Sie die Dokumentation durch eine eidesstattliche Versicherung der mit der Recherche betrauten Person.
  • Transparenz: Vermeiden Sie selektive Ausschnitte. Vollständige Seitenabzüge erhöhen die Überzeugungskraft.

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Anspruchsberechtigung und Durchsetzung

Die Mitbewerbereigenschaft entscheidet, ob Sie lauterkeitsrechtliche Ansprüche aktiv durchsetzen können. Im Zentrum stehen Abmahnung, Unterlassung/Beseitigung, Auskunft/Schadensersatz/Gewinnabschöpfung sowie der einstweilige Rechtsschutz.

Abmahnung: Anforderungen an die Begründung der Mitbewerbereigenschaft

Eine Abmahnung überzeugt, wenn sie die Marktnähe greifbar macht und die unlautere Handlung präzise beschreibt. Empfehlenswert ist eine Darstellung entlang der bekannten Prüfsteine:

Unternehmereigenschaft beider Seiten und kurze Beschreibung der Leistungen
Konkretes Wettbewerbsverhältnis mit sachlicher, räumlicher und zeitlicher Nähe sowie funktioneller Austauschbarkeit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise
Dokumentation durch Screenshots, Preislisten, Kampagnenbelege, Testkäufe oder Regionalseiten/Lieferoptionen
Verletzungstatbestand mit konkretem Verstoßbild (Anzeige, Landingpage, Claim, Gestaltung)
Forderungskatalog: strafbewehrte Unterlassungserklärung, Beseitigung, Auskunft, Kostenerstattung und ggf. Schadensersatzvorbehalt

Unterlassung und Beseitigung

Der Unterlassungsanspruch setzt regelmäßig Wiederholungsgefahr voraus. Diese ergibt sich bereits aus dem Erstverstoß und wird in der Praxis erst durch eine angemessene Vertragsstrafeverpflichtung zuverlässig ausgeräumt.
Der Beseitigungsanspruch zielt auf die Fortwirkung der Störung: Löschen oder Ändern rechtswidriger Inhalte, Zurücknehmen irreführender Aussagen, Anpassen von Produktseiten, Deaktivieren problematischer Anzeigen. Online ist zusätzlich an Indexierung, Weiterleitungen und Cachingspuren zu denken.

Auskunft, Schadensersatz, Gewinnabschöpfung

Mitbewerber können bei zumindest fahrlässiger unlauterer Handlung Schadensersatz verlangen. Zur Bezifferung dient ein Auskunftsanspruch über Reichweite, Umsätze, Stückzahlen, Schaltzeiträume und Adressaten.
Für die Schadenshöhe kommen je nach Konstellation in Betracht:
Konkreter Schaden (entgangener Gewinn, Abwehrkosten)
Lizenzanalogie (angemessene Vergütung für die Nutzung des wettbewerblichen Vorteils)
Gewinnorientierte Betrachtungen auf Seiten des Verletzers
Die Gewinnabschöpfung ist ein Sonderinstrument zugunsten des Staats und wird in der Praxis selektiv eingesetzt; sie kann generalpräventiv wirken, passt aber nicht zu jedem Fallprofil.

Einstweiliger Rechtsschutz und Dringlichkeit

Im Eilverfahren zählt Geschwindigkeit und substanziierte Glaubhaftmachung. Viele Gerichte erwarten, dass Antragsteller nach Kenntnis des Verstoßes zügig handeln. In der Praxis bewegen sich anerkannte Zeitfenster je nach Gericht häufig im Bereich von wenigen Wochen.
Überzeugen Sie durch:
geschlossene Belegkette vom Verstoß zur Marktberührung (Anzeige → Landingpage → Checkout/Termin)
eidesstattliche Versicherung der Recherchepersonen
konkrete Zielgruppen- und Regionenbezüge
klare Formulierung des Verbots, orientiert am konkreten Verletzungsbild (mit Blick auf kerngleiche Verstöße)

Praxistipps für die Durchsetzung

Fristen realistisch setzen, aber zügig nachfassen; im Zweifel Eilverfahren vorbereiten
Unterlassungserklärung nicht vorschnell akzeptieren: Vertragsstrafehöhe, Kernbereich, Unternehmensumfang und Tochter-/Schwestergesellschaften prüfen
Beseitigung technisch begleiten: Redirects, De-Indexierung, App-Updates, Marketplace-Listings
Auskunft zielgenau formulieren, damit Schadensberechnung später trägt
Kommunikation sorgfältig dokumentieren; das erleichtert Kostenfestsetzung und Vollstreckung

Kurzfazit

Eine schlüssige Abmahnung, eine präzise Unterlassungsformulierung und saubere Belegführung entscheiden oft über den Ausgang. Wer die Mitbewerbereigenschaft klar herleitet, Beseitigung konsequent adressiert und Auskunft früh sichert, schafft die Grundlage für Schadensersatz – im Eilverfahren wie in der Hauptsache.

