Missbrauch des PayPal-Käuferschutzes führt zur Zahlung

Was als Sicherheitsnetz für Verbraucher gedacht war, kann bei Missbrauch zum rechtlichen Bumerang werden: Der PayPal-Käuferschutz schützt Käufer bei Problemen im Online-Handel – allerdings nicht grenzenlos. Wer sich auf unredliche Weise Vorteile verschafft, muss mit deutlichen Konsequenzen rechnen. Das zeigt ein aufsehenerregendes Urteil des Amtsgerichts Berlin-Wedding vom 13. Februar 2025 (Az. 13 C 5138/24), das Klarheit in einem bisher rechtlich umstrittenen Feld schafft.
Der Fall: Widerruf erklärt – Geld zurückgeholt – Ware behalten
Ein Verbraucher bestellte online ein sogenanntes Balkonkraftwerk (eine Stecker-Solaranlage) und bezahlte den Betrag von 289 Euro über PayPal. Wenige Tage nach der Lieferung machte er von seinem Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB Gebrauch – ein grundsätzlich legitimer Schritt bei Fernabsatzgeschäften.
Doch anstatt die Ware zurückzusenden oder zumindest eine Rücksendung zu organisieren, beantragte der Käufer am 28. August 2024 bei PayPal eine Rückbuchung – mit der bewusst falschen Behauptung, die Ware nicht erhalten zu haben. PayPal erstattete daraufhin den Kaufpreis und buchte ihn vom Konto der Verkäuferin ab.
Die Verkäuferin teilte dem Kunden zuvor ausdrücklich mit, dass sie von ihrem Zurückbehaltungsrecht (§ 357 Abs. 4 BGB) Gebrauch mache und eine Rückzahlung erst nach Rücksendung der Ware erfolgen werde.
Dennoch geschah nichts – der Käufer behielt das Produkt und das Geld. Für die Händlerin war das der denkbar ungünstigste Fall: Ware weg, Zahlung storniert, Rückgabe verweigert. Sie erhob Klage.
Die zentrale Rechtsfrage: Wie weit reicht der Käuferschutz?
Die juristische Kernthematik des Rechtsstreits war nicht der Widerruf an sich, sondern die Art und Weise der Rückabwicklung – und ob der Käufer durch die PayPal-Rückbuchung auf unzulässige Weise seine vertraglichen Pflichten umgangen hat.
Das AG Berlin-Wedding hatte zu entscheiden:
- Gilt der gesetzliche Rückabwicklungsmechanismus trotz PayPal-Rückbuchung weiterhin?
- Darf ein Käufer mit falschen Angaben eine Rückerstattung erwirken und damit beide Leistungen (Ware & Geld) vereinnahmen?
- Steht dem Händler weiterhin ein Zahlungsanspruch zu?
Das Urteil: Rückbuchung ersetzt keine Rückgabe – Zahlungspflicht bleibt bestehen
Das Amtsgericht entschied klar: Der Käufer ist zur Zahlung verpflichtet. Die Rückbuchung über PayPal ändere nichts an den gesetzlichen Anforderungen.
Entscheidende Erwägungen des Gerichts:
- Der Käufer habe mit der falschen Behauptung, die Ware nicht erhalten zu haben, den Käuferschutz missbräuchlich genutzt.
- Er habe damit die gesetzlich vorgesehene Rückabwicklung nach Widerruf umgangen und sich zu Unrecht bereichert.
- Das Verhalten verletze die vertragliche Leistungstreuepflicht und stelle eine unzulässige Selbstermächtigung zur Rückabwicklung dar.
- Der Zahlungsanspruch der Verkäuferin bleibe bestehen, auch wenn PayPal den Betrag bereits zurückgezahlt hat.
Der Käufer wurde zur Zahlung von 289 Euro, Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten (ca. 45 Euro) verurteilt.
Die Rechtslage im Detail
1. Widerruf und Rückabwicklung (§§ 355, 357 BGB)
Widerruft ein Verbraucher einen Online-Kauf, entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis: Der Händler muss den Kaufpreis erstatten, der Verbraucher die Ware zurückgeben.
2. § 357 Abs. 4 BGB: Das Zurückbehaltungsrecht des Unternehmers
Der Händler darf die Rückzahlung des Kaufpreises verweigern, bis:
- die Ware zurückgesandt wurde oder
- ein Versandnachweis vorliegt.
Dies schützt Händler davor, Ware und Geld gleichzeitig zu verlieren.
Im vorliegenden Fall hatte die Verkäuferin von diesem Recht ordnungsgemäß Gebrauch gemacht und dies dem Käufer mitgeteilt.
3. PayPal-Käuferschutz: Kein „Freifahrtschein“
Der PayPal-Käuferschutz ist eine dienstleistungsinterne Kulanzregelung, keine gesetzliche Vorschrift. Er enthebt Käufer nicht von ihren zivilrechtlichen Pflichten.
Die Rückbuchung via PayPal ersetzt nicht die gesetzlich vorgesehene Rückgabe der Ware. Wer dies versucht, missbraucht das System – mit der Folge, dass er rechtlich weiterhin zur Zahlung verpflichtet bleibt.
Die Argumente des Käufers – und warum sie nicht zählten
Der Käufer versuchte, sein Verhalten zu rechtfertigen:
- Die Ware sei sperrig und schwer, Rücksendung daher unzumutbar.
- Es habe keine Abstellgenehmigung gegeben.
- Der Händler habe ihn nicht über die Kosten der Rücksendung informiert.
Das Gericht wies alle Einwände zurück:
- Größe oder Gewicht der Ware entbinden nicht von der Rückgabepflicht.
- Eine unterlassene Rücksendekostenbelehrung führt höchstens dazu, dass der Händler die Kosten tragen muss – nicht dazu, dass der Käufer die Ware behalten darf.
- Es gilt: Erst Ware zurück, dann Geld zurück.
Praktische Bedeutung: Was das Urteil für Verbraucher und Händler bedeutet
Für Verbraucher:
- Käuferschutz ist kein rechtlicher Freibrief.
- Rückerstattungen über PayPal müssen wahrheitsgemäß begründet sein.
- Wer Ware und Geld gleichzeitig behält, riskiert Klage, Zinsen und Kosten.
- Bei Widerruf ist die Rücksendung der Ware Pflicht – auch bei großen Artikeln.
Für Händler:
- Aktives Ausüben des Zurückbehaltungsrechts ist entscheidend.
- Dokumentieren Sie die Lieferung und kommunizieren Sie Ihre Bedingungen klar.
- PayPal-Rückbuchungen können juristisch gekontert werden.
- Gerichte bestätigen: Zivilrecht hat Vorrang vor Plattformregelungen.
Fazit: Vertrags- und Gesetzestreue schlagen Zahlungsdienstleister
Das Urteil des AG Berlin-Wedding ist ein Leitfall für die rechtliche Bewertung von PayPal-Rückbuchungen im Kontext des Widerrufsrechts. Es schafft dringend benötigte Klarheit:
Der PayPal-Käuferschutz schützt nicht vor gesetzlichen Verpflichtungen.
Wer die Rückgabe verweigert, bleibt zur Zahlung verpflichtet.
Plattformentscheidungen binden nicht das Zivilrecht.
Für Verbraucher wie Unternehmer gilt: Die Regeln des BGB gelten auch im digitalen Zahlungsverkehr – Wer sie ignoriert, zahlt am Ende doppelt.
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