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Risiken bei Fehleinschätzung

Eine ungenaue Einordnung der Mitbewerbereigenschaft wirkt sich schnell auf Kosten, Taktik und Reputation aus. Wer den Marktbezug über- oder unterschätzt, riskiert unnötige Verfahren oder verschenkt Chancen in der Verteidigung.

Kostenfolgen, Gegenabmahnung, Missbrauchsvorwürfe

Eine Abmahnung ohne tragfähige Begründung der Mitbewerbereigenschaft kann zu Kostenlast führen: Vom Gegner zurückgewiesene Abmahnungen, verlorene Eilverfahren oder Hauptsacheprozesse schlagen sich in Anwalts- und Gerichtskosten nieder. Wird eine Unterlassungserklärung vorschnell verlangt oder abgegeben, drohen Vertragsstrafen, wenn das Verbot unklar formuliert ist oder kerngleiche Handlungen übersehen werden.
Nicht selten reagiert die Gegenseite mit Gegenabmahnung – etwa wegen eigener Rechtsverstöße im Abmahnschreiben, einer zu weiten Anspruchsformulierung oder formaler Mängel. In zugespitzten Konstellationen stehen Missbrauchsvorwürfe im Raum, wenn die Anspruchsdurchsetzung eher Gebühreninteressen bedient oder offenkundig wettbewerbsfremde Ziele verfolgt. Solche Vorwürfe können die eigene Position schwächen und zusätzliche Kostenrisiken nach sich ziehen.

Reputations- und Prozessrisiken

Öffentliche Auseinandersetzungen, mediale Berichterstattung oder Diskussionen in Fachkreisen können das Außenbild belasten. Ein streitiges Urteil, das die Mitbewerbereigenschaft verneint, wirkt häufig über den Einzelfall hinaus und wird von Mitbewerbern als Signal verstanden. Auch Plattformen, Marktplätze oder Kooperationspartner reagieren sensibel, wenn Abmahnungen als überzogen wahrgenommen werden.
Prozessual entstehen Risiken, wenn Dringlichkeit nicht überzeugend begründet oder der Antrag zu weit gefasst ist. Uneindeutige Beweismittel (z. B. unvollständige Screenshots, fehlende Datumsangaben) oder methodisch schwache Testkäufe können die Glaubhaftmachung untergraben. In der Verteidigung führt eine zu defensive Einschätzung der Marktnähe dazu, dass Gegenangriffe (z. B. negative Feststellungsklage) unterschätzt werden. Zusätzlich kann eine unklare Kommunikation mit technischen Dienstleistern dazu führen, dass Beseitigungsmaßnahmen unvollständig bleiben und Vollstreckungsrisiken entstehen.

Risikominimierung in der Praxis

Marktbezug belegen: Saubere Dokumentation der sachlichen, räumlichen und zeitlichen Nähe, ergänzt um funktionelle Austauschbarkeit aus Sicht der Verkehrskreise
Verbotskern präzise fassen: Am konkreten Verletzungsbild orientieren und kerngleiche Varianten mitdenken
Eilverfahren vorbereiten: Belegkette, eidesstattliche Versicherungen und Zeitachse früh aufsetzen
Beseitigung technisch begleiten: Redirects, De-Indexierung, App- und Marketplace-Anpassungen verlässlich umsetzen
Kommunikation steuern: Sachliche Tonalität, klare Fristen, nachvollziehbare Begründung – so sinkt das Gegenabmahnungsrisiko

Kurzfazit

Sorgfältige Vorprüfung und klare Belegführung reduzieren Kosten, vermeiden Gegenangriffe und schützen die Reputation. Wer die Mitbewerbereigenschaft fundiert herleitet und die Prozessstrategie darauf aufbaut, schafft eine belastbare Basis – im Abmahnstadium ebenso wie vor Gericht.

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Checkliste für die Praxis

Die schnelle Einordnung gelingt zuverlässig, wenn Sie die Mitbewerbereigenschaft entlang von fünf Prüfblöcken denken. Ziel ist kein starres Schema, sondern eine konkrete Marktbetrachtung aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise.

Leistungsnähe und Substituierbarkeit

Frage: Dienen die Angebote dem gleichen Bedarf oder lösen denselben Use-Case?
Woran Sie es erkennen: vergleichbare Produkt- oder Leistungsversprechen, ähnliche Features, alternative Geschäftsmodelle zum selben Zweck (Kauf vs. Miete/Abo, Vor-Ort-Service vs. Remote).
Tendenz: Je klarer die funktionelle Austauschbarkeit, desto näher liegt das konkrete Wettbewerbsverhältnis.

Zielgruppe und Ansprache

Frage: Treffen die Parteien dieselben Kundensegmente in derselben Entscheidungssituation?
Woran Sie es erkennen: gleich adressierte Personas in Landingpages und Anzeigen, ähnliche Preisanker, vergleichbare Nutzenargumente und Customer Journeys.
Tendenz: Überlappende Zielgruppen sprechen für Mitbewerberschaft, strikt getrennte Segmente eher dagegen.

Räumlicher Markt und Vertriebswege

Frage: Können Kunden im gleichen Gebiet über vergleichbare Kanäle tatsächlich wählen?
Woran Sie es erkennen: Regionalseiten, Liefer- und Terminoptionen, Click & Collect, Geo-Targeting, Präsenz auf Marktplätzen/App-Stores/Vergleichsportalen.
Tendenz: Reale Kauf- oder Buchungsoptionen im gleichen Gebiet stützen die Marktnähe; rein theoretische Reichweiten helfen wenig.

Zeitlicher Bezug und Wettbewerbsdynamik

Frage: Gibt es eine zeitliche Überschneidung der Marktaktivitäten?
Woran Sie es erkennen: laufende Kampagnen, produktbezogene Peaks, Preorder/Soft-Launch, Listungen.
Tendenz: Sichtbare Vorbereitungshandlungen und parallele Aktivität erhöhen die Nähe; bloße Pläne reichen meist nicht.

Touchpoints und Beleglage

Frage: Lässt sich die Marktberührung nachvollziehbar dokumentieren?
Woran Sie es erkennen: Screenshots von Suche → Anzeige → Landingpage → Checkout/Termin, Preislisten, Testkäufe, Ranking-/Keyword-Daten, Kundenkommunikation.
Tendenz: Eine geschlossene Belegkette überzeugt stärker als Einzelbeispiele.

Schnellbewertung

Wenn in allen fünf Blöcken deutliche Überschneidungen bestehen, ist die Mitbewerbereigenschaft regelmäßig gut begründbar. Bei Lücken empfiehlt sich eine gezielte Nachrecherche: fehlende Zielgruppenbelege nachziehen, Liefer- oder Terminoptionen dokumentieren, Testkauf ergänzen.

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Fazit

Die Mitbewerbereigenschaft ist der Dreh- und Angelpunkt lauterkeitsrechtlicher Ansprüche. Wer sie sauber herleitet, schafft die Grundlage für Unterlassung, Beseitigung, Auskunft und ggf. Schadensersatz; wer sie unterschätzt, riskiert Kosten und Taktiknachteile. Maßgeblich bleibt die Gesamtschau aus Leistungsnähe, räumlichem Markt und Vertriebswegen, zeitlicher Überschneidung sowie der funktionellen Austauschbarkeit aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise.

Praxistaugliche Zusammenfassung

– Stellen Sie den Use-Case in den Mittelpunkt: Lösen beide Angebote denselben Bedarf, sodass Kunden real alternativ entscheiden?
– Prüfen Sie Zielgruppe und Touchpoints: Treffen die Parteien Kunden über vergleichbare Kanäle im relevanten Gebiet?
– Sichern Sie eine geschlossene Belegkette: Suche → Anzeige → Landingpage → Abschlussmöglichkeit (oder Termin/Lieferung), ergänzt um Preislisten, Regionalseiten, Testkäufe.
– Formulieren Sie Ansprüche am konkreten Verletzungsbild entlang und denken Sie kerngleiche Varianten mit.
– Planen Sie Beseitigungsschritte technisch mit (Redirects, De-Indexierung, App-/Marketplace-Anpassungen), damit die Wirkung nachhaltig ist.

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